Interferone
Interferone (IFN, von lateinisch interferre ‚eingreifen‘, ‚sich einmischen‘) sind Proteine oder Glykoproteine, die eine immunstimulierende, vor allem antivirale und antitumorale Wirkung entfalten (siehe auch Zytokine). Sie werden als körpereigene Gewebshormone in menschlichen und tierischen Zellen gebildet, vor allem von Leukozyten (weiße Blutkörperchen, z. B. T-Lymphozyten, Monozyten) und Fibroblasten. Eine ähnliche Funktion bei Pflanzen erfüllen die Phytoalexine.[1]
Einteilung in Gruppen
BearbeitenAlpha-Interferon
BearbeitenAlpha-Interferon (IFN-
Alpha-Interferon kann von vielen Zelltypen gebildet werden, als Antwort auf die Erkennung viraler oder bakterieller Nukleinsäure. Es aktiviert virusinfizierte sowie umliegende nichtinfizierte Zellen. In diesen Zellen werden folglich Proteine gebildet, welche einerseits eine weitere (Virus-)Proteinsynthese in jenen Zellen hemmen und andererseits den Abbau von viraler und zellulärer RNA bewirken. Vermehrt werden MHC-Klasse-I-Moleküle sowie Proteasomen gebildet, welche virusinfizierte Zellen durch T-Lymphozyten (Immunabwehr) leichter angreifbar machen. Alpha-Interferon aktiviert NK-Zellen (natürliche Killer-Zellen), welche der Virus- und Tumorabwehr dienen.
Das Binden der Alpha-Interferone an ihren spezifischen Rezeptor bewirkt eine Aktivierung der Rezeptor-assoziierten Januskinasen durch Phosphorylierung, welche nachfolgend die „signal transducer and activator of transcription“ STAT-Proteine phosphorylieren und damit aktivieren (JAK-STAT-Signalweg). Aktivierte STAT-Proteine dimerisieren (Homo- oder Heterodimer), translozieren in den Zellkern und aktivieren die Genexpression von „Interferon-stimulierten Genen“, indem sie an bestimmte Erkennungssequenzen dieser Gene binden. Ein Beispiel für die Signaltransduktion über Alpha-Interferon ist die Aktivierung von JAK1 und TYK2 (beides Janus-Kinasen am Rezeptor); diese phosphorylieren STAT1 und 2, die als Heterodimer zusammen mit IRF-9 (interferon regulatory factor 9) einen Komplex bilden (ISGF3: interferon stimulated gene factor 3). Dieser bindet an einem spezifischen Element der „Interferon-stimulierten Gene“ namens „interferon stimulated response element“ (ISRE) und aktiviert die Genexpression.
Beta-Interferon
BearbeitenBeta-Interferon (IFN-
Gamma-Interferon
BearbeitenGamma-Interferon I (IFN-
Gamma-Interferon wird von TH1-Zellen (Subpopulation der T-Helferzellen, CD4-Rezeptor, Teil der adaptiven Immunabwehr) nach Kontakt mit einem Makrophagen gebildet, welcher Bakterien phagozytiert hat.
Gamma-Interferon hat eine aktivierende Wirkung auf Makrophagen, indem es eine bessere Verschmelzung von Phagosomen mit Lysosomen sowie die Produktion des bakteriziden Stickstoffmonoxids und reaktiver Sauerstoffradikale fördert. Außerdem induziert es antimikrobielle Peptide, 1
Tau-Interferon
BearbeitenTau-Interferon (IFN-
Therapie mit Interferon
BearbeitenAlpha-Interferon
BearbeitenAlpha-Interferon wird seit mehreren Jahren zur Therapie der chronischen Hepatitis-B- und früher zur Therapie der akuten und chronischen Hepatitis-C-Infektion eingesetzt. Therapeutisch kommt bei diesen Erkrankungen ein gentechnisch hergestelltes Alpha-Interferon (Interferon alpha-2a oder Interferon alpha-2b) zum Einsatz, das ursprünglich dreimal pro Woche subkutan injiziert werden musste. Seit 2000 sind leicht veränderte, sogenannte pegylierte Interferone (z. B. Peginterferon
Beta-Interferon
BearbeitenBeta-Interferon wird zur Behandlung der Multiplen Sklerose und schwerer Viruserkrankungen eingesetzt.
Gamma-Interferon
BearbeitenGamma-Interferon findet als Medikament gegen Osteopetrose und Tumoren (mit z. Z. geringerem Erfolg) Einsatz.
