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De Maizière vollzieht Radikalumbau der Bundeswehr

Die Marschrichtung bleibt: kleinere Bundeswehr, die besser ausgerüstet ist. Es gibt aber einen Unterschied zwischen Guttenberg und seinem Nachfolger.

Angela Merkel mag keine Kabinettsumbildungen. Die bringen Unruhe in die Regierung, sind ein Stück weit auch Eingeständnisse des Scheiterns. Sie belegen, dass die Kanzlerin Minister in ihr Team gerufen hat, die den Anforderungen nicht genügen.

Manchmal aber können Personalwechsel in der laufenden Legislatur auch ein Glücksfall sein. Zu besichtigen ist das am Beispiel des Bundesministeriums der Verteidigung. Dort gelang es dem ersten Amtsinhaber, Karl-Theodor zu Guttenberg , mit dem ungestümen Tatenddrang eines 39-Jährigen eine Initiative anzustoßen, an der viele seiner Vorgänger gescheitert waren.

Größter Umbau der Bundeswehr seit Gründung

Der CSU-Politiker brachte den größten Umbau der Bundeswehr seit Gründung der deutschen Streitkräfte vor 56 Jahren auf den Weg. Er lenkte das Interesse der Bevölkerung auf die lebensgefährliche Arbeit der Soldaten, nicht nur in Afghanistan.

Er legte offen, dass die Organisation der Truppe Herausforderungen wie diesem Auslandseinsatz nicht gewachsen ist, dass sie mit Strukturen arbeiten muss, die nicht erfolgsfähig sind. Und er gab den Startschuss für die Neuausrichtung, indem er in der Union die Aussetzung der Wehrpflicht durchsetzte.

Guttenberg hatte eine große Idee, doch bei der Umsetzung geriet er ins Stolpern. Als er im Zuge der Affäre um seine abgeschriebene Doktorarbeit zurücktreten musste, hatte die mit Verve begonnene Bundeswehrreform an Schwung verloren.

Der junge Minister machte Fehler, und damit machte er sich Gegner: Statt mit sicherheitspolitischen Notwendigkeiten hatte er den Umbau der Truppe mit Sparzwängen begründet, was ihm – nicht ganz zu Unrecht – den Vorwurf einbrachte, eine „Bundeswehr nach Kassenlage“ zu schaffen.

Oftmals konfrontierte er Parteifreunde und Opposition mit vollendeten Tatsachen, statt sie vorab in seine nächsten Schritte einzuweihen. Vor allem gelang es ihm nicht, im Kabinett den Herrn der Steuergelder auf seine Seite zu ziehen: Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Und bei der Aussetzung der Wehrpflicht schließlich griff Guttenberg dem Parlament vor, indem er schon zu Beginn des Jahres die Einberufung von Zwangsdienstleistenden stoppte – obwohl die Bundeswehr noch nicht auf die Anwerbung von Freiwilligen eingestellt war.

Merkel holte ihren verlässlichsten Mann

Um das wohl ambitionierteste Projekt der schwarz-gelben Regierung zu retten, wagte Angela Merkel nach Guttenbergs Rücktritt deshalb entgegen ihrer Neigung die große Rochade. Sie zog ihren verlässlichsten Mann, Thomas de Maizière, aus dem Innenministerium ab und versetzte ihn ins Verteidigungsressort.

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Der 57-jährige CDU-Politiker ist alles andere als ein Visionär. Aber wie kein Zweiter hat der erfahrene Ministeriale die Fähigkeit, Visionen zwischen Aktendeckel zu pressen. Er genießt nicht nur in der eigenen Partei Vertrauen, sondern ist auch bei den Oppositionsparteien angesehen.

Inhaltlich sind Pläne weitgehend deckungsgleich

Wenn ein Unionsminister also über das Handwerk verfügt, die größte Reform in der Bundeswehrgeschichte in die Tat umzusetzen, dann de Maizière – so Merkels Hoffnung.

Nach zweieinhalb Monaten der Einarbeitung deutete der zweite Verteidigungsminister dieser Legislatur nun an, dass der Schachzug der Kanzlerin aufgehen könnte. De Maizière stellte sein Konzept für die Neuausrichtung der Truppe vor.

Inhaltlich sind seine Pläne weitgehend deckungsgleich mit denen seines Vorgängers. An einigen Stellen schwächt er dessen radikale Ideen zwar ab, insgesamt aber lässt sich feststellen: Die Marschrichtung bleibt.

Stilistischer Unterschied

Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Ministern ist ein stilistischer. Während Guttenberg auf das konfrontative Prinzip des Überrumpelns setzte, bemüht sich de Maizière um breiten Konsens.

