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Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha - Erstes Buch

Miguel de Cervantes Saavedra
Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha - Erstes Buch
Miguel de Cervantes Saavedra

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Vorrede

Müßiger Leser! Ohne Eidschwur kannst du mir glauben, daß ich wünschte, dieses Buch, als der Sohn meines Geistes, wäre das schönste, stattlichste und geistreichste, das sich erdenken ließe. Allein ich konnte nicht wider das Gesetz der Natur aufkommen, in der ein jedes Ding seinesgleichen erzeugt. Und was konnte demnach mein unfruchtbarer und unausgebildeter Geist anderes erzeugen als die Geschichte eines trockenen, verrunzelten, grillenhaften Sohnes, voll von mannigfaltigen Gedanken, wie sie nie einem andern in den Sinn gekommen sind? Eben eines Sohnes, der im Gefängnis erzeugt wurde, wo jede Unbequemlichkeit ihren Sitz hat, jedes triste Gelärm zu Hause ist. Friedliche Muße, eine behagliche Stätte, die Lieblichkeit der Gefilde, die Heiterkeit des Himmels, das Murmeln der Quellen, die Ruhe des Geistes tragen viel dazu bei, daß die unfruchtbarsten Musen sich fruchtbar zeigen und dem Publikum Erzeugnisse bieten, die es mit Bewunderung und Freude erfüllen.

Es geschieht wohl, daß ein Vater einen häßlichen Sohn besitzt, der aller Grazie bar ist, und die Liebe, die er für ihn hat, legt ihm eine Binde um die Augen, daß er dessen Fehler nicht sieht, vielmehr sie für witzige und liebenswürdige Züge erachtet und sie seinen Freunden als scharfsinnige und anmutige Äußerungen erzählt. Jedoch ich, der ich zwar der Vater Don Quijotes scheine, aber nur sein Stiefvater bin, ich will nicht mit dem Strom der Gewohnheit schwimmen, noch dich, teurer Leser, schier mit Tränen in den Augen bitten, wie andre tun, daß du die Fehler, die du an diesem meinem Sohne finden magst, verzeihen oder nicht sehen wollest; denn du bist weder sein Verwandter noch sein Freund, hast deinen eignen Kopf und deinen freien Willen wie der Allertüchtigste auf Erden und sitzest in deinem Hause, darin du der Herr bist wie der König über seine Steuergelder, und weißt, was man gemeiniglich zu sagen pflegt: unter meinem Mantel kann ich den König umbringen. Alles dieses enthebt und befreit dich von jeder Rücksicht und Verpflichtung, und so kannst du von dieser Geschichte alles sagen, was dir gut dünkt, ohne zu besorgen, daß man dich schelte ob des Bösen, noch belohne ob des Guten, das du von ihr sagen magst.

Nur hätte ich sie dir gerne bar und nackt geben mögen, nicht aufgeputzt mit einer Vorrede und dem unzählbaren Haufen und Katalog der üblichen Sonette, Epigramme und Lobgedichte, die man den Büchern an den Eingang zu setzen pflegt. Denn ich kann dir sagen, obschon diese Geschichte zu schreiben mich manche Mühe gekostet hat, so erschien mir doch keine größer, als diese Vorrede auszuarbeiten, die du hier liesest. Oft nahm ich die Feder, um sie niederzuschreiben, und oft ließ ich sie wieder fallen, weil ich nicht wußte, was ich schreiben sollte. Und wie ich einmal so unschlüssig dasaß, mit dem Papier vor mir, die Feder hinter dem Ohr, den Ellbogen auf dem Schreibtisch und die Hand an der Wange, erwägend, was ich sagen sollte, da trat unversehens ein Freund von mir herein, ein Mann von Witz und großer Einsicht; und als er mich so nachdenklich sah, fragte er mich um die Ursache. Ich hielt nicht damit zurück und sagte ihm, ich dächte über die Vorrede nach, die ich zur Geschichte des Don Quijote schreiben müsse und um derentwillen ich mich in einem solchen Zustand befände, daß ich sie gar nicht schreiben und ebensowenig die Taten dieses so edlen Ritters ans Licht treten lassen wolle.

