„Erica Pappritz“ – Versionsunterschied

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'''Erica Pappritz''' (* [[25. Juni]] [[1893]] in [[Leszno|Lissa]]; † [[4. Februar]] [[1972]] in [[Bonn]]), zuweilen irrtümlich als Gräfin geführt, war in der [[Konrad Adenauer|Adenauer-Ära]] stellvertretende Protokollchefin im Auswärtigen Amt und löste in den 1950ern und 1960ern eine Diskussion des Ehrenkodexes aus, den sie der Bonner Republik zu verordnen suchte.


'''Erica Pappritz''' (* [[25. Juni]] [[1893]] in [[Leszno|Lissa]]; † [[4. Februar]] [[1972]] in [[Bonn]]) war in der [[Konrad Adenauer|Adenauer-Ära]] stellvertretende Protokollchefin im Auswärtigen Amt und löste in den 1950er und 1960er Jahren eine Diskussion über die [[Etikette]] aus, die sie der [[Bonner Republik]] zu verordnen suchte.
== Biographie ==


== Leben ==
Erica Pappritz war Tochter eines [[Offizier]]s. Sie wollte ursprüngliche [[Krankenpfleger]]in, [[Krankenschwester]] oder [[Arzt|Ärztin]] werden. Ihre Eltern waren aber dagegen, so dass sie diese Karriere nicht einschlug.
Erica Pappritz kam als Tochter eines [[Offizier]]s ([[Rittmeister]]<ref name="spiegel12/1957">{{Der Spiegel |ID=41120686 |Titel=Die Tiefe des Gemüts |Jahr=1957 |Nr=12 |Datum=1957-03-20 |Seiten=16–26}}</ref>) zur Welt. Zeitweise wurde ihr Name irrtümlich "veradelt" als "Freifrau von" (in Anlehnung an die adelige [[Marie Luise Kaschnitz]]).<ref>vgl. Schmölders: "Die Rückkehr der Höflichkeit", Südwestfunk 2005</ref> Pappritz wollte ursprünglich Krankenpflegerin, Krankenschwester oder Ärztin werden. Ihre Eltern waren aber dagegen, so dass sie diese Karriere nicht einschlug.


Nach einer kaufmännischen Ausbildung nahm Erica Pappritz 1919 eine Tätigkeit im Bürodienst der neu eingerichteten Außenhandelsstelle des Auswärtigen Amts an und wurde später Mitarbeiterin des Leiters der Annahme- und Ausbildungsabteilung des diplomatisch-konsularischen Nachwuchses. Bis Kriegsende blieb sie in verschiedenen Positionen im Auswärtigen Amt in der [[Wilhelmstraße (Berlin-Mitte)]], zuletzt als Leiterin des Referats "Zeremonial- und Rangfragen". Zu ihren Aufgaben gehörte nach eigenen Angaben auch die Betreuung des Diplomatischen Corps auf den Reichsparteitagen in Nürnberg. Am 1. Januar 1940 war sie der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] beigetreten.
Nach einer kaufmännischen Ausbildung nahm Erica Pappritz 1919 eine Tätigkeit im Bürodienst der neu eingerichteten Außenhandelsstelle des Auswärtigen Amts an und wurde später Mitarbeiterin des Leiters der Annahme- und Ausbildungsabteilung des diplomatisch-konsularischen Nachwuchses. Zu ihren Aufgaben gehörte nach eigenen Angaben auch die Betreuung des Diplomatischen Corps auf den [[Reichsparteitag]]en in Nürnberg. Am 1. Januar 1940 war sie der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] beigetreten. 1943 setzte der Chef des Protokolls [[Alexander von Dörnberg (Diplomat)|Alexander Freiherr von Dörnberg]] durch, dass Erica Pappritz mit ihrem 50. Geburtstag die Besoldung eines Legationsrates 1. Klasse erhielt.<ref name="spiegel12/1957"/> Im Auswärtigen Amt in der [[Wilhelmstraße (Berlin-Mitte)|Berliner Wilhelmstraße]] war sie zuletzt Leiterin des Referats ''Zeremonial- und Rangfragen''. Vor Kriegsende setzte sie sich auf dienstliche Anweisung mit anderen Staatsbeamten nach Bayern ab. Über ihre [[Entnazifizierung]] ist nichts bekannt.


