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Wie groß ist unser flaches Universum?

Das Wärmebild des gesamten Nachthimmels, also die Temperaturverteilung (Körnung) der kosmischen Hintergrundstrahlung) dargestellt über alle Himmelsrichtungen. Orange bedeutet etwas größere, blau bedeutet etwas geringere Farbtemperatur als das Mittel von 2,73 Kelvin. Die Daten sind vom Planck-Weltraumteleskop in Mollweide-Projektion dargestellt. Das Wärmebild des gesamten Nachthimmels, also die Temperaturverteilung (Körnung) der kosmischen Hintergrundstrahlung) dargestellt über alle Himmelsrichtungen. Orange bedeutet etwas größere, blau bedeutet etwas geringere Farbtemperatur als das Mittel von 2,73 Kelvin. Die Daten sind vom Planck-Weltraumteleskop in Mollweide-Projektion dargestellt.
Das Wärmebild des gesamten Nachthimmels, also die Temperaturverteilung (Körnung) der kosmischen Hintergrundstrahlung) dargestellt über alle Himmelsrichtungen. Orange bedeutet etwas... größere, blau bedeutet etwas geringere Farbtemperatur als das Mittel von 2,73 Kelvin. Die Daten sind vom Planck-Weltraumteleskop in Mollweide-Projektion dargestellt.
Quelle: ESA
Obwohl unser Universum beliebig krumm sein könnte; ist es euklidisch flach, also platt wie eine Flunder. Ist das Zufall oder Notwendigkeit?

In meiner Kolumne Einsteins Relativitätstheorie für Dummies hatte ich erklärt, warum der Raum eines Universums global zwar beliebig gekrümmt sein kann, aber behauptet, unser Universum sei nicht messbar gekrümmt, also aus höherer Dimension betrachtet platt wie eine Flunder. Das hat bei so manchem Leser, so bei Kampi, Stirnrunzeln ausgelöst. Woher wissen wir das und vor allem: Wie kann man das wissen, wo wir doch selbst mitgekrümmt sind? Und wenn die Krümmung null ist, wie groß ist es dann?

Die Masse macht's

Es gibt im Prinzip zwei praktische Möglichkeiten, die globale Krümmung unseres Universums zu bestimmen. Zum einen bestimmen gemäß der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins, ART, alle Energien (Strahlung plus Vakuumenergie) und Massen (reguläre Materie und Dunkle Materie) des Universums zusammen genommen seine Krümmung. Die Krümmung ist negativ, bzw. positiv, wenn der Raum im globalen Mittel weniger bzw. mehr Massen (incl. in Massen umgerechnete Energien) als entsprechend 5,7 Wasserstoffatome pro Kubikmeter enthält.

Bei genau 5,7 Wasserstoffatom-Massen pro Kubikmeter muss der Raum eben sein. Die Gesamtmassendichte wird von den Kosmologen durch den Dichteparameter ?tot beschrieben, wobei ?tot = 1 genau der Masse dieser 5,7 H-Atome entspricht. Um die Raumkrümmung zu bestimmen, bräuchten wir also nur alle Massen und Energien durch direkte Beobachtung bestimmen. Aber das können wir bis heute noch nicht. Wie bestimmt man exakt die Menge der Dunklen Materie sowie die Menge der Strahlung im Universum, die wir nicht sehen können, durch ein Teleskop?

Die kosmische Hintergrundstrahlung

Zum Glück gibt es noch eine andere und sogar genaue Möglichkeit, die globale Raumkrümmung zu bestimmen, nämlich mit der so genannten kosmischen Hintergrundstrahlung (englisch: Cosmic Microwave Background, CMB). Die hatte ich bereits in meiner Kolumne Echo des Urknalls kurz beschrieben. Die CMB ist die Strahlung, die nach dem Urknall durch die Rekombination des Ur-Plasmas entstand. Das Universum hatte damals eine Temperatur von über 3000°C, so dass die gesamte Materie in Form von Plasma vorlag.

Durch die damals ziemlich starke Expansion des Universums kühlte sich das Plasma ab. Als vor 380.000 Jahren die Temperatur von 3000°C unterschritten wurde, rekombinierten die Elektronen mit den Ionen des Plasmas zu neutralen Atomen, wodurch Rekombinationsstrahlung entstand. Diese Strahlung breitet sich seitdem durch das gesamte Universum frei aus und lässt sich heute als CMB nachweisen und messen.

