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Acephale (Volk) – Wikipedia

Acephale (Volk)

kopfloses Fabelvolk

Acephale (auch Blemmier) sind ein kopfloses Fabelvolk, das seit der Antike in Literatur und Kunst vorkommt und im Mittelalter sehr populär wurde. Man stellte sich solche monströsen Menschenrassen (auch Wundervölker, lat. monstra) an den Rändern der Ökumene, vor allem in Indien und Afrika, vor.

Acephale aus der Weltchronik von Hartmann Schedel. 1493.

Äußeres

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Spätmittelalterliche Acephale aus der Kirche in Dalbyneder. 1511.
 
Acephale aus der Cosmographia von Sebastian Münster (1544)
 
Kirchenschrank von Gothems Kirche (Gotland)

Acephale haben eine menschliche Gestalt, doch sind sie kopflos und tragen ihr Gesicht auf der Brust, bzw. auf den Schultern. Neben unbehaarten Acephalen werden auch solche mit Fell beschrieben und dargestellt.[1] Diese Darstellung kommt vor allem im Spätmittelalter auf. Durch das Fell rücken die Acephalen in die Nähe der wilden Männer, die im späten Mittelalter ebenfalls häufig dargestellt wurden. Auch bekleidete Acephale kommen, wenn auch sehr selten, vor.[2] Häufig sind Acephale bewaffnet, so tragen sie beispielsweise einen Knüppel, einen Speer oder Schwert und Schild.[3] In der Kirchenkunst ist nicht immer klar, ob es sich um einen Acephalen handelt.[4] Neben den eigentlichen Kopflosen gibt es Fabelwesen, die oft als Blemmier kategorisiert werden, aber eigentlich als Kopffüßer zu bezeichnen wären.[5]

Acephale werden zwar in vielen Texten erwähnt, aber häufig einfach ohne Nennung eines Namens beschrieben.[6] Wenn sie benannt werden, werden verschiedene Bezeichnungen verwendet. Plinius der Ältere erwähnt Kopflose an zwei Stellen. In Buch V seiner Naturalis historia nennt er kopflose Blemmyas und in Buch VII ein Volk, das er als oculos in umeris bezeichnet.[7] Daneben kommt auch die Bezeichnung epiphagi vor.[8] Eine Unterscheidung in verschiedene Einzelvölker ist zwar möglich, doch anhand der Beschreibungs- und Darstellungspraxis schwierig und wenig sinnvoll. Die Bezeichnung Acephale kann als Überbegriff verwendet werden. In der Sekundärliteratur werden sie auch als Blemmier (Blemmyer, Blemnier etc.) bezeichnet.

Über Kultur und Eigenschaften der Acephalen ist wenig bekannt. Evagrius Scholasticus erwähnt, dass das Volk der blemmyae zwischen der Mitte des 3. und dem 5. Jahrhundert christliche Siedlungen in Nordafrika angegriffen habe. Das passt zur Darstellungsweise als kriegerisches Volk.

Verbindung zur Realität

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Es wird vermutet, dass die Vorstellung von den kopflosen Kriegern auf ein afrikanisches Volk zurückzuführen ist, das körperhohe, bemalte Schilde verwendete, hinter denen Kopf und Körper nicht zu erkennen waren.[9] Interessant ist der Zusammenhang mit den Blemmyern, einem antiken Nomadenstamm in Nubien. Daneben wird, wie bei allen sogenannten Wundervölkern aus Antike und Mittelalter, seit der frühen Neuzeit immer wieder der Vergleich mit Fehlbildungen gezogen.[10]

Acephale in anderen Traditionen

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Schon in griechischen Papyri der Spätantike wurden Acephale beschrieben und gezeichnet. Nachdem hier zunächst ein Acephale als Gott und Schöpfer verehrt wurde, wird er später als Dämon Phonos verteufelt.[11] Dieses Motiv hat sich laut Karl Preisendanz aber nicht nennenswert verbreitet. Vielmehr weist er als Vorlage für die späteren Acephalenerzählungen die Verbreitung des Motivs eines kopflosen Widergängers aus, der nach dem Tod ruhelos umherwandelt. Leopold Kretzenbacher nennt in diesem Zusammenhang die kopflosen Brezoglavci aus der slowenischen Tradition. Sie wurden vielfach als die Seelen der ungetauften Kinder verstanden.[12]

Deutung in Antike und Mittelalter

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Die Acephalen werden zwar häufig genannt, doch nur selten allegorisch gedeutet. Daher konnten sie in starkem Maße umgedeutet werden. Aufgrund dessen können für die Acephalen nur Auslegungsbeispiele genannt werden. Die Auslegung bezieht sich immer auf die prägenden Eigenschaften des jeweiligen Wundervolkes. Bei den Acephalen sind das die Kopflosigkeit und ihre kriegerische Veranlagung. Als gefürchtete Feinde wurden sie in einer Handschrift um 1400 dargestellt.[13]

