„Spitzbogen“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Corridor to Toilet tower in Malbork.jpg|mini|Korridor mit Spitzbögen.]]
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[[Datei:قصر العاشق 03.JPG|mini|hochkant|Spitzbögen im [[Abbassiden|Abas­siden­palast]] ''Qasr al-'Ashiq'', 877–882, [[Samarra]], [[Irak]]]]
Der '''Spitzbogen''' ist ein aus zwei Kreisen konstruierter [[Bogen (Architektur)|Bogen]] mit Spitze. Er gilt in der Architektur als ein zentrales Element der [[Gotik]].
Der '''Spitzbogen''' ist ein aus zwei Kreisen konstruierter [[Bogen (Architektur)|Bogen]] mit Spitze. Er gilt in der Architektur als ein zentrales Element der [[Gotik]]. Erfunden wurde der Spitzbogen allerdings wohl in der [[islam]]ischen Architektur und gelangte über das [[Geschichte Spaniens#Islamische Reiche (711–1492)|maurische Spanien]] und über die [[arabonormannisch]]e Architektur [[Sizilien]]s ins [[Christliches Abendland|christliche Abendland]].


== Konstruktion und Formen ==
== Konstruktion und Formen ==


[[Datei:Spitzbogenformen.jpg|mini|Spitzbögen von links nach rechts: normaler Spitzbogen, gedrückter Spitzbogen und überhöhter Spitzbogen (bzw. Lanzettbogen).]]
[[Datei:Spitzbogenformen.jpg|mini|Zweizentrige Spitzbögen von links nach rechts: normaler Spitzbogen, gedrückter Spitzbogen und überhöhter Spitzbogen (bzw. Lanzettbogen).]]