»Denn wie könnt Ihr verlangen, daß mich die Vorstellung: ›Was wird jener alte Gesetzgeber, den man den großen Haufen nennt, dazu sagen?‹ nicht ratlos mache, wenn er sehen wird, daß nach so vielen Jahren, seit ich im Schweigen der Vergessenheit schlafe, ich jetzt mit all meinen Jahren auf dem Halse mit einer Mär hervortrete, die da so dürr ist wie Dünengras, aller Erfindung bar, mangelhaft im Stil, arm an geistreichem Spiel der Worte und aller Gelehrsamkeit und Wissenschaft entbehrend, ohne Zitate am Rand und ohne Notate am Schluß des Buches; dieweil doch, wie ich sehe, andre Bücher alles dies haben und, selbst wenn sie fabelhaften und weltlichen Inhaltes sind, so voll von Aussprüchen des Aristoteles, des Plato und der ganzen Schar von Philosophen einhersteigen, daß sie die Leser in Staunen setzen und daß diese deren Verfasser für belesene, gelehrte und wohlberedte Männer halten. Und wie erst, wenn sie die Heilige Schrift anführen! Man möchte nicht anders glauben, als daß sie lauter heilige Thomase sind oder andre Kirchenlehrer, und dabei beobachten sie die Schicklichkeit so geistvoll, daß, wenn sie in einer Zeile einen verliebten Bruder Liederlich gemalt haben, sie in der nächsten ein Stücklein christlicher Predigt hinschreiben, daß es ein Vergnügen und Genuß ist, es anzuhören oder zu lesen. Alles dessen muß mein Buch entbehren, denn ich habe nichts am Rand zu zitieren, nichts am Schluß zu notieren, und noch weniger weiß ich, welchen Autoren ich in meinem Buche folge, um sie, wie alle tun, nach dem Abc an den Eingang zu stellen, beim Aristoteles anfangend und endigend mit Xenophon und mit Zoilus oder Zeuxis – obschon der eine ein Lästermaul und der andre ein Maler war. Auch wird es meinem Buche an Sonetten zum Eingang fehlen, wenigstens an solchen, die von Herzogen, Marquesen, Grafen, Bischöfen, Edeldamen oder weltberühmten Poeten verfaßt wären. Freilich, wenn ich mir solche von zwei oder drei befreundeten Handwerksburschen erbäte, so weiß ich, sie würden sie mir geben, und zwar so gute, daß ihnen die jener Herren nicht gleichkämen, die am meisten Ruf in unsrem Spanien haben.

Kurz, werter Herr und Freund«, fuhr ich fort, »ich habe beschlossen, daß der Herr Don Quijote in seinen Archiven in der Mancha begraben bleiben soll, bis der Himmel jemanden beschert, der ihn mit so vielen Dingen, die ihm jetzt fehlen, ausschmücke; denn ich fühle mich wegen meiner Unzulänglichkeit und meiner mangelhaften literarischen Bildung unfähig, hier abzuhelfen, und bin auch von Natur zu bequem und zu träge, um nach Autoren suchen zu gehen, die da sagen sollen, was ich für mich schon ohne sie sagen kann. Daher kommt's, daß ich so unschlüssig und aufgeregt war, wie Ihr mich gefunden habt; und sicher war der Grund, den ich Euch dargelegt habe, ein genügender, um mich in solche Zustände zu versetzen.«

