Das Gur-Emir-Mausoleum (persisch گور امیر; usbekisch Goʻri Amir, aus gur, „Grab“, und Emir, „Fürst“, „Herrscher“) in der usbekischen Stadt Samarqand ist die Grabstätte Timur Lenks, einiger Mitglieder seiner Familie und weiterer Persönlichkeiten im Umfeld des Herrschers, darunter Ulug Beg, Schah-Rukh und Mir Said Berke. Es wurde 1403/04 erbaut und gilt als herausragendstes Beispiel einer unter den Timuriden entwickelten besonderen Konstruktion einer doppelschaligen Kuppel.[1] Die melonenförmige gerippte Kuppel des Mausoleums über einem hohen Tambour bildet das sichtbare Zentrum der Anlage.
Baugeschichte
Das Mausoleum (Qubba) wurde noch während der Herrschaft Timurs in Auftrag gegeben und war ursprünglich für seinen Lieblingsenkel Muhammed Sultan gedacht, der 1402 in der Schlacht bei Angora gefallen war. Seine eigene Ruhestätte hatte Timur in seiner Heimat Schahr-i Sabs (früher Kesch) geplant. Bereits um 1401 wurden eine Madrasa und eine Chanakah fertiggestellt, die das Mausoleum später rechts und links von dessen Front flankierten. Das Mausoleum wurde noch vor Timurs Tod am 14. Februar 1405 fertiggestellt, also Ende 1404 oder Anfang 1405. Im Bericht des spanischen Gesandten Ruy Gonzáles de Clavijo, der zu dieser Zeit in Samarqand weilte, ist erwähnt, dass Timur der ursprüngliche Bau zu niedrig war und angeblich innerhalb von zehn Tagen vollständig umgebaut wurde. Am 30. Oktober 1404 fand in der Madrasa eine Feier anlässlich des erfolgten Umbaus statt, von der ebenfalls Clavijo berichtet, der zu diesem Fest eingeladen worden war.
Unter der Ägide Ulug Begs wurde um 1434 ein großer Iwan als Hauptportal errichtet und die Minarette am Mausoleum durch eine Arkadenblende verbunden.
Nach dem Ende der Schaibanidendynastie fiel Samarqand in die Bedeutungslosigkeit zurück, entsprechend verfielen auch die Baudenkmäler. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzten umfassende Restaurierungsarbeiten ein. Timurs Grab wurde noch kurz vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion geöffnet. Die Inschrift auf seinem Grab drohte jedem, der seine Ruhe störe, großes Unglück an. Angeblich wurden auch die sowjetischen Wissenschaftler um den Anthropologen M. M. Gerasimov, die 1941 das Grab öffneten, vor diesem Fluch gewarnt. Als kurz nach der Exhumierung Timurs 1941 die deutsche Wehrmacht in der Sowjetunion einfiel, erlebte diese Legende einen Popularitätsschub. Auch die Kriegswende in Stalingrad brachte der Aberglaube im Volk mit der erneuten Bestattung der Gebeine nach muslimischen Riten im Jahr 1942 in Verbindung.
In den 1950ern wurde die Kuppel renoviert, deren farbige Fliesen größtenteils abgefallen waren, ebenso der Eingangsiwan und die Minarette. In den 1970er Jahren folgte die Restaurierung der Innenausstattung. Weder die Madrasa noch die Chanakah konnten rekonstruiert werden. Während von letzterer jegliche Vorstellung fehlt, vermitteln die erhaltenen Grundmauern noch einen Eindruck von der Gestaltung der Madrasa. Mit dem Aufleben des Timur-Kults nach Gründung der Republik Usbekistan 1991 intensivierte sich auch die Pflege seiner Kultstätten. Bei Dunkelheit wird der Museumskomplex in verschiedenen Farben beleuchtet und so seine Stellung als herausragendes Baudenkmal von Samarqand betont.
Architektur
Den Haupteingang bildet ein großer Iwan von 12,07 m Höhe, der dem Architekten Muhammad ibn Mahmud aus Isfahan zugeschrieben wird. Ihm schließt sich ein Innenhof an, an dessen rechter Seite einst die Chanaka und an der linken Seite die Madrasa befand, von denen nur noch Fundamentreste existieren. Der Innenhof misst 29,5 x 30,4 m und wurde um 1434 während der Herrschaft Ulug Begs gestaltet. Unmittelbar vor dem eigentlichen Mausoleum wurde ein zweiter Iwan errichtet, der zum Hof hin offen ist und einschließlich Pischtak 11,8 m hoch ist. Rechts und links schließen sich an den Iwan zwei Arkadenmauern an, deren Verzierungen Nischen andeuten und der Front das Aussehen einer Madrasa geben. Von ursprünglich vier Minaretten, die einst freistehend die Ecken des Innenhofes markierten, sind zwei (die beiden hinteren am Mausoleum) erhalten geblieben. Sie sind mit ähnlichen Mosaiken wie der Unterbau des Mausoleums verziert, die spiralförmig um den Minarettkörper nach oben verlaufen.