Ein Spitzbogen wird aus zwei Kreisen, bzw. deren Segmenten oder [[Kreisbogen|Kreisbögen]], konstruiert.
Ein Spitzbogen wird aus zwei Kreisen, bzw. deren Segmenten oder [[Kreisbogen|Kreisbögen]], konstruiert.
* Beim sogenannten normalen oder gleichseitigen Spitzbogen liegen die Kreismittelpunkte auf den [[Kämpfer (Architektur)|Kämpfer]]-Punkten. Die Länge der Kreisradien entspricht der Bogenspannweite.
* Beim sogenannten normalen oder gleichseitigen Spitzbogen liegen die Kreismittelpunkte auf den [[Kämpfer (Architektur)|Kämpfer]]-Punkten. Die Länge der Kreisradien entspricht der Bogenspannweite.
* Beim '''gedrückten Spitzbogen''' liegen die Kreismittelpunkte zwischen den Kämpferpunkten. Die Länge der Kreisradien ist kleiner als die Bogenspannweite. Die Höhe des Scheitelpunktes über den Kämpfern ist geringer als beim normalen Spitzbogen.
* Beim '''gedrückten Spitzbogen''' liegen die Kreismittelpunkte zwischen den Kämpferpunkten. Die Länge der Kreisradien ist kleiner als die Bogenspannweite. Die Höhe des Scheitelpunktes über den Kämpfern ist geringer als beim normalen Spitzbogen. Es gibt auch gedrückte Rundbögen, aber die werden üblicherweise als [[Korbbogen]] bezeichnet.
* Beim '''überhöhten Spitzbogen''' liegen die Kreismittelpunkte außerhalb der Kämpferpunkte. Die Länge der Kreisradien ist größer als die Bogenspannweite. Die Höhe des Scheitelpunktes über den Kämpfern ist größer als beim normalen Spitzbogen. Diese Bogenform wird auch '''Lanzettbogen''' genannt. Das zugrunde liegende englische ''lancet'' leitet sich von ''lance'' ([[Lanze]]) ab und spielt auf die Form einer Lanzenspitze an.<ref>Satz nach Encyclopædia Britannica Online, Lemma [http://www.britannica.com/EBchecked/topic/329060/lancet-window ''lancet window''], abgerufen am 17. November 2008</ref>
* Beim '''überhöhten Spitzbogen''' liegen die Kreismittelpunkte außerhalb der Kämpferpunkte. Die Länge der Kreisradien ist größer als die Bogenspannweite. Die Höhe des Scheitelpunktes über den Kämpfern ist größer als beim normalen Spitzbogen. Diese Bogenform wird auch '''Lanzettbogen''' genannt. Das zugrunde liegende englische ''lancet'' leitet sich von ''lance'' ([[Lanze]]) ab und spielt auf die Form einer Lanzenspitze an.<ref>Satz nach Encyclopædia Britannica Online, Lemma [https://www.britannica.com/technology/lancet-window ''lancet window''], abgerufen am 17. November 2008</ref>
In einer weiter gefassten Definition zählen auch Bögen, die aus mehr als zwei Kreisbögen konstruiert werden, zu den Spitzbögen, so der [[Vorhangbogen]], der [[Kielbogen]] (bzw. Eselsrücken) und der [[Tudorbogen]].<ref>Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): ''Wasmuths Lexikon der Baukunst'', Berlin, 1929–1932 (4 Bände), Lemma ''Spitzbogen''</ref>
In einer weiter gefassten Definition zählen auch Bögen, die aus mehr als zwei Kreisbögen konstruiert werden, zu den Spitzbögen, insbesondere
* der vierzentrige Spitzbogen, in Europa am bekanntesten als [[Tudorbogen]],
Eine selten verwendete Bezeichnung für die Spitzbogen-Bauweise ist ''ogival'' (vgl. „[[Ogive]]“).<ref>Eintrag [http://www.duden.de/rechtschreibung/ogival ''ogival''] bei ''[[Duden online]]'', abgerufen am 24. März 2019<!--.--></ref>
* Klappbogen, beginnt an den Kämpfern mit einem Knick
daneben Bögen mit konvexen Elementen:
* der ebenfalls vierzentrige [[Kielbogen]] (bzw. Eselsrücken),
* der nur aus zwei oder mehr konvexen Elementen bestehende [[Vorhangbogen]].<ref>Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): ''Wasmuths Lexikon der Baukunst'', Berlin, 1929–1932 (4 Bände), Lemma ''Spitzbogen''</ref>
Eine selten verwendete Bezeichnung für die Spitzbogen-Bauweise ist ''ogival'' (vgl. „[[Ogive]]“).<ref>Eintrag [https://www.duden.de/rechtschreibung/ogival ''ogival''] bei ''[[Duden online]]'', abgerufen am 24. März 2019<!--.--></ref>
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Oxford, corpus christi college.JPG|Tudor-Portal am [[Corpus Christi College (Oxford)|Corpus Christi College]], [[Oxford]]
2008 Stralsund - Sankt-Marien-Kirche (08) (14683151385).jpg|[[St.-Marien-Kirche (Stralsund)|Marienkirche Stralsund]], Schiff ab 1382, unten Segmentbögen, oben minimal gekrümmte Klappbögen
70785 Stoltenhagen Kirche.JPG|Dorfkirche Stoltenhagen, 13.&nbsp;Jh., Stadt [[Grimmen]], [[Vorpommern]], obere Teile der Schenkel fast gerade
Pfk St.Oswald b. Plankenwarth Seitentür.jpg|[[Pfarrkirche St. Oswald bei Plankenwarth]], [[Steiermark]], [[Kielbogen]]
Lübz Germany alteramstturm.jpg|Schleierbögen am Ober&shy;geschoss des [[Amtsturm (Lübz)|Amts&shy;turms]] in [[Lübz]], Mecklenburg
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== Der Spitzbogen der Gotik ==
== Der Spitzbogen der Gotik ==
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Der Spitzbogen gilt als ein zentrales Element der Baukunst der [[Gotik]]. Der Begriff '''Spitzbogenstil''' findet sich auch als eine ältere Bezeichnung für die gotische Baukunst als solche.<ref>Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): ''Wasmuths Lexikon der Baukunst'', Berlin, 1929–1932 (4 Bände), Lemma ''Spitzbogenstil''</ref>
Der Spitzbogen gilt als ein zentrales Element der Baukunst der [[Gotik]]. Der Begriff '''Spitzbogenstil''' findet sich auch als eine ältere Bezeichnung für die gotische Baukunst als solche.<ref>Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): ''Wasmuths Lexikon der Baukunst'', Berlin, 1929–1932 (4 Bände), Lemma ''Spitzbogenstil''</ref>