Als mein Freund das hörte, schlug er sich mit der flachen Hand an die Stirn, und in ein mächtiges Gelächter ausbrechend, sagte er zu mir: »Bei Gott, Gevatter, jetzt erst werde ich eines Irrtums völlig los, in dem ich die lange Zeit her lebte, seit ich Euch kenne, denn bisher hielt ich Euch immer in allen Euren Handlungen für verständig und besonnen. Aber jetzt sehe ich, daß Ihr so fern davon seid wie der Himmel von der Erde. Wie ist es möglich, daß Dinge von so geringer Bedeutung, und denen so leicht abzuhelfen ist, die Macht haben, einen so reifen Geist zu beirren und zu verwirren wie den Eurigen, der so dazu angetan ist, weit größere Schwierigkeiten zu bewältigen und aus dem Wege zu räumen? In Wahrheit, das kommt nicht vom Mangel an Geschick, sondern aus Überfluß an Trägheit und aus Denkfaulheit. Wollt Ihr sehen, ob ich die Wahrheit sage? Nun, so schenkt mir einige Aufmerksamkeit, und da werdet Ihr finden, wie ich im Handumdrehen all Eure Bedenklichkeiten zunichte mache und Euch alles das herbeischaffe, dessen Mangel, wie Ihr sagt, Euch so verlegen macht und entmutigt, daß Ihr es aufgebt, die Geschichte Eures berühmten Don Quijote, des Lichtes und Spiegels der gesamten fahrenden Ritterschaft, ans Licht der Welt treten zu lassen.«

»Sagt«, entgegnete ich ihm, als ich dies hörte, »auf welche Weise wollt Ihr die Leere meiner Besorgnis ausfüllen und Helle in das Chaos meiner Verlegenheit bringen?«

Darauf antwortete er: »Das erste, woran Ihr Euch stoßt, nämlich daß Sonette, Epigramme oder Lobgedichte Euch für den Eingang des Buches fehlen, und zwar solche, die von Personen von Ansehen und Adel herrühren – dem kann dadurch abgeholfen werden, daß Ihr selbst einige Mühe darauf wendet, sie anzufertigen, und nachher könnt Ihr sie taufen und jeden Namen, der Euch beliebt, daruntersetzen und könnt sie dem Priester Johannes aus Indien oder dem Kaiser von Trapezunt als Kinder unterschieben, da man von ihnen, wie ich weiß, Nachricht hat, sie seien berühmte Poeten gewesen; und wenn sie es auch nicht gewesen wären und wenn es dann ein paar Pedanten und Schwätzer gäbe, die hinterrücks nach Euch beißen und gegen Eure Angabe belfern wollten, so achtet das nicht eines Dreiers wert; denn wenn sie Euch auch die Lüge nachweisen, so werden sie Euch doch nicht die Hand abhauen, mit der Ihr's geschrieben habt.

Was nun den Punkt betrifft: am Rande die Bücher und Schriftsteller aufzuführen, woraus Ihr die Lehrsprüche und Kernworte entlehnt, die Ihr in Eurer Geschichte anwendet, so braucht es weiter nichts, als es so einzurichten, daß hie und da zu gelegener Zeit etliche Sprüche oder lateinische Brocken vorkommen, die Ihr etwa schon auswendig wißt oder die aufzusuchen Euch doch nur geringe Mühe kostet; wie zum Beispiel, wenn Ihr da, wo Ihr von Freiheit und Gefangenschaft handelt, folgendes hinschreibt:

Non bene pro toto Libertas venditur auro –

und dann gleich am Rande den Horaz anführt, oder wer sonst es gesagt haben mag. Wenn Ihr etwa von der Gewalt des Todes handelt, dann gleich herbei mit:

Pallida mors aequo pulsat pede pauperum tabernas,
Regumque turres.

Wenn von der Freundschaft und Liebe, die Gott befiehlt gegen den Feind zu üben, dann gleich auf der Stelle in die Heilige Schrift hineingegriffen, was Ihr mit einem wenigen von Beflissenheit fertigbringen könnt, und entlehnt nichts Geringeres als Gottes eigene Worte: Ego autem dico vobis: diligite inimicos vestros. Wenn Ihr von bösen Gedanken handelt, so kommt mit dem Evangelium herbei: De corde exeunt cogitationes malae. Wenn von der Unbeständigkeit der Freunde, so ist Cato da, Euch sein Distichon zu geben:

Donec eris felix, multos numerabis amicos;
Tempora si fuerint nubila, solus eris.