1949 wurde sie Referentin und persönliche Stellvertreterin des damaligen Protokollchefs im Bundeskanzleramt, [[Hans-Heinrich Herwarth von Bittenfeld]]; 1950 erfolgte die Übernahme in die dem Bundeskanzleramt unterstehende Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten, dem späteren Auswärtigen Amt. 1952 wurde sie zur Vortragenden Legationsrätin ernannt und war Stellvertreterin des [[Chef des Protokolls im deutschen Auswärtigen Amt]]. Als Referatsleiterin in der Protokollabteilung gab sie auch Unterrichtsstunden auf dem Gebiet des Protokollwesens zunächst in der Ausbildungsstätte des Auswärtigen Amts in Speyer, später in Bonn.
Vor Kriegsende setzte sie sich auf dienstliche Anweisung mit anderen Staatsbeamten nach Bayern ab. Über ihre [[Entnazifizierung]] ist nichts bekannt. 1948 erhielt Sie einen Ruf von [[Konrad Adenauer]], dem sie anfang der 30er Jahre bereits in Berlin begegnet war.


1956 kam ''Das Buch der Etikette'' von Karlheinz Graudenz und Erica Pappritz heraus, das bei seinem Erscheinen starke öffentliche Kritik hervorrief.<ref>[https://www.zeit.de/1957/23/zeitmosaik/komplettansicht ''Zeitmosaik''] [[Die Zeit]] Nr. 23, 6. Juni 1957</ref> Laut ''[[Der Spiegel|Spiegel]]'' haben es Leute „in der Protokollabteilung […] der Pappritz sehr [verübelt], daß sie die ganze Abteilung, die ohnehin permanent im Geruch leichter Lächerlichkeit steht, abgrundtief blamiert hat.“<ref name="spiegel12/1957"/> Der konservative Feuilletonist [[Friedrich Sieburg]] bemerkte dazu: „Allen Beteiligten wäre gedient, wenn Fräulein Pappritz… in den wohlverdienten Ruhestand träte.“<ref name="gest"/>
1949 wurde sie Referentin und persönliche Stellvertreterin des damaligen Protokollchefs im Bundeskanzleramt, [[Hans-Heinrich Herwarth von Bittenfeld|Hans Herwarth von Bittenfeld]]; 1950 erfolgte die Übernahme in die dem Bundeskanzleramt unterstehende Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten, dem späteren Auswärtigen Amt. Ein Jahr später wurde sie zur Legationsrätin erster Klasse ernannt, ein Rang, der erstmals in der Geschichte des deutschen Auswärtigen Amts einer Frau verliehen wurde. Bis zu ihrem Ruhestand im Jahre 1958 blieb die 1952 schließlich zur Vortragenden Legationsrätin erster Klasse ernannte Pappritz als Referatsleiterin in der Protokollabteilung in der Funktion der sogenannten "Vize-Protokollchefin" und war - zunächst in der Ausbildungsstätte des Auswärtigen Amts in Speyer, später in Bonn - für die Ausbildung des Diplomatennachwuchses auf dem Gebiet des Protokollwesens verantwortlich.