Erste Spitzbögen fanden sich bereits in der [[Islamische Architektur|islamischen Architektur]], insbesondere zur Zeit der [[Abbasiden]].<ref>{{Webarchiv | url=http://www.tagesschau.de/videoblog/zwischen_mittelmeer_und_jordan/videoblog-schneider-101.html | wayback=20150520205021 | text=ARD Tel Aviv:}} [[Richard C. Schneider]]</ref> In der [[Königreich Burgund|Burgundischen]] Romanik, beim 1088 begonnenen Bau der dritten [[Abtei Cluny|Abteikirche von Cluny]] verwendete man für Arkaden und Gewölbe den Spitzbogen.<ref>Fritz Baumgart: ''DuMont's kleines Sachlexikon der Architektur'', Köln, 1977, Lemma ''Spitzbogen''</ref> Viele Nachfolgebauten des 12. Jahrhunderts in Burgund folgen diesem Beispiel. In der gotischen Sakralarchitektur ([[Basilika Saint-Denis|St. Denis]]) wurden Spitzbögen seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts verwendet.<ref name="Kadatz">Satz nach Hans-Joachim Kadatz: ''Wörterbuch der Architektur'', Leipzig, 1988, Lemma ''Spitzbogen''</ref> Von Frankreich aus verbreitete sich diese Bogenform um 1200 nach Deutschland, wurde bis in das frühe 16. Jahrhundert hinein benutzt und Jahrhunderte später, in der [[Neogotik]], wieder aufgegriffen.<ref name="Kadatz" />
Erste Spitzbögen fanden sich bereits in der [[Islamische Architektur|islamischen Architektur]], insbesondere zur Zeit der [[Abbasiden]].<ref>{{Webarchiv | url=http://www.tagesschau.de/videoblog/zwischen_mittelmeer_und_jordan/videoblog-schneider-101.html | wayback=20150520205021 | text=ARD Tel Aviv:}} [[Richard C. Schneider]]</ref> In der [[Königreich Burgund|Burgundischen]] Romanik, beim 1088 begonnenen Bau der dritten [[Abtei Cluny|Abteikirche von Cluny]] verwendete man den Spitzbogen für Arkaden und Gewölbe, nicht aber für Portale und Fenster.<ref>Fritz Baumgart: ''DuMont's kleines Sachlexikon der Architektur'', Köln, 1977, Lemma ''Spitzbogen''</ref> Viele Nachfolgebauten des 12. Jahrhunderts in Burgund folgen diesem Beispiel. In der gotischen Sakralarchitektur ([[Basilika Saint-Denis|St. Denis]]) wurden Spitzbögen seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts für Gewölbe und (mit teilweise zögerlichem Beginn) auch für Portale und Fenster verwendet.<ref name="Kadatz">Satz nach Hans-Joachim Kadatz: ''Wörterbuch der Architektur'', Leipzig, 1988, Lemma ''Spitzbogen''</ref> Von Frankreich aus verbreitete sich diese Bogenform um 1200 nach Deutschland, wurde bis in das frühe 16. Jahrhundert hinein benutzt und Jahrhunderte später, in der [[Neogotik]], wieder aufgegriffen.<ref name="Kadatz" />