Und mit diesen lateinischen Brocken und anderen der Art werden sie Euch doch zum mindesten für einen Grammatiker halten, was zu sein heutzutage nicht wenig Ehre und Vorteil bringt.

In betreff des Schreibens von Anmerkungen zu Ende des Buches, das könnt Ihr mit aller Sicherheit folgendergestalt machen: Wenn Ihr in Eurem Buch irgendeinen Riesen nennt, so richtet es so ein, daß es der Riese Goliath sei, und allein schon damit, was Euch soviel wie nichts kosten wird, habt Ihr eine große Anmerkung, denn Ihr könnt hinsetzen: Der Riese Golías oder Goliath war ein Philister, den der Hirte David mit einem gewaltigen Steinwurf im Terebinthental tötete, wie solches im Buch der Könige berichtet wird, in dem und dem Kapitel, wo ihr es geschrieben finden könnt.

Hierauf, um Euch als gelehrt in den schönen Wissenschaften und als welt- und länderkundigen Mann zu zeigen, legt es so an, daß in Eurer Geschichte der Fluß Tajo genannt werde, und gleich seht Ihr Euch wieder mit einer wundersamen Anmerkung versorgt, indem Ihr hinsetzt: Der Fluß Tajo wurde nach einem spanischen Könige so benannt; er hat seinen Ursprung an dem und dem Ort und verliert sich im Großen Ozean, nachdem er die Mauern der berühmten Stadt Lissabon geküßt, und man meint, er führe Goldsand. Wenn Ihr etwa von Räubern handelt, will ich Euch die Geschichte von Cacus geben, denn ich weiß sie auswendig. Wenn von leichtfertigen Weibern, so ist der Bischof von Mondonedo zur Stelle, der Euch Lamia, Lais und Flora bieten wird, welche Anmerkung Euch ein großes Ansehen geben muß; wenn von grausamen, wird Euch Ovid die Medea hergeben. Wenn von Zauberinnen und Hexen, so hat Homer die Kalypso und Vergil die Kirke. Wenn von tapfern Feldherrn, so wird sich Euch kein Geringerer als Julius Cäsar selbst in seinen Kommentarien darbieten und Plutarch Euch tausend Alexander geben. Wollt Ihr von der Liebe handeln, so werdet Ihr mittels eines Lots Kenntnis von der toskanischen Sprache auf Leone Ebreo stoßen, der Euch das Maß bis zum Überlaufen füllen kann. Und wenn Ihr nicht in fremde Lande gehen wollt, so habt Ihr in Eurem Hause den Fonseca Von der Liebe zu Gott, worin alles inbegriffen ist, was Ihr und der Allersinnreichste nur immer bei einem solchen Gegenstand zu wünschen vermögt. Kurz, es braucht weiter nichts, als daß Ihr Euch die Mühe gebt, diese Namen zu nennen oder diese Geschichten, die ich hier bezeichnet habe, in der Eurigen zu berühren, und mir laßt dann die Sorge, die Notate und Zitate beizusetzen; ich schwör Euch drauf, ich will Euch die Ränder füllen und noch ein Dutzend Blätter am Ende des Buches verbrauchen.

