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"Glücklich, wer mit den Verhältnissen zu brechen versteht, eher sie ihn gebrochen haben!" Franz Liszt

Berichte und Beiträge in den Medien

 

Paulus Manker plant Theaterspektakel „Cosima Wagner“
Weimar ersteigert Liszts "Legende der hl. Elisabeth"
Nike Wagner: Rede zur Eröffnung von „pèlerinages“ Kunstfest Weimar
„Eine in Europa einmalige Aufgabe“
Franz Liszt - Der Freimaurer als Abbè

Lisztverein ade. - Bilanz und Appell von Obmann Hans Tesch

 

Paulus Manker plant Theaterspektakel „Cosima Wagner“.

Artikel aus Welt am Sonntag, 16. April 2006

"Man muss an die Extreme gehen." Genial schwierig. Ingo Niermann sprach mit Paulus Manker über Liebe, Lust und seine Alma-Mahler-Inszenierung"
von Ingo Niermann

Alma Mahler muß eine besondere Frau gewesen sein. Als Tochter des österreichischen Malers Emil Jakob Schindler 1879 geboren, hat sie sich Zeit ihres Lebens ganz der Geniepflege gewidmet. Denn in einer Gesellschaft, die eher Rennpferde für genial hielt, aber gewiss keine Frau, konnte sie entweder Genies gebären oder Genies entdecken. Mit ihren Kindern hatte Alma Mahler allerdings nicht so viel Glück, weshalb sie sich vor allem auf die Auflese spezialisierte. Noch vor deren Reife ehelichte sie vielversprechende Künstler und unterzog sie dann einer fordernden Nachbehandlung. "Nichts schmeckt so gut wie das Sperma eines Genies", soll Alma Mahler einmal gesagt haben. Als trieb sie als peitschende Muse nacheinander den Komponisten Gustav Mahler, den Architekten Walter Gropius, den Maler Oskar Kokoschka und den Schriftsteller Franz Werfel zu Höchstleistungen an.

In Paul Mankers Theaterspektakel "Alma Mahler - Witwe der vier Künste" können die Zuschauer Almas Lebensstationen in verschiedenen Interieurs hautnah beiwohnen. Das Stück wurde bereits 250mal aufgeführt, erst in Wien, dann in Los Angeles, Venedig und Lissabon, meist waren die Vorstellungen ausverkauft.

Ab Freitag gastiert die Produktion im Berliner Kronprinzenpalais Unter den Linden. Im Garten wurde Almas Grabstein aufgebaut, ein Musikzimmer wurde eingerichtet, ein großer Festsaal, eine Küche, Tochter Annas Bildhaueratelier und Franz Werfels Sterbezimmer im kalifornischen Exil. Paulus Manker - 48, Halbglatze, lange Haare, schwarzes T-Shirt - führt in sein Büro, das noch mit Glastischen und grauen Ledersesseln aus dem DDR-Inventar eingerichtet ist.

Welt am Sonntag: Sie haben sich einen recht geschichtsträchtigen Ort ausgesucht für Ihre Berliner Aufführungen.

Paulus Manker: Ja, Wilhelm II. wurde hier geboren, eine berühmte Geschichte, weil es eine schwierige, eine Steißgeburt war und das Kind nahezu tot auf die Welt kam. Dann hat sich eine Hebamme ermächtigt, ihm gegen das Hofprotokoll den nackten Hintern mit einem Handtuch zu versohlen, und hat den Kronprinzen zurück ins Leben geprügelt. Er war dann ein Leben lang verbildet, mit dieser berühmten verkürzten Hand. Er hat hier eine schreckliche Kindheit verlebt, denn man hat alle möglichen Dinge an ihm ausprobiert. Bis hin zu einer Naturheilmethode: Man hat seinen verkrüppelten Arm in ein frisch geschlachtetes Kaninchen eingenäht.

Der Autor Ihres Stücks, Joshua Sobol, sagt: "Die Geschichte des 20. Jahrhunderts muss man über ihre Monster verstehen."

Manker: Er hat schon über einige Monster geschrieben, aber Alma ist eher eine Marginalie. Am Ende ihrer Autobiographie sagt sie, daß sie sich glücklich schätzt, eine Zeitlang mit ihren Rittern des Lichts gelebt und ihnen die Steigbügel gehalten zu haben. Dann sind sie in den Ruhm und die Unsterblichkeit davongeritten und Alma blieb zurück. Das barg auch Probleme. Sie war zur Künstlerin zumindest entschlossen, ob geboren, kann man nicht sagen, aber sie hat komponiert. Aber nach der Heirat mit Gustav Mahler wurde das eingestellt. Der wollte keine Kollegin im Haus haben, sondern eine Ehefrau.

Warum dann ein vierstündiger Abend nur über Alma?

Manker: Bei ihr war alles überlebensgroß. Wie ein Wagnerscher Riese - ihr Lieblingskomponist übrigens. Sie war mutig und hat wirklich in Extremen gelebt. Schon ganz früh hat sie - wie man in Wien sagt - nix geschissen um Konventionen und hat sich den Ruf erworben, eine Kulturnutte gewesen zu sein.

Alma Mahler - das erste Groupie?

Manker: Bei ihr war es ein bißchen raffinierter, weil sie nicht gedacht hat: Ah, da ist was Prominentes, da ist was Reiches, da hau ich mich jetzt ran. Sondern sie hat die Genies geradezu gerochen. Werfel war, als sie ihn kennenlernte, ein ganz toller Poet, aber nicht der weltberühmte Autor von Romanen, die den Erfolg von Thomas Mann bei weitem überstiegen haben. Zu diesem Erfolg hat Alma ihn getrieben und fast gezwungen. Sie hat zum Beispiel gesagt: Wenn du mit mir schlafen willst, gehst jetzt rauf in dein Zimmer, schreibst das Kapitel vom Roman zu Ende, und dann kannst kommen. Wenn Kokoschka sagt: Eine Nacht mit Alma gibt mir Energie für eine Woche Arbeit, dann kann man das doch gar nicht hoch genug schätzen. Später, als sie ihn verlassen hat, ließ er sich eine lebensgroße Alma-Puppe, einen Fetisch mit Muschi und Brüsten, machen. In Dresden, wo er eine Professur hatte, hat er mit der Puppe gelebt. Er hat eine Zofe gehabt, die hat die Puppe angezogen, dann fuhr er mit der Kutsche aus, ging in die Oper - mit der Puppe.

Nach welchen Kriterien suchte sich Alma ihre Männer aus?

Manker: Gutes Aussehen war für Alma jedenfalls nicht entscheidend. Ihr Kompositionslehrer Alexander Zemlinsky, mit dem sie sich eingelassen hat, war ein häßlicher, nach Kaffeehaus riechender Gnom. Auch Werfel war nun wirklich nicht das Bild eines Mannes. In ihren Tagebüchern hat sie ihn schrecklich apostrophiert, als einen häßlichen Juden mit Nikotinfingern und ewig triefenden Augen. Nur Gropius war eingestandenermaßen schön und "arisch" - sie war eine große Antisemitin, was erstaunlich ist, weil sie Kinder gehabt hat mit Mahler und mit Werfel Jahrzehnte verheiratet war. Da war sie furchtbar uneinsichtig. Marietta Torberg, die sehr mit ihr befreundet war, hat gesagt: "Sie war eine große Dame und gleichzeitig eine Kloake." - Das finde ich einen sehr guten Bogen, wer kann das schon von sich sagen?

Wie ist es, so dicht vor dem Publikum zu spielen?

Manker: Wie eine Droge, das ist das Allertollste. Man braucht eine große Konzentration, weil in dem Moment, wo Sie in Richtung Partner oder Partnerin blicken, Sie dahinter dreißig Augenpaare anschauen. Sie sind völlig überprüfbar. Ihre Augen werden gesehen, und die Augen können nicht lügen.

Das Guckgastentheater ist ja nicht das ursprüngliche. Die Shakespeare-Bühne war von drei Seiten umgeben, und die Leute waren so nah dran, daß Zäune aufgestellt werden mußten, damit die besoffenen Zuschauer nicht die Schauspieler belästigen.

Bei "Alma Mahler" bekommen die Zuschauer auch zu essen - im Grunde ähnlich wie bei Pomp, Duck & Circumstance.

Manker: Pomp, Duck & Circumstance ist Dinner-Theater, da werden Dinge während des Essens dargeboten. So tief laß ich mich nicht herab. Ich spiele nicht, während jemand eine Stulle in sich reinschiebt. Nein, das ist bei uns im Stück eingebaut. Mahler wird am Ende des ersten Aktes im Garten zu Grabe getragen, und dann heißt es: Wir bitten Sie jetzt in den Festsaal zum Leichenschmaus.

Planen Sie in Zukunft ein ähnliches Großprojekt?

Manker: Ja, Cosima Wagner. Das haut ins Volle, das geht von Wagner bis Liszt, Hitler und Chamberlain.

Interessiert Sie auch Aktionstheater, das die Zuschauer mit einbezieht?

Manker: Das mag ich eigentlich net so gern. Weder es machen noch will ich als Zuschauer belästigt werden von halbnackten Schauspielerinnen, die sich lasziv auf meinen Schoß setzen. Wenn ich ihr dann wirklich an die Möpse gehe, rennt sie eh schreiend weg. Das ist ein sehr dünnes Eis.

Über die Schauspielerei haben Sie mal gesagt: "Für die drei Stunden, die Sie sich dort ausbluten, müssen Sie Erdmittelpunkt sein."

Manker: Es ist ein völlig durchschaubares Spiel, und immer wieder lassen sich Zuschauer auf diese Illusion ein. Das ist toll und bedeutet eine große Verpflichtung für die, die es machen. Die Zuschauer gehen sehr weit mit. Es gibt jetzt wieder eine Diskussion darüber, daß auf den Bühnen dauernd Blut, Sperma und Kotze zu sehen ist. Aber das sind die Lebenssäfte, also kann ich überhaupt nicht sehen, warum man das vermeiden sollte, und auch schon die ganzen Shakespeare-Stücke quellen damit aus den Nähten. Man muß an die Extreme gehen.

In dem Film "Slumming" spielen Sie auf geradezu erschreckend authentische Weise einen herumlungernden Alkoholiker. Wie weit müssen Sie die Exzesse leben, um sie auch überzeugend spielen zu können?

