„Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes“ – Versionsunterschied

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[[Bild:Bundesarchiv Bild 183-R66978, Frankfurt-Main, Tagung des Bizonen-Wirtschaftsrates.jpg|mini|Von der Tagung des Bi-Zonen-Wirtschaftsrates in Frankfurt/a. Main (Juni 1947): die Ministerpräsidenten [[Karl Arnold (Politiker)|Karl Arnold]] (Nordrhein-Westfalen), [[Hermann Lüdemann (Politiker)|Hermann Lüdemann]] (Schleswig-Holstein) und [[Christian Stock]] (Hessen) im Gespräch]]
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-R66978, Frankfurt-Main, Tagung des Bizonen-Wirtschaftsrates.jpg|mini|Tagung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt am Main (Juni 1947): die Ministerpräsidenten [[Karl Arnold (Politiker)|Karl Arnold]] (Nordrhein-Westfalen), [[Hermann Lüdemann (Politiker)|Hermann Lüdemann]] (Schleswig-Holstein) und [[Christian Stock]] (Hessen) (v. l. n. r.)]]
Der '''Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes''', kurz '''Wirtschaftsrat der [[Bizone]]''', war im weiteren Sinne eine Institution in den Westzonen des besetzten [[Deutschland 1945 bis 1949|Nachkriegsdeutschland]] nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]]. Ihr waren verschiedene [[Organ (Recht)|Organe]] zugeordnet. Sitz des Wirtschaftsrats war [[Frankfurt am Main]], der Rat tagte im Westflügel der [[Frankfurter Wertpapierbörse|Frankfurter Börse]].
Der '''Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes''' (Wirtschaftsrat der [[Bizone]]) war eine Institution in den Westzonen des besetzten Nachkriegsdeutschland. Ihr waren verschiedene [[Organ (Recht)|Organe]] zugeordnet. Der Wirtschaftsrat erließ auch für die gesamte Bizone geltende Gesetze, die im [[Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes]] verkündet wurden. Sitz des Wirtschaftsrats war Frankfurt am Main. Der Rat tagte im Westflügel der [[Frankfurter Wertpapierbörse|Frankfurter Börse]].


== Geschichte ==
== Vorgeschichte ==
{{Hauptartikel|Deutschland 1945 bis 1949}}
=== Vorgeschichte ===
Besonders der US-amerikanischen Militäradministration war es wichtig, möglichst rasch eine eigene deutsche Verwaltung zu bilden, unter anderem deshalb, weil sie die in ihrer [[Amerikanische Besatzungszone|Besatzungszone]] anfallenden Kosten decken wollten. Hierzu erbrachte der Zusammenschluss zur [[Bizone]] am 1. Januar 1947 die benötigten [[Synergieeffekt]]e.
Besonders der US-amerikanischen Militäradministration war es wichtig, möglichst rasch eine eigene deutsche Verwaltung zu bilden, unter anderem deshalb, weil sie die in ihrer [[Amerikanische Besatzungszone|Besatzungszone]] anfallenden Kosten decken wollte. Hierzu erbrachte der Zusammenschluss zur [[Bizone]] am 1. Januar 1947 die benötigten [[Synergieeffekt]]e.


Um die Wirksamkeit der Verwaltungen zu erhöhen, sollte eine parlamentarisch abgestützte gemeinsame Wirtschaftsverwaltung entstehen. Hierzu mussten jedoch zunächst die strukturellen Unterschiede zwischen der [[Amerikanische Besatzungszone|Amerikanischen Besatzungszone]], die früh Verwaltungsaufgaben an Deutsche übertragen hatte und [[Föderalismus|föderal]] organisiert war, und der [[Britische Besatzungszone|Britischen Besatzungszone]], die erst später Verwaltungsaufgaben an Deutsche vergeben hatte und zentral organisiert war, beseitigt werden.
Zielsetzung war eine parlamentarisch abgestützte gemeinsame Wirtschaftsverwaltung. Hierzu mussten jedoch zunächst die strukturellen Unterschiede zwischen der [[Amerikanische Besatzungszone|Amerikanischen Besatzungszone]], die früh Verwaltungsaufgaben an Deutsche übertragen hatte und [[Föderalismus|föderal]] organisiert war, und der [[Britische Besatzungszone|Britischen Besatzungszone]], die erst später Verwaltungsaufgaben an Deutsche vergeben hatte und zentral organisiert war, beseitigt werden.


Ein erster Versuch wurde nach dem Scheitern der zwischen September 1946 und Juni 1947 existierenden Vorgänger [[Zweizonen-Verwaltungsämter|Zweizonen-Verwaltungsämter]] und [[Zweizonen-Verwaltungsrat|-räte]]<ref>Eschenburg, Theodor (1983): Jahre der Besatzung. 1945-1949. Stuttgart, Wiesbaden: Deutsche Verlags-Anstalt; Brockhaus, S. 390.</ref><ref> Kistler, Helmut und Habel, Fritz Peter (1992): Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945 - 1983. Unveränderter Nachdr., Sonderausg. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung (229), S. 82.</ref> unternommen. Doch dieser Versuch blieb aufgrund nur weniger Befugnisse und unkoordinierter Räte erfolglos.
Ein erster Versuch wurde nach dem Scheitern der zwischen September 1946 und Juni 1947 existierenden Vorgänger –&nbsp;Zweizonen-Verwaltungsämter und Zweizonen-Verwaltungsräte&nbsp;– unternommen.<ref>Theodor Eschenburg: ''Jahre der Besatzung. 1945–1949.'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 390.</ref><ref>Helmut Kistler, Fritz Peter Habel: ''Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945–1983.'' Unveränderter Nachdr., Sonderausg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992, S. 82.</ref> Doch dieser Versuch blieb aufgrund nur weniger Befugnisse und unkoordinierter Räte erfolglos.


