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Ikone Che Guevara - DER SPIEGEL
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Revolutionär und Fotomotiv: "Ich habe Che nur durch die Kamera gesehen"

Foto: Eric_Feferberg/ dpa

Ikone Che Guevara "Sein Konterfei ist Sprengstoff"

Der Mythos Che Guevara lebt - weil Fotografen den Revoluzzer zur Ikone machten. Einer von ihnen war René Burri, der ihn 1963 fotografierte. In einem Interview 2008 verriet der Schweizer Fotograf, welches das beste Bild von Che ist.
Von Ralf Hanselle

einestages: Herr Burri, gerade hat Steven Soderbergh einen neuen Film über Che Guevara gemacht. Es ist der aktuellste Versuch, sich einem Menschen zu nähern, der hinter einem Bilderberg verschwunden ist. Sie haben als Fotograf Che Guevara kennengelernt - noch bevor all die anderen Bilder in der Welt waren. Man müsste meinen: Wenn einer weiß, wer Che Guevara war, dann Sie.

René Burri: Ich glaube, das weiß ich auch nicht. Was ich über "Che" weiß, das habe auch ich mir zu großen Teilen nach seinem Tod aus Büchern erschlossen.

einestages: Sie haben ihn im Jahr 1963 getroffen. Wie ist es dazu gekommen?

Burri: Ich hatte einen Auftrag von dem amerikanischen Magazin LOOK. Eine Journalistin sollte Che zweieinhalb Stunden lang interviewen. Da man aber keinen Fotografen hatte, hat man mich extra für diese Geschichte nach Kuba eingeflogen. Ich und die Journalistin, wir haben ihn dann wohl ziemlich genervt. Er uns aber auch. Dieser Pressetermin fand wenige Monate nach der kubanischen Raketenkrise statt. Deshalb wollte er uns und der Weltöffentlichkeit unbedingt zeigen, welche Fortschritte die Revolution im Jahr vier nach dem Sturz Batistas gemacht hatte.

einestages: Sind sie ihm damals persönlich näher gekommen?

Burri: Nein, ich habe Che fast nur durch die Kamera gesehen. Es gab kaum Kontakt. Das Gespräch führte die Journalistin. Lediglich am Anfang bat ich ihn darum, er möge die Jalousien hochziehen. Er hat sie aber unten gelassen. Und ich dachte mir zunächst etwas trotzig: Egal, es ist ja nicht mein Gesicht, das ich hier fotografieren muss! Später habe ich dann erkannt, dass die Jalousien wie Gitterstäbe wirkten. Che Guevara bekam dadurch die Aura eines unruhigen Panthers im Käfig.

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Revolutionär und Fotomotiv: "Ich habe Che nur durch die Kamera gesehen"

Foto: Eric_Feferberg/ dpa

einestages: Dadurch wird das Bild prophetisch. Wenige Jahre darauf nämlich verließ Che Guevara den Käfig, um die Revolution weiterzutragen - zunächst in den Kongo und dann nach Bolivien, wo man ihn 1967 hingerichtet hat. Merkte man ihm damals bereits seine Unruhe und Getriebenheit an?

Burri: Diese Wahrnehmung geschah bei mir eher intuitiv. Erst Jahre später, im Gespräch mit Freunden, ist mir aufgefallen, dass dieses Bild den weiteren Verlauf von Ches Leben symbolisiert. Che war einfach dynamisch. Das hat man gespürt in der Art, wie er da herumtigerte.

einestages: Ihr Bild ist zu einer Ikone geworden. Noch berühmter indes ist jene Fotografie, die der Kubaner Alberto Korda im Jahr 1960 von Che Guevara aufgenommen hat. Es ist bis heute das meist publizierte Foto der Welt. Wie erklären Sie sich diese Erfolgsgeschichte?