Pappritz ging 1958 in den Ruhestand. Sie hielt nach ihrer Pensionierung gelegentlich Vorträge zur Etikette für Tourismusunternehmen,<ref>{{Der Spiegel |ID=42624141 |Titel=Berufliches: Erica Pappritz |Jahr=1959 |Nr=7 |Datum=1959-02-11 |Seiten=65 |Zitat=Erica Pappritz, 65, pensionierte Bonner Zeremonienmeisterin, sprach in Hannover vor 130 Reiseleitern im Auftrag der Scharnow - Reisen - KG zum Thema ‚Der Feriengast innerhalb der Konventionen menschlichen Zusammenlebens‘.}}</ref> Stahlkonzerne<ref>{{Der Spiegel |ID=42625111 |Titel=Gesellschaftliches: Erica Pappritz |Jahr=1959 |Nr=16 |Datum=1959-04-15 |Seiten=79 |Zitat=Erica Pappritz, 65, ehemalige Hüterin der Bonner Etikette (‚Kennen Sie das erregende Gefühl, frisch gewaschen zu sein?‘), wurde von dem Düsseldorfer Stahlkonzern Mannesmann AG zu Benimm-Vorträgen vor den Mitarbeitern der Werbeabteilung engagiert.}}</ref> und andere Vertreter der westdeutschen Wirtschaft.<ref>{{Der Spiegel |ID=42621076 |Titel=Erica Pappritz |Jahr=1958 |Nr=51 |Datum=1958-12-17 |Seiten=65}}</ref> Sie starb 1972 an Herzversagen.<ref name="gest">{{Der Spiegel |ID=43019139 |Titel=Gestorben: Erica Pappritz |Jahr=1972 |Nr=8 |Datum=1972-02-14 |Seiten=148}}</ref>
Bis in die Gegenwart reicht die Erinnerung an sie, die nicht zuletzt die protokollarischen Angelegenheiten der jungen Bundesrepublik prägte. Ihre umfassenden Kenntnisse waren speziell beim Wiederaufbau der bundesrepublikanischen Protokollabteilung hilfreich, da ein Teil der Aufzeichnungen über das staatliche Protokollwesen während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] verloren gegangen war.


== {{Anker|Buch}} „Buch der Etikette“ ==
Noch während ihrer Diplomatenzeit nahm Erica Pappritz mit Kenntnis von Bundeskanzler [[Konrad Adenauer]] das Amt der Vize-Großmeisterin der Gemeinschaft "[[Alexander Orden pour le Mérite]]" an. Ordenspatron Griechenlands König [[Paul (Griechenland)|Paul]] hatte dies bei einem Staatsbesuch in Bonn angeregt, um seine Schwiegermutter, Prinzessin [[Viktoria Luise von Preußen|Viktoria Luise]], in dieser Aufgabe zu entlasten. Die Tochter des letzten Deutschen Kaisers [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] übertrug schließlich 1968 das Ehrenamt der „Großmeisterin“ an die deutsche Diplomatin. Später übernahm der französische Schriftsteller [[Roger Peyrefitte]] das Amt des „Grandmaster“ und berief 1990 Konsul [[B. John Zavrel]] zum Kanzler des internationalen Ordens.
Das 1956 erschienene ''Buch der Etikette'', an dem Pappritz mitgeschrieben hatte, gab Benimm-Regeln bis ins kleinste Detail vor. Neben den Regeln für gutes Benehmen und passende Kleidung schrieb es sogar vor, in welcher Häufigkeit die [[Toilettenspülung]] zu betätigen sei, was bald als ''die Eti-Kette ziehen'' verspottet wurde.<ref>{{Der Spiegel |ID=41120679 |Titel=Der Spiegel berichtete… |Jahr=1957 |Nr=19 |Datum=1957-03-06 |Seiten=66}}</ref>