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Bild eines urinierenden oder onanierenden Acephalen in Kundby aus dem 16. Jahrhundert. Christoph Daxelmüller sieht die Deutung des Wesens allerdings darin ergründet, dass sie in der mittelalterlichen Kunst „zur Dämonendarstellung schlechthin“ geworden seien.[14]

Die Kopflosigkeit weist häufig auf einen Mangel an geistigen Fähigkeiten hin. In diesem Zusammenhang wird die Bibelstelle Phil. 3, 19 relevant, da die Acephalen als Beispiel für „Personen, die ihrem Bauch das Denken überlassen“ gelten können.[15] Das geht sogar so weit, dass sie in einer spätmittelalterlichen Variante des Liber de monstruosis hominibus mit Anwälten verglichen werden, die ein überhöhtes Honorar fordern, um sich damit die Bäuche zu füllen.[16] Eine völlig andere Deutung nimmt dagegen die Gesta Romanorum vor. Hier gelten die Kopflosen als Sinnbild der Demut.

Siehe auch

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Literatur

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  • John Block Friedman: The Monstrous Races in Medieval Art and Thought. Cambridge, Massachusetts/London 1981.
  • Katrin Kröll/Hugo Steger (Hrsg.): Mein ganzer Körper ist Gesicht. Groteske Darstellungen in der europäischen Kunst und Literatur des Mittelalters. (Rombach Wissenschaft – Reihe Litterae, Band 26) Freiburg im Breisgau 1994.
  • Claude Lecouteux: Les monstres dans la littérature allemande du moyen âge. Contribution à l’étude du merveilleux médiéval. 3 Bände (I Etude, 2 Dictionnaire, III Documents) (Göppinger Arbeiten zur Germanistik Nr. 330 I -III) Göppingen 1982.
  • Salome Zajadacz-Hastenrath: Fabelwesen. In: Otto Schmitt (Hrsg.): Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. 61. Lieferung, VI. Band. München 1978.

Einzelnachweise

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  1. U.a. bei Honorius Augustodunensis und Konrad von Megenberg, abgebildet in den Kirchen in Dalbyneder und Råby in Århus.
  2. z. B. Mosaikfußboden in der Kirche San Columbano in Bobbio, Kirche in Dalbyneder, Handschrift Cotton Vitellius A.XV. London, British Library MS. fol.102v.
  3. Knüppel in Dalbyneder, Speer in Voldby und Nørre Saltum, Schwert und Schild in Bobbio.
  4. So z. B. Kirche in Brageac in Frankreich
  5. Siehe z. B. @1@2Vorlage:Toter Link/w1.1396.telia.comInternetseite über dänische Kalkmalereien (Seite dauerhaft nicht mehr abrufbar, festgestellt im August 2024. Suche in Webarchiven)
  6. So beispielsweise im LucidariusI.53, S. 24.
  7. Plinius: Naturalis historia, Buch V, 44 und 46, und Buch VII, 23.
  8. So z. B. bei Thomas von Cantimpré. Vgl. Zajadacz-Hastenrath Sp.748 und 751.
  9. So z. B. Friedman 1981 S.25.
  10. Vgl. hierzu Ph. J. Plendl: Die Symmelie (Sirenomelie) bei Mensch und Tier.
  11. K. Preisendanz: „Akephalos“. Sp.211–216. Er erläutert auch das Verständnis von dem Sonnengott Osiris als Acephale.
  12. L. Kretzenbacher: Kynokephale Dämonen südosteuropäischer Volksdichtung. Vergleichende Studien zu Mythen, Sagen, Maskenbräuchen um Kynokephaloi, Werwölfe und südslawische Pesoglavci. (Beiträge zur Kenntnis Südosteuropas und des Nahen Orients, Band 5) München 1968. S. 5.
  13. Antechrist aus Bayern. Die Acephalen gehören hier zu den „Hilfstruppen“ der Gog und Magog, die am Tag des jüngsten Gerichtes über die Menschheit herfallen. Vgl. Kästner S. 230 Fn. 36.
  14. Christoph Daxelmüller: Das Fromme und das Unfromme. Der Körper als Lernmittel und Lernbild in der spätmittelalterlichen „Volks“frömmigkeit. In Kröll S. 107–129.S.126
  15. Phil. 3, 19: „deren [d. i. der Feinde Gottes] Ende Verderben, deren Gott der Bauch und deren Ehre in ihrer Schande ist, die auf das Irdische sinnen.“
  16. Thomas von Cantimpré, Abschrift mit Ergänzungen aus dem 14. Jh. MS, Paris, bibl. nat. fr. 15106 mit Miniaturen. Vgl. Rudolf Wittkower: Die Wunder des Ostens: Ein Beitrag zur Geschichte der Ungeheuer. In: ders. (Hrsg.): Allegorie und der Wandel der Symbole in Antike und Renaissance. Köln 2002. S. 87–150. S. 112 Fn. 122.