Manker: Einen Alkoholiker zu spielen ist eine ziemliche Klippe. Beim Alkoholiker, den Sie auf der Straße sehen, spüren Sie auf 40, 50 Meter, daß der alkoholisiert ist. Ohne daß der lallend und grölend und torkelnd watschelt, sondern der will geradegehen und nicht auffallen - nur die Erdumdrehung haut ihn in die Zentrifuge. Aber Schauspieler sind immer auf alles stolz. Schauspieler sind auch stolz darauf, daß sie weinen. Kein Mensch auf der Welt ist stolz darauf, daß er weint, alle möchten es verhindern. Das Interessante ist der Kampf dagegen. Das ist schwer.

Wie haben Sie das Problem gelöst?

Manker: Ich dachte mir, man kann ja hier und da beim Dreh wirklich Hacke sein. Schon so, daß man noch stehen und sprechen kann, aber daß dann der berühmte Ellbogen, der vom Tisch runterrutscht, wirklich runterrutscht. Da muß man ein bissel Leute haben, die sich darum kümmern, daß einem nichts passiert, und dann wird das gefilmt. Das kann man vielleicht nicht fünf oder sechs Stunden machen, aber zwei oder drei. Dann wird man "flachgelegt" und ruht sich aus.

-"Alma - Die Witwe der vier Künste", Kronprinzenpalais Berlin, 21. April bis 27. Mai 2006

Weimar ersteigert Liszts "Legende der hl. Elisabeth"

Die Klassik Stiftung Weimar hat auf einer Frühjahrsauktion die Notenhandschrift "Die Legende der heiligen Elisabeth" von Franz Liszt für 14.000 Euro ersteigert. Wie die Stiftung mitteilt, gehört das 25 Seiten umfassende Dokument zu einem 1862 in Rom beendeten Oratorium, mit dem Liszt der aus Ungarn stammenden Thüringer Landgräfin Elisabeth (1207-1231) ein musikalisches Denkmal setzte. Das ersteigerte Kleinod wird vom Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv verwahrt.

Die Neuerwerbung wird als bedeutend eingestuft. Einerseits mit Blick auf den 2007 bevorstehenden 800. Geburtstag der für ihre Barmherzigkeit bereits kurz nach ihrem Tod heilig gesprochenen Elisabeth, andererseits enthalte sie wichtige Teile des Oratoriums für Soli, Chor, Orgel und Orchester und komplettiere damit ein bereits in Weimar vorhandenes 13-seitiges, ebenfalls von Liszt eigenhändig geschriebenes Teilmanuskript zu dem am 15. August 1865 in Pest uraufgeführten Meisterwerk des Komponisten. Mehrere gedruckte Exemplare befänden sich zudem in der Weimarer Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Liszt war von 1842 bis 1859 Hofkapellmeister in Weimar. Die Handschriften zu etwa 470 seiner Werke befinden sich heute im Goethe- und Schiller-Archiv.

 

Nike Wagner: Rede zur Eröffnung von „pèlerinages“ Kunstfest Weimar

Samstag, 21. August 2004, 11 Uhr, Weimarhalle Seminargebäude

WEIMAR UNTERWEGS

„Weder Sterne, Meere, Steine, Feuersbrünste noch Pflanzen noch Tiere feiern Feste. (...) Feiernde und festliche Lebewesen sind offenbar nur die Menschen; denn nur die Menschen feiern Feste: andere Lebewesen tun das nicht“, stellte der Philosoph Odo Marquard fest. Der Grund, so Marquardt weiter, sei in der „exzentrischen Positionalität“ des Menschen zu finden: „ Der Mensch lebt sein Leben nicht nur, sondern verhält sich auch noch zu ihm, und das kann er nur, weil er auf Distanz geht zu seinem Leben.“ Und weil der Mensch der „Lebensexzentriker“ ist, braucht er das Fest - als eine Art Aussetzung, Unterbrechung, als Moratorium des Alltags. Er kann heraustreten aus sich selber und sich zu sich selber verhalten, sich, im philosophischen Sinne, „anschauen“, „betrachten“, bevor er wieder dorthin zurückkehrt, von wo er ins Fest geflohen ist: in die Wiederkehr des Gleichen, wie sie sich heilsam, aber auch lastend, im Alltag verkörpert.

Ich darf Sie herzlich willkommen heißen zum Moratorium von Ihrem Alltag, zu jenem Ausnahmezustand vom Gewöhnlichen, den ein Festival darstellt oder, um es eleganter mit Robert Musil zu sagen, zu jenem „anderen Zustand“, zu dem Sie durch das neue Kunstfest in Weimar, durch die Intensivierung des Umgangs mit Kunst – vier Wochen lang – als „exzentrische Lebewesen“ eingeladen, aufgefordert, gebeten sind.

Ein neues Kunstfest in Weimar bedeutet, daß Weimar „unterwegs“ ist, daß diese Stadt ihrer durch Geschichte und Kulturgeschichte zugefallenen besonderen Verpflichtung nachkommt, daß sie den Ausnahmezustand verantwortet, den Kunst-Zustand, das Reflektieren und nicht zuletzt Genießen der einzig dem Menschen eigenen exzentrischen Position.

Das Wort „unterwegs“ ist das Schüsselwort meines Denkens für Weimar und das Schlüsselwort des heutigen Vortrags, mit dem ich Ihnen das Konzept des neuen Kunstfestes vorstellen und erläutern darf. Ich möchte Ihnen auch einige Gedanken über das vertrackte Verhältnis von Tradition und Neuerung, Zählebigkeit und Geschwindigkeit, Bewahrung und Veränderung mitteilen - kurz, über den gegenwärtigen Kulturzustand und Zeitgeist, auf den ein Kunstfest reagieren muß.

Kunstfeste gibt es in Weimar seit 199o. Zaghaft fingen sie nach der Wende an und halfen der Stadt, sich vom schmutzigen Braunkohleruß, der wie eine Glocke über der Stadt hing, in jeder Hinsicht zu befreien. Ende 1994 bildete sich eine Weimarer Kultur-Koalition, genannt „ Sieben für Weimar“, in der sich die Leiter der großen Kulturinstitutionen zusammenfanden, um im Vorlauf auf das Kulturstadtjahr 1999 ein Veranstaltungsprogramm zu erarbeiten. Zugleich erfolgte viel „Arbeit am Mythos“ – am Mythos Weimar. Die Doppelgesichtigkeit der Stadt wurde ins Festprogramm aufgenommen, ihr politisches Elend neben all dem verbürgten Glanz, die Nachbarschaft Buchenwalds. Für das Jahr 1999 selbst hatten sich die organisatorischen Strukturen dann verschoben, der Stiftungspräsident Bernd Kauffmann nahm das Kulturstadtjahr allein in seine Hände. Dieses annus mirabilis verschaffte der Stadt viel Echo, viel Ruhm, die Westdeutschen erfuhren, daß es Weimar wirklich gibt, die Weimarer erfuhren etwas von der Vielstimmigkeit und Konfliktträchtigkeit, die ein internationales Festival entfesseln kann. Es wurde gehobelt, es flogen die Späne, der ehemals volkseigene Betrieb Weimar wurde dekonstruiert, anders zusammengesetzt, mit zum Teil schmerzhaften Akzenten. Danach ging das Leben weiter. Nach der ungeheuren organisatorischen und imaginativen Anstrengung „Kulturhauptstadt“, nach der Bereitschaft auch von seiten des Bundes, des Freistaates und der Stadt, dafür ungeheure Mittel fließen zu lassen, blieb die Zeit nicht stehen, sondern die Reihe von schönen Tagen, die das Kulturstadtjahr beschert hatte, wollte auch verkraftet werden.

Das war schwer und grenzte an eine Traumatisierung der Stadt, an den Katzenjammer am Morgen danach. Plötzlich waren die Streicheleinheiten weg, die Festival-Subventionen wurden auf ein normales Maß gekürzt, Weimar sollte sozusagen alleine weiterlaufen, nachdem es so lange gehätschelt worden war - auch zu Zeiten der DDR schon. Die Gebäude waren schön restauriert, Weimar ein tadelloses Freiluftmuseum, überall die Stein gewordene Literatur, die Stein gewordene Vergangenheit – wer oder was würde die Stadt aber beleben? Die Hundertschaften von Touristen, die hier jedes Jahr in Gruppen durchtraben und Bildung im Schnellgang einatmen, mögen wichtig sein für den Bratwurst- und Postkartenverkauf, die geistige und finanzielle Lebenskraft des Ortes können sie nicht garantieren. Die Einrichtung des Kunstfestes blieb also bestehen, inzwischen hing der Weimarer wohl auch an dieser Institution. Das Kunstfest wurde – und das ist, den Umständen Rechnung tragend, richtig – als Einspartenfestival definiert. Aus dem Kunstfest wurde ein Tanzfest.

Dennoch waren sie unglücklich, die „Sieben für Weimar“, die inzwischen durch ein sich ausbreitendes Krisenklima und die Fusionierungsmaßnahmen innerhalb der Institutionen auf Fünf zusammengeschmolzen waren, sie waren unzufrieden. Denn was nach einem Wort des Satirikers Karl Kraus für die Stadt Wien gilt, galt doch auch für Weimar: „Die Straßen Weimars sind mit Kultur gepflastert, die anderer Städte mit Asphalt.“

Ein neuer Anlauf also, ein neuer Kunstfest-Plan. Die „Fünf für Weimar“ - die Leiter der Stiftung Klassik und Kunstsammlungen, der Gedenkstätten Buchenwald, der Bauhaus-Universität, des Nationaltheaters und der Musikhochschule – holten sich eine sechste Person – mich, in deren Nachnamen Kulturgeschichte und Medienwirksamkeit, in deren Vornamen, neben der Siegesgöttin und dem Turnschuh, der Frauenbonus und eine gewisse Intelligenz zu verbuchen sein würden. Die Magie des Namens Weimar wirkte sofort. Ohne die Umstände einer näheren Prüfung zu unterziehen, ohne Kenntnis von Lokalpolitik, Budgetierungsfeinheiten, Spielstättenausstattung und anderen heimischen Einzelheiten sagte ich zu: „Eyes wide shut“ - um einen witzigen Filmtitel zu zitieren.