=== Geschichte des Ersten Wirtschaftsrats ===
== Geschichte des Ersten Wirtschaftsrats ==
Als unmittelbaren Vorläufer des ''Wirtschaftsrats der Bizone'' ist eine britische Gründungsinitiative anzusehen, welche in [[Minden]] erstmals am 11. März 1946 eingesetzt wurde: der deutsche '''''Wirtschaftsrat für die Britische Besatzungszone'''''<ref>Weber, Jürgen (1979): Auf dem Wege zur Republik. 1945 - 1947. Paderborn: Schöningh, S. 143.</ref> - zu diesem Zeitpunkt noch nicht koordiniert mit den Amerikanern.
Als unmittelbarer Vorläufer des ''Wirtschaftsrats der Bizone'' ist eine britische Gründungsinitiative anzusehen, welche in [[Minden]] erstmals am 11. März 1946 eingesetzt wurde: der deutsche '''''Wirtschaftsrat für die Britische Besatzungszone'''''<ref>Jürgen Weber: ''Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947.'' Schöningh, Paderborn 1979, S. 143.</ref> zu diesem Zeitpunkt noch nicht koordiniert mit den Amerikanern.
Um den drängenden Problemen vereint entgegenzuwirken, gründeten die Militärregierungen der Bizone am [[25. Juni]] 1947 einen gemeinsamen Wirtschaftsrat.<ref>Weber, Jürgen (1979): Auf dem Wege zur Republik. 1945 - 1947. Paderborn: Schöningh, S. 144.</ref> Die Hauptaufgabe des ersten bizonalen Wirtschaftsrates war es, die katastrophale Versorgungssituation in Deutschland zu verbessern. Letzten Endes scheiterte der Wirtschaftsrat an dieser Aufgabenstellung, denn im Winter 1947/1948 kam es zu einer schweren Hungerkrise. Dass der Wirtschaftsrat die Krise nicht besser meisterte, lag in erster Linie an strukturellen Problemen.<ref>Eschenburg, Theodor (1983): Jahre der Besatzung. 1945-1949. Stuttgart, Wiesbaden: Deutsche Verlags-Anstalt; Brockhaus, S. 420.</ref> Wegen seiner zu geringen Abgeordnetenzahl und der unklaren Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen den verschiedenen Organen wurde auch dieser aufgelöst. Der Erste Frankfurter Wirtschaftsrat bestand bis zum Februar 1948.
Um den drängenden Problemen vereint entgegenzuwirken, gründeten die Militärregierungen der Bizone am 25. Juni 1947 einen gemeinsamen Wirtschaftsrat.<ref>Jürgen Weber: ''Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947.'' Schöningh, Paderborn 1979, S. 144.</ref> Die Hauptaufgabe des ersten bizonalen Wirtschaftsrates war es, die katastrophale Versorgungssituation in Deutschland zu verbessern. Letzten Endes scheiterte der Wirtschaftsrat an dieser Aufgabenstellung, denn im Winter 1947/1948 kam es zu einer schweren Hungerkrise. Dass der Wirtschaftsrat die Krise nicht besser meisterte, lag in erster Linie an strukturellen Problemen.<ref>Theodor Eschenburg: ''Jahre der Besatzung. 1945–1949.'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 420.</ref> Wegen seiner zu geringen Abgeordnetenzahl und der unklaren Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen den verschiedenen Organen wurde auch dieser aufgelöst. Der Erste Frankfurter Wirtschaftsrat bestand bis zum Februar 1948.


=== Geschichte des Zweiten Wirtschaftsrats ===
=== Bestellung und Besetzung des Ersten Wirtschaftsrats ===

Der Zweite Wirtschaftsrat wurde mit weitergehenden Rechten ausgestattet; entsprechend erfüllte er die an ihn gestellten Aufgaben zufriedenstellend und wurde erst mit Konstituierung des [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestages]] am 7. September 1949 aufgelöst. Einige seiner Gesetze haben jedoch bis zum heutigen Tag Bestand.
{{Hauptartikel|Liste der Mitglieder des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes}}


Seine Mitglieder wurden paritätisch von den [[Landesparlament|Landtagen]] der Bizone gewählt. Auf ungefähr 750.000 Einwohner kam ein [[Abgeordneter]],<ref>Theodor Eschenburg: ''Jahre der Besatzung. 1945–1949.'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 388.</ref> der erste Wirtschaftsrat bestand also aus 52 Abgeordneten. In der Übersicht<ref>Helmut Kistler, Fritz Peter Habel: ''Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945–1983.'' Unveränderter Nachdr., Sonderausg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992, S. 82.</ref> sieht man, dass dementsprechend von den Landtagen entsandt wurden:
== Bestellung und Besetzung des Ersten Wirtschaftsrats ==


{{Sitzverteilung
Seine Mitglieder wurden paritätisch von den [[Landesparlament|Landtagen]] der Bizone gewählt. Auf ungefähr 750.000 Einwohner kam ein [[Abgeordneter]],<ref> Eschenburg, Theodor (1983): Jahre der Besatzung. 1945-1949. Stuttgart, Wiesbaden: Deutsche Verlags-Anstalt; Brockhaus, S. 388.</ref> der erste Wirtschaftsrat bestand also aus 52 Abgeordneten. In der Übersicht<ref> Kistler, Helmut und Habel, Fritz Peter (1992): Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945 - 1983. Unveränderter Nachdr., Sonderausg. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung (229), S. 82.</ref> sieht man, dass dementsprechend von den Landtagen entsandt wurden:
| Überschrift = Fraktionen im Plenum des<br />Ersten Wirtschaftsrates<ref>Helmut Kistler, Fritz Peter Habel: ''Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945–1983.'' Unveränderter Nachdr., Sonderausg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992, S. 82.</ref><br /><small>(1947/1948)</small>
| float = right
| KPD|SPD|WAV|DZP|Union|FDP|DP|
| SPD = 20
| SPD Link = [[SPD]]
| Union = 20
| Union Link = [[Unionsparteien|CDU/CSU]]
| FDP = 4
| FDP Link = [[Freie Demokratische Partei#Liberale Parteien nach 1945|Liberale]]
| DP = 2
| DP Link = [[Deutsche Partei|DP]]
| DZP = 2
| DZP Link = [[Zentrumspartei|DZP]]
| KPD = 3
| KPD Link = [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]]
| WAV = 1
| WAV Link = [[Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (Partei)|WAV]]
}}


