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„Abstraktion“ – Versionsunterschied – Wikipedia
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{{Dieser Artikel|behandelt Abstraktion im Allgemeinen. Zum Begriff in der Informatik siehe [[Abstraktion (Informatik)]].}}
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Das Wort '''Abstraktion''' ({{laS|abstractus}} ‚abgezogen‘, Partizip Perfekt Passiv von {{lang|la|''abs-trahere''}} ‚abziehen‘, ‚entfernen‘, ‚trennen‘) bezeichnet meist den [[Induktion (Philosophie)|induktiven]] Denkprozess des erforderlichen Weglassens von Einzelheiten und des Überführens auf etwas Allgemeineres oder Einfacheres. Daneben gibt es spezifische sowie unspezifische Verwendungen des Begriffes in bestimmten Einzelwissenschaften und einzelnen [[Theorie]]n, Thesen sowie Behauptungen.
 
Abstraktion ist ein grundlegendes Konzept, das in verschiedenen Disziplinen eine Rolle spielt. In der Linguistik beispielsweise bezieht sich Abstraktion auf den Prozess, bei dem bestimmte Eigenschaften oder Merkmale von Wörtern oder Sätzen allgemeiner gemacht werden, um sprachliche Regelmäßigkeiten zu erkennen. Dies ermöglicht eine effiziente Kommunikation und die Bildung von abstrakten Konzepten.
 
In der Psychologie spielt die Abstraktion eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Denkmustern und Konzeptbildung. Durch Abstraktion sind wir in der Lage, komplexe Informationen zu vereinfachen und [[Kategorisierung (Kognitionswissenschaft)|allgemeine Kategorien oder Regeln zu bilden]]. Dies ermöglicht uns, die Welt um uns herum besser zu verstehen und uns auf Wesentliches zu konzentrieren.
 
Abstraktion findet auch Anwendung in der Informatik und im Bereich der Datenverarbeitung. Hier bezieht sich Abstraktion auf die Entwicklung von Modellen und Konzepten, die komplexe Systeme oder Daten repräsentieren. Abstraktion hilft dabei, die Komplexität zu reduzieren und Probleme in überschaubare Teile aufzuteilen, was wiederum zu effizienteren Lösungen führt.
 
Es ist wichtig anzumerken, dass Abstraktion nicht nur eine intellektuelle Übung ist, sondern auch eine praktische Bedeutung hat. Sie ermöglicht es uns, Zusammenhänge zu erkennen, Muster zu identifizieren und effektive Lösungsstrategien zu entwickeln. Abstraktion ist somit ein grundlegender Mechanismus, der uns dabei hilft, die Welt um uns herum zu verstehen und mit ihr zu interagieren.
 
== Alltagssprache ==
Als abstrakt gilt in der Alltagssprache das, was der anschaulichen Wirklichkeit entrückt ist, was nur dem Verstand oder in der Einbildungskraft zugänglich ist. Als das Gegenteil gelten [[Konkretisierung|konkrete]] Sinneseindrücke oder -vorstellungen. In der Zukunft liegende Absichten werden als abstrakt bezeichnet, wenn ihre Realisierung unklar ist. Konkrete Pläne beruhen auf einer hohen Wahrscheinlichkeit ihrer Durchführung. Das Abstrakte ist im Gegensatz zum [[Das Absolute|Absoluten]] immer bezogen auf etwas, es besteht eine [[Relation (Philosophie)|Relation]] auf etwas Konkretes.
 
[[Mathematik]], [[Logik]] und große Teile der Philosophie gelten traditionell als rein abstrakte Wissenschaften, heute auch die [[Systemtheorie]] und die [[Informatik]]. In der Kunst bezeichnet man Werke als [[Abstrakte Kunst|abstrakt]], die sich von der gegenständlichen Sichtweise entfernen und nichts leicht erkennbar abbilden.
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Abstraktion bezeichnet demnach eine Operation des [[Denken]]s, welche von den Vorstellungen konkreter Objekte der Wirklichkeit (etwa der Wahrnehmung des Baumes hier, jenes Baumes dort usw.) allgemeine Eigenschaften „abtrennt“ (Muster hervorhebt) und daraus beispielsweise allgemeine Begriffe (Vorstellungen plus sprachliche Bezeichnung) formt (etwa: die Gattung ''Baum''). Dazu wird von bestimmten individuellen Eigenschaften der konkreten Objekte abgesehen, sodass die abstrahierten Merkmale auf mehrere andere Objekte auch zutreffen.
 
