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Michael Freund (Politikwissenschaftler) – Wikipedia

Michael Freund (Politikwissenschaftler)

deutscher Politologe, Soziologe und Historiker (1902-1972)

Michael Freund (* 18. Januar 1902 in Weilheim, Oberbayern; † 15. Juni 1972 in Kiel) war ein deutscher Politologe und Historiker. Er gehört zur Generation der Gründungsväter der Politikwissenschaft in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.[1]

Michael Freund studierte vom Sommersemester 1921 bis zum Wintersemester 1925/26 Geschichte, Soziologie, Anglistik und Germanistik an der Universität München. In den Jahren 1923 bis 1926 war er Mitglied der Freien Sozialistischen Jugend, danach der SPD.[2] Nach seinem Studium promovierte er im November 1925 bei Hermann Oncken mit einer Dissertation zur Ideengeschichte der englischen Revolution. Die Arbeit konnte Freund im Rahmen eines Forschungsauftrags der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft erstellen. Im März 1927 legte er das Staatsexamen für die Fächer Geschichte, Anglistik und Germanistik in München ab.[3]

Neben einer wissenschaftlichen Hilfstätigkeit an der Bibliothek der Deutschen Hochschule für Politik in den Jahren 1932 bis 1935 in Berlin arbeitete er von 1933 bis 1935 als Redakteur für die danach verbotene Berliner Wochenzeitschrift Blick in die Zeit. Hier lernte er Andreas Gayk kennen, den späteren Oberbürgermeister von Kiel. Von 1935 bis 1936 arbeitete er als Lektor beim Bibliographischen Institut in Leipzig, von 1936 bis 1939 als Herausgeber der Weltgeschichte der Gegenwart in Dokumenten bei der NSDAP-eigenen Essener Verlagsanstalt. Freund habilitierte sich kumulativ im Jahr 1938 bei Gerhard Ritter in Freiburg und übernahm eine Dozentur für Westeuropäische Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.[4] Nach seiner Entlassung aus der akademischen Tätigkeit aus politischen Gründen beantragte Freund am 7. Dezember 1939 die Aufnahme in die NSDAP und wurde zum 1. Januar 1940 aufgenommen (Mitgliedsnummer 7.383.665).[5] Im Zweiten Weltkrieg war er zunächst bei der Auslandsbriefprüfstelle dienstverpflichtet. Gegen Kriegsende war er in einer SS-Dienststelle in Klanowitz bei Prag tätig und bereitete beim Institut zur Erforschung der Judenfrage eine „Geschichte der Judenfrage in Dokumenten“ vor. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnte Freund seine akademische Laufbahn fortsetzen.

1950 wechselte Freund von Freiburg nach Kiel, wo er 1951 als außerordentlicher Professor einen Lehrstuhl für Wissenschaft und Geschichte der Politik an der Universität Kiel erhielt. Von 1956 bis 1967 war er ordentlicher Professor, danach Emeritus. Seine Forschungsgebiete umfassten Themen der Politiksoziologie, Elitesoziologie und Ideengeschichte. Er legte Biographien über den französischen Sozialphilosophen Georges Sorel und den englischen Staatsmann Oliver Cromwell vor. Nach der Emeritierung übernahm Werner Kaltefleiter seinen Lehrstuhl.

Freund war auch journalistisch aktiv und schrieb u. a. für die Zeit und Welt. Ferner war er in den späten 1940er Jahren für die SPD-nahe Schleswig-Holsteinische Volkszeitung tätig. In der FAZ veröffentlichte er ab Ende der 1950er Jahre den größten Teil seiner journalistischen Arbeiten. Sein Schwerpunkt lag auf historischen Themen, er veröffentlichte aber auch Kommentare zu tagesaktuellen politischen Ereignissen. Insgesamt erschienen einige hundert Artikel aus seiner Feder.[6]

Zu Beginn seiner Lehrtätigkeit an der Kieler Universität waren Jochen Steffen[7] und Gerhard Stoltenberg seine wissenschaftlichen Mitarbeiter, die im schleswig-holsteinischen Landtag als Oppositionsführer bzw. Ministerpräsident zu politischen Gegnern wurden. Zu seinen Schülern (Doktoranden bzw. Habilitanden) gehörten Detlef Junker, Hagen Schulze, Heinz Josef Varain, Wilfried Röhrich und Heino Kaack.

