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No-Angels-Aussteigerin Jess: "Wir hatten uns etwas ganz anderes vorgestellt" - DER SPIEGEL
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No-Angels-Aussteigerin Jess "Wir hatten uns etwas ganz anderes vorgestellt"

Die Sängerin Jessica "Jess" Wahls sprach mit SPIEGEL ONLINE über ihre Karriere als Solo-Künstlerin, die Pause der No Angels und die Gründe, warum sie die erfolgreiche Mädchen-Band verlassen hat.

SPIEGEL ONLINE:

Frau Wahls, zu wie viel Prozent ist das Image eines Künstlers für einen Hit verantwortlich?

Jessica Wahls: Das muss man individuell bestimmen. Manchmal ist es die richtige Person, die den falschen Song singt oder umgekehrt. Niemand kann beeinflussen, welcher Song ein Hit wird. Man kann alles bedenken, alles richtig machen und landet trotzdem auf der Nase, weil sich plötzlich die Marktsituation geändert hat. Letztendlich entscheidet aber nur der Käufer, was ein Hit wird.

SPIEGEL ONLINE: Sie reden ja wie ein Plattenmanager.

Wahls: Ich habe nur aufgepasst und schnell gelernt.

SPIEGEL ONLINE: Glauben Sie, dass Ihre im Frühjahr erscheinende Solo-Platte ein Hit wird?

Wahls: Ich hoffe. Obwohl mir der Bonus, bei den No Angels gewesen zu sein, gar nichts nützt. Faktisch gesehen bin ich ein Newcomer, so sehe ich mich auch. Viele sehen hinter mir erst mal ein großes Fragezeichen, die müssen sich erst daran gewöhnen, mich alleine zu sehen. Ich kämpfe da mit den gewöhnlichen Newcomer-Vorurteilen.

SPIEGEL ONLINE: Ihre erste Single "Ten Steps Back" ist auf Platz 41 der Singles-Charts eingestiegen. Ein bisschen höher hätte es aber dann doch sein dürfen, oder?

Wahls: Sicher. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mit einem Top-20-Platz gerechnet. Aber da ist mir die Ankündigung, dass die No Angels pausieren wollen, dazwischen gekommen. Das sind die unvorhersehbaren Situationen, von denen ich eben sprach. Das hat meinen Single-Release doch sehr überschattet, dafür hat sich plötzlich keiner mehr interessiert.

SPIEGEL ONLINE: Hat Sie die Entscheidung Ihrer ehemaligen Kolleginnen überrascht? Sie standen doch sicher mit der Band in Kontakt.

Wahls: Am ehesten noch mit Sandy (Mölling), mit den anderen nicht so viel. Das war aber auch früher nicht der Fall. Aber wenn wir telefoniert haben oder sie bei mir war, haben wir über alles andere geschwätzt, aber nicht über den Beruf. Die Band pausiert ja, weil die Mädchen gesundheitlich angeschlagen sind. Wobei Sandy sicher nicht diejenige ist, die auf dem Zahnfleisch kriecht. Ich denke jedenfalls nicht, dass sie die Pause jetzt braucht. Aber in einer Band kann man sich das eben nicht aussuchen.

SPIEGEL ONLINE: Gab es zwischen den Mädchen Streit?

Wahls: Das weiß ich nicht. Aber das wurde immer wieder hineininterpretiert. Es wurde ja oftmals geschrieben, dass wir bei Auftritten jeder eine eigene Garderobe haben wollten, weil wir uns nicht mehr mögen. Das war natürlich Quatsch. Es gab nur Raucher- und Nichtrauchergarderoben für uns, und danach haben wir uns aufgesplittet: Sandy und ich ins Nichtraucherabteil, Vany und Nadja zu den Rauchern. Und Lucy sprang dann immer zwischen beiden Garderoben hin und her.

SPIEGEL ONLINE: Woher kommt es, dass Frauen in einer Band sich über kurz oder lang immer in den Haaren liegen?

Wahls: Von wegen Stutenbissigkeit? Da ist was dran. Jeder hat eine, maximal zwei Bezugspersonen in der Band. Und wenn man ein Problem hat, ruft man nicht immer die ganze Band zusammen. Meine Bezugsperson war Sandy, was aber nicht heißt, dass wir mit den anderen im Krieg standen. Jedenfalls gab es keine Lagerbildung bei uns.

SPIEGEL ONLINE: Wenn man wie Sie die Chance hat, als Ex-Mitglied die ehemaligen Kollegen von außen zu betrachten - welche Dinge sieht man anders?

Wahls: Viele, aber nicht in dem Maße, das ich jetzt denke, dass da vieles falsch gelaufen ist. Die No Angels wären nicht da, wo sie jetzt sind, wenn man nur Fehler gemacht hätte oder die Bandmitglieder sich nicht ausstehen können. Ich habe es nie als selbstverständlich angesehen, was ich mit den No Angels gemacht habe, aber durch die Alltäglichkeit schleicht sich natürlich Routine ein. Das ist einerseits gut, aber andererseits lässt sie einen auch vergessen, dass die Basis all dessen mal eine große Leidenschaft war. Lustigerweise werde ich jetzt wieder daran erinnert, weil ich mir die dritte "Popstars"-Staffel im Fernsehen angeschaut habe

SPIEGEL ONLINE: Judith Lefeber, die ausgeschiedene "Deutschland sucht den Superstar"-Anwärterin, hat die Casting-Kandidaten mit Gladiatoren verglichen. Teilen Sie ihre Meinung?