=== Lanzettfenster ===
=== Lanzettfenster und Gruppenfenster ===

[[Datei:Salisbury Cathedral Interior 02-Detail.jpg|mini|hochkant| Lanzett-Drillingsfenster mit überhöhtem Spitzbogen in [[Salisbury Cathedral]], 13. Jh.]]
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[[Datei:Lincoln cathedral chapterhouse-Lanzett-Zwillingsfenster.JPG|mini|lLanzett-Zwillingsfenster]]
Eine Sonderform des Spitzbogenfensters ist das ''Lanzettfenster''. Es handelt sich um ein schlankes [[Fenster]] mit einem überhöhten Spitzbogen (Lanzettbogen) als Abschluss. Das Lanzettfenster gilt, wie der Lanzettbogen, insbesondere als ein Element der englischen Frühgotik.<ref>Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): ''Wasmuths Lexikon der Baukunst'', Berlin, 1929–1932 (4&nbsp;Bände), Lemma ''Lanzettbogen''</ref> Dort wurde dieser Fenstertyp häufig in Gruppen verwendet.<ref>Satz [[Hans Koepf]], [[Günther Binding]]: ''Bildwörterbuch der Architektur'' (= ''[[Kröners Taschenausgabe]].'' Band 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X, Lemma ''Lanzettfenster''<!--.--></ref> Als Beispiele dafür werden ein einfaches Lanzettfenster in [[Witney]] in der Grafschaft [[Oxfordshire]] um 1220, ein Lanzett-Zwillingsfenster in [[Lincoln (Lincolnshire)|Lincoln]] um 1250 und auch ein Lanzett-Drillingsfenster in [[Kathedrale von Salisbury|Salisbury]] um 13. Jh. aufgeführt.<ref>Wilfried Koch: ''Baustilkunde''. Orbis-Verlag, München 1988, S.&nbsp;196, 412</ref> Bei einem Lanzett-Drillingsfenster überragt das mittlere der drei Fenster die beiden anderen.<ref>siehe das aufgeführte Beispiel bei Wilfried Koch auf S.&nbsp;412</ref> Das Motiv des Lanzett-Drillingsfensters wird im [[Historismus]] wiederaufgenommen.
Eine Sonderform des Spitzbogenfensters ist das ''Lanzettfenster''. Es handelt sich um ein schlankes [[Fenster]] mit einem überhöhten Spitzbogen (Lanzettbogen) als Abschluss. Das Lanzettfenster gilt, wie der Lanzettbogen, insbesondere als ein Element der englischen Frühgotik.<ref>Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): ''Wasmuths Lexikon der Baukunst'', Berlin, 1929–1932 (4&nbsp;Bände), Lemma ''Lanzettbogen''</ref> Dort wurde dieser Fenstertyp häufig in Gruppen verwendet.<ref>Satz [[Hans Koepf]], [[Günther Binding]]: ''Bildwörterbuch der Architektur'' (= ''[[Kröners Taschenausgabe]].'' Band 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X, Lemma ''Lanzettfenster''<!--.--></ref> Als Beispiele dafür werden ein einfaches Lanzettfenster in [[Witney]] in der Grafschaft [[Oxfordshire]] um 1220, ein Lanzett-Zwillingsfenster in [[Lincoln (Lincolnshire)|Lincoln]] um 1250 und auch ein Lanzett-Drillingsfenster in [[Kathedrale von Salisbury|Salisbury]] um 13. Jh. aufgeführt.<ref>Wilfried Koch: ''Baustilkunde''. Orbis-Verlag, München 1988, S.&nbsp;196, 412</ref> Bei einem Lanzett-Drillingsfenster überragt das mittlere der drei Fenster die beiden anderen.<ref>siehe das aufgeführte Beispiel bei Wilfried Koch auf S.&nbsp;412</ref> Das Motiv des Lanzett-Drillingsfensters wird im [[Historismus]] wiederaufgenommen.
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Salisbury Cathedral Interior 02-Detail.jpg|[[Salisbury Cathedral]], Dril&shy;lings&shy;fenter mit Über&shy;fang&shy;bogen, 13. Jh., seit&shy;liche gedrückt, mittlerer überhöht
70733 Bad Sülze Kirche Nordportal.JPG|[[Stadtkirche Bad Sülze|Stadtkirche]] in [[Bad Sülze]], [[Mecklenburg]], 3. Viertel 13.&nbsp;Jh., Drei&shy;fenster&shy;gruppe mit Über&shy;fangbogen
70710Neukloster Dreifenstergruppe Chor.JPG|[[Kloster Sonnenkamp#Klosterkirche|Marienkirche]], 1248 (d), [[Neukloster]], [[Mecklenburg]]: Drei&shy;fenster&shy;gruppe des Chorgiebels
90464 Stuhr Chorgiebel.JPG|[[Pankratiuskirche (Stuhr)|Pankratius&shy;kirche]] in Stuhr (b. [[Bremen]]), Fenster&shy;gruppe am Chor, Seiten&shy;fenster rundbogig, 1. Hälfte 13.&nbsp;Jh.
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== Spitze Dreiecksschlüsse mit geraden Schenkeln ==
Wandöffnungen können oben auch in spitzen Dreiecken enden, deren Schenkel nicht gekrümmt sind. In der [[Angelsächsische Kunst|angelsächsischen Architektur]] gibt es Portale in dieser Form, die vor den ersten Spitzbögen Englands entstanden.