{|class="wikitable"
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|-
|-
! Land || Abgeordnete
! Land || Abgeordnete
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| [[Nordrhein-Westfalen]] ||style="text-align:right;"| 16
| [[Nordrhein-Westfalen]] ||style="text-align:center"| 16
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| [[Bayern]] ||style="text-align:right;"| 12
| [[Bayern]] ||style="text-align:center"| 12
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| [[Niedersachsen]] ||style="text-align:center"| {{0}}8
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| [[Hessen]] ||style="text-align:right;"| 5
| [[Hessen]] ||style="text-align:center"| {{0}}5
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| [[Württemberg-Baden]] ||style="text-align:right;"| 5
| [[Württemberg-Baden]] ||style="text-align:center"| {{0}}5
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| [[Schleswig-Holstein]] ||style="text-align:right;"| 3
| [[Schleswig-Holstein]] ||style="text-align:center"| {{0}}3
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|-
| [[Hamburg]] ||style="text-align:right;"| 2
| [[Hamburg]] ||style="text-align:center"| {{0}}2
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|-
| [[Bremen]] ||style="text-align:right;"| 1
| [[Bremen]] ||style="text-align:center"| {{0}}1
|}

Die Stimmenverteilung<ref> Kistler, Helmut und Habel, Fritz Peter (1992): Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945 - 1983. Unveränderter Nachdr., Sonderausg. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung (229), S. 82.</ref> der [[Fraktion (Politik)|Fraktionen]] sah wie folgt aus:

{|class="wikitable"
|-
! Fraktion !! Abgeordnete
|-
| [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] ||style="text-align:right;"| 20
|-
| [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]/[[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] ||style="text-align:right;"| 20
|-
| [[Liberale]] ||style="text-align:right;"| 4
|-
| [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] ||style="text-align:right;"| 3
|-
| [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrum]] ||style="text-align:right;"| 2
|-
| [[Deutsche Partei|DP]] ||style="text-align:right;"| 2
|-
| [[Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (Partei)|Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung]] ||style="text-align:right;"| 1
|}
|}


Der erste Präsident des Wirtschaftsrates wurde [[Erich Köhler]] von der CDU.
Der erste Präsident des Wirtschaftsrates wurde [[Erich Köhler]] von der CDU.


=== Direktorium ===
==== Direktorium ====
: ''Siehe auch: [[Direktorium des Ersten Wirtschaftsrates]]''


Im Direktorium gab es fünf Direktoren, die Ausschüsse und Verwaltungen in den Bereichen
Im Direktorium gab es fünf Direktoren, die Ausschüsse und Verwaltungen in den Bereichen
# Wirtschaft (Johannes Semler, CSU)
# Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Hans Schlange-Schöningen, CDU)
# Finanzen (Alfred Hartmann, CSU)
# Post- und Fernmeldewesen (Hans Schuberth, CSU)
# Verkehr (Edmund Frohne, CDU)


# Wirtschaft ([[Johannes Semler (Politiker, 1898)|Johannes Semler]], CSU)
leiteten.<ref>Weber, Jürgen (1979): Auf dem Wege zur Republik. 1945 - 1947. Paderborn: Schöningh, S. 170 [Hier wird der Verkehrsdirektor mit Prof. Dr. Edmund Frohne benannt; da es sich um den Nachdruck eines Originaldokuments handelt wird diese Version als richtig und die von Eschenburg (1983) als falsch angesehen].</ref><ref>vgl. Eschenburg, Theodor (1983): Jahre der Besatzung. 1945-1949. Stuttgart, Wiesbaden: Deutsche Verlags-Anstalt; Brockhaus, S. 395.[hier wird der Verkehrsdirektor mit Friedrich Frohne benannt]</ref> Sie wurden vom Exekutivrat vorgeschlagen und vom Wirtschaftsrat gewählt. Als die SPD nicht das Wirtschaftsdirektorium erhielt, ging sie in die [[Opposition (Politik)|Opposition]] und überließ der CDU/CSU alle Direktoren.
# Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ([[Hans Schlange-Schöningen]], CDU)
# Finanzen ([[Alfred Hartmann (Manager)|Alfred Hartmann]], CSU)
# Post- und Fernmeldewesen ([[Hans Schuberth]], CSU)
# Verkehr ([[Edmund Frohne]], CDU)


