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Vordenker in den USA: Guttenberg hat eine neue Aufgabe - WELT
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Politik Vordenker in den USA

Guttenberg hat eine neue Aufgabe

Der frühere Minister wird Berater des renommierten Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington

Als "herausragender Staatsmann" kann der Franke nun sein internationales Netzwerk weiter ausbauen

In Washington

Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wird künftig für eine der wichtigsten US-Denkfabriken tätig sein. John Hamre, Direktor des in Washington angesiedelten Center for Strategic and International Studies (CSIS), bestätigte auf Anfrage eine entsprechende Meldung der "Bild"-Zeitung. Den vormaligen CSU-Politiker zeichne ein "kraftvoller und kreativer Intellekt" aus, teilte Hamre der "Welt" mit. Dies habe er in zahlreichen Gesprächen mit dem 39-jährigen zu Guttenberg festgestellt, der im März nach einer Affäre um zahlreiche plagiierte Passagen in seiner Doktorarbeit das Ministeramt und seine Positionen in der Partei aufgegeben hatte. Guttenberg war zudem der akademische Grad aberkannt worden.

Hamre lobt gleichwohl den Freiherrn, der zuvor in Umfragen als beliebtester deutscher Politiker rangierte und bereits als möglicher CSU-Kanzlerkandidat gehandelt worden war. Guttenberg habe "eine geostrategische Sicht, die seinem Alter weit voraus ist. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihm." Weil Guttenberg ein "hohes Amt in einem anderen Land" geführt habe, werde er vom CSIS als "distinguished statesman" ("herausragender Staatsmann") geführt. Diese Ehre teilt Guttenberg künftig mit dem ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak, der beim CSIS ebenfalls als "distinguished statesman" auftritt. Guttenberg wird aber, wie andere Referenten auch, nicht auf der Gehaltsliste des CSIS stehen. In den USA ist es üblich, dass Referenten für ihre Vorträge gesondert honoriert werden.

Das CSIS ist die akademische Heimat zahlreicher amerikanischer Sicherheitspolitiker und genießt international einen vorzüglichen Ruf. Es ist auch ein Personalreservoir der US-Regierung. Hamre war unter Präsident Bill Clinton in den 90er-Jahren in hohen Positionen des US-Verteidigungsressorts tätig. Die heutige Pentagon-Abteilungsleiterin für internationale Sicherheitspolitik, Michele Flournoy, stammt ebenso wie die Leiterin des Pentagon-Referats für europäische und Nato-Fragen aus diesem Institut. Jimmy Carters Nationaler Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski hat dort gleichfalls ein Büro. Regierungen, die von der Demokratischen Partei gestellt wurden, haben aus dem CSIS häufiger Spitzenpersonal rekrutiert als Kabinette der Republikaner.

Im Juli war bekannt geworden, dass Guttenberg für ein "politisches Sabbatical" mit seiner Frau, mit Stephanie Freifrau von und zu Guttenberg, und den beiden minderjährigen Töchtern aus dem oberfränkischen, nach seiner Familie benannten Guttenberg nach Connecticut umgesiedelt war. Seitdem war über den Neuanfang im vorparlamentarischen Raum immer wieder spekuliert worden. Guttenberg, der in den USA ein Schuljahr absolviert hat, spricht ein fließendes und glänzendes Englisch und war in seiner Zeit als Politiker regelmäßig in Washington. Dort wurde Guttenberg immer wieder als "Anwalt des transatlantischen Verhältnisses" gewürdigt, unter anderem von Hamre bei einem Auftritt vor dem CSIS im Herbst 2010.

Guttenberg hatte nach seiner Wahl in den Bundestag 2002 das Amt des außenpolitischen Sprechers der CSU-Landesgruppe übernommen. Er stieg zum Generalsekretär der CSU auf und übernahm im Februar 2009 nach dem Amtsverzicht seines Parteifreundes Michael Glos die Position des Bundeswirtschaftsministers. Nach der Bundestagswahl im Herbst desselben Jahres wechselte Guttenberg auf die Position des Verteidigungsministers. Er war der erste Politiker der Bundesregierung, der für den Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan den Begriff "Krieg" verwendete. Der von Guttenberg angestoßene Umbau der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee ist allerdings in seinen Auswirkungen umstritten.

Im Februar 2011 geriet Guttenberg dann in den Strudel der Plagiatsaffäre. Es ging um eine Dissertation mit dem Titel "Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU". Sie war von der Universität Bayreuth mit summa cum laude bewertet worden. Doch dann fand zunächst ein kritischer Rezensent seiner Doktorarbeit einzelne Stellen ohne Quellenhinweis. Guttenberg stritt jedes Fehlverhalten energisch ab. Auch die Kanzlerin stellte sich hinter ihren jungen Minister. Doch als seine Arbeit im Internet einer gründlichen Untersuchung unterzogen wurde und immer mehr plagiierte Stellen gefunden wurden, geriet Guttenberg in die Defensive. Er verzichtete zuerst auf die Führung des Doktortitels "bis zu Klärung der Vorwürfe". Schließlich trat er von allen politischen Ämtern zurück. Die Universität Bayreuth entzog ihm rückwirkend die Promotion.

Ob ein Neubeginn seiner politischen Karriere auf dem Umweg über Washington möglich ist, bleibt offen. Immerhin aber bietet das Land der unbegrenzten Möglichkeiten auch jenen Chancen, die sich einmal verstolpert haben.

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