Kommen wir nun zu der Anführung der Schriftsteller, die bei den andern Büchern üblich ist und die zu Eurem Buch fehlt. Die Abhilfe dafür ist sehr leicht, denn Ihr habt nichts weiter zu tun als ein Buch herbeizusuchen, das sie alle von A bis Z, wie Ihr sagt, bereits angeführt hat. Nun wohl, dies nämliche Abc setzt Ihr in Euer Buch; denn wenn man auch daraus, daß Ihr so gar wenig nötig hattet, die vielen Schriftsteller zu benutzen, die Lüge deutlich ersieht, so liegt nichts daran; und vielleicht gibt's immerhin jemanden, der so einfältig ist, zu glauben, Ihr hättet in Eurer einfachen und schlichten Geschichte sie doch alle benutzt. Und wenn auch zu weiter nichts, so wird jener große Katalog von Schriftstellern wenigstens dazu dienen, dem Buch auf einen Schlag Ansehen zu verschaffen. Zudem wird sich nicht leicht einer finden, der sich an die Untersuchung begibt, ob Ihr ihnen gefolgt oder nicht gefolgt seid, da ihm gar nichts daran liegen kann. Und dies ist um so mehr der Fall, da, wenn ich recht verstehe, dies Euer Buch nicht eines jener Dinge nötig hat, die, wie Ihr sagt, ihm fehlen; denn das Ganze ist nur ein Angriff auf die Ritterbücher, an die Aristoteles nie gedacht, von denen der heilige Basilius nichts gesagt und bis zu denen Cicero sich nicht verstiegen hat; und ebensowenig gehört in den Kreis seiner erdichteten Narreteien die strenge Genauigkeit geschichtlicher Wahrheit wie die Beobachtung der Sterndeuterei; auch sind ihm von keinem Wert die geometrischen Messungen noch die Widerlegung der Beweisführungen, deren sich die Redekunst bedient. Ebensowenig soll es irgendwem etwas vorpredigen und so das Menschliche mit dem Göttlichen vermischen – eine Art von Vermischung, die kein christlicher Geist zur Schau tragen soll. Ausschließlich soll es in allem, was es darstellt, sich der Nachahmung befleißigen, und um so vollkommener diese sein wird, um so besser wird ausfallen, was Ihr schreibt. Und da dies Euer Werk auf weiter nichts ausgeht, als das Ansehen und die Gunst zu zerstören, die die Ritterbücher in der Welt und bei der Masse genießen, so ist kein Grund, weshalb Ihr betteln gehen solltet um Kernsprüche der Weltweisen, um gute Lehren der Heiligen Schrift, Erfindungen der Dichter, hohe Worte der Redekünstler, Wunder der Heiligen; sondern Ihr habt nur darum bemüht zu sein, daß in schlichter Weise, mit bezeichnenden, anständigen und wohlgefügten Worten, Euer Stil und Satzbau klangvoll und anmutig dahinschreite; indem Ihr in allem, was Ihr erreichen könnt und was Euch möglich ist, Euern Endzweck getreulich darstellt und Eure Gedanken zum Verständnis bringt, ohne sie zu verwickeln und zu verdunkeln. Strebet auch danach, daß beim Lesen Eurer Geschichte der Schwermütige zum Lachen erregt werde, der Lachlustige noch stärker auflache, der Mann von einfachem Verstande nicht Überdruß empfinde, der Einsichtsvolle die Erfindung bewundere, der sinnig Ernste sie nicht mißachte und der Kenner nicht umhinkönne, sie zu loben. Mit einem Worte, richtet Euer Augenmerk darauf, das auf so schlechter Grundlage ruhende Gerüste jener Ritterbücher niederzureißen, die von so vielen verabscheut und von einer noch weit größeren Anzahl gepriesen werden; und wenn Ihr dieses Ziel erreicht, so werdet Ihr nichts Geringes erreicht haben.«

Mit tiefem Schweigen saß ich und hörte meinem Freunde zu, und so tief prägten sich mir seine Worte ein, daß ich, ohne eine Widerrede zu versuchen, ihnen meine Gutheißung erteilte und mir vornahm, aus diesen selben Worten meine Vorrede zusammenzutragen. In ihr also wirst du, holder Leser, die Verständigkeit meines Freundes ersehen sowie mein gutes Glück, in einem so bedrängten Augenblicke einen solchen Ratgeber gefunden zu haben, und zugleich die Quelle deiner eigenen Befriedigung darüber, daß du die Geschichte des berühmten Don Quijote von der Mancha so lauter und so ganz ohne Abirrungen erhältst; des Mannes, von dem unter allen Bewohnern des Gefildes von Montiel die Meinung geht, daß er der keuscheste Liebhaber und der tapferste Ritter gewesen, den man von vielen Jahren her bis zu dieser Zeit in jenen Gegenden gesehen. Ich will den dir geleisteten Dienst, daß ich dich einen so edlen und ehrsamen Ritter kennen lehre, nicht zu hoch anschlagen; aber danken sollst du mir, daß du Bekanntschaft mit seinem Schildknappen, dem berühmten Sancho Pansa, machst, in welchem ich dir, nach meiner Ansicht, den Inbegriff aller knappenhaften Witze vorführe, die in dem Haufen der Ritterbücher sich zerstreut finden.

