Der Anlass der großen Sonderausstellung des Ruhr Museums ist der Geburtstag des Essener „Filmstudios Glückauf«, das am 1. März 2024 hundert Jahre alt geworden ist. Es gehört damit zu den ältesten noch erhaltenen Kinos im Ruhrgebiet und in Nordrhein-Westfalen. Dieses Jubiläum nimmt das Ruhr Museum auf dem UNESCO- Welterbe Zollverein zum Anlass für eine Ausstellung über die gesamte Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets. Dabei lässt das Ruhr Museum nicht nur die großen Zeiten des Kinos in den 1920er- und 1950er-Jahren wieder auferstehen, sondern zeigt auch den Wandel der Kinokultur und die Personen vor und hinter den Kameras. Das „Filmstudio Glückauf« wurde 1924 als Reformkino gegründet und sollte durch die Aufführung anspruchsvoller Filme den befürchteten Gefahren des „sitten- und vor allem jugendgefährdenden« neuen Mediums entgegenwirken. Diesen Anspruch hat das „Filmstudio Glückauf“ über hundert Jahre lang bewahrt und ist seit den 1990er-Jahren Teil der Essener Filmkunsttheater. In einer beispiellosen bürgerschaftlichen Aktion ist es in den Zweitausenderjahren vor der Schließung und der Zerstörung gerettet worden und konnte weiter einer der Leuchttürme der Kinokultur in Nordrhein-Westfalen bleiben. Die Essener Filmkunsttheater wiederum bilden mit insgesamt sechs Spielstätten, darunter das berühmte Premierenkino „Lichtburg«, den Kern der Essener Kinolandschaft, und es ist der beispiellosen Initiative ihrer Inhaber Hanns-Peter Hüster und Marianne Menze mit ihrem Team zu verdanken, dass Essen und das Ruhrgebiet auch heute noch eine wichtige Rolle auf der deutschen Kinowandkarte spielen.
100 Jahre Geschichte
Prof. Heinrich Theodor Grütter, Museumsdirektor des Ruhr Museums, erläutert: „Wir haben unserer Heimat ein filmisches Denkmal gesetzt. Erstmals beleuchten wir die gesamte Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets. Und auch diese Geschichte ist filmreif.“ Die Ausstellung „Glückauf – Film ab! Kino und Filmgeschichte des Ruhrgebiets“ ist ein chronologischer Streifzug durch die Filmlandschaft des Reviers und dessen magischem Aufführungsort, dem Kino. Sie erzählt dabei die gesamte über hundertjährige Geschichte des Kinos und des Films im Ruhrgebiet, angefangen bei der Geburtsstunde der Kinematographie Ende des 19. Jahrhunderts, über die großen Kinobauten der 1920er-Jahre, die Instrumentalisierung des Films und des Kinos in der NS-Zeit und das Kinoerlebnis der 1950er-Jahre bis zum Wandel des Kinos ab den 1970er-Jahren bis heute. Gleichzeitig ist die Ausstellung aber mehr als eine Kino- und Filmgeschichte. Sie präsentiert die ganze Welt des Films und des Kinos im Ruhrgebiet, von der Vorführtechnik über die Film- und Kinowerbung, vor allem der 1950er-Jahre, bis hin zu den legendären Kinobesitzern und Kinobetreiberinnen. Sie zeigt die Region als Drehort bedeutender Filme und die dazugehörige Filmausstattung sowie die Filmschaffenden, die aus dem Ruhrgebiet hervorgegangen sind oder hier gedreht haben. Und sie beleuchtet die Spezifika des Ruhrgebietsfilms wie die Dokumentarische Filmarbeit, die enge Verbindung der Montanindustrie zum Film, die Filmavantgarde, den Film und das Kino im interkulturellen Kontext, die bedeutenden Filmfestivals der Region und schließlich auch die Skandale im Lichtspielhaus, die sich um Umweltprobleme, Sexfilme und das Image des Ruhrgebiets drehten.
Über 900 Exponate aus Museen, Archiven, Kinos und Privatbesitz von Filmschaffenden werden gezeigt. Dabei geht es von Plakaten, Autogrammkarten, Drehbüchern und Requisiten über spektakuläre Filmausschnitte, Zeugnisse der dokumentarischen Filmarbeit, Filmwerbung und Fotografien bis hin zu unterschiedlichsten Film-Projektoren und verschiedensten Medien und Genres, die die Filmlandschaft bereichert und geprägt haben. Es entsteht ein Panorama, das zeigt, welch wichtiges Kulturgut Film und Kino im Ruhrgebiet waren und sind.
Marianne Menze, Geschäftsführerin der Essener Filmkunsttheater: „Die Ausstellung widmet sich der großen Film- und Kinoleidenschaft der Menschen im Ruhrgebiet. Und genau dieser ist es auch zu verdanken, dass unsere Kinos heute und in Zukunft existieren.“
Die Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets
Gerade im Ruhrgebiet, dem ehemals größten industriellen Ballungsraum in Europa, besaßen das neue Unterhaltungsmedium Film und sein Präsentationsort, das Kino, eine ungeheure Bedeutung. Schon vor dem Ersten Weltkrieg existierte in Essen die „Schauburg«, das größte Kino überhaupt mit 2.000 Sitzplätzen, und in den 1920er- Jahren gehörten mehrere Kinos im Ruhrgebiet, wie die 1928 eröffnete Essener „Lichtburg“, zu den größten Lichtspielhäusern in Deutschland. Aber auch in den nachfolgenden Jahrzehnten, vor allem in den 1950er-Jahren, der Hochzeit der Kinos und der Blütezeit der Ruhrindustrie im Wirtschaftswunder, nahmen der Spielfilm und das Kino im Revier eine herausragende Rolle ein. Ende der 1950er-Jahre zählte die Region mehrere hundert Lichtspielhäuser, ehe das langsame Kinosterben begann und es sich in Konkurrenz mit dem Fernsehen und später anderen Medien auf den Rückzug begab und heute nur noch eines von vielen Unterhaltungsformaten ist. Aber auch heute existieren in Essen mit dem „CinemaxX“ das größte Multiplex- Kino und mit der „Lichtburg“ der größte Kinosaal in Deutschland.