Weil das Plasma durch die damalige Massendichte und leicht instabile Kräfteverhältnisse eine bestimmte periodische Dichteverteilung hatte, wurde diese Dichteverteilung auch der CMB als leicht unterschiedliche Farbtemperatur aufgeprägt, die man heute noch als Körnung sehen kann (siehe Abbildung). Der Durchmesser eines Korns (kleine Flecken) entspricht einem Winkel von etwa 1° und somit etwa dem Doppelten des Monddurchmessers. Misst man also den mittleren Körnungsabstand (Fourier-Transformation) der CMB, dann kann man daraus die damalige Massendichte und wegen der seitdem erfolgten und bekannten Raumexpansion die heutige Massendichte bestimmen. Sie beträgt 5,8 ± 0,1 H-Atom-Massen, bzw. ?tot = 1,02 ± 0,02.

Innerhalb der Messgenauigkeit von 98 Prozent besitzt unser Universum heute also eine Massendichte, die ein perfektes flaches Universum erzeugt. Mehr noch, Substrukturen der Körnung geben darüber Auskunft, wie groß die Anteile regulärer Materie und Energien (5 Prozent), Dunkler Materie (27 Prozent) und Dunkler Energie (68 Prozent) sind. Und das ebenfalls mit 98 Prozent Genauigkeit!

Wie groß ist unser Universum?

Die Messungenauigkeit von 2 Prozent  lässt zu, dass unser Universum vielleicht doch ganz leicht positiv gekrümmt und somit in einem angenommenen 4-D Raum sphärisch in sich geschlossen ist. Man kann dadurch den minimalen Durchmesser unseres Universums auf 78 Milliarden Lichtjahre abschätzen. Unser Universum ist also minimal 78 Milliarden Lichtjahre groß oder mehr, bis hin zu unendlich groß. Von diesem Universum können wir jedoch nur den das so genannte beobachtbare Universum einsehen. Das ist der Teil des Universums, von dem wir das Licht der Galaxien sehen können.

Der Beobachtungshorizont, also die Grenze zum restlichen Universum, das wir nicht sehen können, hat in alle Richtungen von uns eine Entfernung von 46 Milliarden Lichtjahren. Das Licht der Galaxien jenseits des Beobachtungshorizonts waren beim Urknall weiter als 13,8 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt, weshalb uns das Licht von ihnen bis heute, nämlich nach 13,8 Milliarden Jahren seit dem Urknall, noch nicht erreicht hat. Wegen der ständigen Expansion des Universums seit dem Urknall befinden sich diese Grenzgalaxien heute in einer Entfernung von 46 Milliarden Lichtjahren.

Ist das Universum zufällig flach?

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Angesichts der Tatsache, dass jede Massendichte und somit Raumkrümmung unseres Universums möglich wäre, klingt es eigenartig, dass genau der Dichtewert entstanden ist, der unser Universum absolut flach. Ist das Zufall oder gibt es einen Grund? Die meisten Kosmologen glauben heute, dass die so genannte Inflation nach dem Urknall, die ich bereits früher einmal beschrieben habe, die Erklärung dafür ist. Demnach hat eine extrem starke Expansion des Universums direkt nach dem Urknall ein sphärisches, also kugelförmiges, in sich geschlossenes Universum so weit aufgebläht, dass das beobachtbare Universum heute flach erscheint.

Was bei dieser Erklärung jedoch vergessen wird ist, dass bereits beim Urknall das Universum hyperbolisch oder euklidisch gewesen sein kann und die Inflation dieses unendlich große Universum lediglich weiter ausgedehnt hat – ein unendliches Universum, das sich ausdehnt, bleibt immer nur eine unendliches Universum! Letztlich erklärt die Inflation als nur, warum das beobachtbare Universum so gut wie platt ist. Das gesamte Universum kann dem gegenüber eine leicht positive oder negative Krümmung besitzen und ist weit größer wenn nicht unendlich groß – und das ist verdammt weit, besonders zum Ende hin.

VGW

Gastartikel von Prof. Dr. Ulrich Walter, Diplom-Physiker und bekannter Weltraumexperte und präsentiert seit September 2016 die Doku-Reihe „Spacetime“.

Prof. Ulrich Walter

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