leiteten.<ref>Jürgen Weber: ''Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947.'' Schöningh, Paderborn 1979, S. 170 [Hier wird der Verkehrsdirektor mit Edmund Frohne benannt; da es sich um den Nachdruck eines Originaldokuments handelt, wird diese Version als richtig und die von Eschenburg (1983) als falsch angesehen].</ref><ref>vgl. Theodor Eschenburg: ''Jahre der Besatzung. 1945–1949.'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 395 [Hier wird der Verkehrsdirektor mit Friedrich Frohne benannt].</ref> Sie wurden vom Exekutivrat vorgeschlagen und vom Wirtschaftsrat gewählt. Als die SPD nicht das Wirtschaftsdirektorium erhielt, ging sie in die [[Opposition (Politik)|Opposition]] und überließ der CDU/CSU alle Direktoren. Getragen wurde der Exekutivrat von CDU/CSU, [[Freie Demokratische Partei|FDP]] und [[Deutsche Partei|DP]].
=== Exekutivrat ===
Der Exekutivrat bestand aus acht Mitgliedern, die von den acht [[Landesregierung (Deutschland)|Landesregierungen]] der Bizone entsandt wurden. Zunächst hatte die SPD sechs Stimmen und die CDU/CSU zwei inne, später verschoben sich die Kräfteverhältnisse zu fünf Sitzen der SPD gegen drei Sitze der CDU/CSU.<ref> Eschenburg, Theodor (1983): Jahre der Besatzung. 1945-1949. Stuttgart, Wiesbaden: Deutsche Verlags-Anstalt; Brockhaus, S. 391.</ref> Die SPD-Mehrheit im Exekutivrat führte dazu, dass die ursprünglich vorgesehene stärkere Rolle des Exekutivrats nicht umgesetzt wurde.<ref>vgl. Weber, Jürgen (1979): Auf dem Wege zur Republik. 1945 - 1947. Paderborn: Schöningh, S. 147 f..</ref> General [[Lucius D. Clay]] befürchtete, Deutschland könne sonst zum Sozialismus abdriften.


==== Exekutivrat ====
== Bestellung und Besetzung des Zweiten Wirtschaftsrats ==
Der Exekutivrat bestand aus acht Mitgliedern, die von den acht [[Landesregierung (Deutschland)|Landesregierungen]] der Bizone entsandt wurden. Zunächst hatte die SPD sechs Stimmen und die CDU/CSU zwei inne, später verschoben sich die Kräfteverhältnisse zu fünf Sitzen der SPD gegen drei Sitze der CDU/CSU.<ref>Theodor Eschenburg: ''Jahre der Besatzung. 1945–1949.'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 391.</ref> Die SPD-Mehrheit im Exekutivrat führte dazu, dass die ursprünglich vorgesehene stärkere Rolle des Exekutivrats nicht umgesetzt wurde.<ref>vgl. Jürgen Weber: ''Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947.'' Schöningh, Paderborn 1979, S. 147 f.</ref> General [[Lucius D. Clay]] befürchtete, Deutschland könne sonst zum Sozialismus abdriften.
Der Zweite Frankfurter Wirtschaftsrat bestand aus den gleichen 52 Abgeordneten wie der erste, hinzu kamen jedoch weitere 52 Abgeordnete, die wiederum paritätisch von den Landtagen gewählt und entsandt wurden.


=== Aufgaben und Wirkungen des Ersten Wirtschaftsrats ===
=== Verwaltungsrat ===
Aufgabe des Wirtschaftsrates war es, Gesetzesinitiativen zu starten, über Gesetze zu beraten und diese mit absoluter Mehrheit zu erlassen, außerdem wählte er die Direktoren. Alle Entscheidungen standen unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch das ''Bipartite Control Office'' der Alliierten in Frankfurt. Man kann ihn also als Legislative bezeichnen.
Im Verwaltungsrat gab es nun Direktoren mit den sechs<ref> Eschenburg, Theodor (1983): Jahre der Besatzung. 1945-1949. Stuttgart, Wiesbaden: Deutsche Verlags-Anstalt; Brockhaus, S. 416.</ref> Ressorts:<ref>vgl. Weber, Jürgen (1979): Auf dem Wege zur Republik. 1945 - 1947. Paderborn: Schöningh, S. 170.</ref>


==== Aufgaben des Direktoriums ====
# Wirtschaft (Ludwig Erhard, parteilos)
Aufgabe des Direktoriums war es, die Ausschüsse und vor allem die unter ihnen stehenden Verwaltungen zu leiten und nach außen zu repräsentieren. Außerdem hatten es das Recht, Gesetzesinitiativen zu formulieren, die jedoch zunächst dem Exekutivrat vorgelegt werden mussten, um dann an den Wirtschaftsrat weitergeleitet zu werden. Außerdem wirkte das Direktorium als eine Art Exekutive, da die Direktoren die Umsetzung der Gesetze garantieren sollten.
# Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Hans Schlange-Schöningen, CDU)
# Finanzen (Alfred Hartmann, CSU)
# Post- und Fernmeldewesen (Hans Schuberth, CSU)
# Verkehr (Edmund Frohne, CDU)
# Arbeit (Anton Storch, CDU).


==== Aufgaben des Exekutivrats ====
Die Direktoren wurden vom Länderrat vorgeschlagen und vom Wirtschaftsrat berufen. Über ihnen stand der ressortlose Oberdirektor des Verwaltungsrates, [[Hermann Pünder (Politiker)|Hermann Pünder]] (CDU).
Aufgabe des Exekutivrates war es, die Länderinteressen zu vertreten. Ihm kam dabei eine Mischung aus [[Exekutive]] und [[Kabinett (Politik)|Kabinett]] zu. Er sollte Gesetzesinitiativen starten (Kabinett), aber auch die Arbeit der Direktoren und Verwaltungen sowie die Gesetze des Wirtschaftsrates kommentieren und kontrollieren. Außerdem reichte er die Gesetzesinitiativen der Direktoren weiter.


