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Spezialist für dramatische Geschichten

Als Reporter hat Jürgen Petschull die Welt bereist, traf Revolutionäre und Mafiabosse.Heute schreibt er Romane.Sein neues Buch ist ein Südsee-Thriller aus der KolonialzeitSeine Abschläge feuert er gekonnt in die Landschaft. Damit aber niemand denkt, er sei als Unterhalter so ruppig wie sein Golfspiel an mancher Stelle, würzt der zumeist gut gelaunte Jürgen Petschull die Stunden miteinander mit dem

Als Reporter hat Jürgen Petschull die Welt bereist, traf Revolutionäre und Mafiabosse. Heute schreibt er Romane. Sein neues Buch ist ein Südsee-Thriller aus der Kolonialzeit

Seine Abschläge feuert er gekonnt in die Landschaft. Damit aber niemand denkt, er sei als Unterhalter so ruppig wie sein Golfspiel an mancher Stelle, würzt der zumeist gut gelaunte Jürgen Petschull die Stunden miteinander mit dem einen oder anderen Witz.

"Kennt ihr schon den von der Misswahl auf Schalke?" Schweigen im Rund, erwartungsvolles Grinsen bei Petschull-Kennern. "Ist das der, bei dem das Publikum fordert, ,gib se noch ne changse'?" macht ein Besserwisser den Ruhrpottdialekt nach und die Stimmung kaputt. Ins enttäuschte "Der nun wieder ..!" tupft der erfahrene Erzähler seinen zweiten Versuch: "Kommt eine Frau zum Arzt ..!"

Petschull ist gebürtiger Duisburger und als solcher erkennbar im Ruhrgebiet sozialisiert. Daran haben auch mehr als 30 Jahre Großstadt Hamburg und fließendes Hochdeutsch nichts ändern können. Dass er aus dem Stegreif und fast in jeder Lage Menschen mit Geschichten und Geschichtchen bestens unterhalten kann, hat er von der Pike auf gelernt.

Jürgen Petschull, 67, ist ein erfolgreicher Journalist und Bücherschreiber. Seine Romane "Der Märtyrer" und "Herbst der Amateure" waren Bestseller. Für die Zeitschriften "Stern" und "Geo" bereiste er als Reporter die Welt. Parallel schrieb er zeitgeschichtliche Bücher, unter anderem über die legendäre Ballonflucht zweier Familien aus der DDR. Später wurde der Stoff von Walt Disney verfilmt.

Gerade eben ist sein neuestes Buch fertig geworden. "Der letzte Tanz im Paradies" heißt es. Es geht darin um Kannibalen, eine Südsee-Schönheit namens Queen Emma und um hanseatische Kaufmannsart in der Kolonie Deutsch-Neuguinea. Kurzum auch diesmal eine Melange zum Dranbleiben.

Das liegt natürlich daran, dass der Schreiber Petschull wie der Erzähler Petschull ein Menschenfänger ist. Selbst Kostverächter historischer Romane bescheinigen dem Thriller aus dem Kaiserreich die Merkmale Authentizität, Spannung und eine ordentliche Prise Sinnlichkeit. Regina Ziegler, eine von Deutschlands erfolgreichsten TV-Film-Produzenten, hat schon signalisiert, dass sie den Stoff verfilmungswürdig findet.

Treffen mit dem Autor besitzen den eingangs beschriebenen Spaßfaktor. Schnell ist der Zeitrahmen beim Plaudern satt überschritten, der nächste, allerletzte Kaffee bestellt und noch eine kleine Geschichte erzählt. Allerdings gilt an dieser Stelle eines klarzustellen: Jürgen Petschull ist nicht nur ein geschulter Unterhalter und Menschendurchschauer, sondern auch ein politischer Mensch. Er war in den Krisengebieten der Welt als kritischer Beobachter, hat Staatschefs, Revolutionäre und Wirtschaftsführer interviewt, Polizeichefs, Mafiabosse und sogar Auftragskiller getroffen. Fragte er auf dem Kiez nach dem Chef, wurde er, egal wo, sofort vorgelassen. "Für dieses Vertrauen musste ich allerdings auch ziemlich viele alkoholische Getränke konsumieren", sagt Petschull. "Aber das war damals kein Einzelschicksal."

Als Journalist kennt er noch die guten, fetten Zeiten. Geld spielte bei Dienstreisen und für die gründliche Nachforschung und Wahrheitsfindung keine Rolle, Zeit schon gar nicht. Für besonders wichtige Geschichten durfte Petschull, zumeist einen nicht minder arrivierten Fotografen an seiner Seite, je nach Thema auch mal ein halbes Jahr hinaus in die weite Welt.