Nicht nur [[Konrad Adenauer]] frotzelte über das Buch,<ref name="spiegel12/1957"/> auch die rheinischen [[Karneval]]isten nahmen die ausgefallensten Anstandsregeln, beispielsweise das Verbot langer Unterhosen („Lange Unterhosen bleiben unmännlich und häßlich, auch wenn sie kaum jemand sieht“), aufs Korn: „Auf dem Bonner Marktplatz schnitt“, so berichtete ''Der Spiegel'', „eine [[monokel]]bewehrte Pseudo-Pappritz vor jubelndem Karnevalsvolk die Hosenbeine von langen Herren-Unterhosen ab.“<ref name="spiegel12/1957"/> Auch der Zeichner und Humorist [[Loriot]], der zu dieser Zeit für die Zeitschrift ''[[Quick (Zeitschrift)|Quick]]'' die Ratgeberparodie ''[[Der gute Ton]]'' zeichnete und textete, widmete dem Buch einen eigenen Beitrag unter dem Titel ''Was Frau Pappritz verschwieg'', mit dem er „einige gefährliche Lücken des Werkes“ ausfüllen wollte.<ref>{{Literatur |Autor=Stefan Neumann |Titel=Loriot und die Hochkomik. Leben, Werk und Wirken Vicco von Bülows |Verlag=Wissenschaftlicher Verlag Trier |Ort=Trier |Datum=2011 |ISBN=978-3-86821-298-3 |Seiten=171–172}}</ref> Das Motto des Buches, „Wo wir sind, ist oben“, wurde in späteren Ausgaben ersetzt. [[Josef Müller-Marein]] nannte das Werk in einem mit ''Symptom Pappritz: Der falsche gute Ton'' überschriebenen ''[[Die Zeit|Zeit]]''-Artikel einen „Wälzer, den ein [[Snob]] zum hochwohllöblichen Gebrauch für Snobs verfaßte“.<ref>[https://www.zeit.de/1957/10/symptom-pappritz ''Symptom Pappritz: Der falsche gute Ton''], Die Zeit Nr. 10, 7. März 1957</ref> Der Hauptautor [[Karlheinz Graudenz]] nahm Pappritz dagegen in Schutz und betonte, sie habe bei dem Buch primär als Beraterin gewirkt.
1956 erschien das erste "Das Buch der Etikette", an dem sie mitgeschrieben hatte, zum Preis von 26 [[Deutsche Mark|Deutschen Mark]]. Es galt in den 1950er Jahren als "Bibel der guten Sitten" und gab Benimmregeln bis ins kleinste Detail vor. Neben den Regeln für gutes Benehmen und passende Kleidung reichte es dabei sogar soweit, dass vorgeschrieben wurde, in welcher Häufigkeit die [[Toilettenspülung]] zu betätigen sei.


Der [[Deutscher Bundestag|Deutsche Bundestag]] beschäftigte sich sogar in einer Debatte mit dem Buch. So kritisierte die SPD-Politikerin [[Annemarie Renger]] insbesondere die Tatsache, dass Pappritz dem Buch durch ihre Mitautorenschaft einen amtlichen Charakter verliehen hätte. Die damalige [[Alterspräsident]]in des Bundestags, [[Marie Elisabeth Lüders]], bezeichnete es als arrogant, anrüchig und taktlos. Ihrer Meinung nach passte die Kombination, dass Pappritz populäre Bücher schreibe und gleichzeitig im Auswärtigen Amt in verantwortlicher Position tätig sei, nicht zusammen. Das Auswärtige Amt antwortete auf eine entsprechende [[kleine Anfrage]], dass Pappritz ausschließlich privat schriftstellerisch tätig gewesen, und das Buch nicht Grundlage der Diplomatenausbildung sei.
Der [[Deutscher Bundestag|Deutsche Bundestag]] beschäftigte sich sogar in einer Debatte mit dem Benimm-Buch. Die damalige [[Alterspräsident]]in des Bundestags, [[Marie Elisabeth Lüders]], bezeichnete es als arrogant, anrüchig und taktlos. Die SPD-Politikerin [[Annemarie Renger]] kritisierte insbesondere, dass Pappritz dem Buch durch ihre Mitautorenschaft einen amtlichen Charakter verliehen habe. Das Auswärtige Amt antwortete auf eine entsprechende [[Kleine Anfrage]], dass Pappritz ausschließlich privat schriftstellerisch tätig gewesen und das Buch nicht Grundlage der Diplomatenausbildung sei.
Auch der Hauptautor Karlheinz Graudenz nahm sie in Schutz, und betonte, dass Pappritz dabei primär als Beraterin gewirkt habe.
Ungeachtet dieser offiziellen Kritik wurden auch die darauf folgenden unter ihrer wesentlichen Mitarbeit erweiterten Neuauflagen des nunmehr unter dem Titel "Etikette neu" erschienenen Buches zu einem Bestseller und blieben noch bis in die 1970er populär.