Ein neues Kunstfest: die alte Hoffnung, daß der Stadt der Nachlaßverwaltung par excellence neues Blut zugeführt werde, daß die Stadt der toten Dichter und der stets verjagten Moderne-Bewegungen neue Impulse erhalte, daß der Mythos Weimar, von dem überregional nur das Stichwort „Goethe“ und im Ausland nur der Begriff „Weimarer Republik“ erhalten sind,

in irgendeiner Form wieder aufleben könne, daß Weimar die Geister wieder binde, daß Weimar zumindest zu einem Treffpunkt der Kunstinteressierten würde. Unüberhörbar im Hintergrund das Rascheln und Drängeln von Ökonomie und Politik, die Vorstellungen von Kultur als Wirtschaftsfaktor, Strukturhilfe, Umwegrentabilität. Die Vision, daß sich auch für Weimar das Wort der Festspielpräsidentin von Salzburg erfüllen möge: „Festspiele sind für alle ein Geschäft, für die Wirtschaft und für den Staat, sprich den Steuerzahler. Die Festspiele bringen allen etwas.“

Weimar zwischen Wunsch und Wirklichkeit, aber auch inmitten der größeren Koordinaten unserer globalen Welt: Einer Welt, deren Innovationstempo wächst und deren Veraltensgeschwindigkeit zunimmt, in der die Traditionswirklichkeiten immer schneller durch die Funktionswirklichkeiten ersetzt werden, einer Welt, in der die Informationstechnologie immer schneller immer mehr Informationen kommuniziert und dadurch alles und immer schneller neutralisiert, wobei die „Neutralisierungswelt“ – ein Wort von Odo Marquardt – dazu neigt, das Neutralisierte auszurangieren, wegzuwerfen. Hier kommen die soziologischen Diagnosen zum Tragen, die von unserer Wegwerf- und Vergessensgesellschaft sprechen.

Auch Weimar, auch ein Festival in Weimar steht inmitten dieser Prozesse, in dem Sog, der von den immer schnelleren Rotationen ausgeht, dem immer schnelleren Ausspucken des Gestern, in der Zwickmühle zwischen Anpassung an die Veränderungsschnelligkeiten – heute neu, morgen alt, ex und hopp – oder eben dem Widerstand dagegen. Aber was hieße Widerstand? Jammern und bremsen, still das Erbe verwalten, Rückwärtsgang und Hausmusik, Nabelschau und Abschottung? Da kommen wir auch nicht weiter.

Vor allem in Weimar wäre ein solches Verhalten gefährlich. In den Tendenzen zur Musealisierung und zum Hüten des genius loci besteht ja gerade seine größte innere Gefährdung – die durch die ökonomischen Krisen inzwischen auch als äußere Gefährdung wahrnehmbar wird. Für ein Festival kommen Traditionalismus und Bewahrungskultur, Klassikerhut und Gretchenzopf nicht in Frage. Das Meer der Silberhaarigen im Saal wüchse in ungebührlicher Weise an, während die Jungen draußen vor dem Tore ihren Rollerskates und Blockbustern überlassen blieben. Andererseits aber – hier der Kern- und Knackpunkt - darf sich ein Festival nicht dem wandlungsbeschleunigten Zeitgeist andienen, sein Heil in der Flucht nach vorn suchen und der Wegwerf- und Vergessensgesellschaft entgegenkommen durch eine Reihung von Highlights oder eine Aufweichung in Richtung Unterhaltungs- und TV-Kultur, durch Clip-Ästhetik und Classic light , durch Designästhetik und Verpackungstalmi. Ein Festival ist ein Event in sich, eine exzentrische Angelegenheit für die exzentrischen Lebewesen – und dies allein durch seine Existenz, seine ästhetische, organisatorische und finanzielle Kräftebündelung, seine Fokussierung auf das Hier und Jetzt.

Wie aber nun steckt sich ein Festival in Weimar seinen claim ab? Wie definiert es sein Ziel im Wirbel der Anforderungen, zwischen ökonomischen Rentabilitätszwängen und künstlerischem Eigensinn, in einer kleinen Stadt mit Angstlust vor der Größe, inmitten unklarer, weil niemals erfaßter Besucherstrukturen und von einem Zeitgeist bedroht, der sich in die flügellahme Bestätigungskultur hier und die kurzzeiterhitzte Eventkultur dort spaltet? Ich hätte auch sagen können: wie versöhnen wir die Langsamkeit mit der Schnelligkeit, das humane Lebens- und Wahrnehmungstempo mit der rasanten Wandlungsbeschleunigung der globalen Fortschrittswelt?

Ein Festival kann da helfen, behaupte ich, kann da eine Lücke schließen, Beihilfe zu einer schwierigen Versöhnungs- und Vermittlungsarbeit leisten, vor allem, wenn das Festival in Weimar stattfindet. Die Pflasterung seiner Straßen mit alter Kultur, seine provinzielle Ruhe und Langsamkeit, dazu die „Dauerpräsenz des Vertrauten“ (Marquardt), seine Teddybärennatur - „mit Goethe durch das Jahr“ - gibt den idealen kompensatorischen Untergrund, auf dem sich die moderne Ruhelosigkeit, die gesteigerte Geschwindigkeitstemperatur, die Wechselbäder des Neuen auch im Sinne „veloziferisch“ hereinbrechender Kunstveranstaltungen aushalten lassen und mehr als das: diese nötig machen. Weimar gibt die Rückversicherung in die Zeit, die Deckung nach rückwärts, die alte Bühne, auf der das Veränderliche, auch Provokante und Neue ins Kraut schießen kann. Andererseits nimmt ein Ereignis wie ein Festival die Stadt auf die Reise und ins Abenteuer mit, rüttelt sie auf aus ihrer depressiven Beschaulichkeit und tendenziellen Selbstgenügsamkeit.

Ein komplementäres Gespann also, das Kunstfest und seine Stadt, Komplizen? Von der Anlage her gewiß. Wir haben freilich erst die Großwetterlage erkundet. Es bleibt darzulegen, wie sich dieses neue Kunstfest im Einzelnen situieren will und wie es meint, zwischen Scylla und Charybdis hindurchzukommen, zwischen der Übermacht der örtlichen Traditionslast und dem kulturellen Neoliberalismus der Gegenwart. Ein ständiges Ja und Nein: Der historische Sinn verlangt nach Bezug auf die Tradition, nach Kontinuität und Langsamkeit, der ästhetische Sinn ruft nach Innovatorischem, nach Brüchen und Aufbrüchen, Risiko und Neudefinitionen. Und man weiß zugleich: Alle Wege führen nach Rom, nur der goldene Mittelweg nicht.

Manchmal führt ein schönes Wort aus dem Dilemma - ich war immer schon wortgläubig: „pèlerinages“. Das Wort zeigt den Weg. „pèlerinages“ ist der neue Name des Kunstfestes. Elitär französisch für die einen, vertraut für Musikmenschen: eine Anspielung auf die „Années de pèlerinages“ jenes Komponisten, dessen Pilger-, Virtuosen– und Wanderjahre hier in Weimar, zumindest für Jahre, ein Ende hatten; die „Années de pèlerinages“ sind ein Klavierzyklus von Franz Liszt. Den ersten Teil, die „Années en Suisse“ werden wir gleich hören, den zweiten Teil, „Italie“ hören Sie im nächsten Jahr zur gleichen Zeit, hier, an gleicher Stelle.

Damit ist schon ein konzeptueller Gedanke der neuen „pèlerinages“ angesprochen: die Wiederkehr – nicht des Gleichen, sondern des Anderen im Gleichen, die Variation des Bekannten. Die Etablierung wiederkehrender Ereignisse haben etwas Rituelles – denken Sie an den „Parsifal“ für Bayreuth, den „Jedermann“ für Salzburg, das Picknick in Glyndebourne. Rituale beruhigen, verbürgen Kontinuität, sichern Geschichte, sind ein Tribut an die Langsamkeit, die wir brauchen, um zu atmen, um uns zu wehren gegen die Beschleunigungen unserer Welt, Arbeitswelt. Außerdem enthalten Rituale etwas sehr Einfaches, Menschliches, Rituale sind wie Weihnachten. Man freut sich auf ein Wiedersehen - den Ort wiederzusehen, einen Interpreten wieder zu hören, Bekannten und Freunden wieder zu begegnen, wieder den gleichen Wein zu trinken – in diesem Falle bitte den eigens kreierten „pèlerinages“-Silvaner der Fürstlich Castell´schen Weingüter...

Solche rituellen Momente des Kunstfestes werden das jedes Jahr wiederkehrende Konzert mit dem Titel „Gedächtnis Buchenwald“ sein – jedes Jahr das gleiche Orchester, die Staatskapelle Weimar, aber ein anderer Dirigent, ein Gastdirigent aus der jüngeren Generation und jedes Jahr ein anderes Programm, vergleichbar nur im nachdenklichen Charakter seiner Zusammenstellung. Absichtlich wird dafür auch die neutrale Weimarhalle und kein spektakulärer Ort gewählt, weder die – verzeihen Sie das Wort – „Originalschauplätze“ draußen in Buchenwald, noch andere „interesting locations“. Ähnlich verhält es sich mit dem Franz-Liszt-Schwerpunkt, der jedes Jahr wiederkehren soll: ob man Liszt dabei nun „pur“ und “authentisch“ aufführt, Liszt in multimedialer Verfremdung, Liszt re-komponiert oder ob er - wie heuer - als Filmstar auftaucht, immer sind es Variationen zum gewählten Thema Liszt.

Ein anderes rituelles Moment der „pèlerinages“ wird die Wiederkehr des artist in residence sein, des Pianisten András Schiff. Heuer konzertiert er vierzehn Tage lang in Weimar, zusammen mit seinem Privatensemble „Cappella Andrea Barca“. 2005 wird András Schiff fortsetzen, was er 2004 begonnen hat, unter anderem seinen Zyklus der Beethoven-Sonaten. Mit Beethoven hatte übrigens auch Liszt sein Debut und seinen Abschied in Weimar bestritten. András Schiff wird wiederkommen und sicherlich wird auch wiederkehren, was sein Programm heuer schon kennzeichnet: die subtilen Verweise der Stücke und Komponisten aufeinander, die Beziehungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. In Heinz Holligers Vertonung der Gedichte von Robert Walser tönt Eichendorffs und Schumanns „Mondnacht“ nach, Schumanns Eichendorff-Lieder werden ebenfalls gespielt und gesungen, Schumann gehört zu den Lieblingskomponisten von György Kurtág, von Kurtág erklingen die Kafka-Fragmente, Holligers Liederzyklus wiederum ist Kurtág gewidmet und Robert Walser war der Lieblingsdichter von Franz Kafka – und so weiter. Korrespondenzen über die Epochen knüpfen Kontinuitäten, zeigen das Neue im Alten und umgekehrt. Damit hält die Zeit inne, wird man der Zeit inne, vergewissert sich seiner selbst, Ruhe kehrt ein.