Und hiermit, Gott möge dir Heil gewähren und mich nicht vergessen. Leb wohl.

Urganda die Unerkannte an das Buch Don Quijote von der Mancha

Wenn zu Trefflichen zu ko-mmen
Du, mein Buch, erstreben ka-nnst,
Wird dir kein Gelbschnabel sa-gen,
Daß du es nicht gut getro-ffen.
Doch packt Ungeduld dich o-ft,
Weil du Eseln wirst zu ei-gen,
Wirst du sehn im Nu, daß kei-ner
Auf den Kopf den Nagel tre-ffe,
Ob er sich die Finger le-cke,
Sich als Mann von Geist zu zei-gen.

Und da die Erfahrung spri-cht:
Wer an guten Baum sich le-hnt,
Daß den guter Schatten de-ckt,
Beut dein Stern in Béjar di-r
Einen Baum, der königli-ch,
Fürsten trägt als seine Frü-chte
Und an dem ein Herzog blü-ht,
Der ein neuer Alexa-nder;
Wage dich in seinen Scha-tten,
Denn dem Kühnen lacht das Glü-ck.

Abenteuer sollst du si-ngen
Eines Ritters aus der Ma-ncha,
Dem der Bücher hohler Ta-nd,
Die er las, den Kopf verwi-rrte.
Frauen, Waffen, edle Ri-tter
Hatten so ihn eingeno-mmen,
Daß er wie Roland der to-lle
Ganz von Liebeswut befa-ngen
Sich errang mit starken A-rmen
Dulcinea von Tobo-so.

Male du nicht eitle Bi-lder
Auf den Schild, denn wenn der he-ftige
Spieler stets auf Bilder se-tzt,
Wird er gegen As verli-eren.
Sei demütig in der Wi-dmung!
Und dann wird kein Spötter ru-fen:
Welch ein Konnetabel Lu-na,
Welch karthagischer Hanniba-l,
Welch ein König Franz in Spa-nien
Will noch übers Schicksal mu-rren!

Da der Himmel nicht gewo-llt,
Daß so viel Latein du wi-ssest
Als der Neger Juan Lati-no,
Meide du lateinische Bro-cken.
Nicht zitier mir Philosophen,
Sei nicht überfein haarspa-lterisch;
Sonst verzieht den Mund zum La-chen
Wer den Pfiff versteht, und ru-ft
Gellend dir ins Ohr den Spru-ch:
Warum Kniffe mir und Phra-sen?

Nicht beschreib in breitem Schwu-lst
Fremder Leute Lebensba-hn;
Weitab stehn und liegen la-sse
Dinge, die dem Leser Wu-rst.
Dem schlägt man auf die Kapu-ze,
Der zu breit sich macht mit Wi-tz,
Du arbeite nur und schwi-tze,
Zu erringen guten Ru-f;
Denn wer Albernheiten dru-ckt,
Leiht sie aus auf ewige Zi-nsen.

Merke dir: der ist ein Na-rr,
Der da unterm Glasdach wei-lt
Und trotzdem nach Steinen grei-ft
Und sie wirft auf Nachbars Da-ch.
Doch der Mann von Urteilskra-ft
Geht bei allem, was er schrei-bt,
Als war Blei an seinen Bei-nen;
Und wer das Papier bedru-ckt,
Um Backfischchen zu erlu-sten,
Hat versimpelt seine Zei-t.