== Schriften ==
== Markenzeichen für guten Ton ==
* Karlheinz Graudenz: ''Das Buch der Etikette.'' Unter Mitarbeit von Erica Pappritz. Zeichnungen von Ulrik Schramm. Perlen-Verlag, Marbach am Neckar 1956. Spätere Auflagen Südwest-Verlag, München.

* Karlheinz Graudenz, Erica Pappritz: ''Etikette neu.'' Südwest-Verlag, München 1971, ISBN 3-517-00026-4.
1969 erlebte das staatliche Pappritz-Protokoll eine Renaissance, als der FDP-Politiker [[Walter Scheel]] Bundesaußenminister in Bonn wurde. Seine Ehefrau [[Mildred Scheel]], die in der folgenden Amtszeit ihres Mannes als Bundespräsident die [[Deutsche Krebshilfe]] gründete, war von der Pappritz gleich zu Beginn persönlich über Sitten und Gebräuche auf dem internationalen diplomatischen Parkett informiert worden. Nach dem eher als karg geltenden „Bürgerpräsidenten“ [[Gustav Heinemann]] von der SPD waren Walter und Mildred Scheel als glanzvolle Repräsentanten der Bundesrepublik zugleich volksnah und beliebt.
* Erica Pappritz: ''Etikette neu. Der Knigge aus den Wirtschaftwunderjahren.'' Neue, gekürzte Auflage. Verlags-Anstalt Handwerk, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-87864-919-9.
"Die Pappritz" gilt über ihren Tod hinaus als eine Art Markenzeichen für den guten Ton in der Gesellschaft.

Die Diplomatin blieb in der internationalen Gesellschaft ein gern gesehener Gast. Ihre Autorenarbeit setzte sie bis zu ihrem Tod als Kolumnistin für Zeitungen und Zeitschriften fort. Ihr Autorenbüro in Bonn leitete der Diplomatische Korrespondent Joe F. Bodenstein. Sie publizierte regelmäßig in Schriften des Bauer-Verlages Hamburg. U.a. widmete ihr die Illustrierte [[Stern (Zeitschrift)|Stern]] medienwirksame Aufmerksamkeit.

== Pappritz-Archiv ==

Das nach ihrem Ausscheiden aus dem Auswärtigen Dienst 1959 gegründete ''Erica Pappritz-Archiv'' bewahrt das Erbe der Protokoll- und Etikette-Expertin. Seither tritt das Archiv für die Erhaltung der guten Sitten beim Umgang mit Menschen ein. Es sorgt sich um den Erhalt des Ehrenkodexes, den die Diplomatin für das Protokoll und die Umgangsformen aufgestellt hat. Die Autorin wird in der Nachfolge des deutschen Adeligen [[Adolph Freiherr Knigge]] (1752–1796) gesehen. Das Pappritz-Archiv nimmt seither auch die Urheber- und Folgerechte wahr. Eine Neuauflage ihres Buches war unter dem Arbeitstitel "Der Neue Pappritz" vorbereitet, durch den Tod jedoch bisher nicht realisiert worden.

Im Archiv befindet sich folgendes Zitat der Etikette-Expertin: ''"Ich kann nur darlegen, wie durch ein rücksichtsvolles und "gutes" Benehmen das Leben in der menschlichen Gesellschaft angenehmer und leichter verläuft. Jeder ist frei, Ratschläge, die auf langen Erfahrungen beruhen, anzunehmen. Wer sich an solche Lebensweisheiten nicht hält, für den muss gelten: Jeder blamiere sich wie er kann."''


