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Philipp Lahm über Bayerns Champions League und Louis van Gaal - DER SPIEGEL
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Philipp Lahms CL-Fazit: Ohne Zweifel sensationell

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Lahm über den Champions-League-Sieg "Teil von etwas Großem"

Philipp Lahm ist mit dem FC Bayern auf dem Weg zur erfolgreichsten Saison der Clubgeschichte. Einen großen Traum hat er sich schon erfüllt: den Champions-League-Titel. In einem Gastbeitrag beschreibt der FCB-Kapitän seine Gefühle nach dem Finalsieg - und erklärt die Gründe für den Triumph.
Von Philipp Lahm

Am Anfang meiner Profikarriere war es noch ein Traum, in den letzten Jahren ist es zu einem konkreten Ziel geworden. Jetzt ist es Wirklichkeit, und doch hat es sich angefühlt, als ob man träumt. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, den Pokal als Erster in die Hände nehmen zu dürfen und ihn unter dem Jubel des vollen Stadions in die Luft zu reißen.

Es war ein spannendes Finale gegen eine starke Dortmunder Mannschaft, und man hat vor allem in der Anfangsphase den enormen Druck gespürt, der auf uns, auf einzelnen Spielern, lag. In dem Moment, in dem dieser von dir abfällt, empfindest du einfach nur noch pure Freude. Die körperliche Erschöpfung, Krämpfe und Prellungen waren schnell vergessen und haben keinen von uns davon abgehalten, bis in die Morgenstunden zu feiern. Die sensationelle Mannschaftsleistung wurde dadurch abgerundet, dass trotzdem alle rechtzeitig zum Rückflug an Bord waren. Alle Mann und natürlich der Pokal.

Dieser Titel ist nicht nur die Krönung einer sensationellen Saison, sondern vor allem der Lohn für die Arbeit der letzten Jahre. Dass wir in dieser Woche das Triple perfekt machen und damit Vereinsgeschichte schreiben können, ist der Verdienst des gesamten Vereins und das Ergebnis einer Entwicklung, die bereits vor vielen Jahren begann.

Schon unter Felix Magath hatten wir eine starke Mannschaft, die zwei Doubles geholt hat, also auf nationaler Ebene sehr erfolgreich war. In Europa gaben allerdings andere den Ton an. Um auch international konkurrenzfähig zu sein, waren noch weitere Schritte nötig.

Louis van Gaal steht für einen entscheidenden Wendepunkt: Er hat ab 2009 eine konkrete Spielidee eingeführt - ein Stürmer, zwei Außen, zwei defensive Mittelfeldspieler - und den Club mit dieser Spielphilosophie bis heute geprägt. Dank dieser grundsätzlichen Struktur konnte die Mannschaft vom Torwart über die Abwehr, das Mittelfeld bis in den Sturm positionsgenau verstärkt und so auf absolutes Top-Niveau gebracht werden.

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Die Schwachstelle in van Gaals Fußball war damals vielleicht noch sein Defensivkonzept, das zu viele Lücken hatte. Mit seiner spektakulären offensiven Spielweise war der FC Bayern nur so lange erfolgreich, wie es der Gegner zuließ. Mit anderen Worten: Wir brauchten immer einen Lauf, um ein Spiel zu gewinnen. Ein gutes Beispiel dafür sind die Champions-League-Partien gegen Manchester United im Viertelfinale 2010.

United war damals wie heute ein internationaler Top-Gegner, wir waren als Team sehr gefestigt und hatten unsere klare Spielidee, dank der wir in beiden Partien durchaus überzeugt haben. Aber die Erkenntnis nach dem 2:3 im Rückspiel war auch: Wir hatten viel Glück. Erst die Gelb-Rote Karte gegen Manchesters Rafael, eine Fehlentscheidung, ermöglichte uns das Weiterkommen. Die Qualität der Mannschaft war gut, aber nicht ausreichend für ganz oben.

Auf dem Weg zu unserem Finalsieg gegen Borussia Dortmund brauchten wir diesmal kein Glück. Einen großen Anteil daran hat Jupp Heynckes.

