„Else Gütschow“ – Versionsunterschied

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'''Else Gütschow''', vollständig ''Sophia Maria Elisabeth Gütschow'', verheiratete ''Polaczek'' (* [[22. November]] [[1865]] in [[Lübeck-Moisling|Lübeck-Niendorf]]; † [[11. Februar]] [[1908]] in [[Straßburg]]) war eine deutsche Kunsthistorikerin. Sie war die erste Frau, die an der [[Universität Straßburg]] promoviert wurde.
'''Else Gütschow''', vollständig ''Sophia Maria Elisabeth Gütschow'', verheiratete ''Polaczek'' (* [[22. November]] [[1865]] in [[Lübeck-Moisling|Lübeck-Niendorf]]; † [[11. Februar]] [[1908]] in [[Straßburg]]) war eine deutsche Historikerin und Kunsthistorikerin. Sie war die erste Frau, die an der [[Universität Straßburg]] promoviert wurde.


== Leben ==
== Leben ==
Else Gütschow war die zweite Tochter des Gutspächters Ludwig Theodor Gütschow (1832–1908) und seiner Frau Maria Elisabeth, geborene [[Fehling (Familie)|Fehling]] (1838–1886). [[Margarethe Gütschow]] war ihre jüngere Schwester; [[Carl Philipp Gütschow]] und [[Johannes Christoph Fehling]] waren ihre Großväter. Sie wurde von Hauslehrern unterrichtet und besuchte das [[Roquettesches privates Lehrerinnenseminar|Roquettesche private Lehrerinnenseminar]] in Lübeck. Seither war sie mit ihrer Mitschülerin [[Fanny zu Reventlow]] befreundet, die die Gütschowschwestern autobiographisch in ''Ellen Olestjerne'' mit dem Familiennamen ''Seebohm'' verarbeitete. Gemeinsam gehörten sie in Lübeck dem liberalen ''[[Henrik Ibsen|Ibsen]]klub'' an.<ref>Alken Bruns: '' Kultfigur und Bürgerschreck. Ibsenrezeption in Lübeck um 1890.'' In: Wolfgang Butt, Bernhard Glienke (Hrg.): ''Der nahe Norden: Otto Oberholzer zum 65. Geburtstag; eine Festschrift.'' Frankfurt am Main ; Bern ; New York ; Nancy: Lang 1985 ISBN 978-3-8204-5349-2, S. 125–138
Else Gütschow war die zweite Tochter des Gutspächters Ludwig Theodor Gütschow (1832–1908) und dessen Frau Maria Elisabeth, geborene [[Fehling (Familie)|Fehling]] (1838–1886). [[Margarethe Gütschow]] war ihre jüngere Schwester; [[Carl Philipp Gütschow]] und [[Johannes Christoph Fehling]] waren ihre Großväter. Sie wurde von Hauslehrern unterrichtet und besuchte das [[Roquettesches privates Lehrerinnenseminar|Roquettesche private Lehrerinnenseminar]] in Lübeck. Seit dieser Zeit bestand die Freundschaft mit ihrer Mitschülerin [[Fanny zu Reventlow]], die die Gütschowschwestern in ihrem autobiographische Roman ''Ellen Olestjerne'' unter dem Familiennamen ''Seebohm'' auftreten ließ. Gemeinsam gehörten sie in Lübeck dem liberalen ''[[Henrik Ibsen|Ibsen]]club'' an, in dem sich junge Leute trafen, um sich über moderne Literatur auszutauschen, und den „eine Aura von Geheimnis und Skandalträchtigkeit umgab“.<ref>Alken Bruns: '' Kultfigur und Bürgerschreck. Ibsenrezeption in Lübeck um 1890.'' In: Wolfgang Butt, [[Bernhard Glienke]] (Hrg.): ''Der nahe Norden: Otto Oberholzer zum 65. Geburtstag; eine Festschrift.'' Frankfurt am Main; Bern; New York; Nancy: Lang 1985 ISBN 978-3-8204-5349-2, S. 125–138, hier S. 1125</ref> Nach Alken Bruhns stand Else Gütschow im Zentrum dieses Kreises.
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Anschließend war sie insgesamt sieben Jahre als Erzieherin tätig, ein Jahr in [[Kassel]], zwei Jahre in [[London]] und vier Jahre in [[Moskau]]. Sie zog nach [[Zürich]] und legte hier 1898 nach externer Vorbereitung die [[Matura|Maturitätsprüfung]] ab.<ref>Nach dem Lebenslauf in ihrer Dissertation</ref> An der [[Universität Zürich]], der Wegbereiterin für das [[Frauenstudium im deutschen Sprachraum]], studierte sie drei Semester lang Geschichte, Nationalökonomie, Kunstgeschichte und Anglistik. Sie war Vorsitzende des Verbandes weiblicher Studierender. 1900 wechselte sie an die [[Universität Straßburg]]; hier konnte sie allerdings nur als ''Hospitantin'' ([[Gasthörer]]in) eingeschrieben sein, aber „dank ihren hervorragenden Fähigkeiten und ihrem Wissen gelang es ihr, das dort noch vorherrschende Vorurteil gegen weibliche Studierende zu überwinden.“<ref>Kulenkamp (Lit.)</ref>
Nach dem Schulabschluss war sie insgesamt sieben Jahre als Erzieherin tätig, ein Jahr in [[Kassel]], zwei Jahre in [[London]] und vier Jahre in [[Moskau]]. Anschließend zog sie nach [[Zürich]] und legte hier 1898 nach externer Vorbereitung die [[Matura|Maturitätsprüfung]] ab.<ref>Nach dem Lebenslauf in ihrer Dissertation</ref> An der [[Universität Zürich]], der Wegbereiterin für das [[Frauenstudium im deutschen Sprachraum]], studierte sie drei Semester lang Geschichte, Nationalökonomie, Kunstgeschichte und Anglistik. Sie war Vorsitzende des Verbandes weiblicher Studierender. Als 1900 sich nur noch Schweizer als Hörer einschreiben durften, wechselte sie an die [[Universität Straßburg]]. Hier konnte sie allerdings nur als ''Hospitantin'' ([[Gasthörer]]in) eingeschrieben sein, aber „dank ihren hervorragenden Fähigkeiten und ihrem Wissen gelang es ihr, das dort noch vorherrschende Vorurteil gegen weibliche Studierende zu überwinden.“<ref>Kulenkamp (Lit.)</ref>