== Literatur ==
== Literatur ==
* Biographie in: Ursula Müller, Christiane Scheidemann (Hrsg.): ''Gewandt, geschickt und abgesandt. Frauen im diplomatischen Dienst.'' Olzog Verlag, München 2000, ISBN 3-7892-8041-0
* Maria Keipert (Red.): ''Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945.'' Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Band 3: Gerhard Keiper, Martin Kröger: ''L–R.'' Schöningh, Paderborn u. a. 2008, ISBN 978-3-506-71842-6


== Einzelnachweise ==
* Karlheinz Graudenz: ''Das Buch der Etikette.'' Unter Mitarbeit von Erica Pappritz. Perlen-Verlag, Marbach am Neckar 1956.
<references />
* Karlheinz Graudenz, Erica Pappritz: ''Etikette neu.'' 12. völlig neu bearbeitete Auflage. Südwest-Verlag, München 1971, ISBN 3-517-00026-4.
* Erica Pappritz: ''Etikette neu. Der Knigge aus den Wirtschaftwunderjahren.'' Neu bearbeitete und gekürzte Auflage. Verlags-Anstalt Handwerk, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-87864-919-9.

=== Sekundärliteratur ===
* Biographie in: Ursula Müller, Christiane Scheidemann (Hrsg.): ''Gewandt, geschickt und abgesandt. Frauen im diplomatischen Dienst.'' Olzog Verlag, München 2000, ISBN 3-7892-8041-0.
* Maria Keipert (Red.): ''Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945.'' Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Band 3: Gerhard Keiper, Martin Kröger: ''L–R.'' Schöningh, Paderborn u. a. 2008, ISBN 978-3-506-71842-6.
* Das erica-pappritz-archiv bewahrt ihr schriftstellerisches Erbe.

== Weblinks ==
* [http://www.meaus.com/erica-pappritz-archiv.htm erica-pappritz-archiv]
* [http://www.meaus.com/93-pappritz-und-adenauer.htm Bild Erica Pappritz und Konrad Adenauer]
* [http://www.meaus.com/120-bodenstein-pappritz.htm Bild Erica Pappritz und J.F.Bodenstein]


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Aktuelle Version vom 6. Dezember 2022, 14:20 Uhr

Erica Pappritz

Erica Pappritz (* 25. Juni 1893 in Lissa; † 4. Februar 1972 in Bonn) war in der Adenauer-Ära stellvertretende Protokollchefin im Auswärtigen Amt und löste in den 1950er und 1960er Jahren eine Diskussion über die Etikette aus, die sie der Bonner Republik zu verordnen suchte.

Erica Pappritz kam als Tochter eines Offiziers (Rittmeister[1]) zur Welt. Zeitweise wurde ihr Name irrtümlich "veradelt" als "Freifrau von" (in Anlehnung an die adelige Marie Luise Kaschnitz).[2] Pappritz wollte ursprünglich Krankenpflegerin, Krankenschwester oder Ärztin werden. Ihre Eltern waren aber dagegen, so dass sie diese Karriere nicht einschlug.

Nach einer kaufmännischen Ausbildung nahm Erica Pappritz 1919 eine Tätigkeit im Bürodienst der neu eingerichteten Außenhandelsstelle des Auswärtigen Amts an und wurde später Mitarbeiterin des Leiters der Annahme- und Ausbildungsabteilung des diplomatisch-konsularischen Nachwuchses. Zu ihren Aufgaben gehörte nach eigenen Angaben auch die Betreuung des Diplomatischen Corps auf den Reichsparteitagen in Nürnberg. Am 1. Januar 1940 war sie der NSDAP beigetreten. 1943 setzte der Chef des Protokolls Alexander Freiherr von Dörnberg durch, dass Erica Pappritz mit ihrem 50. Geburtstag die Besoldung eines Legationsrates 1. Klasse erhielt.[1] Im Auswärtigen Amt in der Berliner Wilhelmstraße war sie zuletzt Leiterin des Referats Zeremonial- und Rangfragen. Vor Kriegsende setzte sie sich auf dienstliche Anweisung mit anderen Staatsbeamten nach Bayern ab. Über ihre Entnazifizierung ist nichts bekannt.

