Kamelobooks:Der Gotteskeks
Es war ein mal ein Gott. Und weil er ein ganz lieber war, buk seine Mutter ihrem lieben Kleinen einen riesengroßen Keks, zur Feier seines Geburtstages, denn er hatte stets einen göttlichen Appetit. Der kleine Gott war vielleicht ein Racker. Er rackerte sich täglich ab, die tollsten Erfindungen zu machen. Sein Kinderzimmer war ein wahrhaftiges, witzenschaftliches Laboratorium. Seine Leidenschaft für Experimente weitete er bisweilen auch auf die Küche aus, etwa als seine Mutter gerade am Kochen von Stuchbabensudelnuppe war, da nahm er sich einfach die Suppenkelle und schöpfte einige Nudelbuchstaben aus dem im Kochtopf vom brodelnden Wasser gut durchgeschüttelten Stuchbabenchaos der noch unfertigen heißen Suppe, und schüttete die so nach reinstmöglichem Zufallsprinzip ausgewählten Buchstaben auf den Küchentisch, und siehe da, auf der vom Tisch langsam abfließenden Suppenbrühe schwammen sie, und als die Brühe abgeflossen war, hatten sich die Buchstaben formiert zu einem lustigen Vers:
Im Anfang war der Reim.
Das war bei Gott daheim.
Wieder eine Erfindung mehr, und die Mutter nannte dieses goethliche Sprachexperiment "Schüttelreim". Und weil bei der Erfindung ihre Suppenkelle eine schöpfende Rolle gespielt hatte, nannte sie die Erfindungen ihres Sohnes fortan "Schöpfung". Aber das nur nebenbei. Denn der Höhepunkt der Geburtstagsfeier kam ja noch. Seine liebsten Spielkameraden kamen zur Geburtstagsfeier, Kamelgott und Saturn. Kamelgott brachte ein Geschenk mit, und für Saturn hatte Gottes Mutter etwas zur Begrüßung auf der Pfanne, einen leckeren Pfannkuchen. Saturn war schon kugelrund vom Verspeisen aller bis dahin jemals gebackenen Eierpfannkuchen, und der kleine Gott und der Kamelgott witzelten wie immer "Der hat aber Eier". Auch der Pfannkuchen war riesengroß, wie es sich für eine Gottesmahlzeit gehört, und Saturn nahm Anlauf und sprang mitten hinein in seine Eiermehlspeise. Kreisrund hatte er bald die Mitte des kreisrunden Pfannkuchens weggefuttert, da war er plötzlich satt. Und kam nicht mehr raus aus dem Loch in seinem Pfannkuchen. Und da steckt er bis heute, kugelrund in der Mitte des Pfannkuchens, den Gottes bezaubernde Mutter ihm aus der Pfanne gezaubert hatte.
Der kleine Gott packte dann erstmal sein Geschenk, eine Karawane aus, Kamel für Kamel. Die kleinen Trampeltiere machten sich sogleich breit auf dem großen Keks. Doch bis die Mutter auch den Kakao fertig gekocht hatte und der Keks gemeinsam verspeist werden sollte, verschwanden Gott und Kamelgott noch einmal im Kinderzimmer. Gott hatte noch ein lustiges Experiment vorbereitet, und infolgedessen kam es zu einer wahrhaft göttlichen Himmelserscheinung. Was genau in dem Kinderzimmer mit den zwei jungen Göttern darinnen genau vorging, lässt sich nur von phantasiereichen PhysikerInneN erahnen, im Schöpfungsbericht ist nur vom wohl größten Knall der Geschichte des Kosmos die Rede. Alles, was damals da war, also das Haus, in dem der kleine Gott aufwuchs bei seiner Mutter, der Stall, in dem der kleine Kamelgott aufwuchs, und der Bauernhof, von dem Eier, Mehl und Zucker für die Eierpfannkuchensaturnalien her stammten, alles zerbarst in Abertrilliarden Stücke, mit zwei Ausnahmen: Der große Keks nebst drauf siedelnden Kamelen blieb unversehrt, und auch der Pfannkuchen mit Zentralgottheit. Die beiden Überbleibsel der heilen Welt, wie sie früher war blieb denn auch zusammen, und als sich die Trümmer alles Übrigen neu formierten zu Sonnensystemen, suchten sich Saturn in seinem figurbetonenden Pfannkuchenring und die Kamele auf dem großen Keks die schönste dieser Sonnen aus, um fortan zu ihrem System zu gehören. Während ein Gott ist und immer bleibt, wie er ist, so wie der Saturn mit seinem Pfannkuchenring, hat die Ausnahmeerscheinung in unserem Sonnensystem, der große Keks, sich stark verändert. Und das kam dadurch, dass die Trampeltiere auf dem Keks dessen Oberfläche zu Krümeln zertrampelten, und damit die knusprige Keksoberfläche bis heute zu großen Teilen Sandwüste geworden ist, so dass ein idealer Lebensraum für Kamele entstand. Aus dem von Gottes Mutter gebackenen Keks wurde so die Erdscheibe, wie wir sie heute kennen.
Und was ist aus Gott und dem Kamelgott geworden? Ihre gelegentlich aus dem Off des Weltraumes ertönenden Stimmen können nur von wenigen Auserwählten wie Moses und Mohammed gehört werden, und ob die immer alles richtig verstanden haben, ist nicht so ganz gewiss, weshalb sich damit eine Sonderwitzenschaft namens Theologie kümmern muss, benannt nach Theo von Tanne, dem zu Ehren heutzutage einmal im Jahr ein Tannenbaum in jedem Wohnzimmer aufgestellt wird. Und wenn kamel den schön vertrocknen lässt und dann nochmal die letzten daran befestigten Kerzenstummel anzündet, entzündet sich leicht der ganze Baum explosionsartig. Wer dieses Glück hat, hat nochmal ein bisschen Urknall daheim. Fröhliche Weihnachten.