Burri: Kordas Bild ist ein kubanisches Bild. Für die Kubaner verkörpert es am ehesten den Wandel auf der Insel. Aber auch mein Foto ist in Lateinamerika noch immer verbreitet. Man sieht es gerade jetzt wieder überall - in Mexiko, in Venezuela oder in Argentinien. Manchmal macht mir das fast Angst. Ich frage mich, ob es in Lateinamerika zum Vorboten neuer revolutionärer Strömungen werden könnte. Das Konterfei von Che Guevara ist noch immer Sprengstoff. Es ist das meistgehasste und meistgeliebte Idol der Welt. Für die einen ist er der Teufel, für den anderen der Erlöser.

einestages: Sie haben den 2001 verstorbenen Alberto Korda gut gekannt. Gab es da nicht manchmal auch Streit darum, wer von Ihnen beiden letztlich das bessere Che-Bild gemacht hat?

Burri: Wir haben uns öfters gesehen - in Paris oder auf Kuba. 1993 dann hat er mir einen Abzug seines Bildes geschenkt. Auf die Rückseite vermerkte er: "Für meinen Freund René, der damit einverstanden ist, das dies das bekannteste Bild von Che ist." Ich hab ihm dann auch meines gegeben. Darauf der Satz: "Für meinen Freund Alberto, der damit einverstanden ist, dass dies das beste Bild von Che ist." Trotz dieses Zwischenfalls sind wir Freunde geblieben.

einestages: Korda kam ursprünglich aus der Modefotografie. Seine Bilder von der Revolution wirken daher oft sexy und schön zurechtgemacht. Muss man nicht kritisch einwenden, dass so die dunklen Seiten auf Kuba - die Umerziehungslager, die Erschießungen, die Gefängnisse - im toten Winkel der Bilder verschwunden sind?

Burri: Jede Revolution ist unschön. Während der Zeit Batistas hat man die Folterungen und das Elend ja ebenfalls nicht gezeigt. Eine Revolution frisst immer ihre Kinder - die eigenen und die anderen. Aber es stimmt natürlich: Als Modefotograf kann man die Mode nie ganz wegdenken. Das sieht man auf Kordas Bildern durchaus.

einestages: Sie selbst sind nach dem Interview mit Che noch einen ganzen Monat durch Kuba gereist. Was war Ihr persönlicher Eindruck von der Revolution?

Burri: Ich war begeistert. Damals wurde es schon zunehmend schwieriger, sich auf der Insel frei zu bewegen. Das war das Ende der romantischen Periode. Kuba war zunehmend zum geopolitischen Spielball geworden. Als Schweizer erinnerte mich diese Revolution samt Che Guevara ein wenig an die Geschichte von Wilhelm Tell. Auch wenn das die Schweizer natürlich nicht gerne hören werden. Aber ich denke, wenn man den Schweizer Freiheitskampf damals im Fernsehen hätte übertragen können, dann hätte der auch nicht unbedingt nur schön ausgesehen. Rot wäre da sicher die beherrschende Farbe gewesen.

einestages: Es gibt zwischen Che und Tell vielleicht eine mediale Parallele. So wie wir den einen nur noch über Friedrich Schiller zu kennen meinen, so kennen wir den anderen fast nur noch über Korda und Burri.

Burri: Ich weiß nicht, ob man mit ein paar Bildern dem Wesen einer Person wirklich näherkommen kann. Ich war vielleicht damals ziemlich nahe dran. Aber letztlich kann man historische Persönlichkeiten nicht begreifbar machen. Das ist eine Aufgabe für Shakespeare. Ohne Theatralik ist diesen Menschen nicht beizukommen.

einestages: Hat Sie Ihr Bild von Che Guevara reich gemacht?

Burri: Nein, gar nicht. Es heißt immer, der Burri, der muss viel Geld gemacht haben. Seine Bilder auf Tausenden Weinflaschen, Kondomverpackungen und Taschen. Das stimmt natürlich auch. Aber ich kann mir die Anwälte nicht leisten, um diesen Dingen nachzugehen.


Anm. d. Red. René Burri starb im Oktober 2014 im Alter von 81 Jahren in Zürich.