Andernorts wurden Fenster mit solchen Schlüssen als Vereinfachung von Spitzbögen errichtet. Besonders häufig findet sich das an gotischen Backsteintürmen Südfrankreichs.

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St Mary, Gayton - Doorway - geograph.org.uk - 4470930.jpg|St Mary's Church, Gayton, [[Northamptonshire|North&shy;amp&shy;ton&shy;shire]], [[England]], angel&shy;sächsi&shy;sches Turmportal
Colchester Holy Trinity Church 008.jpg|Holy Trinity Church, [[Colchester]], [[Essex]], Turmportal um 1000
Toulouse Saint-Sernin étages supérieures du clocher 7.jpg|[[Toulouse]], [[St-Sernin (Toulouse)|St-Sernin]], goti&shy;sche Turm&shy;ober&shy;ge&shy;schosse der roma&shy;ni&shy;schen [[Hallenkirche|Hallen&shy;kirche]]
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== Friese ==
[[Datei:Bologna.Santo Sepolcro.interieur.jpg|mini|hochkant|Kreuzbogenfries in der Kirche [[Basilika Santo Stefano (Bologna)#Santo Sepolcro|San Sepolcro]], 11.&nbsp;Jh., [[Bologna]], [[Norditalien]]]]
Schon in Baustilen ohne regelmäßige Verwendung des Spitzbogens finden sich [[Kreuzbogenfries]]e, in denen Spitzbögen aus Teilen einander überschneidener Rundbögen gebildet werden.