1903 wurde sie als erste Frau in Straßburg mit einer von [[Harry Bresslau]] betrauten Dissertation zu [[Innozenz III.]] promoviert. Sie widmete die Arbeit dem früh verstorbenen Straßburger Kunsthistoriker [[Ernst Sackur]] (1862-1901).
1903 wurde sie als erste Frau in Straßburg mit einer von [[Harry Bresslau]] betreuten Dissertation zu [[Innozenz III.]] promoviert. Sie widmete die Arbeit dem früh verstorbenen Straßburger Historiker [[Ernst Sackur]] (1862–1901).


Sie gehörte einem Freundeskreis um [[Helene Bresslau]] und [[Albert Schweitzer]] an. [[Elly Heuss-Knapp]] würdigte sie in ihrem Straßburger Erinnerungsbuch ''Ausblick vom Münsterturm'': „Die erste Straßburger Studentin, Else Gütschow, später Frau
Sie gehörte einem Freundeskreis um [[Helene Bresslau]] und [[Albert Schweitzer]] an. [[Elly Heuss-Knapp]] würdigte sie in ihrem Straßburger Erinnerungsbuch ''Ausblick vom Münsterturm'': „Die erste Straßburger Studentin, Else Gütschow, später Frau Dr. Polaczek, war unser Stolz und hatte den größten Einfluß auf uns.“<ref>Elly Heuss-Knapp: ''Ausblick vom Münsterturm'', 6. Auflage Tübingen 1958, S. 63</ref> Mehrere Jahre lehrte sie Kunstgeschichte an [[Höhere Mädchenschule|Töchterschulen]].
Dr. Polaczek, war unser Stolz und hatte den größten Einfluß auf uns."<ref>Elly Heuss-Knapp: ''Ausblick vom Münsterturm'', 6. Auflage Tübingen 1958, S. 63</ref> Mehrere Jahre lehrte sie Kunstgeschichte an [[Höhere Mädchenschule|Töchterschulen]].