Freund war in den 1930er Jahren Mitglied der SPD, über den genauen Zeitraum seiner Mitgliedschaft machte er voneinander abweichende Angaben; im Zuge seiner Entnazifizierung gab er dafür die Jahre 1926 bis 1933 an.[8] Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Freund der Partei verbunden. So war er beispielsweise an der Abfassung eines Parteiprogramms für die schleswig-holsteinische Landtagswahl 1950 beteiligt.[9]

Am 28. November 1941 schloss er die Ehe mit Eva Beinert, die ein Kind in die Ehe einbrachte, den späteren Germanisten Hans Peter Neureuter, geb. 1938. Die beiden hatten zwei gemeinsame Töchter.[10]

Publikationen (Auswahl)

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Monographien

  • Die Idee der Toleranz im England der großen Revolution (= Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Buchreihe. Band 12, ZDB-ID 200380-6). Niemeyer, Halle (Saale) 1927 (Zugleich: München, Universität, Dissertation, 1925).
  • Georges Sorel. Der revolutionäre Konservatismus. Klostermann, Frankfurt am Main 1932 (2. erweiterte Auflage. ebenda 1972).
  • Oliver Cromwell (= Colemans Kleine Biographien. 26, ZDB-ID 31371-3). Coleman, Lübeck 1933.
  • Weltgeschichte der Gegenwart in Dokumenten. 5 Bände. Essener Verlags-Anstalt, Essen 1936–1940;
    • Band 1: 1934/35. Teil 1: Internationale Politik. 1936;
    • Band 2: 1934/35. Teil 2: Staatsform und Wirtschaft der Nationen. 1936;
    • Band 3: 1935/36. Internationale Politik. 1937;
    • Band 4: 1936/37. Internationale Politik. 1938;
    • Band 5: 1937/38. Internationale Politik. 1940.
  • Die große Revolution in England. Anatomie eines Umsturzes. Claassen, Hamburg 1951.
  • Das Elitenproblem in der modernen Politik. In: Politische Bildung. Band 46, 1954, ZDB-ID 502758-5, S. 236–258.
  • Deutsche Geschichte (= Die Große Bertelsmann Lexikon-Bibliothek. Band 7, ZDB-ID 1305100-3). Bertelsmann, Gütersloh 1960.
    • Deutsche Geschichte, fortgeführt von Thilo Vogelsang. Erweiterte und aktualisierte Sonderausgabe. Bertelsmann Lexikon-Verlag, Berlin, München u. a. 1975, ISBN 3-570-06662-2.
    • Taschenbuchausgabe in 5 Bänden, Goldmann-Verlag 1978
  • Deutschland unterm Hakenkreuz. Die Geschichte der Jahre 1933–1945. Bertelsmann, Gütersloh 1965.
  • Das Drama der 99 Tage. Krankheit und Tod Friedrichs III. Kiepenheuer & Witsch, Köln u. a. 1966.
  • Abendglanz Europas. 1870–1914. Bilder und Texte. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1967.
  • Napoleon und die Deutschen. Despot oder Held der Freiheit? Callwey, München 1969.
  • Die Politik der Freiheit. Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaft und Geschichte der Politik. Herausgegeben von Walter Bernhardt. Schünemann, Bremen 1970, ISBN 3-7961-4270-2.
  • Propheten der Revolution. Biographische Essays und Skizzen. Herausgegeben von Walter Bernhardt. Schünemann, Bremen 1970, ISBN 3-7961-3016-X.
  • 25 Jahre Deutschland. 1945–1970. Bertelsmann, Gütersloh u. a. 1971.

Herausgeberschaften

Literatur

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Festschriften

  • Wilfried Röhrich (Hrsg.): Macht und Ohnmacht des Politischen. Festschrift zum 65. Geburtstag von Michael Freund am 18. Januar 1967. Kiepenheuer & Witsch, Köln u. a. 1967.
  • Walter Bernhardt (Hrsg.): Führung in der Politik. Festgabe für Michael Freund zum 70. Geburtstag am 18. Januar 1972 von seinen Schülern. Kieler Druckerei, Kiel 1972 (darin: Christine Bernhardt: Übersicht der Werke von Michael Freund, S. 193–239).
  • Walter Bernhardt (Hrsg.): Nation und Nationalität im Selbstverständnis der Deutschen. Symposium aus Anlaß des 80-jährigen Geburtstags von Michael Freund am 80. Januar 1982. Institut für Politische Wissenschaft der Christian-Albrechts-Universität, Kiel 1982.