== Geschichte des Zweiten Wirtschaftsrats ==
=== Länderrat ===
{{Sitzverteilung
In den Länderrat entsandte jede Landesregierung zwei Räte, ihre Verteilung war: 9 SPD, 6 CDU, 1 Zentrumspartei.
| Überschrift = Fraktionen im Plenum des<br />Zweiten Wirtschaftsrates<ref>Helmut Kistler, Fritz Peter Habel: ''Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945–1983.'' Unveränderter Nachdr., Sonderausg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992, S. 82.</ref><br /><small>(1947/1948)</small>
| float = right
| KPD|SPD|WAV|DZP|Union|FDP|DP|
| SPD = 40
| SPD Link = [[SPD]]
| Union = 40
| Union Link = [[Unionsparteien|CDU/CSU]]
| FDP = 8
| FDP Link = [[Freie Demokratische Partei#Liberale Parteien nach 1945|Liberale]]
| DP = 4
| DP Link = [[Deutsche Partei|DP]]
| DZP = 4
| DZP Link = [[Zentrumspartei|DZP]]
| KPD = 6
| KPD Link = [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]]
| WAV = 2
| WAV Link = [[Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (Partei)|WAV]]
}}
Der Zweite Wirtschaftsrat wurde mit weitergehenden Rechten ausgestattet; entsprechend erfüllte er die an ihn gestellten Aufgaben zufriedenstellend und wurde erst mit Konstituierung des [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestages]] am 7. September 1949 aufgelöst. Einige seiner Gesetze haben jedoch bis zum heutigen Tag Bestand.


== Aufgaben und Wirkungen des Ersten Wirtschaftsrats ==
=== Bestellung und Besetzung des Zweiten Wirtschaftsrats ===
Der Zweite Frankfurter Wirtschaftsrat bestand aus den gleichen 52 Abgeordneten wie der erste, hinzu kamen jedoch weitere 52 Abgeordnete, die wiederum paritätisch von den Landtagen gewählt und entsandt wurden.
Aufgabe des Wirtschaftsrates war es, Gesetzesinitiativen zu starten, über Gesetze zu beraten und diese mit absoluter Mehrheit zu erlassen, außerdem wählte er die Direktoren. Alle Entscheidungen standen unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch das ''Bipartite Control Office'' der Alliierten in Frankfurt. Man kann ihn also als Legislative bezeichnen.


=== Aufgaben des Direktoriums ===
==== Verwaltungsrat ====
{{Hauptartikel|Verwaltungsrat des Zweiten Wirtschaftsrates}}
Aufgabe des Direktoriums war es, die Ausschüsse und vor allem die unter ihnen stehenden Verwaltungen zu leiten und nach außen zu repräsentieren. Außerdem hatten es das Recht, Gesetzesinitiativen zu formulieren, die jedoch zunächst dem Exekutivrat vorgelegt werden mussten, um dann an den Wirtschaftsrat weitergeleitet zu werden. Außerdem wirkte das Direktorium als eine Art Exekutive, da die Direktoren die Umsetzung der Gesetze garantieren sollten.
Im Verwaltungsrat gab es nun Direktoren mit den sechs<ref>Theodor Eschenburg: ''Jahre der Besatzung. 1945–1949.'' Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 416.</ref> Ressorts:<ref>vgl. Jürgen Weber: ''Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947.'' Schöningh, Paderborn 1979, S. 170.</ref>


# Wirtschaft ([[Ludwig Erhard]], parteilos)
=== Aufgaben des Exekutivrats ===
# Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ([[Hans Schlange-Schöningen]], CDU)
Aufgabe des Exekutivrates war es, die Länderinteressen zu vertreten. Ihm kam dabei eine Mischung aus [[Exekutive|Exekutive]] und [[Kabinett_(Politik)|Kabinett]] zu. Er sollte Gesetzesinitiativen starten (Kabinett), aber auch die Arbeit der Direktoren und Verwaltungen sowie die Gesetze des Wirtschaftsrates kommentieren und kontrollieren. Außerdem reichte er die Gesetzesinitiativen der Direktoren weiter.
# Finanzen ([[Alfred Hartmann (Manager)|Alfred Hartmann]], CSU)
# Post- und Fernmeldewesen ([[Hans Schuberth]], CSU)
# Verkehr ([[Edmund Frohne]], CDU)
# Arbeit ([[Anton Storch (Politiker)|Anton Storch]], CDU).


Die Direktoren wurden vom Länderrat vorgeschlagen und vom Wirtschaftsrat berufen. Über ihnen stand der ressortlose Oberdirektor des Verwaltungsrates, [[Hermann Pünder (Politiker)|Hermann Pünder]] (CDU).
== Aufgaben und Wirkungen des Zweiten Wirtschaftsrats ==
Der Zweite Wirtschaftsrat hatte dieselben Rechte wie der erste, hinzu kam jedoch das Recht, einen Haushalt zu verabschieden.<ref>vgl. Weber, Jürgen (1979): Auf dem Wege zur Republik. 1945 - 1947. Paderborn: Schöningh, S. 327.</ref> Dieser bestand im Wesentlichen aus: <ref>vgl. Weber, Jürgen (1979): Auf dem Wege zur Republik. 1945 - 1947. Paderborn: Schöningh, S. 152.</ref>


==== Länderrat ====
In den Länderrat entsandte jede Landesregierung zwei Räte, ihre Verteilung war: 9&nbsp;SPD, 6&nbsp;CDU, 1&nbsp;Zentrumspartei.

=== Aufgaben und Wirkungen des Zweiten Wirtschaftsrats ===
Der Zweite Wirtschaftsrat hatte dieselben Rechte wie der erste, hinzu kam jedoch das Recht, einen Haushalt zu verabschieden.<ref>vgl. Jürgen Weber: ''Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947.'' Schöningh, Paderborn 1979, S. 327.</ref> Dieser bestand im Wesentlichen aus:<ref>vgl. Jürgen Weber: ''Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947.'' Schöningh, Paderborn 1979, S. 152.</ref>
* Teilen der Lohn-, Körperschafts- und [[Einkommensteuer]]
* Teilen der Lohn-, Körperschafts- und [[Einkommensteuer]]
* Einnahmen aus Deutscher Post und Deutscher Bahn
* Einnahmen aus [[Postgeschichte und Briefmarken Deutschlands unter alliierter Besetzung|Deutscher Post]] und [[Deutsche Reichsbahn im Vereinigten Wirtschaftsgebiet|Deutscher Reichsbahn im Vereinigten Wirtschaftsgebiet]]
* indirekten Steuern bzw. Verbrauchsteuern
* indirekten Steuern bzw. Verbrauchsteuern
* Einnahmen aus Zöllen
* Einnahmen aus Zöllen
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Wiederum stand dies unter Genehmigungsvorbehalt der Militärregierungen.
Wiederum stand dies unter Genehmigungsvorbehalt der Militärregierungen.


