„Paradoxie des Haufens“ – Versionsunterschied
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Die '''Paradoxie des Haufens''', auch '''Sorites-Paradoxie''' (von griechisch ''sorós'': Haufen), ist ein Phänomen, das bei [[Unschärfe (Sprache)|vagen]] Begriffen auftritt. Die Paradoxie zeigt sich, wenn versucht wird, etwas als Haufen zu bestimmen: Es lässt sich keine konkrete, nicht willkürlich beschlossene Anzahl von Elementen angeben, aus denen ein Haufen mindestens bestehen müsste, denn der [[Begriff]] des Haufens beinhaltet, dass etwas, das ein Haufen ist, auch ein Haufen bleibt, wenn ein Teil seiner Elemente entfernt wird. Kehrt man diesen Gedanken um, so wird es schwierig zu sagen, ab wann eine Ansammlung von Elementen als Haufen gelten kann. Der Begriff „Haufen“, verstanden als Anhäufung gleichartiger Teile, lässt sich anscheinend nicht klar definieren. Auch bei anderen ähnlich gelagerten vagen [[Prädikat (Logik)|Prädikaten]] wird von ''Sorites-Fällen'' gesprochen, so z. B. beim [[Calvus (Philosophie)|Paradox vom Kahlköpfigen]].
Die Formulierung als Haufenparadoxie geht vermutlich auf [[Eubulides]]<ref>
== Problemstellung ==
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== Auflösungen ==
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit dem Problem umzugehen. Zum
=== Eindeutigkeit des Begriffsumfangs ===
Zeile 28:
Frege kritisiert in diesem Zusammenhang heftig [[John Stuart Mill]], der den Begriff des Haufens für nicht klar definierbar hielt. Er ist der Meinung, dass die Forschung auch bei der Bestimmung von Begriffen, aufeinander aufbauend, vorankommen kann und diese Begriffe schrittweise enträtseln könne.<ref>Vgl. Gottlob Frege, Die Grundlagen der Arithmetik, Reclam S. 21 sowie John Stuart Mill, System der Deduktiven und Induktiven Logik, Band 2, Braunschweig 1877, S. 249–252.</ref>
Anders als Frege ist [[Timothy Williamson]] nicht der Meinung, dass sich eine konkrete Grenze jemals finden ließe; dennoch gebe es sie. Auch Farbtöne seien von Menschen nur außerhalb einer „margin for error“ zu unterscheiden; d. h., zwei sehr ähnliche Farbtöne werden von uns als gleich wahrgenommen, auch wenn sie physikalische Unterschiede aufweisen – erst bei etwas größeren Unterschieden zwischen den Farbtönen bemerken auch Menschen Unterschiede. Ähnlich sei es auch bei vagen Begriffen: Soweit ein großer Unterschied bestehe, sind wir in der Lage etwa zwischen „Haufen“ und „Nicht-Haufen“ zu unterscheiden. Bei kleinen Unterschieden wie etwa zwischen 39 und 40 Sandkörnern sei unsere Fähigkeit zur Unterscheidung nicht fein genug, um zu einem Ergebnis zu gelangen.<ref>
=== Grauzonen ===
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Ein erster Versuch ist, eine Grauzone oder ''Penumbra'' einzuführen. Das ist ein Bereich, der zwischen der positiven und der negativen [[Extension und Intension|Extension]] des Begriffs „Haufen“ liegt. In diesem Bereich kann weder gesagt werden, dass die Ansammlung von Sandkörnern ein Haufen ist, noch, dass sie kein Haufen sei. Diesen Aussagen würde dann im Sinne einer [[Dreiwertige Logik|dreiwertigen Logik]] ein unbestimmter Wahrheitswert zugeordnet. Varianten dieser Lösung können auch mit verschiedenen Zwischenstadien vertreten werden, also zum Beispiel mit einer fünfwertigen Logik oder noch mehr Wahrheitswerten.<ref>Vgl. R.M. Sainsbury: ''Paradoxien''. Reclam S. 49–53.</ref>
Wenn jedoch von einer begrenzten Zahl von Wahrheitswerten ausgegangen wird, ergibt sich ein weiteres Problem: Wo liegt die Grenze zwischen einer wahrerweise als Haufen zu bezeichnenden Ansammlung von Sandkörnern und einer Ansammlung, von der man dies weder wahrer- noch falscherweise sagen kann? Diese Grenze zu rechtfertigen, ist kaum leichter als in der klassischen Betrachtung mit zwei Wahrheitswerten. Außerdem lässt sich auch durch Hinzunahme einer begrenzten Zahl weiterer Wahrheitswerte das Problem nicht lösen, sondern nur in immer mehr Graubereiche zergliedern.<ref>Timothy Williamson
Schon eher eine Lösung ist die Verwendung der [[Fuzzylogik]], bei der es unendlich viele Wahrheitswerte zwischen „wahr“ und „falsch“ gibt. Dann stellt sich die Frage nach einer exakten Grenze nicht mehr. Die Haufenparadoxie wird häufig als Argument für die Fuzzylogik angeführt, allerdings ist diese Logik wegen ihrer anderen Konsequenzen durchaus umstritten.<ref>
=== Kritik ===
Zeile 50:
Eine ideale Definition umgangssprachlicher Begriffe lässt sich mit wissenschaftlichen Vorgaben weder begründen noch durchsetzen. Ihre Bedeutung folgt immer der Zweckmäßigkeit im jeweiligen Verwendungsbereich.
Für den späten Ludwig Wittgenstein ([[Philosophische Untersuchungen]]) ist die Bedeutung des Wortes sein Sprachgebrauch,<ref>Ludwig Wittgenstein: ''Philosophische Untersuchungen. Kritisch-genetische Edition.'' Hrsg.: Joachim Schulte. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Frankfurt 2001. §
== Literatur ==
* {{Literatur |Autor=Inga Bones |Titel=Paradoxien der Vagheit. Das Soritesparadox |Hrsg=Alexander Max Bauer, [[Gregor Damschen]] und [[Mark Siebel]] |Sammelwerk=Paradoxien. Grenzdenken und Denkgrenzen von A(llwissen) bis Z(eit) |Verlag=mentis |Ort=Paderborn |Datum=2023 |Seiten=73–95 |DOI=10.30965/9783969752517_005}}
* Ulrich Pardey: ''Unscharfe Grenzen. Über die Haufen-Paradoxie, den Darwinismus und die rekursive Grammatik'', Journal for General Philosophy of Science 12-2002, Volume 33, Issue 2, Springer, Berlin 2002, S. 323–348.
* Piotr Łukowski: ''Paradoxes''. Studia Logica Library, Trends in Logic Bd. 31, Springer, Dordrecht u. a. 2011, S. 131–170.
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