Lindan
Lindan beziehungsweise
Strukturformel | ||||||||||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||||||||||
Name | Lindan | |||||||||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C6H6Cl6 | |||||||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
farb- und geruchloser Feststoff[1] | |||||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||||||||
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Arzneistoffangaben | ||||||||||||||||||||||
ATC-Code | ||||||||||||||||||||||
Eigenschaften | ||||||||||||||||||||||
Molare Masse | 290,83 g·mol−1 | |||||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest[1] | |||||||||||||||||||||
Dichte |
1,85 g·cm−3[1] | |||||||||||||||||||||
Schmelzpunkt | ||||||||||||||||||||||
Siedepunkt |
323 °C (Zersetzung)[1] | |||||||||||||||||||||
Dampfdruck | ||||||||||||||||||||||
Löslichkeit |
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Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||||||||
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MAK |
DFG/Schweiz: 0,1 mg·m−3 (gemessen als einatembarer Staub)[1][4] | |||||||||||||||||||||
Toxikologische Daten | ||||||||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). |
Geschichte
BearbeitenBenannt ist es nach dem niederländischen Chemiker Teunis van der Linden (1884–1965), der 1912 das
Im Jahr 2009 wurde es in den Anhang A des Stockholmer Übereinkommens aufgenommen.[9] Seither darf es in den Mitgliedsstaaten des Abkommens nicht mehr genutzt werden. Ausnahme ist eine Verwendung in der Humanmedizin zur Kopflaus- und Krätzebehandlung als Zweitlinientherapie.
Synthese
BearbeitenHexachlorcyclohexan wird durch additive Photochlorierung von Benzol hergestellt. Ein Überschuss an Chlor wird in Benzol gelöst und mit energiereichem UV-Licht bestrahlt. Das Reaktionsprodukt ist ein Gemisch verschiedener Isomere, von denen ausschließlich Gamma-Hexachlorcyclohexan insektizide Eigenschaften aufweist. Der Anteil dieses Isomers beträgt nur 15 %. Zur Isolierung wird das Isomeren-Gemisch mit Methanol extrahiert, woraufhin vor allem
-
α -Hexachlor-
cyclohexan -
β -Hexachlor-
cyclohexan
Reaktionsverhalten
BearbeitenBei Hitzeeinwirkung zersetzt sich Lindan zu einem giftigen, korrosiven Dampfgemisch aus Chlorwasserstoff und Phosgen. Bei Kontakt mit Metallpulver (Aluminium, Eisen, Zink) zersetzt sich Lindan unter Bildung von Trichlorbenzol.
Verwendung
BearbeitenLindan wurde früher als Insektizid in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt, beispielsweise zur Bekämpfung von Engerlingen und gegen Schädlinge an Raps und Kohl.[6] Ein weiteres wichtiges Einsatzfeld waren die Holzschutzmittel, beispielsweise waren Lindan und PCP in den Holzschutzmitteln Xylamon BV und Xyladecor[10] enthalten. Daneben wurde es in etwa einprozentiger Verdünnung in der Medizin als äußerliches Medikament gegen Hautparasiten, vornehmlich bei Krätze, Filzläusen und Pedikulosen, genutzt. Nach der Verordnung (EG) Nr. 850/2004 durfte Lindan nur noch bis Ende 2007 in der Europäischen Union als Insektizid eingesetzt werden. Das Europäische Arzneibuch legt als Grenzwert für Lindan-Rückstände in pflanzlichen Drogen 0,6 mg·kg−1 fest.[11]
Gefahrenpotential
BearbeitenDie Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO stufte Lindan im Jahr 2015 als „krebserregend bei Menschen“ (Gruppe 1) ein.[12]
Lindan neigt zu starker Adsorption, z. B. an Algen,[13] und ist für Wasserorganismen giftig. Da es nur langsam abgebaut wird und relativ stark lipophil ist, reichert es sich vor allem über Fische stark in der Nahrungskette des Menschen an.[14] Lindan darf daher ungebunden unter keinen Umständen in die Umwelt gelangen. Zusammen mit anderen Insektiziden auf Basis chlorierter Kohlenwasserstoffe wird Lindan auch als Mitauslöser der Parkinson-Krankheit diskutiert.[15]
Lindan steht ferner im Verdacht, bei Überschreitung der Normalwerte schwere Krankheiten auslösen zu können: Veränderung der inneren Organe, der Blutbildung, Multiple Sklerose, Nervenschädigungen. Betroffen sind nicht nur Landwirte, Handwerker und Chemiearbeiter, sondern auch Hausbewohner, die dem als Holzschutzmittel verwendeten Lindan über die Atemluft ausgesetzt sind. Einem Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg zufolge stellt Lindan eine nicht zu vernachlässigende Gesundheitsgefahr dar, wenn die Lindan-Konzentration im Blut 0,08–0,10 pg/l übersteige.
Altlasten
BearbeitenEs wird geschätzt, dass bei der Herstellung von Lindan während sechzig Jahren weltweit zwischen vier und sieben Millionen Tonnen an Abfall angefallen sind. Dieser besteht zu rund 80 % aus
Im schleswig-holsteinischen Barsbüttel war eine ehemalige Deponie belastet. In der ehemaligen DDR sind große Teile der Mulde- und Elbeauen im Raum Bitterfeld/Dessau stark mit Lindan-Rückständen belastet.