Das insgesamt 34,09 m hohe Mausoleum ist in der Höhe dreigeteilt. Das tragende Element ist ein 13 m hoher Unterbau mit einem innen quadratischen Grundriss, der durch Nischen an allen vier Seiten erweitert ist. Die Außenwände bilden ein gleichmäßiges Achteck mit einer Kantenlänge von 7,5 m. Der Unterbau ist mit geometrischen Mosaiken verziert, als Bindeglied für den Tambour wurde eine sechzehneckige Trompenzone aufgesetzt. Darauf befindet sich der zylindrische Tambour, der mit einem Band aus Majolika-Fliesen mit kufischer Schrift verziert ist, auf dem „Allah allein ist ewig“ steht. Ober- und unterhalb des Schriftbandes befinden sich Mosaikfriese, die ebenfalls als Band um den Tambour ausgeführt sind. Die melonenförmige Kuppelschale, die etwa 13 m hoch ist, schließt den Bau ab. Die Übgergangszone zwischen Tambour und Kuppel – die nach außen gewölbt ist und damit einen größeren Radius als der Tambour hat – bildet ein zweireihiges Stalaktitband (Muqarnas). Die Kuppel ist mit 64 gleichmäßigen Rippen versehen, die jeweils für ein Lebensjahr Mohammeds stehen sollen. Glasierte Fliesen, die ein einfaches rhombenförmiges und regelmäßiges Mosaik bilden, bilden die Verzierung. Obwohl dabei Fliesen verschiedener Farben – hauptsächlich Türkis und Kobalt, aber auch Violett und Orange – verwendet wurden, wirkt die Kuppel aus größerer Entfernung blau. Je nach Tageszeit und Lichteinfall ändern sich die Farbnuancen und die Schatteneffekte, die durch die Rippen hervorgerufen werden.
Innengestaltung
Der Weg zur Grabstätte führt nicht direkt vom Eingangsiwan in den Innenraum, sondern über eine seitlich verlaufende Galerie. Der Innenraum des Mausoleums besitzt wiederum einen quadratischen Grundriss, der durch vier Nischen vergrößert wird, so dass ein kreuzförmiger Raum entsteht. Die Nischen sind iwanähnlich ausgeführt und mit Stalaktitbaldachinen in die Decke des Gebäudes überführt. Für den Besucher ist sofort auffällig, dass die Decke weder von der Form noch von der Höhe zur von außen sichtbaren Kuppel passt. Grund dafür ist, dass sich im Inneren eine zweite Kuppelschale befindet, deren Form eher einem persischen Bogen entspricht und deren lichte Höhe lediglich 22,85 m beträgt. Der Raum zwischen Innen- und Außenkuppelschale ist hohl, durch ihn verlaufen jedoch Holzverstrebungen, die äußere Kuppelschale gegen die Innenkuppel abstützen und so das Gebäude stabilisieren.
Der Innenraum ist ebenfalls üppig verziert. Die Sockelwände wurden mit sechseckigen Onyxfliesen versehen. Ein Stalaktitband versetzt die Wände über dem Sockel etwas mehr in den Raum hinein, direkt über diesem Muqarnasdekor läuft ein Band aus grünem Jaspis durch den Innenraum, auf dem Genealogie und Leben Timurs verzeichnet sind. Der Rest der Wandfläche wurde mit persischen Tapeten beklebt, deren herausragendes Merkmal Pappmaché-Reliefs sind. Die Bemalung der Tapeten ist üppig, die dominierenden Farben sind Blau und Gold. Den Übergang zwischen eckigen Wänden und runder Kuppel bilden wiederum Muqarnas-Gewölbe.
Auf dem Boden befinden sich mehrere Kenotaphe, die jeweiligen Ruhestätten der Toten markieren. Hervorstechend in diesem Ensemble ist der schwarze Kenotaph Timurs aus Nephrit. Auch auf ihm finden sich Inschriften, die das Leben Timurs beschreiben und seine tschagataidische Abstammung in idealisierter Form hervorheben.
Unterhalb des Hauptraumes befindet sich eine Krypta mit flach gespannter Ziegelwölbung, in der sich auch die Grabsteine befinden. Diese Krypta ist zugänglich, der Eingang befindet sich jedoch außerhalb des Mausoleums.
Literatur
- Dietrich Brandenburg: Samarkand. Studien zur islamischen Baukunst in Uzbekistan (Zentralasien), Berlin: Hessling, 1972; ISBN 3-7769-0108-X
- Ernst Cohn-Wiener: Turan. Islamische Baukunst in Mittelasien, Berlin: Wasmuth, 1930
- John D. Hoag: Islamische Architektur. Stuttgart: Belser, 1976; ISBN 3-7630-1704-6
- John D. Hoag: Islam. DVA, Stuttgart 1986, S. 140f, ISBN 3-421-02855-9
- Alfred Renz: Geschichte und Stätten des Islam von Spanien bis Indien, München: Prestel-Verlag, 1977 ISBN 3-7913-0360-0
- Mortimer Wheeler (Hrsg.): Prachtbauten des Ostens. Tempel, Grabstätten und Festungen Asiens', Frankfurt/Main: Ariel, 1965
- Charles Shaw The Gur-i Amir Mausoleum and the Soviet Politics of Preservation. In: Future Anterior: Journal of Historic Preservation, History, Theory, and Criticism, Vol. 8, No. 1, Sommer 2011, S. 43–63
- Werner Speiser: Baukunst des Ostens. Essen: Burkhard-Verlag Ernst Heyer, 1964
- Klaus Pander: Zentralasien. Ostfildern: Dumont, 2005; ISBN 3-7701-3680-2
Weblinks
- Bernhard Peter: Gur-i Amir – Timurs Mausoleum in Samarqand (eingesehen 29. September 2006)
- Mark Dickens: Timurid Architecture in Samarkand (englisch, eingesehen 29. September 2006)
Einzelnachweise
- ↑ Robert Hillenbrand: The Development of Saljuq Mausolea in Iran. In: Ders.: Studies in Medieval Islamic Architecture. The Pindar Press, London 2006, Band 2, S. 433
Koordinaten: 39° 38′ 54,3″ N, 66° 58′ 8,4″ O