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Büchner gewinnt Machtkampf beim „Spiegel“

Das „Spiegel“-Verlagsgebäude an der Ericusspitze in der Hafencity von Hamburg. Den Machtkampf mit Mitarbeiter KG und Redaktion dürfte Chefredaktuer Wolfgang Büchner gewonnen haben Das „Spiegel“-Verlagsgebäude an der Ericusspitze in der Hafencity von Hamburg. Den Machtkampf mit Mitarbeiter KG und Redaktion dürfte Chefredaktuer Wolfgang Büchner gewonnen haben
Das „Spiegel“-Verlagsgebäude an der Ericusspitze in der Hafencity von Hamburg. Den Machtkampf mit Mitarbeiter KG und Redaktion dürfte Chefredaktuer Wolfgang Büchner gewonnen haben
Quelle: dpa/bra fdt
Keine Ruhe trotz Kompromiss beim „Spiegel“: „Bild“-Mann Blome wird nicht stellvertretender Chefredakteur, sondern „Mitglied der Chefredaktion“. Die Spitze der Mitarbeiter KG steht vor dem Rücktritt.

Am Mittwoch um 14.17 Uhr war die Welt noch in Ordnung. Zumindest schien es so. Zu diesem Zeitpunkt meldete die Deutsche Presse-Agentur, in den Streit um die Berufung des „Bild“-Mannes Nikolaus Blome zum stellvertretenden Chefredakteur des „Spiegel“ sei „Bewegung“ gekommen. Der designierte Chefredakteur des Nachrichtenmagazins, Wolfgang Büchner, habe den Ressortleitern des Blattes und der Mitarbeiter KG, dem Hauptgesellschafter des „Spiegels“, einen Kompromiss angeboten. Demnach solle Blome nicht als „stellvertretender Chefredakteur“, sondern lediglich als „Mitglied der Chefredaktion“ firmieren. Nur wenig später war aus dem Verlagshaus auf der Ericusspitze zu vernehmen, die fünfköpfige Geschäftsführung der Mitarbeiter KG habe diesem Vorschlag einstimmig zugestimmt.

Doch damit war der Streit, der den „Spiegel“ zu zerreißen drohte, noch nicht vollends entschärft. Denn bereits während die Nachricht vom Kompromiss die Runde machte, waren aus der Redaktion besorgte Stimmen zu vernehmen. Nun brenne das Haus lichterloh, sagte ein Redakteur. Ein anderer fand, dass der Geschäftsführung jetzt nur noch „der Rücktritt“ bleibe.

Das war vor 15.15 Uhr. Für diese Uhrzeit hatte die Mitarbeiter KG ihre stillen Gesellschafter zu einer Informationsveranstaltung geladen. Und dort wiederholten sich die Rücktrittsforderungen, die aus Kreisen der Redaktion kamen. Nur ein, zwei Verlagsmitarbeiter hätten etwas zur Verteidigung der KG-Geschäftsführung vorgebracht, erzählen Teilnehmer.

Kompromiss als Etikettenschwindel wahrgenommen

Für den Unmut der stillen Gesellschafter gibt es vor allem zwei Gründe: Sie sind mit dem Kompromiss nicht einverstanden, der für sie ein Etikettenschwindel ist. Denn dass für Blome der Titel stellvertretender Chefredakteur nur eine funktionslose Schulterklappe gewesen wäre, stand von vornherein fest. Bereits am Montag hatte Büchner der Redaktion versichert, Blomes Weisungsbefugnis erstrecke sich ausschließlich auf das Berliner Hauptstadtbüro, dessen Leiter er ebenfalls werden soll. Seine Funktionen seien in keiner Weise mit denen der stellvertretenden Chefredakteure Klaus Brinkbäumer und Martin Doerry zu vergleichen. Allerdings reichte der Redaktion das nicht. Die Ressortleiter verlangten in einer Resolution, Blome solle auf den Titel verzichten.

Mindestens ebenso erboste die stillen Gesellschafter das Verhalten der KG-Geschäftsführung, von der sich viele getäuscht sehen. Deren Vertreter, insbesondere der stellvertretende Sprecher des Gremiums, der „Spiegel“-Reporter Gunther Latsch, hatten in den vergangenen Tagen stets betont, sie hätten der Berufung Blomes widersprochen. Latsch habe zudem die Redaktion immer wieder aufgerufen, sich der Ernennung des „Bild“-Journalisten zum Vizechef zu widersetzen.

Nun kam heraus, dass die KG-Spitze bereits im Juni nichts gegen den Kompromissvorschlag einzuwenden hatte, Blome den Titel Mitglied der Chefredaktion zu verleihen. Zeitweise war gar eine Paketlösung im Gespräch, die es dem 49-Jährigen ermöglicht hätte, mit Zustimmung der KG stellvertretender Chefredakteur zu werden. Büchner, heißt es, habe vorgeschlagen, den als links geltenden Journalisten Harald Schumann gewissermaßen als Antidot zu Blome zurückzuholen, der einst im Streit mit Ex-„Spiegel“-Chef Stefan Aust das Haus verlassen hatte.

Ressortleiter verärgert

Dieser Vorschlag scheiterte aber daran, dass Schumann nicht zum „Spiegel“ zurückkehren wollte. Der Journalist, der heute für den „Tagesspiegel“ arbeitet, bestreitet zwar, ein entsprechendes Angebot erhalten zu haben. Allerdings schildern mehrere verlässliche Quellen übereinstimmend, dass Schumanns Verpflichtung Hauptbestandteil der Paketlösung gewesen sein soll.

Dass die KG-Spitze bereits vor Monaten bereit war, Blome als Mitglied der Chefredaktion zu akzeptieren, verärgerte insbesondere die Ressortleiter. Hätten sie davon gewusst, hätten sie ihre Resolution anders formuliert, sagte einer von ihnen. Offenbar stand zur Debatte, Blome nicht nur als stellvertretenden Chefredakteur, sondern komplett abzulehnen. Man entschied sich für die etwas mildere Formulierung.

Machtkampf dürfte Büchner gewonnen haben

Latsch begründete die Entscheidung der KG-Geschäftsführung damit, dass er und seine Mitstreiter an „ein tiefes schwarzes Loch“ geführt worden seien. Die Aussicht, dass der „Spiegel“ von jetzt auf gleich ohne Chefredakteur und ohne Geschäftsführer dastehen könnte, habe sie erschreckt. Das klingt so, als hätten Büchner und Geschäftsführer Ove Saffe mit Rücktritt gedroht, sollte die KG der Berufung Blomes in die Chefredaktion widersprechen.

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Die Rücktrittsforderungen an die Adresse der KG-Spitze zeigten offenbar Wirkung. Latsch, aber auch der Sprecher der KG-Geschäftsführung, Rainer Hass, sollen sich, heißt es in Redaktionskreisen, mit dem Gedanken tragen, ihre Ämter niederzulegen. Die Situation gleicht der von Ende 1994, als die damalige KG-Spitze sich entschloss, gegen ihre eigene Überzeugung der Berufung von Stefan Aust zum Chefredakteur zuzustimmen, nachdem „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein gedroht hatte, die Brocken hinzuschmeißen. Anschließend trat sie geschlossen zurück.

Den Machtkampf mit Mitarbeiter KG und Redaktion dürfte Büchner gewonnen haben – trotz der Kraftmeiereien einiger Ressortleiter. Bis beim „Spiegel“ aber wieder alles in Ordnung ist, wird wohl noch einige Zeit vergehen.

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