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„Erfurter Dom im Luftkrieg“ – Versionsunterschied – Wikipedia

„Erfurter Dom im Luftkrieg“ – Versionsunterschied

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== Die Zerstörungen an Dom und Severikirche ==
[[Datei:B-24J-55-CO.jpg|mini|Amerikanischer schwerer Bomber [[Consolidated B-24|B-24J]] „Liberator“]]
Seit dem schweren [[Bombenangriff]] der [[United States Army Air Forces|USAAF]] am 20. Juli 1944 waren auch eine Reihe von Erfurter Kirchen durch Zerstörungen oder starke Beschädigungen im Luftkrieg betroffen. Den beiden Großkirchen auf dem [[Domberg (Erfurt)|Domberg]] blieben direkte Treffer durch [[Sprengbombe|Spreng-]] oder [[Brandbombe]]n erspart, obwohl sie in deren Umfeld zahlreich waren. Eine [[Luftmine|Minenbombe]] soll in der Höhe über Dom und Severikirche explodiert sein. Besonders spürbar waren die Auswirkungen von nahen und entfernten Explosionen von Minenbomben auf die Dächer und Fenster beider Kirchen.
[[Datei:DH98 Mosquito bomber (cropped).jpg|mini|Britisches Mehrzweckflugzeug vom Typ [[De Havilland DH.98 Mosquito|Mosquito]], 1944/45 oft über Erfurt, auch mit Minenbomben]]
* ''11. November 1944'': Gegen 21.00 Uhr wurde bei guter Sicht in sternenklarer Nacht aus einer kleinen Gruppe britischer Schnellbomber vom Typ [[De Havilland DH.98 Mosquito|Mosquito]] eine großkalibrige Minenbombe (1,8 Tonnen hochbrisanter Sprengstoff) im Bereich Meienbergstraße, Johannesstraße und Futterstraße abgeworfen. Der "Blockbuster"„Blockbuster“ („Wohnblockknacker“) richtete beträchtlichen Schaden im Stadtzentrum an. Auch Kaufmannskirche, Schottenkirche und Lorenzkirche wurden beschädigt.<ref>Helmut Wolf: ''Erfurt im Luftkrieg 1939–1945''. 2005. S. 149–150</ref> Der etwa einen Kilometer entfernte Dom war ebenfalls betroffen. „Im Hohen Chor ist ein Teil der Ersatzfenster zertrümmert. Außerdem sind von den steinernen Fensterrippen einige Steine herausgebrochen. Der Gottesdienst ist nicht behindert“ (Dompropst Freusberg).<ref>Martin Fischer: ''Der Erfurter Domberg im Schatten des Zweiten Weltkriegs''. 2016. S. 93–94</ref>
* ''26./27. November 1944'': Nachts, kurz nach 2.00 Uhr, warfen Mosquitos der RAF, die mit Hilfe des Leitstrahlverfahrens [[Oboe (Navigation)|Oboe]] ans Ziel gelenkt worden waren, bei sehr guter Sicht drei großkalibrige Minenbomben HC 4000 IB in die Erfurter Innenstadt.<ref>Helmut Wolf: ''Erfurt im Luftkrieg 1939–1945''. 2005. S. 154–156</ref> Eine der Minen zerstörte die [[Barfüßerkirche (Erfurt)|Barfüßerkirche]] und das benachbarte Wohnviertel. Der wenige hundert Meter entfernte Dom wurde erneut in Mitleidenschaft gezogen. Dompropst Freusberg schildert den Schaden: „Im Hohen Chor ist die Mehrzahl der Scheiben zertrümmert. Einige Fensterrippen sind zerstört und herabgefallen. Auch im Langhaus sind mehrere Scheiben zertrümmert und Stücke aus den Fensterrippen herausgebrochen. Mit Einschränkung kann der Gottesdienst weiter gehalten werden“.<ref> Martin Fischer: ''Der Erfurter Domberg im Schatten des Zweiten Weltkriegs''. 2016. S. 94</ref>