Gegen diese introvertierte Ruhe nun aber der extrovertierte Topos des Reisens, der Ruhelosigkeit, des Unterwegsseins, der im neuen Namen des Kunstfestes anklingt und verwirklicht werden soll. Was bedeutet das Wort „pèlerinages“ konzeptuell? Verlassen wir damit den Boden des Gewachsenen, hinaus aufs offene Meer mit Weimar? Zunächst definieren die „pèlerinages“ Weimar als „Pilgerziel“ für alle Kunsthungrigen, eine schöne, altmodische, spirituelle Vorgabe: warum Santiago di Compostella, wenn es Weimar gibt? Kunst ist allemal die bessere Religion.

Zugleich bezeichnet der unruhige Übertitel Weimar aber auch als Reisestation, womöglich als Durchreisestation. Hier tut sich ein Spiel der Referenzen auf, basierend auf den Erfahrungen der Vergangenheit, die nicht immer nur zum Ruhm der seit und mit Goethe - seit eh und je also - überforderten kleinen Stadt ausfielen. Ein „Bleiben“ in Weimar gab es nie für jene, die Weimar „erneuern“ wollten. Alle, die nach Goethe von einer neuen Kunstperiode an diesem Ort träumten, sind weitergezogen oder mußten es vielmehr, von Franz Liszt über Harry Graf Kessler und Henry van de Velde bis zu den Bauhauskünstlern. Die Moderne hatte in Weimar immer einen schweren Stand, gleichgültig zu welcher Zeit und in welchem Gewand.

Auch Franz Liszt hatte es schwer, seine Moderne, die Avantgarde seiner Zeit hier durchzusetzen – Wagner, Berlioz, Schumann. Er hat es gleichwohl unternommen und die Klassikerstadt in ein Forum für Neue Musik verwandelt. Obendrein plante er – ein früher Kulturmanager - eine groß angelegte Goethestiftung, die Weimar in einem jährlichen Turnus zu einem Wettbewerbsort für zeitgenössische Literatur, Malerei, Bildhauerei und Musik gemacht hätte – einer Art documenta und Donaueschingen und Klagenfurt zugleich, ein Plan, der aus politischen Gründen gescheitert ist. Vielleicht aber bestätigte Weimar gerade in seiner Weigerung, den Missionaren der Erneuerung Raum zu geben, die zentrale Erfahrung der Moderne, daß ein Bleiben nirgends ist, dass Reise, Ruhelosigkeit, Unbehaustheit die Gütezeichen der Moderne sind, vielleicht erfüllte Weimar damit nur die tieferen Wünsche jener ersten und aller folgenden Romantiker nach einem Vertriebenenschicksal. Das Moderne-Moment eines Franz Liszt liegt gerade in seiner „Voyageur“ - Natur. In der „romantischen“ Sehnsucht nach der Ferne war längst auch das Angstbild des Heimatlosen und Gejagten erkennbar und Weimar, das brave Weimar, gab nur das äußere setting dazu. „Wir Heimatlosen von Anbeginn..“ heißt es von den Künstlern bei Nietzsche.

Wie immer: Für uns gehört Liszt selbstverständlich zum Traditionsfundus von Weimar und das Kunstfest verhält sich auch dann „traditionsgemäß“, wenn es den „modernen“ Durchreisestatus gleich zu seinem modus vivendi erklärt. Traditionsgemäß verhält sich das Kunstfest ohnehin, wenn es die Figur Franz Liszt zum Vorbild nimmt, Liszt zum Hausheiligen und geistig-künstlerischen Übervater des Kunstfestes erklärt. Dahinter steckt eine bewusste imitatio ,

die, wie ich meine, geschichtlich reizvoll ist. Liszts eigne Traditionbewußtheit, sein Umgang mit der Tradition wird zitiert. Wie das Kunstfest heute an Franz Liszt, so knüpfte Franz Liszt damals, als die Großherzogin Maria Pawlowna ihn nach Weimar holte, an die Klassiker an, Goethe insbesondere. Mit seinen Symphonischen Dichtungen nahm Liszt Goethes Begriff der Weltliteratur auf und erzählte sie in seiner Sprache, der musikalischen, neu – die Tasso-, Hamlet-, Faust- und Dante-Symphonien entstanden. Mit den „Années de pèlerinage“, seinen „Wanderjahren“, hatte er ohnehin schon seine „Italienische Reise“ und seinen „Wilhelm Meister“ zugleich geschaffen, so der Lisztforscher Detlef Altenburg. Und Liszts imitatio oder besser seine „Transkription“ der Klassik sollte noch weitere und größere Dimensionen erhalten. Zusammen mit Richard Wagner wollte er das klassische Zeitalter musikalisch nachstellen, die Dichter Goethe und Schiller sozusagen als Komponisten wiederauferstehen lassen – als Liszt und Wagner. Der Platz für Wagners „Nibelungentheater“ war schon gefunden: das Bayreuther Festspielhaus in Weimar - nicht auszudenken. Der Dresdner Maiaufstand von 1848/49, der Wagner zum politischen Flüchtling werden ließ, was diesen Plan von 1856 letztlich vereitelte, hatte ihr Gutes.

Liszts Ideen und Ideale liegen also dem Konzept des Kunstfestes zugrunde und siehe da, es ist immer gut, sich an Künstler anzuschließen. Von Liszts Ideen ausgehend, lassen sich die Abgründe der heutigen Spaßkultur ebenso vermeiden wie die Abgründe der Traditionshüterei, lassen sich die Bedürfnisse nach Konzentration und Entschleunigung ebenso integrieren wie die Notwendigkeit, Schritt zu halten mit der Gegenwart und ihrem unablässigen Vorwärts.

Als Virtuose war Liszt der Inbegriff des Reisenden gewesen, als der Komponist, der er in Weimar wurde, ist er ein rätselhaft „ichloser“ Moderner geworden, mit einem Werk, das alle Gattungen aufnimmt, vielfältig und zersplittert, bis in die Auflösung der tonalen Bezüge hinein. Das Neue, Zeitgenössische, Experimentelle wird also seinen festen Platz bei diesem Festival erhalten und die Vielfalt der Künste – siehe Goethestiftung - ist Programm, gruppiert um die Hauptkunst Musik, die im artist in residence ihre Verkörperung gefunden hat: Theater, Tanz, Literatur, Ausstellungen, neue Medienkünste, Diskussionen, Kino. Sogar die gute alte Wanderung wird in den Status einer Kunstsparte erhoben.

Das Weltbürgertum, das der Weimarer Bürger Franz Liszt ausstrahlte und mit seinem Werk beglaubigt, ist ebenfalls Vorbild, politisch wie künstlerisch: Europäische Jugendorchester und internationale Künstler kommen nach Weimar, bewohnen die Hotels, sprechen in die Lokalität hinein, nehmen Weimar mit auf ihre Bühnen und pèlerinagen: Weimar „unterwegs“. Und Weimar wird antworten: die Weimarer Künstlerszene erhält ebenfalls ein Forum, der Kunstfestgast von auswärts wird von der heutigen Identität der Stadt einiges erfahren können.

Mit der Buntheit und der Vielfalt könnte sich aber ein neues Problem stellen: Sie rücken das Kunstfest unter Umständen zu nahe ans lustige Eventmanagement heran. Dem steuert eine konzeptuelle Maßnahme entgegen, die wiederum Bezug auf Franz Liszt nimmt und die hommage an diesen ungewöhnlichen Künstler vertieft. Die Vielfalt der Veranstaltungen wird durch ein Motto, ein Thema zusammengehalten. Dieses Thema wird jedes Jahr neu dem Oeuvrekatalog von Franz Liszt entnommen, das so viele auratisch schöne Titel enthält. Für 2004 heißt das Motto „Heimweh“ – Titel eines Stückes aus den „Années de pèlerinages“, im Original: „Le mal du pays“. Nach dem Motto „Heimweh“ sind die Veranstaltungen ausgerichtet, man kann es überall entdecken und herausspüren, es gibt der Vielfalt Sinn und Kontur, holt sie aus der Beliebigkeit heraus, die die Festivalprogramme heute so oft kennzeichnet. Das Motto gibt dem Festivalgeschehen eine Dramaturgie, eine dramaturgische Einheit, einen Spannungsbogen – vor allem zu erleben von den hiesigen Besuchern. Sie können viele Veranstaltungen besuchen, während die Frankfurter, Münchner, Berliner wohl eher die herausgehobene Einheit „Wochenende“ bevorzugen müssen. In diesem Sinne ist das Kunstfest durchaus ein Fest für Weimar und das nahe Thüringen. In den folgenden Jahren, 2005 und 2006, soll an diesen dramaturgischen Bögen weitergebaut werden, sollen einzelne Programmpunkte ihre Fortsetzung finden, und Franz Liszt wird neue, suggestive Themen liefern. 2005 heißt das Motto „Liebesträume“ und 2006 wird es lauten: „Schlaflos – Frage und Antwort“.

Warum aber das Motto „Heimweh“? Erinnert es nicht zu sehr an Heimatkitsch, Heimatfilm, an die Vertriebenverbände? Spielt es gar auf die sogenannte „Ostalgie“ an, die viel komplizierter ist als die ahistorische Ausschlachtung des Begriffes durch die Medien uns glauben macht?

Je länger man den Begriff „Heimweh“ anschaut, desto ferner schaut er zurück, desto vielschichtiger, zugleich intensiver und universeller wird er.

