Die Kaiser-Karl-Gedenkstätte in der Wiener Augustinerkirche. - © Johann Werfring
Die Kaiser-Karl-Gedenkstätte in der Wiener Augustinerkirche. - © Johann Werfring

Während Kirchen von den einen als Orte der Andacht benützt werden, betrachten andere die Gotteshäuser als museale Stätten. Besonders in der Wiener Innenstadt hat man als unparteiischer Beobachter den Eindruck, dass Letztere bereits stark in der Mehrheit sind. Die Wiener Augustinerkirche am Rande der Hofburg ist unter jenen, die sie aus musealen Gründen besuchen, wegen ihrer prächtigen und reichhaltigen Ausstattung besonders beliebt.

Bemerkenswert ist dort ein Bild des am 3. Oktober 2004 seliggesprochenen österreichischen Kaisers Karl I. (1887–1922). Dass der selige Karl ausgerechnet in militärischer Adjustierung präsentiert wird, überrascht umso mehr, als schon im Vorfeld seiner Seligsprechung wegen des von ihm gebilligten Giftgaseinsatzes an der italienischen Front in der 12. Isonzoschlacht im Herbst 1917 Kritik laut wurde.

Ein solcher Einsatz war zwar damals nicht untersagt, würde aber heute als Kriegsverbrechen gelten. Freilich hat der Kreis jener Lobbyisten, der sich seit 1922 für eine Erhebung Karls zur "Ehre der Altäre" engagierte, gerade seine Rolle im Ersten Weltkrieg als besonders lobenswert hingestellt. Im Hinblick auf die kontroverse Diskussion rund um die Beatifikation wirkt die Darstellung des Seligen in Uniform recht provokant.

Karl-Devotionalien in der Wiener Kapuzinerkirche. - © Johann Werfring
Karl-Devotionalien in der Wiener Kapuzinerkirche. - © Johann Werfring

Im Verlauf der langjährigen Bemühungen um die Seligsprechung Karls wurde auch dessen Tod auf der Insel Madeira zum Martyrium hochstilisiert. In der Wiener Kapuzinerkirche liegt bis heute die aus dem Nachlass des Wiener Hochschulprofessors und Monarchisten Hans Karl Zeßner-Spitzenberg hervorgegangene Schrift "Ein Kaiser stirbt" auf. Zeßner-Spitzenberg erlitt übrigens wegen seines Widerstandes gegen das NS-Regime im Jahr 1938 im Konzentrationslager Dachau selbst den Märtyrertod. Bezüglich des Ablebens Karls wurde indes unter Zugrundelegung seines Nachlasses in geradezu pathetischer Weise übertrieben.

Als Seliger benötigt Karl halt, ebenso wie manch einer seiner beatifizierten respektive kanonisierten Kollegen, einen Legendenkranz. Diesen zu mehren ist man auch in prominenten klerikalen Kreisen nicht abgeneigt. So erklärte der Erzbischof vom Luxemburg, Fernand Franck, 2006 beim Fest des seligen Kaisers Karl in der Wiener Augustinerkirche, der Monarch habe für den Frieden "sein Leben vorbehaltlos eingesetzt und letztlich hingegeben".

Heute genießt der selige Karl nicht nur an mehr als zwei Dutzend Stätten in Österreich, sondern weltweit Verehrung. Als Gedenktag wurde nicht sein Todestag, sondern – in Erinnerung an seine Vermählung mit Zita von Bourbon-Parma – der 21. Oktober festgelegt. Mittlerweile, und zwar im November 2009, wurde auch für Zita ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet. Auf die Reaktion des neuen Papstes darf man in diesem Fall gespannt sein.

Print-Artikel erschienen am 7. November 2013
in der Kolumne "Museumsstücke"
In: "Wiener Zeitung", Beilage "ProgrammPunkte", S. 7