Die Auffassung, dass das Abstrakte das Wesentliche sei, wird bereits von Hegel kritisiert: {{" |Dies heißt abstrakt gedacht, in dem Mörder nichts als dies Abstrakte, daß er ein Mörder ist, zu sehen und durch diese einfache Qualität alles übrige menschliche Wesen an ihm [zu] vertilgen.}}<ref>Georg Wilhelm Friedrich Hegel: ''Wer denkt abstrakt?'' In: G. W. F. Hegel: ''Werke.'' Band 2, Frankfurt am Main 1979.</ref>
 
Die Hervorhebung des abstrahierten (abgetrennten) Merkmals wird durch aristotelisch-thomistische Tradition betont, die dazu einen aktiven Verstand (''intellectus agens'') voraussetzt. Die mit jeder Abstraktion verbundene Negation von Merkmalen wird durch die Interpretation Kants betont: „Man abstrahiert nicht einen Begriff als gemeinsames Merkmal, sondern man abstrahiert in dem Gebrauche eines Begriffs von der Verschiedenheit desjenigen, was unter ihm enthalten ist.“<ref>Immanuel Kant, Gesammelte Schriften, Bd. VIII, S. 199 Anm.</ref> Kant folgt damit dem empiristischen Verständnis, das aber auch einen spontan (auch unbewusst) tätigen Verstand voraussetzt.<ref>{{Literatur |Autor=Rudolf Malter |Hrsg=H. Krings u.&nbsp;a. |Titel=Abstrakt |Sammelwerk=Handbuch philosophischer Grundbegriffe |Band=1 |Verlag=Kösel |Datum=1973 |ISBN=3-466-40055-4 |Seiten=22}}</ref>
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Auch um die intuitiv plausible, aber schwer exakt zu explizierende Unterscheidung von abstrakten und konkreten Objekten zu erfassen, wurden komplizierte Theorien ausgearbeitet, etwa von [[Crispin Wright]] und [[Bob Hale]] oder von [[Edward N. Zalta]]. Während Theoretiker wie [[George Bealer]] die notwendige Existenz abstrakter Objekte [[a priori]] und [[Hilary Putnam]] auf wissenschaftstheoretischer Basis zu zeigen versuchen, will etwa [[Hartry Field]] das Gegenteil beweisen, insbesondere für die Philosophie der Mathematik.
 
Im ''Philosophischen Wörterbuch'' ([[Max Apel]]/ [[Peter Christian Ludz|Peter Ludz]], Göschen 1958) wird Abstraktion als Gegensatz zur [[Determination (Logik)|Determination]] gesehen, also ganz anders als z.&nbsp;B. bei den Idealisten, und eine Reihe verschiedener Abstraktionsmethoden aufgezählt: isolierende oder generalisierende (verallgemeinernde), quantitative oder qualitative, negative oder positive Abstraktion.
 
=== Ausgewählte Positionen der Philosophiegeschichte ===
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[[Platon]] legt jedem Ding eine vollkommene [[Idee]] des Gegenstandes zugrunde: dieser Baum ist deswegen ein Baum, weil er teilhat an der Idee des Baumes, welche selbst nicht raumzeitlich lokalisiert ist und auch nicht einfach nur durch Abstraktion, sondern durch Wiedererinnerung an die Idee des Baumes erkannt wird. Die mit einem solchen Ideenrealismus verbundenen Probleme wurden teilweise auch von Platon selbst schon diskutiert.
 
[[Aristoteles]] hat die als ''unwesentlich erachteten Merkmale'' eines Gegenstandes als [[Akzidenz (Philosophie)|Akzidenz]] bezeichnet. In seiner Lehre stellte er drei Stufen der Abstraktion auf. Diese haben erheblichen Einfluss auf die Logik und Metaphysik ausgeübt. Wenn man nämlich die höchste Abstraktionsstufe als höchste Allgemeinheit dem sogenannten [[Sein]] zuordnet, so wird dieser Begriff zwar sehr umfassend, aber doch auch so inhaltsleer, dass man den Ast absägt, auf dem man sitzt oder zu sitzen glaubt, vgl. → [[Extension und Intension]], [[Arbor porphyriana]].<ref>[[Jean-Marie Zemb]]: ''Aristoteles. mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.'' (= ''Rowohlts Monographien.'' 63). 13. Auflage. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 1995, ISBN 3-499-50063-9, S. 59.</ref><ref>I. J. M. Van den Berg: ''L’abstraction et ses degrés chez Aristote.'' In: ''Actes du X<sup>e</sup> Congr. int. philos.'' 3, Brüssel/ Amsterdam 1951, S. 109, 113.</ref> Aristoteles diskutiert die platonische Ideenlehre sehr kritisch. Er selbst arbeitet mit dem Begriff ''eidos''. Dabei handelt es sich um eine Art Strukturprinzip von Objekten eines je bestimmten Typs. Dieses aber ist selbst ''im'' Seienden lokalisiert und metaphysisch nicht von ihm separierbar (es gibt ''keine'' Röte, wenn es keine roten Objekte gibt). Aristoteles lehrt allerdings auch eine Vierheit von Ursachen. Besonders die Form-Ursache ist hier einschlägig. Durch Rückführung auf ''grundlegendere'', abstraktere Ursachen werden ebenfalls Objekte und ihre So-Beschaffenheit erklärt. Da diese Rückführung nicht unendlich weitergehen soll, setzt Aristoteles einen selbst „unbewegten Beweger“ an. Alle „Bewegung“, was insbesondere jede Veränderung in Lage ''und Beschaffenheit'' meint, hat in ihm ihre erste Ursache.
 