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"Meine schönste und spannendste Reportagereise habe ich vor 15 Jahren gemacht", erinnert er sich. "Damals ging es von Togo bis nach China." Irgendwann traf er in einem Hotel auf ein Ehepaar namens Godeffroy. Die kamen aus Hamburg und waren auf Spurensuche nach ihren Vorfahren, einer angesehen Kaufmannsfamilie. "Diese Menschen und ihre persönliche Geschichte habe ich abgespeichert und mir überlegt, irgendwann daraus einmal ein Buch zu machen."

Aus diesen Erinnerungssplittern rund um das Handelshaus Godeffroy ist inzwischen sein aktuelles Buch entstanden. Schauplätze sind Hamburg und die Insel Neupommern im Bismarck-Archipel gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Rund um den deutschen "Südsee-König" Johan Cesar Godeffroy und die damals reichste Frau im Pazifik, Queen Emma, hat der Autor eine fesselnde Geschichte um Habgier, Liebe, aufständische Menschenfresser, Massaker und die politische Korrektheit von Kolonien gestrickt.

"Hier am Wandrahm in der heutigen Hafencity begann vor 111 Jahren die Geschichte, die ich erzähle", sagt Petschull beim kleinen Verdauungsspaziergang. "Das ist das Tolle am Romane schreiben. Als Journalist war ich der Genauigkeit verpflichtet. Beim Bücherschreiben darf sich so ein Charakter auch mal losreißen und seinen eigenen Weg gehen."

Dass es ihn schon während seines Journalistenlebens stets auch zum Bücherschreiben trieb, ist wohl vor allem seiner Neugierde geschuldet. Immer, wenn er gerade mal wieder einen aktuellen Zündstoff ausrecherchiert hatte, von Reisen in Krisengebiete zurückkam, trieb ihn die Frage um, was wohl danach mit den Menschen passierte, die er getroffen hatte. Mit der Veröffentlichung war sein journalistischer Auftrag zumeist beendet, "aber ruhiggestellt hat mich das Ergebnis nie. Also habe ich angefangen, die Geschichten weiterzustricken", sagt Petschull. "Die Basis war aber immer die Wirklichkeit mit ihren Figuren, die mich nicht mehr losgelassen haben."

Seit er dem Redaktionsalltag in Hamburg den Rücken gekehrt hat, "Rentner ist so ein unschönes Wort", ist er der Großstadt ein bisschen verloren gegangen, obwohl er hier noch immer eine Wohnung hat. Sein neuer Lebensmittelpunkt liegt zwischen einer Bremer Stadtwohnung und einem kleinen Haus in Oste an der Oste. In dem kleinen Postkarten-Örtchen hinterm Deich hat Petschull seit mehr als 20 Jahren einen Zweitwohnsitz in Form von wechselnden kleinen Reetdachhäusern, die er eigenhändig instand gesetzt hat. War er fertig mit Bauen, suchte er sich ein neues Objekt. "Ich bin im Herzen wahrscheinlich ein kleiner Baumeister. Schon mein Vater wollte, dass ich Architekt werde."

Doch nun soll Schluss sein mit der Umzieherei. Sein vorläufig letztes Heim, eine ehemalige Mühle mit einem kleinen Schreib-Pavillon auf dem Hügel, hat er liebevoll zum Nest für sich und seine Conny umgebaut. Die Hebamme aus Bremen ist Ehefrau Nummer zwei, und die Geschichte, wie sie sich ineinander verliebten, ist eine typische Petschull-Anekdote: "Kommt ein Mann auf den Golfplatz, schlägt einen Ball ins Gebüsch und trifft beim Suchen im Unterholz die Frau seines Lebens."

Nach Erscheinen seines Buches am 22. September liest der Autor hier und dort. Dass ihm die Zuhörer an den Lippen kleben werden, liegt dann wahrscheinlich nicht nur am Text. "Ich bin zwar Generalist, gelte aber als Spezialist für dramatische Geschichten", sagt Petschull.

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Dieses Talent bescheinigte schon sein erster Vorgesetzter, damals bei der "NRZ", dem 17-jährigen Möchtegern-Journalisten, der sich zuvor in Postillen wie "Guckloch", einer katholischen Jugendzeitschrift, aber auch in einem kommunistisch angehauchten Machwerk namens "Wahrheit" versucht hatte.

Anlässlich einer Preisverleihung wurde der Nachwuchsmann mit den Worten gelobt: "Im Mittelpunkt seines Schaffens steht stets der Mensch." Petschull lacht. "Das ist natürlich auch heute noch so."

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