  • Er hat auf Louis van Gaals Spielphilosophie aufgebaut, aber sehr viel mehr Wert und Konzentration auf die Abwehrarbeit gelegt. Auf diese Weise haben wir wieder eine Balance zwischen Offensive und Defensive gefunden.
  • Unsere Innenverteidiger gehen weniger Risiko im Aufbauspiel ein, was die Gefahr von Ballverlusten reduziert.
  • Die Außenverteidiger stehen nicht so hoch wie noch unter van Gaal.
  • Und auch Javi Martínez muss ich hier noch einmal als sehr wichtigen Transfer namentlich nennen. Er denkt als Sechser defensiv, ist sicher in der Spieleröffnung von hinten und immer anspielbar im Zentrum. Das gibt dem Team zusätzliche Stabilität.

Die Erkenntnis, dass wir nur erfolgreich sein können, wenn wir alle gemeinsam in der Defensive arbeiten, war die vielleicht wichtigste aus der titellosen Vorsaison, und die Umsetzung ist in der Champions League genauso wie in der Liga und dem Pokal hervorragend gelungen. Wirklich jedem Spieler ist im Sommer 2012 klar gewesen, dass der allergrößte Erfolg nur möglich ist, wenn alle mithelfen. Diese Einstellung war in jedem Spiel spürbar und sichtbar und hat uns zu vielen Rekorden in dieser Bundesliga-Saison und zum ersehnten Erfolg in der Champions League verholfen.

Ich bin oft gefragt worden, ob wir jemals daran gezweifelt haben, dass wir dieses Jahr den Titel gewinnen können. Schließlich haben wir auf dem Weg nach Wembley zwei Spiele verloren. Meine Antwort war immer: Nein. Nie. Nicht gegen Borissow, wo wir unser zweites Vorrundenspiel 1:3 verloren, und auch nicht beim 0:2 zu Hause gegen Arsenal.

Die Niederlage in Borissow war Einstellungssache, drei Prozent weniger reichen im Spitzenfußball oft aus, um die Verhältnisse umzukehren. Der Gegner hat gut gekontert, wir haben nicht gut gespielt. Auch wenn es ärgerlich war, so ließ sich das Ergebnis doch erklären.

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Bei Arsenal war es anders. Es darf nicht passieren, dass wir nach einem 3:1 auswärts plötzlich in der Allianz-Arena vor dem Aus stehen. Wir haben schlecht gespielt, nachlässig verteidigt und mussten zu Recht noch mal zittern. Trotzdem kamen insgesamt keine Zweifel auf, dass es am Ende nicht reichen könnte. Wir haben als Mannschaft aus diesem Spiel gelernt. Erfolg ist zerbrechlich, das war die Botschaft. Uns wurde klar, wie schnell es vorbei sein kann.

Der Erfolg ist nicht nur zerbrechlich, er ist auch an entscheidende Voraussetzungen geknüpft. Um international ganz vorne mitspielen zu können, muss eine Mannschaft auf sieben oder acht Positionen absolut top besetzt sein. Das habe ich seit Jahren immer wieder betont.

Genauso wichtig ist das Bewusstsein, dass ein Titel in der Champions League kein Automatismus ist, sondern harte Arbeit. Eine Mannschaft muss durch mehrere Halbfinal- und Finalteilnahmen erst Stabilität nachweisen, das war bei Barcelona so, bei Real Madrid und auch bei Juventus Turin Anfang der neunziger Jahre. Der FCB hat diese Voraussetzungen in den letzten Jahren Stück um Stück erfüllt und die Erfahrungen und die Sicherheit gewonnen, die es ermöglicht haben diese CL-Saison mit einem Titel abzuschließen.

Wir haben uns damit einen Traum erfüllt, für den viele von uns über die Jahre alles gegeben haben. Es fühlt sich unheimlich gut an, Teil von etwas so Großem zu sein.

Am kommenden Wochenende haben wir die Chance das Triple perfekt zu machen und damit endgültig Vereinsgeschichte zu schreiben.