Zunächst ist „Heimweh“ der Idee des Reisens, der „pèlerinage“ eng verbunden. Wer auf Reisen geht, hat irgendwann Heimweh, will wieder nach Hause. Vielleicht ist das bekannte „Fernweh“, das uns auf Reisen gehen macht, ja auch nur eine Form des Heimwehs - Heimat als das, was man immer erst finden muß. „Heimweh“ ist ein Begriff von unauslotbarem metaphysischen und metaphorischen Tiefgang. Neben den philosophischen und poetisch-romantischen Einfärbungen – Novalis, Nietzsche, Heidegger, „weh dem, der keine Heimat hat“ - stehen die psychischen. Heimweh ist ein Gefühl, das jeder kennt und keiner lokalisieren kann. Als Heimweh der Seele nach der Kindheit, einem schöneren Einst, geistert der Begriff durch die Literaturen, ein Sehnsuchts-, fast ein Krankheitsbegriff, ungreifbar, weil auch der Begriff eines goldenen Zeitalters damit verbunden ist, der hinüber schillert in die Ideologien, als Projektion eines älteren Heimwehs, Kinderheimwehs, in die gesellschaftliche Utopie, in die Vorstellungen von einem herrschaftsfreien Zeitalter.

Immer liegt dem „Heimweh“ ein Verlust zugrunde. Verlust, geographisch verstanden, heißt Verlust von Gebieten, Ländern, Haus und Hof, eines bestimmten Ortes. Die Welt der Emigranten, Exilanten, Asylanten, Flüchtlinge drängt hier herein, die politische und soziale Geschichte des 19. und 20. und 21. Jahrhunderts, neben der Geschichte der Zwangsvertreibungen die Geschichte der Migrationen – im 19. Jahrhundert von Europa nach Amerika, inzwischen, in umgekehrter Bewegungsrichtung, aus den Ländern der Dritten Welt nach Europa. Immer nimmt einer, der weg muß, ein Stück von zu Hause mit, aber wie es integrieren in der neuen, fremden Heimat? Das berührt Fragen des Zusammenlebens, der Integration, Fragen großer inhaltlicher Spannungen, sehr aktuelle und gar nicht kitschige Fragen. Und das Heute hat diese Fragen noch verschärft: Mit der angewachsenen globalen Mobilität ist die Welt zusammengewachsen, vereinheitlicht. Ein Ordnungsmodell aber hat diese expansive Modernisierung der Gesellschaften, dieser neue Kosmopolitismus nicht geschaffen. Der Nationalstaat, in dem sich Legitimität und Herrschaft verbinden sollte, hat an Bedeutung verloren. „Wir sind mit der Ausbreitung weitgehend anonymer, transnationaler Herrschaftspraktiken konfrontiert, die in internationalen Organisationen, Netzwerken und Bewegungen, im System der Banken und des Handels angesiedelt sind“, so der Soziologe Ulrich Beck. Wer aber legt in diesem neuen Kontext die Normen fest, nach denen sich die Identität von Ländern, Personen und Staaten bestimmen?

Heimweh ist ein Suchbegriff und ein Suchtbegriff. Eine Verweigerung, Auflösung des gesuchten und ersehnten Ordnungsmodells „Heimat“, „Identität“ - wie fiktiv immer - wird auf jeder Ebene, der gesellschaftlichen wie der psychischen und existentiellen, Störungen zur Folge haben, Gleichgewichtsstörungen, und die entsprechenden Versuche, die jeweilige Idee von Heimat gegen andere durchsetzen zu wollen. Nicht immer wird das so offen und unkompliziert zugehen wie bei den singenden Youngsters der Rockszene: „Home is where my laptop is...“

Das Kunstfest lotet den Begriff „Heimweh“, von dem ich hier nur vage Umrisse zeichnen kann, in verschiedenen Dimensionen der Kunst aus – darüber wird gesprochen, diskutiert, gesungen, musiziert, Theater gespielt. Ein musikalisches Heimweh nach Franz Liszt artikulieren neue Kompositionen, vom Heimweh nach einer neuen politischen Ordnung und dem neuen Menschen erzählt die Großausstellung „Kunst der Weimarer Republik“,

Heimweh nach der Utopie, die sich im Sozialismus hätte verwirklichen können, versinnlicht das Musiktheaterstück „Eislermaterial“ - und vieles mehr. Das neue Kunstfest in Weimar hat ein kleines Ordnungsmodell, ein Konzept, eine Identität.

Last but not least sei daran erinnert: der Ort, an dem wir uns befinden, verkörpert selbst und auf ziemlich atemberaubende Weise das Motto dieses Kunstfestes. Weimar ist immer Metapher und Realität zugleich, sichtbar und unsichtbar, wie kein anderer Ort ein Heimweh-Ort der Deutschen, wie kein anderer Ort aber auch ein Ort des Fernwehs, denn nie und nimmer kann die Stadt einlösen, was wir an Hoffnungen an sie herantragen: Hoffnungen auf eine permanente Garantie unserer Identität, unserer deutschen Identität als einer kulturellen. Wir können nur „unterwegs“ dazu sein, unterwegs nach Weimar.

Ein Kunstfest aus dem Boden zu stampfen, in sehr kurzer Zeit, war nicht leicht. Bevor die Musik beginnt, möchte ich deshalb meinen Dank an diejenigen Institutionen und Personen richten, die bei den schwierigen Geburtswehen tatkräftig geholfen haben. In erster Linie danke ich dem Freistaat Thüringen, in ebenfalls erster Linie dem Bund - unsere Kulturstaatsministerin hat in Anerkennung des Kunstfest-Programms eine zweite großzügige Gabe nachgereicht -, und – ja, eigentlich schon wieder in erster Linie der Stadt Weimar, sowohl der symbolischen wie der realen in Gestalt ihres liebenswürdigen Oberbürgermeisters Dr. Volkhardt Germer. Danken möchte ich den vielen privaten Helfern, Kulturstiftungen und Unternehmen, die Sie auf der nicht endenwollenden Liste der Sponsoren und Mäzene im Programmheft finden. Stellvertretend für alle seien hier nur die Financiers des Eröffnungswochenendes genannt, bei denen alle „Gattungen“ von Gebern vertreten sind. Dem Verlegerehepaar Irene und Rolf Becker danke ich für das Konzert des gestrigen Abends „Gedächtnis Buchenwald“, der Antje Landshoff-Ellermann Stiftung und der kanadischen Botschaft für diesen Vormittag,

dem Ernst von Siemens Kulturfonds für die Ausstellung “Kunst der Weimarer Republik“ heute nachmittag, der Jenoptik AG für das Liszt-Multimedia-Konzert am Abend, und den vereinten Kräften von Art Mentor Foundation Lucerne, Ernst von Siemens Musikstiftung, Dorian Stiftung Stuttgart, Herrn Dr. Walter Kuna, Nowolipetzki Metallkombinat und Schering Stiftung verdanke ich die Konzerte der beiden Jugendorchester von heute und morgen abend.

Meine Danksagung darf aber nicht erlöschen ohne den Fokus auf diejenige und diejenigen zu richten, die in unermüdlicher Selbstausbeutung und mit typisch weiblicher Effizienz das Kunstfest mit mir realisiert haben. Ohne die Geschäftsführerin Franziska Gräfin zu Castell-Castell wäre mein Kunstfest ein Wolkenkuckucksheim geblieben, ohne die Riege der westöstlichen Hochleistungsdamen, die für die künstlerische Koordination – Annette Rosenfeld – und fürs Projektmanagement – Franka Günther - tätig gewesen sind, wäre das Kunstfest irgendwo „unterwegs“ auf der Strecke geblieben. Herzlichen Dank an mein fabelhaftes Kunstfest-Team!

Und nun, at last, das Fest beginnt, Liszt is last. Nun hat die Musik das Wort: Die „Années de pèlerinage“, gespielt von Marc-André Hamelin.

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„Eine in Europa einmalige Aufgabe“

Oliver Thill, einer der Architekten des Liszt-Konzertsaales, im Mail-Dialog mit RAIDING.AT (1.2.2005)

Tesch: Was reizt ein internationales Architekten-Duo an einem Projekt, wie es in Raiding entsteht?

Thill: Die Besonderheiten des Projektes liegen in erster Instanz natürlich in der Aufgabe selbst. Der Bau eines Konzertsaales in einem Dorf mit 900 Einwohnern ist eine in Europa einmalige Aufgabe. Der Dialog des neuen Gebäudes mit dem ländlichen Charakter der Umgebung stellt für uns eine besondere Herausforderung dar. Wir haben versucht, ländliche Bauelemente im Entwurf zu integrieren, so wird vor allem im Inneren viel Holz verwendet und es sind die Außenfassaden des Hauses - wie im Burgenland üblich - sehr schlicht und hell. Im Erdgeschoss besitzt das Haus sehr große Fenster, wodurch die Foyers sehr schön mit dem umliegenden Garten verbunden werden. Auch spielt die Blickbeziehung aus dem Inneren zum gegenüberliegenden Franz - Liszt - Geburtshaus eine sehr wichtige Rolle.

Tesch: Warum haben Sie – aus Ihrer Sicht – letztlich den Zuschlag bekommen?

Thill: Der Erfolg des Raidinger Hauses wird in Zukunft sehr stark von der Qualität des Saales und seiner Akustik abhängen. Wir haben uns daher während des Wettbewerbs sehr sorgfältig um die Gestaltung und die Akustik des Saales bemüht. Entstanden ist ein besonderer Raum, der völlig aus Holz gebaut wird und der einen sehr schönen umlaufenden Balkon besitzt. Bei der Proportionierung wurde dabei auf Vorbilder aus dem 19.Jarhundert zurückgegriffen. Wir denken, dass dieser Ansatz letztendlich ausschlaggebend war für die Entscheidung der Jury.

Tesch: Was bedeutet das Raidinger Projekt für Sie und für Ihr Atelier?

Thill: Das Projekt in Raiding ist für uns aus zwei Gründen ein sehr wichtiges Projekt. Zum einen ist es der erste Konzertsaal, den das Büro baut; zum anderen wird es das erste Gebäude unseres Büros in Österreich werden. Wir sind daher sehr erfreut, gespannt und neugierig.

Tesch: Verlangt ein Konzertsaal eine besondere Annäherung für einen Architekten?

Thill: Ja. Das Entwerfen eines Konzertsaales erfordert viel Einfühlungsvermögen - viele räumliche Ideen werden direkt durch die Akustik bestimmt. Auch ist die innere Organisation des Hauses aufgrund vieler Bauvorschriften im Zusammenhang mit den Fluchtwegen recht kompliziert.