=== Aufgaben des Verwaltungsrates ===
==== Aufgaben des Verwaltungsrates ====
Auch der Verwaltungsrat hatte im Grunde die gleichen Aufgaben wie das Direktorium. Er durfte jedoch direkt Gesetzesinitiativen in den Wirtschaftsrat einbringen, wovon er reichlich Gebrauch machte. Dem Oberdirektor kam die Aufgabe zu, die Direktoren aufeinander abzustimmen, um Doppelarbeit und Missverständnisse zu verhindern.
Auch der Verwaltungsrat hatte im Grunde die gleichen Aufgaben wie das Direktorium. Er durfte jedoch direkt Gesetzesinitiativen in den Wirtschaftsrat einbringen, wovon er reichlich Gebrauch machte. Dem Oberdirektor kam die Aufgabe zu, die Direktoren aufeinander abzustimmen, um Doppelarbeit und Missverständnisse zu verhindern.


=== Aufgaben des Länderrates ===
==== Aufgaben des Länderrates ====
Auch der zweite Länderrat hatte dieselben Aufgaben wie der erste, doch sollte er zu allen beschlossenen Gesetzen Stellung nehmen.
Auch der zweite Länderrat hatte dieselben Aufgaben wie der erste, doch sollte er zu allen beschlossenen Gesetzen Stellung nehmen.


== Literatur ==
== Literatur ==
* Alsheimer, Herbert: ''Der Börsenplatz in Frankfurt. Ein Ort deutscher Nachkriegsgeschichte''. Frankfurt am Main: Societäts-Verlag 1987
* [[Herbert Alsheimer]]: ''Der Börsenplatz in Frankfurt. Ein Ort deutscher Nachkriegsgeschichte''. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1987.
* Benz, Wolfgang: ''Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Von der Bizone zum souveränen Staat'', München 1999
* [[Wolfgang Benz]]: ''Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Von der Bizone zum souveränen Staat.'' München 1999.
* Eschenburg, Theodor: ''Jahre der Besatzung 1945 - 1949'', Stuttgart/Wiesbaden 1983
* [[Theodor Eschenburg]]: ''Jahre der Besatzung 1945–1949.'' Stuttgart/Wiesbaden 1983.
* Görtemaker, Manfred: ''Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart'', München 1999
* Manfred Görtemaker: ''Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart.'' München 1999.
* Kistler, Helmut: ''Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945 - 1983'', Bonn 1985
* Helmut Kistler: ''Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945–1983.'' Bonn 1985.
* Weber, Jürgen: ''Auf dem Weg zur Republik 1945 - 1947'', München 1978
* [[Jürgen Weber (Historiker)|Jürgen Weber]]: ''Auf dem Weg zur Republik 1945–1947''. München 1978.
* ders.: ''Das Entscheidungsjahr 1948'', München 1979
* Jürgen Weber: ''Das Entscheidungsjahr 1948.'' München 1979.
* [http://www.kas.de/wf/doc/kas_818-544-1-30.pdf?030616191214 Dagmar Nelleßen-Strauch: ''Der Frankfurter Wirtschaftsrat''] (PDF; 132&nbsp;kB) hg. von der [[Konrad-Adenauer-Stiftung]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0010_erh&l=de Rede Ludwig Erhards während der 14. Vollversammlung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes am 21.4.1948 in Frankfurt am Main]. Mit einer Einführung von [[Bernhard Löffler]]. In: [[1000dokumente.de]]
* [http://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0010_erh&l=de Rede Ludwig Erhards während der 14. Vollversammlung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes am 21.4.1948 in Frankfurt am Main]. Mit einer Einführung von [[Bernhard Löffler]]. In: [[1000dokumente.de]]
* Dagmar Nelleßen-Strauch: [http://www.kas.de/wf/doc/kas_818-544-1-30.pdf?030616191214 ''Der Frankfurter Wirtschaftsrat''] (PDF; 132&nbsp;kB), hg. von der [[Konrad-Adenauer-Stiftung]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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Aktuelle Version vom 14. März 2023, 16:43 Uhr

Tagung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt am Main (Juni 1947): die Ministerpräsidenten Karl Arnold (Nordrhein-Westfalen), Hermann Lüdemann (Schleswig-Holstein) und Christian Stock (Hessen) (v. l. n. r.)

Der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Wirtschaftsrat der Bizone) war eine Institution in den Westzonen des besetzten Nachkriegsdeutschland. Ihr waren verschiedene Organe zugeordnet. Der Wirtschaftsrat erließ auch für die gesamte Bizone geltende Gesetze, die im Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes verkündet wurden. Sitz des Wirtschaftsrats war Frankfurt am Main. Der Rat tagte im Westflügel der Frankfurter Börse.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Besonders der US-amerikanischen Militäradministration war es wichtig, möglichst rasch eine eigene deutsche Verwaltung zu bilden, unter anderem deshalb, weil sie die in ihrer Besatzungszone anfallenden Kosten decken wollte. Hierzu erbrachte der Zusammenschluss zur Bizone am 1. Januar 1947 die benötigten Synergieeffekte.