1949 wurde sie Referentin und persönliche Stellvertreterin des damaligen Protokollchefs im Bundeskanzleramt, Hans-Heinrich Herwarth von Bittenfeld; 1950 erfolgte die Übernahme in die dem Bundeskanzleramt unterstehende Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten, dem späteren Auswärtigen Amt. 1952 wurde sie zur Vortragenden Legationsrätin ernannt und war Stellvertreterin des Chef des Protokolls im deutschen Auswärtigen Amt. Als Referatsleiterin in der Protokollabteilung gab sie auch Unterrichtsstunden auf dem Gebiet des Protokollwesens zunächst in der Ausbildungsstätte des Auswärtigen Amts in Speyer, später in Bonn.

1956 kam Das Buch der Etikette von Karlheinz Graudenz und Erica Pappritz heraus, das bei seinem Erscheinen starke öffentliche Kritik hervorrief.[3] Laut Spiegel haben es Leute „in der Protokollabteilung […] der Pappritz sehr [verübelt], daß sie die ganze Abteilung, die ohnehin permanent im Geruch leichter Lächerlichkeit steht, abgrundtief blamiert hat.“[1] Der konservative Feuilletonist Friedrich Sieburg bemerkte dazu: „Allen Beteiligten wäre gedient, wenn Fräulein Pappritz… in den wohlverdienten Ruhestand träte.“[4]

Pappritz ging 1958 in den Ruhestand. Sie hielt nach ihrer Pensionierung gelegentlich Vorträge zur Etikette für Tourismusunternehmen,[5] Stahlkonzerne[6] und andere Vertreter der westdeutschen Wirtschaft.[7] Sie starb 1972 an Herzversagen.[4]

„Buch der Etikette“

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Das 1956 erschienene Buch der Etikette, an dem Pappritz mitgeschrieben hatte, gab Benimm-Regeln bis ins kleinste Detail vor. Neben den Regeln für gutes Benehmen und passende Kleidung schrieb es sogar vor, in welcher Häufigkeit die Toilettenspülung zu betätigen sei, was bald als die Eti-Kette ziehen verspottet wurde.[8]

Nicht nur Konrad Adenauer frotzelte über das Buch,[1] auch die rheinischen Karnevalisten nahmen die ausgefallensten Anstandsregeln, beispielsweise das Verbot langer Unterhosen („Lange Unterhosen bleiben unmännlich und häßlich, auch wenn sie kaum jemand sieht“), aufs Korn: „Auf dem Bonner Marktplatz schnitt“, so berichtete Der Spiegel, „eine monokelbewehrte Pseudo-Pappritz vor jubelndem Karnevalsvolk die Hosenbeine von langen Herren-Unterhosen ab.“[1] Auch der Zeichner und Humorist Loriot, der zu dieser Zeit für die Zeitschrift Quick die Ratgeberparodie Der gute Ton zeichnete und textete, widmete dem Buch einen eigenen Beitrag unter dem Titel Was Frau Pappritz verschwieg, mit dem er „einige gefährliche Lücken des Werkes“ ausfüllen wollte.[9] Das Motto des Buches, „Wo wir sind, ist oben“, wurde in späteren Ausgaben ersetzt. Josef Müller-Marein nannte das Werk in einem mit Symptom Pappritz: Der falsche gute Ton überschriebenen Zeit-Artikel einen „Wälzer, den ein Snob zum hochwohllöblichen Gebrauch für Snobs verfaßte“.[10] Der Hauptautor Karlheinz Graudenz nahm Pappritz dagegen in Schutz und betonte, sie habe bei dem Buch primär als Beraterin gewirkt.