Darstellungen

  • Philipp Eulenburger: Publizieren um jeden Preis? Michael Freunds ungeschriebenes Buch „Der falsche Sieg“. In: Wilhelm Knelangen, Tine Stein (Hrsg.): Kontinuität und Kontroverse. Die Geschichte der Politikwissenschaft an der Universität Kiel (= Zeit + Geschichte. Band 25). Klartext, Essen 2013, ISBN 978-3-8375-0763-8, S. 369–389.
  • Wilhelm Knelangen, Birte Meinschien: Deutsche Nachkriegspolitologen in der Nationalsozialistischen Diktatur: Michael Freund. In: Hubertus Buchstein (Hrsg.): Die Versprechen der Demokratie (= Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft. Band 25). Nomos, Baden-Baden 2013, ISBN 3-8487-0230-4, S. 419–429.
  • Wilhelm Knelangen, Birte Menschien: „Ich wäre gern in Ruhe gelassen worden...“. Michael Freund im Nationalsozialismus. In: Politische Vierteljahresschrift. Band 55, Nr. 2, 2014, S. 321–355, JSTOR:24201744.
  • Wilhelm Knelangen, Birte Meinschien (Hrsg.): „Lieber Gayk! Lieber Freund!“ Der Briefwechsel zwischen Andreas Gayk und Michael Freund von 1944 bis 1954 (= Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte. Band 78). Ludwig, Kiel 2015, ISBN 978-3-86935-269-5.
  • Klaus Körner: Politikwissenschaftler, Historiker, Journalist. Michael Freund, die Politische Wissenschaft und die Universität Kiel. In: Auskunft. Zeitschrift für Bibliothek, Archiv und Information in Norddeutschland 37 (2017), Heft 2, S. 255–275.
  • Birte Meinschien: Michael Freund. Wissenschaft und Politik (1945–1965) (= Kieler Werkstücke. Reihe H: Beiträge zur Neueren und Neuesten Geschichte. Band 2). Lang, Frankfurt am Main u. a. 2012, ISBN 978-3-631-62299-5.
  • Birte Meinschien: Historie und Macht. Die Kieler Politikwissenschaft unter Michael Freund. In: Wilhelm Knelangen, Tine Stein (Hrsg.): Kontinuität und Kontroverse. Die Geschichte der Politikwissenschaft an der Universität Kiel (= Zeit + Geschichte. Band 25). Klartext, Essen 2013, ISBN 978-3-8375-0763-8, S. 327–368.
  • Birte Meinschien: Die Kieler Politikwissenschaft unter Michael Freund – Wissenschaft zur Orientierung „in einem zwielichtigen Raum“. In: Christoph Cornelißen (Hrsg.): Wissenschaft im Aufbruch. Beiträge zur Wiederbegründung der Kieler Universität nach 1945 (= Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte. Band 88). Klartext, Essen 2014, ISBN 978-3-8375-1390-5, S. 55–81.
  • Catharina J. Nies: Die Revolutionskritik Michael Freunds und der Faschismusvorwurf der 68er. In: Wilhelm Knelangen, Tine Stein (Hrsg.): Kontinuität und Kontroverse. Die Geschichte der Politikwissenschaft an der Universität Kiel (= Zeit + Geschichte. Band 25). Klartext, Essen 2013, ISBN 978-3-8375-0763-8, S. 391–424.
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Anmerkungen

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  1. Birte Meinschien: Michael Freund. Wissenschaft und Politik (1945–1965). Frankfurt am Main u. a. 2012, S. 11.
  2. Birte Meinschien: Michael Freund. Wissenschaft und Politik (1945–1965). Frankfurt am Main u. a. 2012, S. 29.
  3. Birte Meinschien: Michael Freund. Wissenschaft und Politik (1945–1965). Frankfurt am Main u. a. 2012, S. 30.
  4. Jürgen Jensen, Karl Rickers (Hrsg.): Andreas Gayk und seine Zeit. 1893–1954. Erinnerungen an den Kieler Oberbürgermeister. Wachholtz, Neumünster 1974, ISBN 3-529-06147-6, S. 260 (Autorenbiographien).
  5. Bundesarchiv R 9361-IX Kartei/9580723.
  6. Wilhelm Knelangen, Birte Meinschien: „Wir sollten aufhören, immer nur eine einzige Form von Demokratie für demokratisch zu erklären.“ Eine Antwort auf Rainer Eisfeld. In: Politische Vierteljahresschrift. Band 55, Nr. 4, 2014, S. 731–745, hier: S. 739, JSTOR:24201495.
  7. Jochen Steffen im Munzinger-Archiv, abgerufen am 11. Juli 2022 (Artikelanfang frei abrufbar)
  8. Birte Meinschien: Michael Freund. Wissenschaft und Politik (1945–1965). Frankfurt am Main u. a. 2012, S. 32.
  9. Birte Meinschien: Michael Freund. Wissenschaft und Politik (1945–1965). Frankfurt am Main u. a. 2012, S. 132.
  10. Birte Meinschien: Michael Freund. Wissenschaft und Politik (1945–1965). Frankfurt am Main u. a. 2012, S. 45 f.