Zielsetzung war eine parlamentarisch abgestützte gemeinsame Wirtschaftsverwaltung. Hierzu mussten jedoch zunächst die strukturellen Unterschiede zwischen der Amerikanischen Besatzungszone, die früh Verwaltungsaufgaben an Deutsche übertragen hatte und föderal organisiert war, und der Britischen Besatzungszone, die erst später Verwaltungsaufgaben an Deutsche vergeben hatte und zentral organisiert war, beseitigt werden.

Ein erster Versuch wurde nach dem Scheitern der zwischen September 1946 und Juni 1947 existierenden Vorgänger – Zweizonen-Verwaltungsämter und Zweizonen-Verwaltungsräte – unternommen.[1][2] Doch dieser Versuch blieb aufgrund nur weniger Befugnisse und unkoordinierter Räte erfolglos.

Geschichte des Ersten Wirtschaftsrats[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als unmittelbarer Vorläufer des Wirtschaftsrats der Bizone ist eine britische Gründungsinitiative anzusehen, welche in Minden erstmals am 11. März 1946 eingesetzt wurde: der deutsche Wirtschaftsrat für die Britische Besatzungszone[3] – zu diesem Zeitpunkt noch nicht koordiniert mit den Amerikanern. Um den drängenden Problemen vereint entgegenzuwirken, gründeten die Militärregierungen der Bizone am 25. Juni 1947 einen gemeinsamen Wirtschaftsrat.[4] Die Hauptaufgabe des ersten bizonalen Wirtschaftsrates war es, die katastrophale Versorgungssituation in Deutschland zu verbessern. Letzten Endes scheiterte der Wirtschaftsrat an dieser Aufgabenstellung, denn im Winter 1947/1948 kam es zu einer schweren Hungerkrise. Dass der Wirtschaftsrat die Krise nicht besser meisterte, lag in erster Linie an strukturellen Problemen.[5] Wegen seiner zu geringen Abgeordnetenzahl und der unklaren Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen den verschiedenen Organen wurde auch dieser aufgelöst. Der Erste Frankfurter Wirtschaftsrat bestand bis zum Februar 1948.

Bestellung und Besetzung des Ersten Wirtschaftsrats[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seine Mitglieder wurden paritätisch von den Landtagen der Bizone gewählt. Auf ungefähr 750.000 Einwohner kam ein Abgeordneter,[6] der erste Wirtschaftsrat bestand also aus 52 Abgeordneten. In der Übersicht[7] sieht man, dass dementsprechend von den Landtagen entsandt wurden:

Fraktionen im Plenum des
Ersten Wirtschaftsrates[8]
(1947/1948)
       
Insgesamt 52 Sitze
Land Abgeordnete
Nordrhein-Westfalen 16
Bayern 12
Niedersachsen 08
Hessen 05
Württemberg-Baden 05
Schleswig-Holstein 03
Hamburg 02
Bremen 01

Der erste Präsident des Wirtschaftsrates wurde Erich Köhler von der CDU.

Direktorium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch: Direktorium des Ersten Wirtschaftsrates

Im Direktorium gab es fünf Direktoren, die Ausschüsse und Verwaltungen in den Bereichen

  1. Wirtschaft (Johannes Semler, CSU)
  2. Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Hans Schlange-Schöningen, CDU)
  3. Finanzen (Alfred Hartmann, CSU)
  4. Post- und Fernmeldewesen (Hans Schuberth, CSU)
  5. Verkehr (Edmund Frohne, CDU)

leiteten.[9][10] Sie wurden vom Exekutivrat vorgeschlagen und vom Wirtschaftsrat gewählt. Als die SPD nicht das Wirtschaftsdirektorium erhielt, ging sie in die Opposition und überließ der CDU/CSU alle Direktoren. Getragen wurde der Exekutivrat von CDU/CSU, FDP und DP.

Exekutivrat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Exekutivrat bestand aus acht Mitgliedern, die von den acht Landesregierungen der Bizone entsandt wurden. Zunächst hatte die SPD sechs Stimmen und die CDU/CSU zwei inne, später verschoben sich die Kräfteverhältnisse zu fünf Sitzen der SPD gegen drei Sitze der CDU/CSU.[11] Die SPD-Mehrheit im Exekutivrat führte dazu, dass die ursprünglich vorgesehene stärkere Rolle des Exekutivrats nicht umgesetzt wurde.[12] General Lucius D. Clay befürchtete, Deutschland könne sonst zum Sozialismus abdriften.

Aufgaben und Wirkungen des Ersten Wirtschaftsrats[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgabe des Wirtschaftsrates war es, Gesetzesinitiativen zu starten, über Gesetze zu beraten und diese mit absoluter Mehrheit zu erlassen, außerdem wählte er die Direktoren. Alle Entscheidungen standen unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch das Bipartite Control Office der Alliierten in Frankfurt. Man kann ihn also als Legislative bezeichnen.

Aufgaben des Direktoriums[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgabe des Direktoriums war es, die Ausschüsse und vor allem die unter ihnen stehenden Verwaltungen zu leiten und nach außen zu repräsentieren. Außerdem hatten es das Recht, Gesetzesinitiativen zu formulieren, die jedoch zunächst dem Exekutivrat vorgelegt werden mussten, um dann an den Wirtschaftsrat weitergeleitet zu werden. Außerdem wirkte das Direktorium als eine Art Exekutive, da die Direktoren die Umsetzung der Gesetze garantieren sollten.

Aufgaben des Exekutivrats[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgabe des Exekutivrates war es, die Länderinteressen zu vertreten. Ihm kam dabei eine Mischung aus Exekutive und Kabinett zu. Er sollte Gesetzesinitiativen starten (Kabinett), aber auch die Arbeit der Direktoren und Verwaltungen sowie die Gesetze des Wirtschaftsrates kommentieren und kontrollieren. Außerdem reichte er die Gesetzesinitiativen der Direktoren weiter.