Bevor er an das Rednerpult der Berliner Julius-Leber-Kaserne trat, hatte er zahllose Gespräche geführt: mit ehemaligen Verteidigungsministern (übrigens auch mit Guttenberg) und Generalinspekteuren, mit Vier-Sterne-Generälen, mit sicherheitspolitischen Experten wie Wolfgang Ischinger, Volker Perthes oder Theo Sommer.

Er hatte nicht nur die Fraktionen der Regierungsparteien Union und FDP ins Boot geholt, sondern auch mit den Spitzen von SPD und Grünen gesprochen. Am Dienstagabend telefonierte er mit den wichtigsten internationalen Verbündeten: Amerikanern, Briten und Franzosen.

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Vor allem aber nutzte er sein gutes Verhältnis zu Wolfgang Schäuble. Während der Finanzminister gegenüber Guttenberg eisern an seinem Spardiktat von 8,3 Milliarden Euro bis 2015 festhielt, darf de Maizière mit Erleichterungen rechnen. So sollen die Kosten für den Personalabbau aus dem Verteidigungsetat ausgelagert werden. Weitere Zugeständnisse könnten während der anstehenden Haushaltsberatungen folgen.

Keine "Schönwetterveranstaltung“

Der Kern der Reform aber bleibt unverändert. Die werde keine „Schönwetterveranstaltung“, sagte de Maizière, sondern ähnele vielmehr „einer Operation am offenen Herzen, während der Patient weiter auf der Straße spazieren geht“.

Im Detail liest sich das so: Die Bundeswehr soll um etwa ein Fünftel schrumpfen und deutlich straffere Führungsstrukturen bekommen. Die Zahl der Soldaten soll von zurzeit 220.000 auf 175.000 bis 185.000 Soldaten reduziert werden. Wie Guttenberg kalkuliert de Maizière mit 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten.

Bei der Zielmarke für die freiwillig Wehrdienstleistenden ist er vorsichtiger und will sich schon mit 5000 zufriedengeben. Es stehen aber 15.000 Plätze zur Verfügung, sollten sich genügend Freiwillige finden.

Effektiver trotz Schrumpfung

Trotz der Schrumpfung soll die Truppe effektiver werden: Statt bisher 7000 sollen künftig 10.000 Soldaten für Auslandseinsätze zur Verfügung stehen. Damit soll die Beteiligung an zwei größeren und bis zu sechs kleineren Einsätzen gleichzeitig möglich werden.

Von den 76.000 Stellen für zivile Mitarbeiter sollen nur noch 55.000 übrig bleiben. Das Ministerium wird von 3500 Mitarbeitern auf 2000 abgespeckt – Guttenberg hatte 1800 vorgesehen. Der Personalabbau soll sich auf alle Hierarchie-Ebenen erstrecken.

Ob das Ministerium sich auf den Standort Berlin konzentrieren wird und welche Kasernenstandorte eine Zukunft haben, soll erst im Oktober bekannt gegeben werden. Derzeit sitzt der größte Teil der Mitarbeiter noch in Bonn. Die Spitze des Hauses wird weiterhin aus dem Minister, zwei beamteten und zwei parlamentarischen Staatssekretären sowie dem Generalinspekteur (GI) bestehen.

Zwar wird der GI durch neue Zuständigkeiten aufgewertet. Aber er bleibt einem Staatssekretär unterstellt, der damit als Ausdruck des „Primats der Politik“ das letzte Wort in Sachen Militärpolitik und Bundeswehrplanung hat. Guttenberg wollte den GI den Staatssekretären gleichstellen.

De Maizière baut Vorwürfe ab

Unterhalb der Spitzenebene sollen die Führungsstrukturen immerhin deutlich gestrafft werden. Die Inspekteure der Teilstreitkräfte und ihre Stäbe werden aus dem Ministerium ausgelagert, ganze Hierarchieebenen sollen wegfallen. „Wir haben für die Zahl unserer Aufgaben zu viele Stäbe“ und zu viele Führungspositionen, sagte de Maizière.

Dem Vorwurf, eine Bundeswehr nach Kassenlage zu schaffen, baute de Maizière nicht nur durch seine Kooperation mit Wolfgang Schäuble vor. Parallel zu seinen Einsparplänen legte der Minister neue verteidigungspolitische Richtlinien vor.

Das 20-seitige Papier formuliert einen strategischen Rahmen für Auftrag und Aufgaben der Bundeswehr. Daraus werden die künftigen Fähigkeiten abgeleitet. Als wichtigste Aufgaben sind neben Landes- und Bündnisverteidigung, wie zu erwarten, Einsätze zur internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung aufgeführt – genau diese Szenarien waren ja für Guttenberg die Auslöser, die Reform in Gang zu setzen.

Diesen Anstoß würdigte de Maizière ausdrücklich: Sein Vorgänger habe „dieses große Rad angeworfen. Das ist und bleibt sein Verdienst.“

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