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Sport

Das wohl meistgehasste Maskottchen Deutschlands

Innenansichten aus dem pelzig-kuscheligen Stein des Anstosses.

​6.700 Zuschauer, ohrenbetäubender Lärm und das Thermometer hat die 30° längst geknackt. Das Publikum im Münchner Dome brüllt wie ein großes Tier und feuert die Basketballer des FC Bayern weiter an. In den Auszeiten sorgt Maskottchen Berni dafür, dass die Stimmung immer schön oben bleibt.

Bei den Fans des FC Bayern ist der große Plüschbär sehr beliebt, doch die Gästefans reagieren teils heftig auf den pelzigen Stimmungsmacher.

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„Einmal wurde eine Berni-Puppe an einer Angel über mir herumgeschwenkt", erklärt Bernis menschliche Seele verschwitzt und abgekämpft nach dem Bundesliga-Spiel gegen Oldenburg.

Ich sitze mit Berni, dessen echter Name auf Wunsch des Vereins nicht öffentlich gemacht werden soll, in den Katakomben der Arena in seiner Umkleide und versuche herauszufinden, wie das ist, das wohl meistgehasste Maskottchen der Liga zu sein. Denn für gewöhnlich ist es ja so: Maskottchen sind Spaßmacher, Publikumslieblinge. Von den Fans des Gegners werden sie im schlimmsten Fall ignoriert oder belächelt.

Bei Berni verhält es sich ein bisschen anders, denn der Bär ist auch ein Repräsentant des FC Bayern München.

Und damit dient er vor allem als eines—als Ventil.

„Bayern polarisiert wie kein anderer Verein in Deutschland, damit trifft das natürlich auch auf das Maskottchen zu", stellt Berni ganz nüchtern fest und widerspricht der These nicht, dass ihm mehr Abneigung entgegenschlägt, als seinen Kollegen in der BBL.

„Beim Allstar Game habe ich mich schon mal vogelfrei gefühlt", so Berni und erklärt warum: „Da ist man immer angreifbar. Ganz Basketball-Deutschland ist vor Ort—und ganz Basketball-Deutschland reibt sich eben am FC Bayern."

Neben dem Kräftevergleich deutscher Profis gegen Internationale birgt auch das Pokal-Turnier Top4 Potenzial für Probleme, denn „von vier Teams, sind drei eben komplett gegen dich. Und sobald man auswärts auftritt, schrecken die gegnerischen Fans vor nichts mehr zurück".

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Die Abneigung der Fans ist die eine, wahrscheinlich unveränderbare Konstante im Profisport. Es wird wohl immer irgendwelche Chaoten geben, die über das Ziel des guten Geschmacks hinaus schießen.

Doch was Berni viel nachdenklicher macht—und es ist tatsächlich der erste Moment während des Gesprächs in dem das Lächeln aus seinem Gesicht etwas schwindet—sind Anfeindungen durch andere Maskottchen.

„Beim Allstar Game wurde ich samt Skateboard in die Presseplätze gecheckt. Ich hatte Schäden am Kostüm, wie sie in drei Jahren Bundesliga nicht aufgetreten sind —und das in zwei Stunden Allstar Game. Der Helm war kaputt, das Kostüm zerrissen, alles war hinüber."

Bei einem anderen Vorfall ging die Sache glimpflicher aus.

„Beim Top4 in Ulm wollte mich ein anderes Maskottchen von hinten mit gestreckten Beinen umgrätschen. Ich habe es durch Zufall noch rechtzeitig gesehen und bin hochgesprungen. Das sieht für die Fans nach einer spektakulären Showeinlage aus, aber Spaß war das nicht."

Dennoch macht Berni in seiner kleinen Kammer einen sehr aufgeräumten Eindruck und hat eine ziemlich treffende Erklärung für das Verhalten.

„Das Maskottchen ist ein dankbares und einfaches Ziel. Die Spieler können sie ja nicht angreifen, das wäre zu heftig. Aber das Maskottchen gehört zum Klub und ist irgendwo doch auch Fan. Und wenn gegnerische Fans angegriffen werden—sei es verbal oder physisch—dann ist der Schritt zum Maskottchen ein sehr kleiner."

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Aber was macht so etwas mit einem? Wie fühlt man sich dabei, von wildfremden Menschen angepöbelt zu werden?

