Vorwürfe gegen Dortmunder AfD-Kandidat Matthias Helferich

Schütze (A)
Matthias Helferich (Archivfoto) will für die AfD in den Bundestag einziehen. © Schütze (A)
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Seit vielen Wochen belastet die AfD in NRW und im Bund eine Affäre um angebliche Chataussagen aus 2017 vom stellvertretenden Landesvorsitzenden Matthias Helferich aus Dortmund. Er soll sich darin unter anderem als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnet haben und beschrieb sich angeblich in Anspielung auf den NS-Richter als „demokratischen Freisler“.

Helferich wurde bei der Listenaufstellung im Mai für den Landesverband NRW auf den sicheren siebten Platz für den Bundestag gewählt.

AfD findet auf die Affäre keine Antwort

Am Montag ist der Bundesvorstand der AfD „zu keinem Ergebnis gekommen“, schreibt der Landesvorsitzende der AfD Rüdiger Lucassen. Zu dem schwebenden Verfahren wollte sich Lucassen trotz mehrfacher Anfragen nicht äußern. Der ehemalige Bundeswehroffizier gilt als enger Verbündeter Helferichs.

Helferich wurde in Berlin zur Sache gehört und soll die Aussagen offenbar als witzig bezeichnet haben, ohne aber die Autorenschaft explizit anzuerkennen, so eine interne Quelle. Nun soll der Bundesvorstand erneut am 2. August dazu beraten, so der Sprecher der AfD.

Auch nach mehren Wochen konnte der Bundesvorstand nicht klären, ob die Aussagen tatsächlich von Helferich stammen. Im vorliegenden Beschluss aus Berlin steht weiterhin „angebliche Chatäußerungen“.

In der Affäre ist der Landesvorstand der AfD gespalten. Michael Schild, ein weiterer AfD-Vize in NRW, warnte die Bundesvorsitzenden der AfD Tino Chrupalla und Jörg Meuthen, dass die Affäre das „Potential“ habe, die AfD in NRW „nachhaltig zu schädigen und, wenn nicht sogar zu vernichten“.

Auf Anfrage von CORRECTIV bestätigt diese Sichtweise auch der Landesschatzmeister Heinz Burghaus. Erst am Dienstag, 27.7., hätten die anderen Vorstandsmitglieder die Unterlagen erhalten, sagt Burghaus gegenüber CORRECTIV. Am Mittwochabend (28.7.) beriet der Landesvorstand die Causa in einer Videokonferenz – konnte aber nach Aussage von Burghaus keinen einheitlichen Beschluss zur Sache fassen.

Sollten die Aussagen so gefallen sein, gebe es keine „Hermeneutik des Textköpers“, es handele sich auch nicht um eine „Jugendsünde“ und „sowas gehört nicht in die AfD!“. In der Email schreibt der AfD-Politiker auch, dass es zu „einer gemeinsamen Stellungnahme des Landesvorstandes“ nicht kommen werde.

Helferich hat bisher die ihm zugeschriebenen Aussagen weder bestätigt noch dementiert. Er drohte Anfang Juli rechtliche Schritte an und berief sich auf die „informationelle Selbstbestimmung“.

„Ich habe mich seit ich politisch denke voller Bewunderung für das Ansehen und historische Erbe des deutschen Widerstandes um Claus Schenk Graf von Stauffenberg eingesetzt“, schreibt Helferich Anfang Juli und versendet ein Foto, das ihn mit einem T-Shirt mit einem Schattenschnitt von Stauffenberg zeigt. Weitere Anfragen ließ Helferich seither mit Hinweis auf das laufende Verfahren unkommentiert.

Das Stauffenberg-T-Shirt: Dieses Foto hat Matthias Helferich CORRECTIV für die Berichterstattung zur Verfügung gestellt.© privat

Die AfD kann Helferich nicht nachträglich von der Liste streichen

Die AfD hat keine Möglichkeit mehr, die Landesliste in NRW zu ändern. Sie hätte die gesamte Liste neu aufstellen müssen, sagt die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger. Die Frist dafür ist abgelaufen. Die AfD könnte jetzt nur die Liste „komplett“ zurückziehen, sagt Schönberger.