Geschichte des Zweiten Wirtschaftsrats[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fraktionen im Plenum des
Zweiten Wirtschaftsrates[13]
(1947/1948)
       
Insgesamt 104 Sitze

Der Zweite Wirtschaftsrat wurde mit weitergehenden Rechten ausgestattet; entsprechend erfüllte er die an ihn gestellten Aufgaben zufriedenstellend und wurde erst mit Konstituierung des Deutschen Bundestages am 7. September 1949 aufgelöst. Einige seiner Gesetze haben jedoch bis zum heutigen Tag Bestand.

Bestellung und Besetzung des Zweiten Wirtschaftsrats[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Zweite Frankfurter Wirtschaftsrat bestand aus den gleichen 52 Abgeordneten wie der erste, hinzu kamen jedoch weitere 52 Abgeordnete, die wiederum paritätisch von den Landtagen gewählt und entsandt wurden.

Verwaltungsrat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Verwaltungsrat gab es nun Direktoren mit den sechs[14] Ressorts:[15]

  1. Wirtschaft (Ludwig Erhard, parteilos)
  2. Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Hans Schlange-Schöningen, CDU)
  3. Finanzen (Alfred Hartmann, CSU)
  4. Post- und Fernmeldewesen (Hans Schuberth, CSU)
  5. Verkehr (Edmund Frohne, CDU)
  6. Arbeit (Anton Storch, CDU).

Die Direktoren wurden vom Länderrat vorgeschlagen und vom Wirtschaftsrat berufen. Über ihnen stand der ressortlose Oberdirektor des Verwaltungsrates, Hermann Pünder (CDU).

Länderrat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Länderrat entsandte jede Landesregierung zwei Räte, ihre Verteilung war: 9 SPD, 6 CDU, 1 Zentrumspartei.

Aufgaben und Wirkungen des Zweiten Wirtschaftsrats[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Zweite Wirtschaftsrat hatte dieselben Rechte wie der erste, hinzu kam jedoch das Recht, einen Haushalt zu verabschieden.[16] Dieser bestand im Wesentlichen aus:[17]

Wiederum stand dies unter Genehmigungsvorbehalt der Militärregierungen.

Aufgaben des Verwaltungsrates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch der Verwaltungsrat hatte im Grunde die gleichen Aufgaben wie das Direktorium. Er durfte jedoch direkt Gesetzesinitiativen in den Wirtschaftsrat einbringen, wovon er reichlich Gebrauch machte. Dem Oberdirektor kam die Aufgabe zu, die Direktoren aufeinander abzustimmen, um Doppelarbeit und Missverständnisse zu verhindern.

Aufgaben des Länderrates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch der zweite Länderrat hatte dieselben Aufgaben wie der erste, doch sollte er zu allen beschlossenen Gesetzen Stellung nehmen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Herbert Alsheimer: Der Börsenplatz in Frankfurt. Ein Ort deutscher Nachkriegsgeschichte. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1987.
  • Wolfgang Benz: Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Von der Bizone zum souveränen Staat. München 1999.
  • Theodor Eschenburg: Jahre der Besatzung 1945–1949. Stuttgart/Wiesbaden 1983.
  • Manfred Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart. München 1999.
  • Helmut Kistler: Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945–1983. Bonn 1985.
  • Jürgen Weber: Auf dem Weg zur Republik 1945–1947. München 1978.
  • Jürgen Weber: Das Entscheidungsjahr 1948. München 1979.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Theodor Eschenburg: Jahre der Besatzung. 1945–1949. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 390.
  2. Helmut Kistler, Fritz Peter Habel: Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945–1983. Unveränderter Nachdr., Sonderausg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992, S. 82.
  3. Jürgen Weber: Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947. Schöningh, Paderborn 1979, S. 143.
  4. Jürgen Weber: Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947. Schöningh, Paderborn 1979, S. 144.
  5. Theodor Eschenburg: Jahre der Besatzung. 1945–1949. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 420.
  6. Theodor Eschenburg: Jahre der Besatzung. 1945–1949. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 388.
  7. Helmut Kistler, Fritz Peter Habel: Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945–1983. Unveränderter Nachdr., Sonderausg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992, S. 82.
  8. Helmut Kistler, Fritz Peter Habel: Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945–1983. Unveränderter Nachdr., Sonderausg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992, S. 82.
  9. Jürgen Weber: Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947. Schöningh, Paderborn 1979, S. 170 [Hier wird der Verkehrsdirektor mit Edmund Frohne benannt; da es sich um den Nachdruck eines Originaldokuments handelt, wird diese Version als richtig und die von Eschenburg (1983) als falsch angesehen].
  10. vgl. Theodor Eschenburg: Jahre der Besatzung. 1945–1949. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 395 [Hier wird der Verkehrsdirektor mit Friedrich Frohne benannt].
  11. Theodor Eschenburg: Jahre der Besatzung. 1945–1949. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 391.
  12. vgl. Jürgen Weber: Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947. Schöningh, Paderborn 1979, S. 147 f.
  13. Helmut Kistler, Fritz Peter Habel: Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945–1983. Unveränderter Nachdr., Sonderausg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992, S. 82.
  14. Theodor Eschenburg: Jahre der Besatzung. 1945–1949. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Brockhaus, Wiesbaden 1983, S. 416.
  15. vgl. Jürgen Weber: Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947. Schöningh, Paderborn 1979, S. 170.
  16. vgl. Jürgen Weber: Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947. Schöningh, Paderborn 1979, S. 327.
  17. vgl. Jürgen Weber: Auf dem Wege zur Republik. 1945–1947. Schöningh, Paderborn 1979, S. 152.

Koordinaten: 50° 6′ 55″ N, 8° 40′ 40″ O