Amadís von Gallien an Don Quijote von der Mancha

Sonett

O du, in dem die Lieb Nachahmung weckte
Des Tränenlebens, das mich quält' und plagte,
Als auf dem Armutsfelsen ich verzagte,
Weil mich Entfernung und Verschmähung schreckte;

Du, der zum Trank der Augen Salzflut leckte
Und dem zur Mahlzeit, wenn dich Hunger nagte
Und Silber, Zinn und Kupfer dir versagte,
Die Erd auf harter Erd ein Tischchen deckte;

Leb du in Zuversicht, daß dir auf immer
– So lang zum mindsten, als die Feuerpferde
Apollos in der vierten Sphäre kreisen –

Dein Name hell wird sein von Ruhmesschimmer,
Dein Vaterland das erst' auf dieser Erde,
Dein Autor einzig unter allen Weisen.

Don Belianis von Griechenland an Don Quijote von der Mancha

Sonett

Ich brach, hieb, sprach, schlug Beulen, hab vollbracht
Mehr als der fahrenden Ritter ganz Geschlecht,
Kühn, brav, stolz, tausend Frevel schwer gerächt
Und hunderttausend wiedergutgemacht.

Der Ruhm verewigt meiner Taten Pracht;
Stets war mein Lieben sanft, freigebig, echt.
Im Zweikampf war ich jeder Pflicht gerecht;
Ein Riese galt als Zwerg mir in der Schlacht.

Zu Füßen mir hatt ich Fortuna liegen;
Am Stirnhaar hielt mein schlauer Sinn mit Spotte
Die kahle Glatze der Gelegenheit.

Doch hob sich auch mein Glück im steten Siegen
Über des Mondes Hörner – Don Quijote,
Auf deine Heldentaten hab ich Neid.

Die Dame Oriana an Dulcinea von Toboso

Sonett

O schöne Dulcinee! Hätt ich's vollbracht,
Mein Miraflores einst, mir zum Ergetzen
Und Labsal, nach Toboso zu versetzen,
Mit deinem Dorf zu tauschen Londons Pracht!

O zierte deine Denkart, deine Tracht
Mir Seel und Leib! wie froh würd ich mich schätzen,
Den Ritter, der beglückt in deinen Netzen,
Zu schaun im Kampfe gegen Übermacht!

Hätt ich's vollbracht, mit keuschem Sinn zu meiden
Herrn Amadís, wie du dem höflich feinen
Quijote dich entzogst trotz seinen Qualen!

Ich wär beneidet dann, statt zu beneiden,
Blieb froh statt traurig und genoß den reinen
Glücksbecher, ohne Zeche zu bezahlen.

Gandalin, Schildknappe des Amadís von Gallien, an Sancho Pansa, den Schildknappen Don Quijotes

Sonett

Heil, edler Mann, dir! Als des Schicksals Macht
Dich mit dem Amt des Knappentums belohnt,
Hat's dich mit allem Pech so ganz verschont,
Daß deine Pflichten du mit Glanz vollbracht.

Jetzt wird nicht Sens und Spaten mehr verdacht
Den fahrenden Knappen, simpler Geist nun wohnt
Im Knappentum; der Hochmut, der den Mond
Mit Füßen treten will, wird ausgelacht.

Ich neide deinen Ruhm, dein Eselein;
Jedoch dein Zwerchsack, der dich kennen lehrt
Als höchst fürsichtig, geht mir noch darüber.

Heil nochmals dir, du Biedrer, dem allein
Hat unser spanischer Ovid gewährt
Ehrsamen Gruß mit einem Nasenstüber.

Von dem Zierlichen, dem Poeten für Allerhand, auf Sancho Pansa

Sancho Pansa bin ich, Kna-ppe
Des Manchaners Don Quijo-te;
Einst hab ich Reißaus geno-mmen,
Meines Lebens klug zu wa-rten.
Villadiego sah das Ga-nze
Der Politik in der Le-hre,
Aus Gefahr sich fortzuste-hlen;
Also sagt die Celesti-na,
Die ein göttlich Buch mir schi-ene,
Wenn's nicht gar zu menschlich wä-re.

auf Rosinante

Des Babieca Enkelso-hn,
Rosinante hochberü-hmt,
Meine Schwächen abzubü-ßen,
Dient ich einem Don Quijo-te;
War im Langsamlaufen gro-ß;
Doch dem gaulhaft klugen Si-nn
Nie ein Gerstenkorn entgi-ng;
Was mich Lazarillo le-hrte,
Der, dem Blinden Wein zu ste-hlen,
Sich ins Maul den Strohhalm hi-elt.