„Es ist kein tolles Gefühl, wenn mein Gegenüber mich als Berni sieht und mich angreifen will. Dem ist es ja egal, wer in dem Kostüm steckt", erklärt er, während er den überraschend schweren—und streng riechenden—Bärenhelm aufhängt.​

Runter mit den überdimensionalen Schuhen, weg mit dem verschwitzten Bärenpelz. Und genau so, wie er sein Kostüm ablegt, streift der Mensch hinter Berni die negativen Erlebnisse während der gut dreistündigen Show ab.

„Letztlich gehen solche Aktionen persönlich total an mir vorbei. Aber krass ist das Verhalten manchmal schon."

Vorbei sind die Zeiten, als Berni noch in der zweiten Liga vor ein paar hundert Fans in der städtischen Sporthalle an der Säbener Straße aufgetreten ist. Bayern hat sich rasant entwickelt und ist im dritten Jahr nach dem Bundesliga-Aufstieg bereits Deutscher Meister geworden. Dass solch eine Entwicklung in der Liga nicht auf besonders viel Gegenliebe stößt, dürfte nicht erst seit den Fußball-Beispielen aus Hoffenheim und Leipzig bekannt sein.

Multipliziert mit dem Faktor FC Bayern stellt das Basketball-Projekt in München eine explosive Mischung dar.

Und mitten drin Berni, der die volle Breitseite Anti-Bayern-Stimmung abbekommt.

Trotz allem zieht Berni sogar etwas positives aus der Situation: „Oli Kahn hat mal gesagt, ihn motiviert es, als Bayern-Spieler verachtet zu werden. Langsam kann ich es zumindest etwas nachvollziehen. Die ganzen Pöbeleien haben mich stärker gemacht."

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Lediglich die Vorfälle mit den Maskottchen-Kollegen lassen Berni ab und an zweifeln, denn „das war der Punkt, an dem für mich die Grenze überschritten war".

Besonders skurril ist das Verhalten unter dem Aspekt, dass die Maskottchen sich vor diesen Events alle gemeinsam umziehen und eigentlich gute Stimmung herrscht.

Es wird geflachst, ein paar Sprüche gerissen und sogar ein wenig genetzwerkt.

„Sobald die anderen Maskottchen aber in voller Montur dastehen, sind die Leute wie ausgewechselt. Erst nett fragen wie es einem geht und zehn Minuten später haut er dich auf dem Feld um", so Berni leicht konsterniert und ergänzt, dass „die Liga von den Vorfällen weiß".

Informiert scheinbar ja, doch in der Bewertung der Vorfälle kommen beide Parteien zu einem etwas anderen Ergebnis.

Dirk Kaiser, Leiter Kommunikation und Medien der Basketball Bundesliga, sieht die Sache wesentlich undramatischer und formuliert die Sachlage so:

„Es liegt in der Natur der Maskottchen, dass diese das Publikum unterhalten – entweder solo oder im Verbund mit den anderen Maskottchen. Dass es hier und da mal zu Frotzeleien kommt, um für noch bessere Stimmung zu sorgen, ist Teil der Show und hat nichts mit persönlichen Befindlichkeiten zu tun."

Sollten die sogenannten Frotzeleien aber im schlimmsten Fall doch mal zu einem Kreuzbandriss mit anschließendem Berufsausfall führen, dürfte die Reaktion der Liga interessant werden.

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Bleibt die Frage nach der Lösung des Problems, auch wenn die Liga es bislang als ein marginales betrachtet.

Berni selbst sieht zwei Ansatzpunkte, wobei der Erste relativ schwer umsetzbar sein wird.

„Die Leute müssen endlich kapieren, dass die Bayern doch auch dem Ansehen der Liga helfen. Und im Bezug auf Berni sollte den Leuten klar werden, dass in dem Kostüm ein Mensch wie du und ich steckt."

Bayerns Lichtgestalt Franz Beckenbauer soll mal gesagt haben, „Cleveres Spiel hört da auf, wo Unsportlichkeit anfängt".

Dies gilt auch für zwischenmenschliches Verhalten.

Sportlicher Wettstreit mit ein paar Tricks und Kniffen ist erlaubt, aber Aktionen unterhalb der Gürtellinie sind auf keinem Spielfeld der Welt in Ordnung.