Nebenwirkungen der Interferontherapie
BearbeitenNebenwirkungen einer Interferontherapie sind grippale Symptome wie Fieber (evtl. mit Schüttelfrost), Müdigkeit und Gelenkschmerzen. Infolge des suppressiven Effekts auf das Knochenmark kommt es zu Leukopenie und Thrombopenie. Die Verschlechterung der Leberfunktion ist besonders gefährlich bei einer bereits bestehenden Leberinsuffizienz. Selten können Autoimmunerkrankungen der Leber oder Schilddrüse auftreten. Auch psychische Veränderungen wie Depressionen oder verstärkte Aggressionsneigung können vorkommen. In vielen Fällen ist eine Zuordnung von Nebenwirkungen nicht sicher abzuschätzen, da z. B. Alpha-Interferon im Falle einer Therapie der Hepatitis C standardmäßig in Kombination mit Ribavirin (Nukleosidanalogon) eingesetzt wird.
Entwicklung
BearbeitenDarstellung und Synthese im industriellen Maßstab
Bearbeiten1957 wurde Interferon durch den Briten Alick Isaacs und den Schweizer Jean Lindenmann am National Institute for Medical Research in London entdeckt.[5] Sie stellten fest, dass embryonale Hühnerzellen in der Gewebekultur nach Inkubation mit inaktivierten Influenza-Viren eine Substanz, die von ihnen als Interferon bezeichnet wurde, in die Gewebekultur abgaben, die diese und andere Hühnerzellkulturen vor der Zerstörung durch die Viren schützten. Im Jahr 1979 gelang im Labor von Charles Weissmann in Zürich die Übertragung von menschlichen Interferon-Genen in Bakterien (rekombinante DNA). Damit wurde die Herstellung von reinem Interferon in beliebigen Mengen möglich.
Zulassungen
BearbeitenDatum | Handelsname | Wirkstoff | Hersteller | Indikation |
---|---|---|---|---|
1983 | Fiblaferon | IFN beta | Rentschler | Schwere Viruserkrankungen / 2003 SARS |
04/1987 | Roferon A | IFN alpha-2a | Roche | Krebs |
1989 | Polyferon | IFN gamma (rekombinant) | Rentschler | Rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis) |
12/1992 | Imukin | IFN gamma-1b | Boehr. Ing. | Chronische Granulomatose |
11/1995 | Betaferon | IFN beta-1b | Bayer Pharma | Multiple Sklerose |
03/1997 | Avonex | IFN beta-1a | Biogen | Multiple Sklerose |
05/1998 | Rebif | IFN beta-1a | Merck Serono | Multiple Sklerose |
02/1999 | Inferax | IFN alphacon 1 | Yamanouchi | Hepatitis C |
03/2000 | Intron A | IFN alpha-2b | MSD Sharp & Dohme | Hepatitis B/C, Malignes Melanom |
02/2002 | PegIntron | pegyliertes IFN alpha-2b | MSD Sharp & Dohme | Hepatitis C |
06/2002 | Pegasys | pegyliertes IFN alpha-2a | Roche | Hepatitis B/C |
10/2007 | CinnoVex | Biogeneric IFN beta-1a | CinnaGen | Multiple Sklerose |
06/2008 | Extavia | IFN beta-1b | Novartis | Multiple Sklerose (identisch mit Betaferon) |
02/2019 | Besremi | Ropeginterferon alfa-2b | AOP Orphan Pharmaceuticals | Polycythaemia vera |
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Joachim Hilfenhaus: Interferon – biologische Aktivitäten und Gewinnung. In: Chemie in unserer Zeit., 15, Nr. 3, 1981, S. 71–77; doi:10.1002/ciuz.19810150303.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Eintrag zu Interferone. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 16. Januar 2014.
- ↑ Immunologie, Uni Heidelberg ( vom 20. Dezember 2013 im Internet Archive)
- ↑ Eva Lengfelder, Gabriela M. Baerlocher, Konstanze Döhner, Heinz Gisslinger, Martin Grießhammer, Steffen Koschmieder, Petro E. Petrides: Polycythaemia Vera (PV). Onkopedia-Leitlinie, Stand April 2019. Abgerufen am 18. April 2021.
- ↑ Europäische Arzneimittel-Agentur: Anhang 1 Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels zu Besremi (Ropeginterferon alfa-2b)
- ↑ Alick Isaacs, Jean Lindenmann: Virus Interference. I. The Interferon. In: Proceedings of the Royal Society of London. Series B - Biological Sciences. Band 147, Nr. 927, 9. Dezember 1957, S. 258–267, doi:10.1098/rspb.1957.0048.