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Das Erbe von Stauffenberg

Karl-Theodor zu Guttenberg erinnert anlässlich der Filmpremiere von "Operation Walküre" an seinen Urgroßonkel Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg

Am 20. Juli 2009 jährt sich das gescheiterte Attentat auf Hitler zum 65. Mal. Zeitzeugen leben noch, umfassende Aufarbeitungen der Geschehnisse existieren, und doch ist der Umgang mit den Grundgedanken und Wirkkräften des Widerstands weiterhin auf bemerkenswerte Weise entrückt. Ein Erlebnis soll diese ernüchternde Erkenntnis illustrieren:

Vor etwa vier Jahren ergab sich für einen jungen Abgeordneten während einer Zugfahrt nach Hamburg ein prägender Dialog mit einem vielseitig Erfahrenen. Die Rolle des Fragenden im Zugabteil fiel Klaus von Dohnanyi zu, der sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis des jungen Mitreisenden zu Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg erkundigte. Dohnanyi hatte im Knabenalter meinen Urgroßonkel als häufigen Gast seines Vaters erlebt.

Als katholischer Konservativer und Monarchist, der sich später zum Demokraten wandeln sollte, folgte der Freiherr bereits während der Weimarer Republik in seiner publizistischen Tätigkeit nicht den Strömungen seiner Zeit. Nach dem Verbot (1934) seiner Zeitschrift "Die Monarchie" gründete der 31-Jährige die "Weißen Blätter", die mit Autoren wie Reinhold Schneider, Jochen Klepper und Werner Bergengruen in verdeckter Form Missstände im NS-System aufzeigten, ja sogar Rechtsbrüche beim Namen nannten.

Die "Weißen Blätter" wurden zu einem Kristallisationspunkt konservativer Opposition gegen Hitler, und um die Zeitschrift sammelten sich viele Regimegegner. 1941 kam Guttenberg in die Abwehr im OKW unter Admiral Canaris, wo sich neben tiefer Freundschaft zu Hans von Dohnanyi, Justus Delbrück und Hans Oster Kontakte zu weiteren Oppositionellen und Widerstandskämpfern ergaben. Ein Talent Guttenbergs lag in der Vernetzung seiner Verbindungen, die vom Kreisauer Kreis zu Ulrich von Hassel, den Gebrüdern Bonhoeffer, zur Heeresgruppe Mitte und zu den Kreisen um Beppo Römer reichten.

Wiederholt versuchte er Verfolgten auch unter Einsatz seines Lebens zu helfen. Als er immer stärker in das Visier der Gestapo geriet, erfolgte die Versetzung nach Agram, wo er, weiter im Kontakt mit dem Widerstand, nach dem 20. Juli 1944 festgenommen wurde. Nach monatelanger Haft in Berlin ermordete die Gestapo Karl Ludwig Guttenberg Ende April 1945. Guttenberg hatte sich denkbar früh entschieden, ohne je dieses Ziel aus dem Auge zu verlieren, die Naziherrschaft zu beseitigen. Gelegenheiten, vor der Festnahme abzutauchen, blieben ungenutzt.

Wiederkehrend wird im Kontext des 20. Juli über den Mangel an demokratischem Bewusstsein unter den Verschwörern geklagt. Sei es aus dem angeblich gefestigten Wissen unserer Zeit heraus oder aus Gründen individueller Geschichtsbewältigung, nicht selten aus den Reihen der 68er-Generation. Die Frage, ob sich letztere Haltung aus dem Streben erklärt, Gefahr oder das Risiko eigener Leistung zu meiden, soll an dieser Stelle unbeantwortet bleiben. Der Antagonismus zu den Mitgliedern des NS-Widerstandes wäre allerdings evident.

Selbstverständlich soll von unbestreitbaren Schwächen der Widerständler nicht abgelenkt werden. Auch meine Familie erlag gelegentlich der Gefahr der Verklärung, vereinzelt der Heroisierung. Auffällig ist allerdings - gerade in jüngster Zeit - der belehrende, akribisch die Schwächen suchende und letztlich zur Marginalisierung neigende Unterton mancher Beschreibungen der Widerstandsbewegung. Worauf richtet sich dieser Fokus? Möglicherweise auf das Verständnis von Vorbildern. Tatsächliche Vorbilder für verantwortungsvolles Handeln entspringen jedoch nicht der Erkenntnis von Übermenschlichkeit, sondern im Ergebnis ist es gerade das Menschliche, was die Taten groß, auch heldenhaft erscheinen lässt. Es wäre ein Zeugnis besonderer Armut, wenn der moralisierende Maßstab des Übermenschlichen - angelegt von allzu menschlichen Vertretern - das Land seiner Vorbilder berauben würde.

Man hinterließe einen unglaubwürdigen Eindruck, sollte der Blick auf die Familie, auf die Verwandtschaft zu Stauffenberg, Boeselager und anderen ohne Stolz gerichtet werden. Allerdings ohne Selbstgefälligkeit, sondern vergleichbar mit jenem Stolz, der von den Leistungen Deutschlands seit Kriegsende und von seinen prominenten wie vergessenen Verantwortungsträgern zehrt. So müssen unter dem Lichte begriffener Verantwortung Geschichtsbewusstsein und Selbstbewusstsein nicht im Widerstreit stehen.

Die Strahlkraft des Widerstandes gegen die Nazidiktatur reicht nicht, um das Dunkel dieser grauenvollen Zeit auflösend zu durchdringen. Der Notwendigkeit, die Flamme jener fundamentalen Prinzipien am Leben zu erhalten, hat sich angesichts der Asymmetrie heutiger Bedrohungen und unterschiedlicher Verständnisse der offenen Gesellschaft gerade auch die jüngere Generation zu stellen. Das Erbe des 20. Juli definiert sich nicht nur aus der Vergangenheit, da sich die zu wünschende Lebendigkeit des Erbes an der Aktualität und ihrer Zukunftsfestigkeit bemisst. Die Frage, ob geistige Unabhängigkeit das Fundament potenziellen Widerstandes bildet oder beides einander bedingt, erwiese sich als zweitrangig, wenn sich an die Spitze der persönlichen Erfahrung die Zivilcourage setzte. Die Anforderungen an Zivilcourage sind heute schwer wahrnehmbar. Gleichwohl bleiben sie zentrale Aufgabe der Erziehung. Entscheidend ist der Kontext Dietrich Bonhoeffers: "Zivilcourage (...) kann nur aus der freien Verantwortlichkeit des freien Mannes erwachsen."

Die Zugfahrt mit Klaus von Dohnanyi endete in Hamburg. Das Erbe des 20. Juli bleibt Gestaltungsauftrag und Mahnung für die Zukunft. Und Erben sind wir alle - ob gleichgültig oder kritisch, ob engagiert oder lediglich kommentierend.

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