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Warum Nikolaus Blome den „Spiegel“ verlässt - WELT
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Keine Zukunft – warum Blome beim „Spiegel“ geht

Medienredakteur
Nikolaus Blome (Jg. 1963) war stellvertretender Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, bevor er zum „Spiegel“ wechselte. Zuletzt leitete er das Hauptstadtbüro des Hamburger Nachrichtenmagazins und war Mitglied der Chefredaktion Nikolaus Blome (Jg. 1963) war stellvertretender Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, bevor er zum „Spiegel“ wechselte. Zuletzt leitete er das Hauptstadtbüro des Hamburger Nachrichtenmagazins und war Mitglied der Chefredaktion
Nikolaus Blome war schon einmal stellvertretender Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, bevor er zum „Spiegel“ wechselte
Quelle: dpa
Der Wechsel des damaligen „Bild“-Vize Nikolaus Blome zum „Spiegel“ löste vor zwei Jahren einen Shitstorm aus. Einen Chefredakteurswechsel später verlässt er das Magazin. Analyse eines Trauerspiels.

Im Rückblick wird es jetzt heißen, der Abgang von Nikolaus Blome beim „Spiegel“ sei nur eine Frage der Zeit gewesen. Eine Floskel – und doch ist sie wahr. Als der Wechsel des ehemaligen Vize-Chefredakteurs der „Bild“-Zeitung zum Hamburger Nachrichtenmagazin im Sommer 2013 publik wurde, war das der Auslöser für eine Schlammschlacht ungeahnten Ausmaßes beim „Spiegel“. Nun, knapp zwei Jahre später, geht Blome wieder. Absurd ist daran, dass Blome einen guten Job gemacht hat.

Rückblende: Im August 2013 kündigte der designierte „Spiegel“-Chefredakteur Wolfgang Büchner an, er werde Nikolaus Blome zum Leiter des Hauptstadtbüros und zu seinem Stellvertreter machen. Einer der „profiliertesten politischen Journalisten Deutschlands“, sagte Büchner, wechsele zum „Spiegel“.

Blome, Jahrgang 1963, war zuvor eine Art „Außenminister“ der „Bild“-Zeitung gewesen (die wie die „Welt“ zur Axel Springer SE gehört). Er sprach in Talkshows und lieferte sich mit dem „Spiegel“-Erben Jakob Augstein Wortgefechte im Programm des TV-Senders Phoenix. Blome verkörperte so etwas wie den gut informierten, geschliffenen politischen Boulevard. Zuvor hatte er u. a. für den „Tagesspiegel“ und die „Welt“ gearbeitet. Ein Mann klarer Worte, aber kein Scharfmacher.

Ein ideologischer Grundsatzkampf brach los

Dennoch: Kurz darauf brach ein höchst realer Shitstorm über Büchners Kopf aus. Dessen Kapitalfehler war, seinen eigenen Job zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht angetreten zu haben. Die erste Amtshandlung des neuen Chefs, die erste wichtige Personalie – und dann ausgerechnet ein Mann von der „Bild“? Einer Reihe von „Spiegel“-Redakteuren gefiel diese Vorstellung nicht. Büchner war noch gar nicht da – und schon tobte ein ideologischer Grundsatzkampf.

Die politischen Lager, in denen sich Medien verorten, sind heute keineswegs mehr so klar zu definieren. Entsprechend ist ihre politische Haltung in vielen Fällen nicht starr und dogmatisch links oder rechts. Der Wechsel von einem eher konservativen Journalisten zu einem eher linken Medium, so zumindest stellte sich das in der politischen Farbenlehre dar, passte aber einer Reihe von „Spiegel“-Redakteuren nicht.

Die „Berliner Zeitung“ berichtete damals von einer Sitzung, in der Büchner gefragt worden sei, welche Auswirkungen der Wechsel Blomes auf die politische Ausrichtung des Magazins haben werde. Büchner hätte darauf geantwortet, er verstehe die Frage nicht.

Auch unter den Augstein-Erben war man sich nicht einig

Der Fall peitschte sich weiter hoch, wurde zum Politikum und für den designierten Chef Büchner zum Menetekel. Und Blome hatte seinen Wechsel möglicherweise bereits zu diesem Zeitpunkt bereut. Das ging noch eine Weile so hin und her – zwischendurch hieß es, die Geschäftsführung des größten Gesellschafters des „Spiegel“, der Mitarbeiter KG, habe die Besetzung des Postens mit Blome abgelehnt. Das stimmte so nicht, schuf aber mehr Stoff für Unmut im Haus. „Spiegel“-Mitgesellschafterin Franziska Augstein nannte Blome dann noch einen „Fuchs im Hühnerstall“, während ihr Bruder Jakob den Wechsel begrüßte.