Der rasende Roland an Don Quijote von der Mancha

Sonett

Du bist kein Großer zwar des Reichs, indessen
Muß man als Größten dich der Großen ehren,
Du Sieger, unbesiegt von ganzen Heeren;
Dir gleich zu sein, darf keiner sich vermessen.

Von Liebe zu Angelika besessen,
Zog rasend ich, Roldán, zu fernen Meeren,
Und Opfer bracht ich auf des Ruhms Altären,
Daß nie mein Name sinket in Vergessen.

Obschon du den Verstand wie ich verloren,
Kann ich dir gleich nicht sein; das Weltall schätzt
Weit höher deinen Ruf und deine Taten.

Mir wirst du gleich, wenn du den stolzen Mohren,
Den wilden Skythen bändigst, der uns jetzt
Gleich nennt im Lieben, das vom Glück verraten.

Der Sonnenritter an Don Quijote von der Mancha

Sonett

Nie hat mein Schwert so kühn wie deins gedroht,
Du span'scher Phöbus, du voll Lieb und Witz,
Und deinem Arm weicht meiner, der als Blitz
In Ost und West viel Feinde schlug zu Tod.

Den Thron verschmäht ich, den die Welt mir bot,
Verließ im Orient den Königssitz
Für Claridianas Anblick, denn mich litt's
Nur, wo ich sah mein holdes Morgenrot.

Heiß liebt ich sie, das hehre Wunderbild;
Als sie mich kalt verstieß, griff ich die Rotte
Der Höllen an, die ich mit Schrecken schlug.

Doch du, ein echter Gote, wild und mild,
Bist ewig groß durch Dulcinee, Quijote,
Und sie durch dich berühmt als keusch und klug.

Solisdan an Don Quijote von der Mancha

Sonett

Junger Quijote, so Ihr Euch geschwächt
Das Hirn und seid zur Narrenzunft gesprochen,
So sagt kein Mensch doch, daß Ihr was verbrochen,
Noch eines Schelmenstücks Euch habt erfrecht.

Wohl Eure Taten sitzen drob zu Recht.
Auf Ritterfahrt habt Frevel Ihr gerochen,
Und tausendmal zerschlugen Euch die Knochen
Manch böser Wicht und mannich loser Knecht.

Und so dich Dulcinee gen Euch erbost
Und tut Euch Leids und bringt Euch auf den Hund
Und Eurem Weh kein willig Labsal gibt,

In solchen Nöten sei Euch dies zum Trost:
Daß Sancho sich aufs Kuppeln nicht verstund,
Ein Dummkopf er, sie hart, Ihr nicht verliebt.

Zwiegespräch zwischen Babieca und Rosinante

Sonett

B. So hager, Rosinante, so verschlissen?
R. Weil's Arbeit stets und niemals Futter gab.
B. Wirft Euch der Dienst nicht Stroh und Gerste ab?
R. Mein Herr verabreicht mir nicht einen Bissen.

B. Ihr loser Knecht, schämt Euch in Eu'r Gewissen!
Ein Eselsmaul reißt seinen Herrn herab.
R. Er ist ein Esel von der Wieg ans Grab;
Seht nur, wie er der Liebe sich beflissen!

B. Ist Lieben Torheit? R. Doch nicht viel Vernunft.
B. Du bist ein Philosoph. R. Das kommt vom Hungern.
B. Verklagt den Diener, der auf Euch nichts wandte.

R. Wem sollt ich's klagen bei der Bettlerzunft,
Wo Herr und Diener in der Welt rumlungern
Und grad so schäbig sind wie Rosinante?


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