Tesch: Gibt es eine besondere Schwierigkeit, die Sie beim diesem Konzertsaal oder der Örtlichkeit antreffen bzw. zu bewältigen haben?

Thill: Ein wichtiger Punkt ist das begrenzte Baubudget, welches im Vergleich mit anderen Konzertsälen sehr niedrig ist. Hierauf wurde schon im Entwurf reagiert, im weiteren Prozess werden wir hier sehr diszipliniert vorgehen müssen.

Tesch: Zu Ihrem bisherigen Schaffen. Was waren Ihre auffälligen, komplizierten oder spektakulären Projekte?

Thill: Das Aufgabenfeld des Büros ist relativ groß und umfasst neben kollektivem Wohnungsbau, öffentlichem Bauen, auch Städtebau. Im Augenblick sind wir mit Bauprojekten in Holland, Deutschland und Belgien beschäftigt. Die spektakulärsten Projekte waren bisher der Museumspavillon “Light building” und der Niederländische Landespavillon auf der IGA 2003 in Rostock, Deutschland. Beide Projekte wurden in den “Atlas of contemporary world architecture” aufgenommen. Das komplizierteste Projekt an dem wir zurzeit arbeiten ist der Umbau von 1100 Apartments im Süden von Amsterdam.

Tesch: Gibt es einen Gedanken, einen Grundsatz oder eine Leitlinie, die Sie für das Projekt in Raiding haben? 

Thill: Ziel des Projektes ist aus unserer Sicht ein harmonisches Ganzes zu erzeugen.

Danke für die Antworten.

 

Franz Liszt - Der Freimaurer als Abbè

Dr. Sven Friedrich, Direktor des Richard-Wagner-Museums, des Jean-Paul-Museums und des Franz-Liszt-Museums in Bayreuth, über ein spezielles Spannungsverhältnis in der Biografie Franz Liszts.

Am 18. September 1841 wurde Franz Liszt in die Frankfurter Loge "Zur Einigkeit" aufgenommen. Seine Einweihung fand unter der Bürgschaft seines Freundes, des Komponisten Wilhelm Speyer unter Anwesenheit des Fürsten Felix von Lichnowsky und Heinrich Hoffmanns, dem Verfasser des "Struwelpeters", statt. Liszt musste zuvor 3 Fragen beantworten: "1. Was ist die Bestimmung des Menschen? 2. Was erwar ten Sie von der Freimaurerei für Ihren Geist, für Ihr Herz und für Ihr zeitliches Glück? 3. Was hat die Freimaurerei von Ihnen zu erwarten?"

Die Bruderschaft befand Liszts Antworten für erbaulich. 1842 wurde Liszt in den II. Grad (Geselle) und in den III. Grad (Meister) befördert. Liszt wurde danach als Ehrenmitglied in andere Logen aufgenommen.


Auch Haydn war Logenbruder

Berühmte Freimaurer waren Goethe, Friedrich der Große, Lessing, Mozart, Wieland, Herder, Danton, Washington, Disraeli, Garibaldi, Victor Hugo, Puschkin, Stresemann, Truman, Tucholsky, u.v.a. Liszt war nicht der einzige Komponist. Zu den Freimaurern gehörten auch Meyerbeer, Lortzing, Löwe, Hummel, Hiller, Puccini oder Sibelius. Auch Haydn war Freimaurer, nicht aber Beethoven - und auch nicht Richard Wagner.


Was ist Freimaurerei?

Was verbirgt sich hinter den geheimnisumwobenen Logen? Zentrale Prinzipien der weltbürgerlichen Bewegung sind Freiheit und Gleichheit, Liberalität, Humanität und Toleranz. Auf der Basis der grundsätzlichen Achtung vor der Würde jedes Menschen treten die Freimaurer für freie Entfaltung der Persönlichkeit, Hilfsbereitschaft, Brüderlichkeit und allgemeine Menschen- liebe ein. Die Freimaurer sind in örtlichen Logen organisiert. Das Ziel der Logenarbeit ist die Bildung des einzelnen. Dabei herrscht die Überzeugung, dass alle Konflikte ohne zerstörerische Auswirkungen ausgetragen werden können, wenn zwischen den Menschen trotz verschiedener Ansichten und Überzeugungen ein ausreichendes Vertrauensverhältnis geschaffen werden kann. Im Mittelpunkt des freim aurerischen Denkens steht dabei der einzelne Mensch, der durch brüderliche Anleitung der Logengemeinschaft dazu befähigt werden soll, sich mit der gesamten Menschheit zu identifizieren und sich für deren Wohl einzusetzen.

Die 1717 in England entstandene Freimaurerei besitzt keine ausformulierten bindenden ethischen Lehrsätze. Ihr kommt es darauf an, sich in strebendem Bemühen zu vervollkommnen. Ihr Ritual wie Aufnahmezeremonie, Sinnspruch oder Kettenbildung ist geheim. Jeder neue Freimaurer wird eingekleidet mit Abzeichen, Schurz und weißen Handschuhen. In der regelmäßigen "Tempelarbeit" wird Selbsterkenntnis gewonnen, die zugleich Gewissen und Verantwortungsgefühl gegenüber Staat und Gesellschaft schärfen soll. Das Schweigen über Interna hat nichts mit Geheimniskrämerei zu tun. Nur die Abschließung vor der Öffentlichkeit, vor dem Profanen, Neugierigen und Nichteingeweihten ermöglicht dem Bruder, den freimaurerischen Bund und seine Rituale unbeeinträchtigt und frei zu erleben, und ihn so in der beabsichtigten Weise wirken zu lassen.


Freimaurer wurden exkommuniziert

Die katholische Kirche betrachtete die Freimaurer von Anfang an als Widersacher, und vielfach waren Freimaurer kirchlichen Verfolgungen ausgesetzt. 1738 geißelte eine Bulle von Papst Clemens XII. den Umstand, dass die Loge Männer verschiedener Bekenntnisse aufnehme und brandmarkte weitere angeblich herätische Absichten wie die vermeintliche Untergrabung des Staates oder die Bedrohung des Seelenheils und des Herzens der Einfältigen. Erst 1972 (!) wurde die automatische Exkommunizierung von Freimaurern aus dem Kirchenrecht gestrichen.

Franz Liszt hat unmittelbar nach seiner Aufnahme in die Loge in Frankfurt konzertiert. Seine Gage überwies er an die Mozartstiftung, ebenso das Honorar für die eben entstandenen" Vier- stimmigen Männergesänge". Liszts Beziehung zur Freimaurerei ist u.a. dadurch erkennbar, dass er viele Werke maurerischen Brüdern widmete. Indirekt freimaurerischen Bezug hat die symphonische Dichtung "Les Preludes", deren Todessymbolik mit der Einsicht in die Unausweichlichkeit des Todes den Einfluss freimaurerischer Überzeugung zumindest nahelegen könnte. So legt Liszt seinen Preludes die programmatische Aussage Lamartines zu Grunde: "Was ist unser Leben anderes als eine Reihe von Vorspielen, deren letzte und feierliche Note der Tod bestimmt?"


Aktiv nur am Anfang

Liszt dürfte nur für eine begrenzte Zeit Freimaurer gewesen sein. Er ließ Anschreiben unbeantwortet und wurde daraufhin 1866 aus dem Verzeichnis der Berliner Loge und 1874 "wegen nicht erfüllter Verbindlichkeiten" aus der Frankfurter Logenliste gestrichen. Offenkundig fällt die Distanzierung Liszts zumindest von der aktiven Freimaurerei mit dem Ende seiner Virtuosenlaufbahn zusammen.

Lisztverein durch und durch liberaler Geist, jede Art von Dogmatismus war ihm zuwider. Sein mitmenschliches, ja gütiges Wesen offenbart sich immer wieder in großzügigen Spenden für gute Zwecke oder Hilfe in der Not. Nicht zuletzt Richard Wagner kam immer wieder in den Genuss finanzieller Zuwendungen.

Nach seinem Eintritt in den Franziskanerorden 1856 (als "Konfrater", also ohne Gelöbnis) und dem Empfang der niederen Weihen zum Abbé 1865 konnte Liszt seine aktive Freimaurerei nicht mehr aufrechterhalten, wollte er nicht einen Konflikt mit der Kirche riskieren. Doch blieb Liszt zumindest im Geiste immer Freimaurer. Als sein Schüler Bertold Kellermann ihn 1884 um Rat fragte, ob er Freimaurer werden solle, riet Liszt ihm - wie Cosima Wagner schreibt - hocherfreut und dringend zu.


Christlich-soziale Grundhaltung

Lina Ramann analysiert in ihrem Buch "Franz Liszt als Künstler und Mensch" sicher richtig, dass Liszts christlich-soziale Grundhaltung und sein humaner, uneigennütziger Charakter ganz konsequent zunächst sein inneres Bekenntnis zum Saint-Simonismus (1831), zur Freimaurerei (1841), seinen Beitritt zum Franziskanerorden (1856) und schließlich seine Aufnahme als Abbe in den niederen Klerus (1865) begründet. Zugleich sind diese geistig-geistlichen Verbindungen ohne Zweifel auch der Ver- such, seinem tiefempfundenen Dilemma zwischen seinem Leben als vergötterter und umjubelter Virtuose einerseits und der gleichzeitigen Einsicht in den Hermetismus seiner künstlerischen Existenz andererseits eine Begrenzung zu geben.
Die - 1832 verbotene - Sekte der Saint-Simonisten vertrat eine geistige Haltung, die derjenigen Liszts entsprach: einen christlichen Sozialismus auf dem Fundament des Prinzips vom gleichen Recht für alle Menschen unter dem Motto Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit. Dabei kam der Kunst eine besondere Funktion zu, nämlich die einer moralischen Instanz, die die Menschen bessern und so zu einem neuen Gottesreich auf Erden führen sollte, in dem die Künstler die Priester sind. Kunstreligion also als politische Aussage. Kein Wunder, dass Liszt, der ja Religion und Kunst als zwei gleichwertige Ausdrucksformen des Glaubens ansah, von dieser Ideologie angezogen wurde. Nach dem Tod ihres Vordenkers trat eine Radikalisierung der Sekte ein, die Liszts Abwendung von ihr begründete.