* ''19. Februar 1945'': Ab 19.55 Uhr erfolgte ein Großangriff auf die Erfurter Innenstadt mit Brand-, Spreng- und Minenbomben (zusammen 100 Tonnen) durch 79 Mosquitos der RAF. Zu Beginn war Erfurt durch „[[Christbaum#Andere Bedeutung|Christbäume]]“ taghell erleuchtet worden. In nächster Nähe zu Dom und Severikirche gingen drei Minenbomben nieder. Am Dom wurden große Teile des Daches des Hohen Chors abgedeckt und sämtliche Ersatz-Fensterscheiben im Chor zertrümmert. Auch im Langhaus wurden mehrere Scheiben und zwei Fenster restlos zerstört. Nach einem Bericht von Dompropst Freusberg war „in der Höhe in der Luft zwischen Dom und Severi eine Mine krepiert. Tatsächlich wurden tags darauf im Mittelturm des Domes Teile einer Minenbombe gefunden“.<ref>Helmut Wolf: ''Erfurt im Luftkrieg 1939–1945''. 2005. S. 169–170</ref><ref name="S97">Martin Fischer: ''Der Erfurter Domberg im Schatten des Zweiten Weltkriegs''. 2016. S. 97</ref>
* 15. März 1945: 22 Mosquitos der RAF warfen um 20.55 Uhr 26,5 Tonnen Spreng- und Minenbomben auf die Innenstadt.<ref>Helmut Wolf: ''Erfurt im Luftkrieg 1939–1945''. 2005. S. 285</ref> Mehrere Minen gingen auf dem [[Petersberg (Erfurt)|Petersberg]] in der Nähe des Dombergs nieder. Die Dächer der Severikirche und ihres Pfarrhauses erlitten dabei schwere Schäden. Außerdem wurden in beiden Kirchen weitere Fenster samt derden steinernen Fensterrippen zerstört.<ref name="S97" />
* ''30. März 1945'' ([[Karfreitag]]): Ein konzentrierter Abwurf von 57 Tonnen Brand-, Spreng- und Minenbomben durch 43 Mosquitos der RAF traf die Südstadt und das Stadtzentrum schwer.<ref>Helmut Wolf: ''Erfurt im Luftkrieg 1939–1945''. 2005. S. 188–191, 286</ref> „Zu Füßen des Domes ging eine schwere Bombe nieder, die wieder Fenster des Domes restlos vernichtete. Der Dom hat jetzt kein heiles Fenster mehr, fünf der großen Fenster sind samt der Rippen gänzlich zerstört“ (Dompropst Freusberg).<ref name="S97" /> Die Zerstörungen betrafen auch alle Farbglasfenster des Langhauses, die aus den 1860er und 1870er Jahren stammten und nicht ausgebaut worden waren.
* „Die Tage vom Karfreitag bis zum 12. April waren die aufregendsten der ganzen Zeit. Alarm, Angriffe von [[Jagdflieger]]n, [[Tiefflieger]]angriffe wechselten ständig“ (Dompropst Freusberg).