Von dem spätantiken Philosophen [[Boëthius]] (480–524) stammt die Gegenüberstellung von ''abstrakt'' und ''konkret''. ''Über die Trinität'' (Kp. 3) behandelt die Unterschiede zwischen den drei spekulativen Wissenschaften: Naturwissenschaft (= ''Physik''). Mathematik und Theologie (= ''Metaphysik''). Während erstere bewegte Gegenstände in Verbindung mit der Materie behandelt (inabstracta) und die Mathematik nur über dem Sein nach materiell gegebene Formen (inabstracta) ohne Bewegung lehrt, spricht allein die Theologie abstrakt über Gott, dessen Sein losgelöst von Bewegung und Materie ist. Diese spezielle Bedeutung, die Thomas in einem Kommentar wieder aufgegriffen hat, konnte sich nicht halten.<ref>[http://www.hoye.de/saekular/lieferung6.pdf Hilfsgerüst zum Thema: Die Begriffe ‚abstrakt‘ und ‚konkret‘] (PDF), auf hoye.de</ref>
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An diesem Streit beteiligte sich auch der radikale Empirist [[David Hume]]; Ursache und Wirkung beispielsweise seien lediglich aus der ''Erfahrung'' einer Folge von etwas auf etwas gebildet, jedoch wüssten wir niemals mit Sicherheit, ob morgen die Sonne wieder aufgehen werde.
 
Die philosophische Bewegung des [[Deutscher Idealismus|deutschen Idealismus]] um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert (z.&nbsp;B. [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel]], [[Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling]]) bestimmte als Gegenbegriff zur Abstraktion den sehr voraussetzungsreichen Begriff der Konkretion. Diese Kategorien sind sehr kompliziert. Die [[Idealismus|Idealisten]] verstanden unter Konkretion nicht den Vorgang, das (landläufige) Konkrete zu denken oder einen (landläufigen) Allgemeinbegriff auf etwas Konkretes anzuwenden, sondern die „[[dialektische Aufhebung]]“ des Unterschiedes von Abstraktem und Konkretem in einer erkenntnistheoretisch höheren Einheit, die nach ihren Angaben erst ermöglichen sollte, die Wirklichkeit angemessen zu erfassen. Aber auch [[Materialismus|Materialisten]] nutzen ''Abstraktionen'' zur Analyse und erkenntnistheoretischen Herleitung materialistischen Grundlagenwissens. Für das Buch „Die Dialektik des Abstrakten und Konkreten“<ref>[[Ewald Wassiljewitsch Iljenkow]]: ''Диалектика абстрактного и конкретного в „Капитале“ Маркса.'' (Dialektik des Abstrakten und Konkreten in „Das''Das Kapital“Kapital'' von Marx, herausgegeben in Russisch); Moskau 1960.</ref> war die Analyse der kapitalistischen Produktionsweise durch [[Karl Marx]] grundlegend, indem letzterer die [[tauschwert]]bildende [[Abstrakte Arbeit|Arbeit]] von der [[gebrauchswert]]bildenden [[Arbeit (Philosophie)#Konkrete Arbeit|konkreten Arbeit]] abstrahierte.
 
[[Martin Heidegger]], der in ''[[Sein und Zeit]]'' (1927) der gesamten Denktradition und insbesondere den Idealisten vorwarf, die „Alltäglichkeit“ übersprungen zu haben, bildete ein anderes Gegensatzpaar, das Abstraktion und Konkretion der „Alltäglichkeit“ fassen sollte: „Zuhandenheit“ und „Vorhandenheit“.
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* parallele Geraden haben dieselbe Richtung;
* synonyme Prädikate drücken denselben Begriff aus.
Körper, Mengen, Gerade und Prädikate sind in dieser Liste die Konkreta K; Gewichte, Kardinalzahlen, Richtungen und Begriffe sind die aus ihnen gewonnenen Abstrakta; „gleichschwer“, „gleichmächtig“, „parallel“, „synonym“ drücken die Äquivalenzrelation ~ aus. Für den Fall der Anzahlen ist dies bereits von [[David Hume]] in seinem ''Treatise of Human Nature'' formuliert worden, man spricht deshalb auch von ''Hume’s principle'' ([[Humes Prinzip]])''.''
 
Aus dieser Liste lässt sich ein allgemeines Schema gewinnen:
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== Literatur ==
* [[Gottlob Frege]]: ''Die Grundlagen der Arithmetik.'' Breslau 1884.
* Christoph Metzger: ''John Cage - Abstract Music, 12 Vorlesungen'', Verlag Pfau, Saarbrücken 2011, ISBN 978-3-89727-421-1
** Chr. Thiel: ''Gottlob Frege: Die Abstraktion.'' In: J. Speck (Hrsg.): ''Grundprobleme der großen Philosophen. Philosophie der Gegenwart I''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1972, S. 9–44.
* [[Christoph Metzger]]: ''Theorie der Abstraktion.'' Passagen, Wien 2020, ISBN 978-3-7092-0430-6.