"Kein stiller Klavierspieler für ruhige Staatbürger "

1837 schrieb Heinrich Heine (Vertraute Briefe an August Lewald) eine bemerkenswerte Charakterstudie des damals 26jährigen Franz Liszt: "Höchst merkwürdig sind seine Geistesrichtungen, er hat große Anlagen zur Spekulation, und mehr noch als die Interessen seiner Kunst, interessieren ihn die Untersuchungen der verschiedenen Schulen, die sich mit der Lösung der großen, Himmel und Erde umfassenden Frage beschäftigen. ...Aber lobenswert bleibt immer dieses unermüdliche Lechzen nach Licht und Gottheit, es zeugt von seinem Sinn für das Heilige, für das Religiöse. Dass ein so unruhiger Kopf, der von allen Nöten und Doktrinen der Zeit in die Wirre getrieben wird, der das Bedürfnis fühlt, sich um alle Bedürfnisse der Menschheit zu bekümmern, und gern die Nase in alle Töpfe steckt, worin der liebe Gott die Zukunft kocht: dass Franz Liszt kein stiller Klavierspieler für ruhige Staatsbürger und gemütliche Schlafmützen sein kann, das versteht sich von selbst."

Liszt verkörperte wie kaum ein anderer die scheinbar paradoxe Gleichzeitigkeit von aristokratischem Genie-Künstlertum, das sich aus der Masse heraushebt, und dem Ideal eines Vermittlers und Interpreten der naiv-natürlichen Emanationen des schöpferischen" Volksgeistes". Das esotere Künstlerbild der Romantik kultivierte er im öffentlichen wie privaten Auftreten, in Kleidung, Frisur, Sprache und Tonfall, als äußeren Ausdruck von "Erhabenheit" der Daseinsform künstlerischer Existenz bewusst in der Pose. Diese Selbststilisierung des Künstlers, der an den alten Genie- begriff anknüpft, deutet auf die Selbsteinschätzung von fein- nerviger Empfindungskraft, weltwissender Hellsicht, schlaf- wandlerischer Stilsicherheit und religionsähnlichem Sendungsbewusstsein. Der junge Franz Liszt, der sein Künstlertum zunächst äußerst massenwirksam als Klaviervirtuose in der Öffentlichkeit entfaltete, galt als die Verkörperung dieses Künstlerbegriffes und brachte es auch selbst 1835 in seiner Schrift "Zur Stellung des Künstlers" zum Ausdruck.


Freimaurerei und Katholizismus

Offenkundig scheint, dass der junge Liszt, der Virtuose und Mittelpunkt der eleganten Welt, als ganz weltlicher Kunsthandwerker zur Freimaurerei tendierte, während er später, als "Diener der Kunst", wie er es selbst ausdrückte, und unter dem Einfluss des fanatischen Katholizismus der Fürstin Wittgenstein eher die geistlich-klerikale Richtung einschlug. Begreiflich allerdings, dass man schriftliche Äußerungen Liszts zur Freimaurerei selbst vergeblich sucht, hinderte ihn daran doch zum einen das freimaurerische Gebot der Verschwiegenheit, das selbstverständlich auch nach der aktiven maurerischen Zeit gilt, zum anderen der Wunsch nach einem gedeihlichen Verhältnis zur katholischen Kirche, ja zum Papst selbst, das durch Liszts Freimaurerei hätte ernsthaft gefährdet werden können.

Wo ist nun aber für Liszt der gemeinsame Nenner zwischen Freimaurerei und Katholizismus? Wie hat er glaubwürdig beide Prinzipien vertreten können, ohne jemals das eine für das andere zu verraten? Mir scheint, die Antwort gründet in einem durch sein ganzes Leben hindurch tief empfundenen Mystizismus, der Suche nach dem Wahren, Schönen und Guten zur Transzendenz des Lebens zum Ewigen, um auf diese Weise der äußeren Unruhe seines Lebens eine innere Beruhigung entgegenzusetzen. Liszt gehörte zu jenen, "deren Seele nach dem Absoluten und Unendlichen dürstet" ,wie er am 20. Juni 1840 an Marie d'Agoult schrieb. Die Gleichzeitigkeit von Aufklärung und Geheimnis ist es wohl, die Liszt an der Freimaurerei fasziniert haben dürfte. Die Suche nach Wahrheit und die Vervollkommnung als Mensch durch Arbeit am innersten Selbst, ist nicht dies auch das Ziel der religiösen Betätigung in der Selbstversenkung des Gebets? Und da für Liszt zum Zwecke einer vernünftigen Ordnung der Welt Strukturen erforderlich waren, war ihm, dem Anti-Dogmatiker, die Existenz der alles vereinenden Kirche, der Mater ecclesia notwendig. Wie die Bruderschaft der Freimaurer den Menschen mit dem Menschen verbindet, so spiegelte für Liszt die allgewaltige Kirche den neuen Bund des Menschen mit Gott.


Künstler, Freimaurer und Katholik

Diese Freiheit des Geistes sich zu nehmen, fordert die Dogmatiker heraus. Liszts Katholizismus blieb vielen Freimaurern, die ihn als einen der ihren sahen, ebenso unverständlich, wie seine Freimaurerei der Kirche. Nicht zuletzt die Fürstin Wittgenstein
, sah in Liszts Freimaurerei ein Hindernis für einen weiteren Auf- stieg in der klerikalen Hierarchie. Liszt aber blieb gegenüber der Intoleranz tolerant und unbeirrt bei der Auffassung, dass sich die freimaurerischen Prinzipien ebenso wie seine Auffassung vom Künstlertum als Glaubensarbeit mit jeder Religion vertrügen. So ist Liszts Leben als Künstler, Freimaurer und Katholik der Versuch einer Ausrichtung auf einen Pol, der "Schönheit" und "Wahrheit" lautet und dessen Erreichen per aspera ad astra, durch Dunkel zum Licht, endlich das mystische Grunderlebnis offenbart: die unendliche, beseligende Schau Gottes.

Der Franz-Liszt-Verein Raiding dankt Dr. Sven Friedrich für die Überlassung des Manuskripts einer Rede im Landesarchiv in Eisenstadt. Zusammenfassung: Mag. Hans Tesch.

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Lisztverein ade. - Bilanz und Appell von Obmann Hans Tesch
(Schreiben an die Mitglieder / Dezember 2002)

Werte Vereinsmitglieder!
Liebe Lisztfreunde!

Mit den besten Wünschen und mit einer außergewöhnlichen Bilanz möchte ich mich hiermit aus meiner Funktion als Obmann verabschieden.

Zwei Gründe bewegen mich, nach 6 Jahren die ehrenamtliche Obmannschaft unseres Lisztvereines zurückzulegen: 1. Eine neue nebenberufliche Herausforderung als Sachbuchautor fordert meine volle Freizeit. Und 2. Für meine expansiven und innovativen Ideen rund um Liszt steht die entsprechende Organisation nicht zur Verfügung.

Ich habe mir als Obmann das Ziel gesetzt, Aktivitäten zu setzen, die dem Genie Franz Liszt gerecht werden, u.a. den Liszt-Geburtsort zum Liszt-Aufführungsort zu machen. Es war eine echte Herausforderung in jeder Beziehung. Als Programm-Gestalter habe ich Mittel und Wege gewählt, die den krassen Mangel an konzertanter Infrastruktur in Raiding nicht sichtbar machen sollten. Wir haben dabei mit einfachen Mitteln größte Effizienz erzielt. Wir haben im Festsaal Drescher hervorragende und ausverkaufte (!) Liszt-Konzerte erlebt, aber der Saal ist heuer nicht mehr zur Verfügung gestanden und anderswo in Raiding ist kein Platz. Wir haben das Open-Air-Konzert als Parade-Veranstaltung etabliert. Für Schlechtwetter ist Raiding aber nicht gerüstet. Die nächstmögliche Halle ist die KUGA in Großwarasdorf. Es ist einzigartig, am historischen Liszt-Flügel im Liszt-Geburtshaus ein Liszt-Stück zu hören, aber es haben nicht mehr als 50 Personen Platz. Dem Liszt-Geburtsort fehlt ganz einfach der Liszt-Konzertort!

Unser ehrenamtlicher Vorstand hat es dennoch geschafft, selbst gestellten hohen Ansprüchen zu genügen. Mit viel Einsatz und einigen Reibungsverlusten. Der Lisztverein hat jetzt in der Dimension, die zuletzt erreicht werden konnte - und die ich als Obmann bei weitem noch nicht als die optimale und wünschenswerte erachte! -, die Grenzen der Ehrenamtlichkeit erreicht. Nur dadurch, dass ich viele Wochenenden und einen Teil meines Urlaubs dem Vereins- und Konzertmanagement gewidmet habe, konnten die allseits beachteten Liszt-Konzerte und das Liszt-Festival zustande kommen und gelingen.

Apropos "ich": Entschuldigen Sie gewisse Formulierungen. Vieles, was ich zum meinem Engagement ausdrücke, könnte Ihnen anmaßend vorkommen oder als Eigenlob verstanden werden. Aber wenn ich es neutraler formulieren würde, würde ich mir selbst unrecht tun.

Die persönliche Bilanz der letzten 6 Jahre

1. Wir haben für die Aufführungen in Raiding ein Konzertprogramm entwickelt und quasi die Marke "Liszt-Konzert" geschaffen. Begonnen mit den Liszt-Osterkonzerten und dem Liszt-Geburtstagskonzert, zuletzt mit dem Liszt-Festival.

2. Die Liszt-Konzerte zählen zu den kulturellen Fixpunkten des Burgenlandes. Bei der Programm-Gestaltung wurde Professionalität gezeigt. Das Risiko, voll und nur auf Liszt zu setzen, ist - entgegen Ratschlägen sogenannter "Experten" - aufgegangen. Viele in- und ausländische Künstler und Orchester haben sich mit Liszt-Interpretationen in Raiding vorgestellt. Die Programme der "Raidinger Liszt-Konzerte" sind unverwechselbar gewesen. Zuletzt eindrucksvoll demonstriert durch zwei österreichische Erstaufführungen von Liszt-Werken beim Liszt-Festival 2002.