Wahls: Ach, das ist doch Blödsinn! Bei uns gab's natürlich auch Querschläger, die mit Ellenbogen nach oben wollten. Aber die sind alle rausgeflogen. Bei uns musste man in der Gruppe Teamfähigkeit beweisen, das ist bei "DSDS" natürlich etwas anderes, weil da Solokünstler gesucht werden. Irgendwie hat ja alles einen Sinn. Und wenn man merkt, dass für einen selbst der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen ist, dann muss man nicht gleich zusammenbrechen. Dann soll man lieber weiter an sich arbeiten und sich nicht selbst belügen.

SPIEGEL ONLINE: Als fest stand, dass Sie nach ihrer Babypause nicht mehr zu den No Angels zurückkehren, kursierten zwei Meldungen mit einer Begründung: Einerseits war zu hören, dass Sie sich selbst entschlossen hätten, aus der Band auszusteigen. Andererseits hieß es, Ihr Management hätte Ihnen den Stuhl vor die Tür gestellt, weil man befürchtete, Sie würden als Mutter die Termine nicht wahrnehmen können, und eine Trennung sei in diesem Fall das Beste für alle. Was entspricht der Wahrheit?

Wahls: Diese zwei Versionen sind nicht ganz richtig und auch nicht ganz falsch. Sicherlich wäre ich noch bei den No Angels, wenn ich die einzige Mutter in der Gruppe gewesen wäre. Wir hatten uns ursprünglich etwas ganz anderes vorgestellt. Nicht nur ich, sondern wir fünf zusammen. Ich wollte wieder zurück. Wir haben uns aber nie wirklich mit der Realität auseinandergesetzt. Die Mädchen haben sehr viel gearbeitet, neue Dinge in Angriff genommen, Termine abgearbeitet. Und ich hatte Cheyenne. Das sind einfach zwei Welten. Wir haben uns dann zu Gesprächen getroffen, wir fünf und das Management, und haben die Fakten auf den Tisch gelegt. Das Management hat Risiken gesehen: Was wäre, wenn Cheyenne krank ist und ich zu Hause bleiben müsste? Was wäre, wenn das zum gleichen Zeitpunkt wie Nadja mit ihrer Tochter Leila passiert? Zu dritt funktioniert die Band nicht. Eine ist immer abkömmlich, aber zwei nicht. Das Risiko war allen einfach zu groß.

SPIEGEL ONLINE: Aber das sind doch Dinge, die jeder vorher wusste. Außerdem haben Sie als Mutter doch Rechte, die laut ihres Vertrages sicherlich geregelt waren.

Wahls: Selbstverständlich. Aber soll ich auf mein Recht pochen, wenn es für alle zusätzliches Generve und Stress bedeutet? Warum soll man etwas erzwingen? Für uns fünf war das eine sehr emotionale Geschichte. Wir haben viel darüber geredet, was man machen könnte, ob ich eine Art Teilzeit-Mitglied werde. Aber das ist ja auch nichts Halbes und nichts Ganzes. Und das bin ich nicht. Unser Management hat einfach den sachlicheren und kühleren Kopf gehabt als wir.

SPIEGEL ONLINE: Hat Sie die mangelnde Emotionalität der Manager enttäuscht?

Wahls: Die müssen doch so sein. Man sollte zwar manchmal auf seinen Bauch und sein Herz hören, aber eben auch seinen Kopf einschalten. Und das war so eine Situation. Wir hatten ja keine Lösung gefunden, weil wir nicht fähig dazu waren. Da war es gut, Leute zu haben, die die Situation auf den Punkt gebracht haben.

SPIEGEL ONLINE: Es bleibt jedoch umso unverständlicher, weil Sie jetzt solo arbeiten. Das müssen Sie erklären.

Wahls: Es ist doch ein Unterschied, ob ich allein arbeite oder mit vier anderen. Ich habe jetzt nicht das Gefühl, das ich irgend jemanden im Stich lasse, wenn meine Tochter einmal krank sein sollte. Dann kann ich alles absagen und mich dabei gut fühlen. Insofern stimmt die Schlagzeile, dass ich nicht zu den No Angels zurückkehre, weil ich ein Baby habe, nicht ganz. Mit mir und den No Angels ist es so wie in einer langen Beziehung: Man liebt sich vielleicht noch, aber es geht einfach nicht mehr. Und nach der Trennung bleibt man trotzdem noch befreundet.

SPIEGEL ONLINE: Wird es die No Angels noch einmal geben?

Wahls: Ich habe keine Ahnung. Das wissen sie alle auch selbst nicht genau. In den Köpfen ist eine Trennung bis 2005 drin, dann kommt man sicher wieder zusammen und schaut, ob es noch mal geht. Aber es kann ja doch alles ganz anders kommen.

SPIEGEL ONLINE: Wird es die No Angels noch einmal mit Jessica Wahls geben?

Wahls: Nein, völlig ausgeschlossen. Bei einem Abschiedkonzert mache ich sehr gern noch mal mit, auch einen Song auf einem Album kann ich mir mit den anderen noch einmal vorstellen. Alles andere ist Geschichte.

Interview: Stéfan Picker-Dressel


Die Single "Ten Steps Back" wurde bei Polydor/Universal Music veröffentlicht

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