Man einigte sich schließlich darauf, dass Blome nicht Vize-Chef werden sollte, sondern „Mitglied der Chefredaktion“ von „Spiegel“ und „Spiegel Online“. Ein gangbarer Kompromiss, doch eine Niederlage für Büchner gleich zu Beginn. Etwa anderthalb Jahre später musste Büchner den „Spiegel“ dann verlassen. Seine Idee, Nikolaus Blome abzuwerben, war freilich nicht der Grund für die unüberbrückbaren Differenzen mit Teilen der Redaktion des gedruckten Magazins. Doch sie markierte den Beginn einer für den „Spiegel“ desaströsen Auseinandersetzung zwischen den etablierten Kräften und den Kräften der Veränderung.

Hat Blome den „Spiegel“ nach rechts gerückt?

Sprach man mit eher unvoreingenommenen „Spiegel“-Redakteuren, konnte keiner von ihnen etwas belastbar Nachteiliges über Blome sagen. Es gab Stimmen von Redakteuren, die kritisierten, Blome habe den „Spiegel“ außenpolitisch „rechts von der FAZ“ positioniert, u. a. mit Forderungen nach harten Sanktionen gegen Russland.

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Trotzdem: seine Personalie mochte für Aufregung, gar Verwerfungen gesorgt haben, aber letzten Endes ging es nicht um ihn. Blome sei gut vernetzt, komme gut mit den Kollegen im Hauptstadtbüro klar, sei eben „ein Profi“. Solche Sätze fielen in solchen Gesprächen. Vielleicht war er so etwas wie der richtige Mann zur falschen Zeit für den „Spiegel“. Ob nun der „Spiegel“ für Blome der richtige Ort war – nur dogmatisch denkende Menschen werden diese Frage mit Sicherheit beantworten können.

Die letzte kleine Demontage folgte vor einigen Wochen unter dem neuen Chefredakteur Klaus Brinkbäumer. Blome wurde zuvor im Impressum des Magazins an vierter Stelle genannt, als Mitglied der Chefredaktion. Nun rutschte er an Position fünf, als Leiter des Hauptstadtbüros. Eine kleine Änderung, in der Medienbranche sind solche Details im Impressum, einer Art Gradmesser des redaktionellen Selbstwertgefühls, immens wichtig und aussagekräftig.

Nach Informationen der „Welt“ wird in absehbarer Zeit wohl auch der geschäftsführende Redakteur des „Spiegel“, Rüdiger Ditz, nicht mehr im Impressum geführt. Ditz, der 1998 als Redakteur zu „Spiegel Online“ kam, soll bereits vorvergangene Woche das Haus verlassen haben. Zwischen 2008 und Ende 2013 war er Chefredakteur von „Spiegel Online“, davon auch einige Zeit im Tandem mit Wolfgang Büchner. In seiner neuen Position sollte er „das digitale Angebot des Spiegel mit einem völlig neuen Konzept noch attraktiver, noch erfolgreicher machen“, hieß es Anfang 2014. Mehrere Quellen haben diesen weiteren prominenten Abgang bestätigt. Ein „Spiegel“-Sprecher wollte die Information nicht kommentieren.

Überzeugende Arbeit allein scheint nicht zu reichen

Chefredakteur Brinkbäumer nannte Blome am Mittwoch in einer Pressemitteilung einen „leidenschaftlichen politischen Journalist“. Und weiter: „Wir danken ihm für seine überzeugende Arbeit.“ Die Essenz dieser „Spiegel“-Episode könnte wohl lauten: Bei dem Nachrichtenmagazin mag man vielleicht durch seine Arbeit überzeugen, doch das überzeugt zumindest einige einflussreiche Redaktionsmitglieder nicht.

Man trenne sich übrigens im gegenseitigen Einvernehmen, heißt es in der Mitteilung. Was glaubhaft ist. Auch für Blome gab es beim „Spiegel“ nichts mehr zu gewinnen. Wohin es ihn nun zieht, ist bisher unbekannt. Eine Mehrheit von Redakteuren im Hauptstadtbüro bedauere, dass Blome gehe, sagt jemand. Die kurze Ära von Wolfgang Büchner, die mehr über die innere Verfasstheit des wichtigsten deutschen Nachrichtenmagazins verraten hat, als seinen Machern lieb sein durfte, ist endgültig beendet.

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