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„Mit großer Tatkraft“ von Dompropst Johannes Freusberg und „rühriger Besorgtheit“ von Severi-Pfarrer Heinrich Mette (zitiert nach Rudolf Stein) wurde bald nach Kriegsende mit der Beseitigung der Kriegsschäden an Dom und Severikirche begonnen. Die technische, künstlerische und wissenschaftliche Leitung dieser Arbeiten übernahm der namhafte Architekt und Kunsthistoriker [[Rudolf Stein]] (Dr. Georg Rudolf Stein), der aus [[Breslau]] geflüchtet war. Die Bestandsaufnahme von Stein: „Während des Zweiten Weltkrieges erlitt besonders der Dom, aber auch die Severikirche, erheblichen Schaden. Durch Minenwirkung wurden die Dächer des Domes und des [[Kapitelhaus]]es in großem Umfang aufgerissen, die Dachstühle zum Teil aus den Zapfen gehoben, alle Glasfenster zerstört und die Rippen und Maßwerke der meisten Fenster teilweise eingedrückt und zertrümmert. Der Mittel- und der Nordturm erhielten Granatvolltreffer, auch die Kavaten und die Zeile der Wohnhäuser neben den Geraden, einschließlich der [[Severikirche (Erfurt)|Bonifatiuskapelle]], wurden erheblich beschädigt. An der Severikirche wurde die Deckung aller Dächer völlig zerstört. Der große Dachstuhl (des Doms) erhielt einen Granattreffer, der auch das Gewölbe des Nordschiffs durchschlug. Einem zweiten (Treffer) ist der Nordturm mit dem Treppentürmchen in beträchtlichem Umfange zum Opfer gefallen. Auch bei Severi (sind) alle Glasfenster vernichtet und die Maßwerke und Rippen zum Teil schwer beschädigt.“ Diese Feststellungen stammen aus dem Manuskript für ein vorgesehenes Buch von Stein 1951, dem er folgende Widmung voranstellte: DEM HOCHWUERDIGEN HERRN GENERALVIKAR MONSIGNORE DOMPROPST DR. JOSEPH FREUSBERG ZUGEEIGNET, DEM ENTSCHLUSSFREUDIGEN UND KUNSTVERSTAENDIGEN FÖRDERER DER WIEDERHERSTELLUNGSARBEITEN AM DOM BEATE MARIAE VIRGINIS ZU ERFURT IN SCHWERSTER ZEIT SEINER GESCHICHTE. 1945–1951.<ref> Rudolf Stein: ''Dom und Severi zu Erfurt''. Erfurt, 1951</ref>
 
[[Datei:Erfurt Dom Trennmauer.jpeg|mini|200px|Erfurter Dom Trennmauer vor Hohem Chor bis 1949]]
Vorrangig war die Abdichtung der aufgerissenen Dächer, deren Holzkonstruktionen sich auch bereits stark mit Regenwasser vollgesogen hatten. Die Behelfsfenster im Chor waren fast vollständig zerstört, sodass der barocke [[Hochaltar]] (1697) und das [[Fernwerk]] der [[Orgel]] hinter ihm stark der Witterung ausgesetzt waren. Die Dachdeckerarbeiten zogen sich wegen Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung, vor allem des [[Kupferdach|Kupferblechs]] aus [[Mansfeld]] (für beide Kirchen), bis ins Jahr 1948 hin. Während der Instandsetzungsarbeiten im Hohen Chor des Doms wurde dieser durch eine [[Mauer|Trennmauer]] vom Chorhals (dem Chorraum der früheren romanischen Kirche) abgetrennt, in dem nun die Gottesdienste stattfanden. Das Material für die Trennwand gewann man aus den zurückgebauten Luftschutz-Vermauerungen im Dominneren. Die dreizehn überaus wertvollen mittelalterlichen Fenster des Hohen Chores mit fast tausend Tafeln Bleiverglasung waren beim Herausnehmen 1940/41 teilweise beschädigt worden. Die reparierten Scheiben wurden unter großem Aufwand 1947 bis 1949 wieder eingesetzt. Für den Ersatz von durch die Detonationen zerstörten Fensterrippen diente teilweise Sandstein aus alten, „abgetretenen“ Grabdenkmälern im Dom. Auch Material aus dem Sandstein-Sockel des 1947 abgebrochenen Siegesdenkmals 1870/71 im [[Hirschgarten (Erfurt)|Hirschgarten]] wurde verwertet. Die Steinbrüche im [[Seeberge|Großen Seeberg]] bei [[Gotha]], aus denen das Baumaterial für Dom und Severikirche stammte, konnten noch nicht wieder liefern. Der barocke Hochaltar (1697 geweiht) im Chorraum und die Orgel ([[Johannes Klais]] 1906) hatten durch Witterungseinflüsse gelitten und mussten aufwendig überarbeitet werden.