3. Raiding hat durch unser gemeinsames Engagement das Image des Konzertortes bekommen. Der Liszt-Geburtsort konnte gezielt als Liszt-Aufführungsort etabliert werden. Doch mit der Bekanntheit ist auch das Manko bewusst geworden, dass in Raiding die Konzert-Infrastruktur komplett fehlt. Somit wurde - gemeinsam mit der Gemeinde - ein Anstoß für die Schaffung einer Liszt-Halle o.ä. gegeben.

4. Wir haben mit allen zur Verfügung gestandenen Mitteln für Liszt Öffentlichkeit errungen. Wir haben die Pressearbeit aufgebaut, über Plakate intensiv geworben und sind ins Internet gegangen. Unter www.lisztverein.at gibt es Informatives aus dem Burgenland, weltweit abrufbar.

5. Wir haben viele neue Mitglieder gewonnen. Die Zahl wurde von 180 auf 556 (!) gesteigert. Der Mitgliedsbeitrag wurde zwar (mit 150 Schilling oder knapp 12 Euro) weiter klein gehalten, doch er bietet dem Verein eine unverzichtbare finanzielle Basis. Besonders gestiegen ist die Zahl der auswärtigen Mitglieder. Dennoch, Raiding kann stolz sein auf die kulturelle Anteilnahme: Jeder 4. Erwachsene des Ortes ist Mitglied!

6. Die Besucherzahl der Liszt-Veranstaltungen ist von Jahr zu Jahr enorm gestiegen. Eine Anerkennung der besonderen Art. Dabei haben wir bewusst die Qualität der Künstler und Darbietungen hoch, die Eintrittspreise jedoch niedrig gehalten. Eine Gäste-Befragung zu Ostern 2001 hat ergeben, dass viele Burgenländer erst durch unsere Aktivitäten zu Konzertbesuchern geworden sind.

7. Wir haben für unsere Veranstaltungen immer mehr Groß-Sponsoren begeistern können. Haben diesen aber auch etwas geboten, wie Plakat-Präsenz an den stärkst befahrenen Verkehrswegen des Landes und nicht zuletzt die Identifikation mit einer Kultur-Initiative ersten Ranges!

8. In Summe haben wir trotz vielfältiger Aktivitäten außerordentlich geschickt gewirtschaftet. In den letzten 6 Jahren ist die Finanzkraft des Vereines deutlich gestärkt worden. Rund 45.000 Euro, oder 600.000 Schilling (mehr als die gesamten Landes-Subventionen ausgemacht haben!) konnten als Substanz für große Liszt-Aktivitäten und Konzert-Highlights angespart werden. Gemeinsam mit den Rücklagen meines geschätzten Vorgängers Prof. Johann Erhardt ein guter finanzieller Background, wenn das Raidinger Konzerthaus - und somit deutlich mehr Veranstaltungen - Wirklichkeit wird.

9. Der Verein hat sich nicht nur als Konzert-Veranstalter bewährt, sondern auch als Liszt-Promotor im weitesten Sinn. Mit den Reisen "auf den Spuren von Franz Liszt" nach Bayreuth, Weimar, Wien, Budapest und Sopron konnten Liszt-Freunde begeistert und noch mehr neue gewonnen werden. Dazu kommt das einmalige Erlebnis des Nachstellens einer Liszt-Reise vor 150 Jahren. Ein Pferdekutschenzug ist auf der historischen Strecke (mit exklusiv genehmigter Grenzöffnung) von Sopron nach Raiding unterwegs gewesen. Ein kleines Spektakel, das auf die gemeinsame Vergangenheit und die kulturelle Gemeinsamkeit aufmerksam gemacht hat. Darüber hinaus wurden die Kontakte zur Liszt-Gesellschaft Budapest, mit Bayreuth und Memmingen noch weiter intensiviert.

10. Die Aktivitäten des Vereins haben sich vielfältig entwickelt. Das Licht-ins-Dunkel-Konzert der Brüder Kutrowatz im Winzerkeller Horitschon wurde durch Mithilfe des Lisztvereins ermöglicht. Es wurden musikalische Lesungen, Mal-Aktionen und Ausstellungen ("Liszt in Öl") organisiert. Raiding ist zum kleinen "Kulturtreff", zum einzigartigen Geheimtipp geworden. Mit dazu beigetragen hat auch der (unter Führung des Lisztobmannes Hans Tesch wieder gegründete) Männergesangsverein Franz Liszt. Chorleiter Prof. Manfred Fuchs und Obmann Gerhard Hufnagel haben große Pläne für die Zukunft.

11. In den letzten Jahren wurde gezielt mit Merchandising begonnen. Es gibt inzwischen eine Liszt-CD, zwei Liszt-Uhren, ein Liszt-Leiberl, die Liszt-Zigarre "Les Preludes" und ein Liszt-Rotweinglas. Bäckermeister Otto Varga hat eine geschmacklich und optisch überzeugende Liszt-Torte kreiert, die nicht nur im Raidinger Brotstadl erhältlich ist. Und wir haben Bücher des Liszt-Forschers Prof. Emmerich-Karl Horvath angekauft, die über den Verein erhältlich sind.

12. Der Lisztverein hat an den Vorbereitungen für ein Liszt-Konzerthaus in Raiding kontinuierlich mitgewirkt. In die Besprechungen sind viele Ideen und viel Zeit hineingeflossen. Eine Machbarkeits-Skizze wurde von einer Studiengesellschaft angefertigt. Es liegt nun an der Politik, dem Liszt-Geburtsort die entsprechende Infrastruktur zukommen zu lassen. Ein Liszt-Konzerthaus in Raiding - mit nachhaltiger Wirkung auf Klassik und die Tourismusregion - wäre eine Jahrhundert-Projekt der burgenländischen Kulturpolitik.

Innovativer Verein mit Perspektiven

Fazit : Der Franz-Liszt-Verein Raiding präsentiert sich heute als innovativer und finanziell fundierter Kulturverein, der dabei ist, die Pflege des kulturellen Erbes rund um Werke und Künstlerpersönlichkeit des in Raiding geborenen Franz Liszt zu intensivieren. Ein kleiner, feiner Kulturverein mit höchst attraktiven Perspektiven.

Werte Vereinsmitglieder! Liebe Lisztfreunde!

Diese Bilanz macht Ihnen sicherlich deutlich, wie viel geistiger und zeitlicher Input über Jahre zu leisten war. Und weil die Umstände dies nicht mehr erlauben und nicht motivierend sind, lege ich die Obmann-Funktion zurück: "Glücklich, wer mit den Verhältnissen bricht, ehe sie ihn gebrochen haben", so hat es schon Franz Liszt formuliert. Bildlich ausgedrückt: Wer mit einer Schaufel graben muss, wo ein Caterpillar von Nöten ist, kann beim größten Einsatz seiner Kräfte bestimmte Ziele nicht anstreben und schon gar nicht erreichen.

Ich gehe in der Überzeugung, der Liszt-Pflege und den Klassik-Interessierten, Raiding und der Region sowie Einheimischen und Gästen in besonderer Weise gedient zu haben.

Danken möchte ich allen Mitstreitern im Vorstand des Vereines. Sie haben es wegen meiner Zeitknappheit und meiner kreativ-geistigen Sprunghaftigkeit nicht immer leicht gehabt. Ich war immer auf der Suche nach dem Besten für unsere Konzertgäste - nicht nach dem Einfachsten beim Organisieren. Besonders danke ich meinem Vorgänger LTPräs. a.D, Prof. Johann Erhardt. Er hat mich und den Verein stets in aufopfernder Art unterstützt und fachkundig beraten. Ich weiß: Vieles wurde deshalb schwieriger, weil ich die Latte hoch gelegt habe. Aber heute noch bin ich felsenfest überzeugt, dass für das Genie Franz Liszt die Latte nicht hoch genug liegen kann.

Ich danke auch für die weitreichenden, vielfältigen und gut gemeinten Unterstützungen. Den Sponsoren, Helfern, den Sängern des Männergesangsvereines und allen edlen Spendern - wie Grete Schenk, die uns eine kleine Erbschaft von 50.000 Schilling vermacht hat.

Erlauben Sie mir aber auch, auf meine in all den Jahren meiner Obmannschaft unverzichtbare Stütze zu verweisen: die Mithilfe meiner Gattin Rita und meiner Kinder Christian und Michaela auch in "trüben" Tagen der Führung unseres einzigartigen Vereines war unverzichtbar, wohltuend und "notwendig" im wahrsten Sinne des Wortes. Liszt-Pflege war damit nicht nur Erfüllung meiner persönlichen Vorstellungen, sondern ein Anliegen meiner gesamten geschätzten Familie. Danke!
Meine Bitte an Sie alle: Unterstützen Sie Obmann und Verein weiterhin!

Ich übergebe beruhigt an einen neuen Obmann oder eine neue Obfrau, weil die Grundlagen - Image, Publikum und Finanzen - vorhanden sind. Ich bin überzeugt, dass meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger die Aktivitäten weiter steigern werden. Vielleicht auch in anderer, neuer Weise.

Bitte unterstützen Sie den Lisztverein und die neue Führung ebenso wie mich. Klinken Sie sich ein in das Netzwerk Franz Liszt. Als Mitglied, als Vereinsvorstand, als Werber, als Sponsor, als Konzertgast oder ganz einfach als Helfer. Unterstützen Sie die Liszt-Pflege, die große Herausforderung für das Burgenland im künftig offenen Mitteleuropa. Denn, nicht Liszt braucht das Burgenland, das Burgenland braucht Franz Liszt!

Die Zeit mit "Liszt" war herausfordernd, interessant, mühevoll, erfüllend aber ganz besonders prägend. Ich lege das Amt des Vereinsobmannes zurück, verabschiede mich aber nicht von der Liszt-Pflege. Mein Herz schlägt weiter für den in Raiding geborenen einzigartigen Europäer.

Mit nach wie vor ansteckender Begeisterung grüßt Sie

Ihr scheidender Obmann

Mag. Hans Tesch

PS: Wenn Sie sich eine aktive Mitarbeit im Vorstand vorstellen könnten, melden Sie sich bitte bei mir: 0664/6278397. Bei der Generalversammlung am 21. Dez. 2002, um 12:30 Uhr - zu der ich Sie herzlich ins Liszthaus einladen - wird der neue Vorstand gewählt.  

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