Im Grenzgebiet bei Basel, Elsass (Département Haut-Rhin) und Weil/Lörrach (sogenanntes Dreyeckland) wurde eine unbekannte Menge aus 100.000 Tonnen Lindan-Produktionsrückständen der Firma Ugine-Kuhlmann (Huningue) unter anderem in Staubform als Beton-Zuschlagstoff „entsorgt“. Aufgrund der Geruchsbelästigung von der betroffenen Bevölkerung nicht als Straßenbelag akzeptiert, wurde der „HCH-Beton“ z. B. der örtlichen Landwirtschaft zur Befestigung von Feldwegen geschenkt; Proben weisen einen HCH-Gehalt von bis zu 75 % auf. Mittlerweile ist das HCH lokal in Grund- und Oberflächenwasser nachweisbar; trotz der nun 40-jährigen Verweildauer im Freien ist es immer noch geruchlich wahrnehmbar.[17]
Heute stellen mit Lindan behandelte Hölzer in vielen Gebäuden einen ernstzunehmenden Gebäudeschadstoff dar, der nicht selten aufwändig saniert werden muss.
Analytischer Nachweis
BearbeitenDer chemisch-analytische Nachweis in Umweltproben, Lebens- und Futtermitteln erfolgt nach geeigneter Probenvorbereitung zur Abtrennung der Matrix und gaschromatographischer Abtrennung von Nebenkomponenten mittels hochauflösender massenspektrometrischer Techniken wie der Flugzeitmassenspektrometrie (Time-Of-Flight-Massenspektrometrie).[18]
Holzschutzmittel-Prozess
BearbeitenAufgrund der Toxizität, insbesondere beim Einatmen von Holzschutzmitteln (u. a. Xylamon BV, Xyladecor) in Verbindung mit Pentachlorphenol, kam es zu schweren Erkrankungen bei Menschen. Dies wurde im Frankfurter Holzschutzmittelprozess von 1991 bis 1993 behandelt.[19][20], dem größten Umwelt-Strafprozess der Bundesrepublik.[21] Erich Schöndorf war hierbei der zuständige Staatsanwalt; Wolfgang Huber als Gutachter tätig. In seinem Bericht legt er den Zusammenhang zwischen bioziden Inhaltsstoffen diverser Holzschutzmittel und den daraus resultierenden Immunstörungen dar.[22]
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c d e f g h Eintrag zu Lindan in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. Januar 2022. (JavaScript erforderlich)
- ↑ a b c Eintrag zu Lindan. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 20. Juni 2014.
- ↑ Eintrag zu
γ -HCH orγ -BHC im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern. - ↑ Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 58-89-9 bzw. Lindan), abgerufen am 2. November 2015.
- ↑ a b CliniTox Giftsubstanz: Chlorierte cyklische Kohlenwasserstoffe – Wiederkaeuer. Abgerufen am 14. Juni 2019.
- ↑ a b c Lukas Straumann: Nützliche Schädlinge. Chronos Verlag, Zürich, 2005, S. 272–277, ISBN 3-0340-0695-0.
- ↑ Sabine Latorre: Wie der Chemie- und Pharma-Konzern Merck Verantwortung im In- und Ausland übernimmt. 20. August 2013, abgerufen am 30. Dezember 2022.
- ↑ Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission: Eintrag zu Lindane in der EU-Pestiziddatenbank; Eintrag in den nationalen Pflanzenschutzmittelverzeichnissen der Schweiz, Österreichs und Deutschlands, abgerufen am 26. März 2016.
- ↑ Press Release – COP4 – Geneva, 8 May 2009: Governments unite to step-up reduction on global DDT reliance and add nine new chemicals under international treaty, 2009.
- ↑ DER SPIEGEL: In Xylamon baden, 22/1993.
- ↑ Europäisches Arzneibuch 10.0. Deutscher Apotheker Verlag, 2020, ISBN 978-3-7692-7515-5, S. 433.
- ↑ IARC Monographs evaluate DDT, lindane, and 2,4-D, 23. Juni 2015.
- ↑ A. Trautmann, B. Streit: Sorption von Lindan (gamma-Hexachlorcyclohexan) an Nitzschia actinastroides (LEMM.) v. GOOR (Diatomeae) unter verschiedenen Wachstumsbedingungen. Arch. Hydrobiol./ Suppl. 55: 349–372 (1979).
- ↑ Bruno Streit: Uptake, accumulation and release of organic pesticides by benthic invertebrates. 3. Distribution of 14C-atrazine and 14C-lindane in an experimental 3-step food chain microcosm. Arch. Hydrobiol./ Suppl. 55: 374–400 (1979).
- ↑ Parkinson’sche Erkrankung eines Landwirts durch Pestizide als Berufskrankheit anerkannt ( vom 7. Juni 2012 im Internet Archive)
- ↑ John Vijgen, P. C. Abhilash, Yi Fan Li, Rup Lal, Martin Forter, Joao Torres, Nandita Singh, Mohammad Yunus, Chongguo Tian, Andreas Schäffer, Roland Weber: Hexachlorocyclohexane (HCH) as new Stockholm Convention POPs—a global perspective on the management of Lindane and its waste isomers. In: Environmental Science and Pollution Research. 18, 2011, S. 152–162, doi:10.1007/s11356-010-0417-9.
- ↑ Badische Zeitung, Annette Mahro, Chemiemüll im Elsass sorgt für Unbehagen im Dreiländereck, 9. Februar 2015.
- ↑ Eric J. Reiner, Adrienne R. Boden, Tony Chen, Karen A. MacPherson und Alina M. Muscalu: Advances in the Analysis of Persistent Halogenated Organic Compounds. In: LC GC Europe. 23 (2010) 60–70.
- ↑ SWR-betrifft: Die Holzschutzmittel Opfer – Xyladecor – Legal vergiftet, dann vergessen.
- ↑ Coalition against BAYER Dangers
- ↑ Langlebiges Gift im Holzschutzmittel, Artikel der Lausitzer Rundschau
- ↑ Das Urteil im Frankfurter Holzschutzmittelprozeß