 
Vorrangig war die Abdichtung der aufgerissenen Dächer, deren Holzkonstruktionen sich auch bereits stark mit Regenwasser vollgesogen hatten. Die Behelfsfenster im Chor waren fast vollständig zerstört, sodass der barocke [[Hochaltar]] (1697) und das [[Fernwerk]] der [[Orgel]] hinter ihm stark der Witterung ausgesetzt waren. Die Dachdeckerarbeiten zogen sich wegen Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung, vor allem des [[KupferdachKupferschiefer|Kupferblechs]] aus [[Mansfeld]] (für beide Kirchen), bis ins Jahr 1948 hin. Während der Instandsetzungsarbeiten im Hohen Chor des Doms wurde dieser durch eine [[Mauer|Trennmauer]] vom Chorhals (dem Chorraum der früheren romanischen Kirche) abgetrennt, in dem nun die Gottesdienste stattfanden. Das Material für die Trennwand gewann man aus den zurückgebauten Luftschutz-Vermauerungen im Dominneren. Die dreizehn überaus wertvollen mittelalterlichen Fenster des Hohen Chores mit fast tausend Tafeln Bleiverglasung waren beim Herausnehmen 1940/41 teilweise beschädigt worden. Die reparierten Scheiben wurden unter großem Aufwand 1947 bis 1949 wieder eingesetzt. Für den Ersatz von durch die Detonationen zerstörten Fensterrippen diente teilweise Sandstein aus alten, „abgetretenen“ Grabdenkmälern im Dom. Auch Material aus dem Sandstein-Sockel des 1947 abgebrochenen Siegesdenkmals 1870/71 im [[Hirschgarten (Erfurt)|Hirschgarten]] wurde verwertet. Die Steinbrüche im [[Seeberge|Großen Seeberg]] bei [[Gotha]], aus denen das Baumaterial für Dom und Severikirche stammte, konnten noch nicht wieder liefern. Der barocke Hochaltar (1697 geweiht) im Chorraum und die Orgel ([[Johannes Klais]] 1906) hatten durch Witterungseinflüsse gelitten und mussten aufwendig überarbeitet werden.
 
Die in die Kavatenkeller verlagerten Figuren vom Triangelportal wurden wieder eingebaut. Die Sandsteinstatuen hatten unter der Kellerfeuchtigkeit gelitten. Die Figur des heiligen Adolar zerbrach beim Transport und musste durch eine Kopie ersetzt werden.
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* Jens Garthoff und Anja Buresch-Hamann: ''Die Zerstörungen in Erfurt durch den Zweiten Weltkrieg, und deren Narben''. Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2020. ISBN 978-3-95966-457-8
* [[Olaf Groehler]]: ''Bombenkrieg gegen Deutschland''. Akademie-Verlag, Berlin 1990. Darin: ''Exkurs Kunstschutz''. S. 306–315. ISBN 3-05-000612-9
* [[Edgar Lehmann (Kunsthistoriker)|Edgar Lehmann]] und [[Ernst Schubert (Historiker)|Ernst Schubert]]: ''Dom und Severikirche zu Erfurt''. Koehler und Amelang, Leipzig 1988. ISBN 37338004193-7338-0041-9
* Rolf-Günther Lucke: ''Der Dom zu Erfurt''. Schnell-Kunstführer Nr. 1887. Schnell und Steiner, München 1991
* Rolf-Günther Lucke: ''Die Severikirche zu Erfurt''. Schnell-Kunstführer Nr. 2067. Schnell und Steiner, Regensburg 1993
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[[Kategorie:Kirchengebäude in Erfurt]]
[[Kategorie:Erfurter Dom]]
[[Kategorie:Severikirche]]
[[Kategorie:Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg]]
[[Kategorie:Luftkriegsoperation der Royal Air Force im Zweiten Weltkrieg]]
[[Kategorie:Luftkriegsoperation der United States Army Air Forces]]
[[Kategorie:Luftschutz]]
[[Kategorie:Kunstschutz]]