Gemeinsam mit Helene Bresslau setzte sie sich für [[Heimarbeiter]]innen und gründete für sie einen Straßburger Zweig-[[Gewerkverein der Heimarbeiterinnen]]. Auch das Mutterheim in Straßburg hat sie mitgegründet.
Gemeinsam mit Helene Bresslau setzte sie sich für [[Frauenrechte]] und Frauenfürsorge ein. Für [[Heimarbeiter]]innen gründete sie einen Straßburger Zweig-[[Gewerkverein der Heimarbeiterinnen]]. Auch das Mutterheim in Straßburg hat sie mitgegründet.


1906 heiratete sie den Kunsthistoriker [[Ernst Polaczek]]. Sie starb im [[Kindbett]].
1906 heiratete sie den Kunsthistoriker [[Ernst Polaczek]]. Sie starb im [[Kindbett]]. Ihren Lübecker Nachruf schrieb ihre Freundin Natalia Kulenkamp, geb. Mannhardt, eine Tochter von [[Julius Mannhardt]] und Ehefrau von [[Eduard Kulenkamp (Richter)|Eduard Kulenkamp]].


== Werke ==
== Werke ==
* ''Innocenz III. und England: eine Darstellung seiner Beziehungen zu Staat und Kirche.'' München [u.a.]: Oldenbourg 1904 (= Historische Bibliothek 180, zugl. Straßburg, Univ., Diss., 1903 ([https://archive.org/details/innocenziiiunden00gt Digitalisat], [[Internet Archive]])
* ''Innocenz III. und England: eine Darstellung seiner Beziehungen zu Staat und Kirche.'' München [u.&nbsp;a.]: Oldenbourg 1904 (= Historische Bibliothek 180, zugl. Straßburg, Univ., Diss., 1903 ([https://archive.org/details/innocenziiiunden00gt Digitalisat], [[Internet Archive]]))
* ''Führer durch das Strassburger Münster.'' Strassburg: Luib 1912
* ''Führer durch das Strassburger Münster.'' Strassburg: Luib 1912


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== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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Version vom 1. August 2023, 10:30 Uhr

Else Gütschow, vollständig Sophia Maria Elisabeth Gütschow, verheiratete Polaczek (* 22. November 1865 in Lübeck-Niendorf; † 11. Februar 1908 in Straßburg) war eine deutsche Historikerin und Kunsthistorikerin. Sie war die erste Frau, die an der Universität Straßburg promoviert wurde.

Leben

Else Gütschow war die zweite Tochter des Gutspächters Ludwig Theodor Gütschow (1832–1908) und dessen Frau Maria Elisabeth, geborene Fehling (1838–1886). Margarethe Gütschow war ihre jüngere Schwester; Carl Philipp Gütschow und Johannes Christoph Fehling waren ihre Großväter. Sie wurde von Hauslehrern unterrichtet und besuchte das Roquettesche private Lehrerinnenseminar in Lübeck. Seit dieser Zeit bestand die Freundschaft mit ihrer Mitschülerin Fanny zu Reventlow, die die Gütschowschwestern in ihrem autobiographische Roman Ellen Olestjerne unter dem Familiennamen Seebohm auftreten ließ. Gemeinsam gehörten sie in Lübeck dem liberalen Ibsenclub an, in dem sich junge Leute trafen, um sich über moderne Literatur auszutauschen, und den „eine Aura von Geheimnis und Skandalträchtigkeit umgab“.[1] Nach Alken Bruhns stand Else Gütschow im Zentrum dieses Kreises.