Doch dann würde die AfD im bevölkerungsreichsten Bundesland an der Bundestagswahl nicht teilnehmen. Wenn Helferich nicht von sich aus zurückzieht, wird er in den nächsten Bundestag einziehen, sollte die AfD in NRW über 5 Prozent kommen.

Vergeblich hatte die AfD versucht, die Screenshots der mutmaßlichen Aussagen in einem Chat von Facebook von Helferich intern zu halten. Vor über zwei Wochen veröffentlichte der WDR die mutmaßlichen Aussagen des Jungpolitikers. Auch CORRECTIV konnte die Screenshots einsehen.

In einem Chat mit einem Parteifreund soll Helferich sich 2017 unter einem Foto, auf dem er vor einer Kirche mit einer AfD-Wahlbroschüre posiert, als „das freundliche gesicht des ns“ bezeichnet haben. NS ist eine Abkürzung für Nationalsozialismus. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe sind diese Nachrichten nicht mehr einsehbar.

„Das freundliche Gesicht des NS“ und der „demokatische Freisler“

Im März 2017 soll Helferich seinem Parteifreund einen Youtube-Link gesendet haben, der das Verhör des Widerstandskämpfers Graf Schwerin von Schwanenfeld durch den NS-Richter Roland Freisler zeigt. Freisler war in der Nazizeit für Tausende Todesurteile verantwortlich. Aber der Jurist aus Dortmund sieht den NS-Richter offenbar als Vorbild, „unsere Zeugen sind schwach. ich wollte den „demokratischen Freisler“ beim landeskongreß geben“, soll er geschrieben haben.

Im Juni 2017 soll Helferich ein Foto mit einer Kornblume gepostet haben, wohlwissend, was sie bedeutet. „Die kornblume: geheimes Symbol der nationalsozialisten während des verbots in österreich“, schreibt er laut Chat und fügt hinzu, „ich züchte sie im garten“.

Während der Parteifreund die Blume mit „Novalis“ verbindet, antwortet Helferich laut Chat, „ich die Erschießung der österreichischen staatsführung“. Danach trägt Helferich die Kornblume in der Öffentlichkeit.

Der Gesprächspartner ist nach WDR-Recherchen offenbar Markus Mohr, AfD-Ratsherr aus Aachen, der die Screenshots dem Bundesvorstand zur Verfügung gestellt haben soll.

In weiteren Chats soll Helferich zudem laut WDR noch den Adolf Hitler zitiert haben. Mohr wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Er soll aber dem Bundesvorstand mitgeteilt haben, dass Helferichs Aussagen „nicht satirisch oder humorvoll gedeutet werden können“.

„Herrn Helferich zugeschriebene Aussagen wurden mir gegenüber in einem Facebookchat getätigt und sind gerichtsfest dokumentiert“, so Mohr in einem CORRECTIV vorliegenden Brief an den Bundesvorstand vom 23 Juli. Anders als Helferich ergatterte der Politiker aus Aachen bei der Listenaufstellung keinen Platz.

Helferich prahlte wohl mit Kontakten zur Neonaziszene in Dortmund

Helferich prahlte zudem womöglich mit guten Verbindungen zur rechtsextremen Szene in Dortmund. Im Juni 2017 heißt es in dem Chat „sie werden wohl, falls die npd in dortmund nicht antritt, dazu aufrufen mich zu wählen, kenne die jungs aus aus dorstfeld“.

Helferichs politische Haltung war auch vor der Wahl auf Listenplatz 7 in der AfD kein Geheimnis. Daher könnte die Affäre um Helferich auch für den Landesvorsitzenden Lucassen zu einem Problem werden. Er soll Anfang des Jahres in einer E-Mail gewarnt worden sein. Die Fragen dazu ließ Lucassen unbeantwortet.

Schon vor seiner Zeit in der AfD fiel Helferich auf. In der Jungen Union wurde er 2006 in einem anonymen Schreiben beschuldigt, sich antisemitisch geäußert zu haben. Die taz berichtete darüber, anders als heute dementierte Helferich damals die ihm zugeschriebenen Zitate.

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