Der Deutsche Bundestag beschäftigte sich sogar in einer Debatte mit dem Benimm-Buch. Die damalige Alterspräsidentin des Bundestags, Marie Elisabeth Lüders, bezeichnete es als arrogant, anrüchig und taktlos. Die SPD-Politikerin Annemarie Renger kritisierte insbesondere, dass Pappritz dem Buch durch ihre Mitautorenschaft einen amtlichen Charakter verliehen habe. Das Auswärtige Amt antwortete auf eine entsprechende Kleine Anfrage, dass Pappritz ausschließlich privat schriftstellerisch tätig gewesen und das Buch nicht Grundlage der Diplomatenausbildung sei.

  • Karlheinz Graudenz: Das Buch der Etikette. Unter Mitarbeit von Erica Pappritz. Zeichnungen von Ulrik Schramm. Perlen-Verlag, Marbach am Neckar 1956. Spätere Auflagen Südwest-Verlag, München.
  • Karlheinz Graudenz, Erica Pappritz: Etikette neu. Südwest-Verlag, München 1971, ISBN 3-517-00026-4.
  • Erica Pappritz: Etikette neu. Der Knigge aus den Wirtschaftwunderjahren. Neue, gekürzte Auflage. Verlags-Anstalt Handwerk, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-87864-919-9.
  • Biographie in: Ursula Müller, Christiane Scheidemann (Hrsg.): Gewandt, geschickt und abgesandt. Frauen im diplomatischen Dienst. Olzog Verlag, München 2000, ISBN 3-7892-8041-0
  • Maria Keipert (Red.): Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Band 3: Gerhard Keiper, Martin Kröger: L–R. Schöningh, Paderborn u. a. 2008, ISBN 978-3-506-71842-6

Einzelnachweise

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  1. a b c d e Die Tiefe des Gemüts. In: Der Spiegel. Nr. 12, 1957, S. 16–26 (online20. März 1957).
  2. vgl. Schmölders: "Die Rückkehr der Höflichkeit", Südwestfunk 2005
  3. Zeitmosaik Die Zeit Nr. 23, 6. Juni 1957
  4. a b Gestorben: Erica Pappritz. In: Der Spiegel. Nr. 8, 1972, S. 148 (online14. Februar 1972).
  5. Berufliches: Erica Pappritz. In: Der Spiegel. Nr. 7, 1959, S. 65 (online11. Februar 1959). Zitat: „Erica Pappritz, 65, pensionierte Bonner Zeremonienmeisterin, sprach in Hannover vor 130 Reiseleitern im Auftrag der Scharnow - Reisen - KG zum Thema ‚Der Feriengast innerhalb der Konventionen menschlichen Zusammenlebens‘.“
  6. Gesellschaftliches: Erica Pappritz. In: Der Spiegel. Nr. 16, 1959, S. 79 (online15. April 1959). Zitat: „Erica Pappritz, 65, ehemalige Hüterin der Bonner Etikette (‚Kennen Sie das erregende Gefühl, frisch gewaschen zu sein?‘), wurde von dem Düsseldorfer Stahlkonzern Mannesmann AG zu Benimm-Vorträgen vor den Mitarbeitern der Werbeabteilung engagiert.“
  7. Erica Pappritz. In: Der Spiegel. Nr. 51, 1958, S. 65 (online17. Dezember 1958).
  8. Der Spiegel berichtete… In: Der Spiegel. Nr. 19, 1957, S. 66 (online6. März 1957).
  9. Stefan Neumann: Loriot und die Hochkomik. Leben, Werk und Wirken Vicco von Bülows. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2011, ISBN 978-3-86821-298-3, S. 171–172.
  10. Symptom Pappritz: Der falsche gute Ton, Die Zeit Nr. 10, 7. März 1957