Nach dem Schulabschluss war sie insgesamt sieben Jahre als Erzieherin tätig, ein Jahr in Kassel, zwei Jahre in London und vier Jahre in Moskau. Anschließend zog sie nach Zürich und legte hier 1898 nach externer Vorbereitung die Maturitätsprüfung ab.[2] An der Universität Zürich, der Wegbereiterin für das Frauenstudium im deutschen Sprachraum, studierte sie drei Semester lang Geschichte, Nationalökonomie, Kunstgeschichte und Anglistik. Sie war Vorsitzende des Verbandes weiblicher Studierender. Als 1900 sich nur noch Schweizer als Hörer einschreiben durften, wechselte sie an die Universität Straßburg. Hier konnte sie allerdings nur als Hospitantin (Gasthörerin) eingeschrieben sein, aber „dank ihren hervorragenden Fähigkeiten und ihrem Wissen gelang es ihr, das dort noch vorherrschende Vorurteil gegen weibliche Studierende zu überwinden.“[3]

1903 wurde sie als erste Frau in Straßburg mit einer von Harry Bresslau betreuten Dissertation zu Innozenz III. promoviert. Sie widmete die Arbeit dem früh verstorbenen Straßburger Historiker Ernst Sackur (1862–1901).

Sie gehörte einem Freundeskreis um Helene Bresslau und Albert Schweitzer an. Elly Heuss-Knapp würdigte sie in ihrem Straßburger Erinnerungsbuch Ausblick vom Münsterturm: „Die erste Straßburger Studentin, Else Gütschow, später Frau Dr. Polaczek, war unser Stolz und hatte den größten Einfluß auf uns.“[4] Mehrere Jahre lehrte sie Kunstgeschichte an Töchterschulen.

Gemeinsam mit Helene Bresslau setzte sie sich für Frauenrechte und Frauenfürsorge ein. Für Heimarbeiterinnen gründete sie einen Straßburger Zweig-Gewerkverein der Heimarbeiterinnen. Auch das Mutterheim in Straßburg hat sie mitgegründet.

1906 heiratete sie den Kunsthistoriker Ernst Polaczek. Sie starb im Kindbett. Ihren Lübecker Nachruf schrieb ihre Freundin Natalia Kulenkamp, geb. Mannhardt, eine Tochter von Julius Mannhardt und Ehefrau von Eduard Kulenkamp.

Werke

  • Innocenz III. und England: eine Darstellung seiner Beziehungen zu Staat und Kirche. München [u. a.]: Oldenbourg 1904 (= Historische Bibliothek 180, zugl. Straßburg, Univ., Diss., 1903 (Digitalisat, Internet Archive))
  • Führer durch das Strassburger Münster. Strassburg: Luib 1912

Literatur

  • Natalia Kulenkamp: Frau Professor Else Polaczek, geb. Gütschow, Dr. phil. † In: Lübeckische Blätter 50 (1908), S. 173

Einzelnachweise

  1. Alken Bruns: Kultfigur und Bürgerschreck. Ibsenrezeption in Lübeck um 1890. In: Wolfgang Butt, Bernhard Glienke (Hrg.): Der nahe Norden: Otto Oberholzer zum 65. Geburtstag; eine Festschrift. Frankfurt am Main; Bern; New York; Nancy: Lang 1985 ISBN 978-3-8204-5349-2, S. 125–138, hier S. 1125
  2. Nach dem Lebenslauf in ihrer Dissertation
  3. Kulenkamp (Lit.)
  4. Elly Heuss-Knapp: Ausblick vom Münsterturm, 6. Auflage Tübingen 1958, S. 63