Ein [[Spitzbogenfries]] ist eine in der Gotik entwickelte Friesornamentik aus kleinen Spitzbögen.
Ein [[Spitzbogenfries]] ist eine in der Gotik entwickelte Friesornamentik aus kleinen Spitzbögen.
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== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Rudolf Wiegmann]]: ''Bemerkungen über die Schrift „In welchem Style sollen wir bauen?“ von [[Heinrich Hübsch]]''. In: ''Kunstblatt'' 10, 1829, S. 173–174, 177–179 und 181–183.
* [[Rudolf Wiegmann]]: ''Bemerkungen über die Schrift „In welchem Style sollen wir bauen?“ von [[Heinrich Hübsch]]''. In: ''Kunstblatt'' 10, 1829, S. 173–174, 177–179 und 181–183.
* Rudolf Wiegmann: [http://books.google.de/books?id=9sU-AAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false Der Ritter Leo von Klenze und unsere Kunst.] Schreiner, Düsseldorf 1839.
* Rudolf Wiegmann: [https://books.google.de/books?id=9sU-AAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r#v=onepage&q&f=false ''Der Ritter Leo von Klenze und unsere Kunst.''] Schreiner, Düsseldorf 1839.
* Rudolf Wiegmann: ''Gedanken über die Entwicklung eines zeitgemäßen nationalen Baustils.'' In: ''Allgemeine Bauzeitung'' 1841, S. 207–214.<ref>[[Georg Wilbertz]]: {{Webarchiv|url=http://www.semiotik.eu/kongress2005/pdf/Wilbertz.pdf |wayback=20150606191729 |text=Stilsynthese und Sprachverwirrung. Theorie und Kritik des „neuen“ Stils im 19. Jahrhundert. |archiv-bot=2019-05-15 00:06:53 InternetArchiveBot }} Seite 8–10. (PDF-Datei; 233 kB)</ref>
* Rudolf Wiegmann: ''Gedanken über die Entwicklung eines zeitgemäßen nationalen Baustils.'' In: ''Allgemeine Bauzeitung.'' 1841, S. 207–214.<ref>[[Georg Wilbertz]]: {{Webarchiv |url=http://www.semiotik.eu/kongress2005/pdf/Wilbertz.pdf |text=Stilsynthese und Sprachverwirrung. Theorie und Kritik des „neuen“ Stils im 19. Jahrhundert. |wayback=20150606191729 |archiv-bot=2019-05-15 00:06:53 InternetArchiveBot}} Seite 8–10. (PDF-Datei; 233 kB)</ref>
* Rudolf Wiegmann: [http://books.google.de/books?id=WKA5AAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false Über den Ursprung des Spitzbogenstils.] Mit einem Anhange, betreffend die Bildung eines Vereins für die Geschichte der mittelalterlichen Baukunst. Mit einer Lithografie. Julius Buddeus, Düsseldorf 1842 (erschien zuvor in der Allgemeinen Wiener Bauzeitung).
* Rudolf Wiegmann: [https://books.google.de/books?id=WKA5AAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r#v=onepage&q&f=false ''Über den Ursprung des Spitzbogenstils.''] ''Mit einem Anhange, betreffend die Bildung eines Vereins für die Geschichte der mittelalterlichen Baukunst.'' Mit einer Lithografie. Julius Buddeus, Düsseldorf 1842 (erschien zuvor in der ''Allgemeinen Wiener Bauzeitung'').


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Aktuelle Version vom 11. Juni 2024, 22:10 Uhr

Korridor mit Spitzbogengewölben, Marienburg in Malbork
Spitzbögen im Abas­siden­palast Qasr al-'Ashiq, 877–882, Samarra, Irak

Der Spitzbogen ist ein aus zwei Kreisen konstruierter Bogen mit Spitze. Er gilt in der Architektur als ein zentrales Element der Gotik. Erfunden wurde der Spitzbogen allerdings wohl in der islamischen Architektur und gelangte über das maurische Spanien und über die arabonormannische Architektur Siziliens ins christliche Abendland.

Konstruktion und Formen

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Zweizentrige Spitzbögen von links nach rechts: normaler Spitzbogen, gedrückter Spitzbogen und überhöhter Spitzbogen (bzw. Lanzettbogen).

Ein Spitzbogen wird aus zwei Kreisen, bzw. deren Segmenten oder Kreisbögen, konstruiert.

  • Beim sogenannten normalen oder gleichseitigen Spitzbogen liegen die Kreismittelpunkte auf den Kämpfer-Punkten. Die Länge der Kreisradien entspricht der Bogenspannweite.
  • Beim gedrückten Spitzbogen liegen die Kreismittelpunkte zwischen den Kämpferpunkten. Die Länge der Kreisradien ist kleiner als die Bogenspannweite. Die Höhe des Scheitelpunktes über den Kämpfern ist geringer als beim normalen Spitzbogen. Es gibt auch gedrückte Rundbögen, aber die werden üblicherweise als Korbbogen bezeichnet.
  • Beim überhöhten Spitzbogen liegen die Kreismittelpunkte außerhalb der Kämpferpunkte. Die Länge der Kreisradien ist größer als die Bogenspannweite. Die Höhe des Scheitelpunktes über den Kämpfern ist größer als beim normalen Spitzbogen. Diese Bogenform wird auch Lanzettbogen genannt. Das zugrunde liegende englische lancet leitet sich von lance (Lanze) ab und spielt auf die Form einer Lanzenspitze an.[1]

In einer weiter gefassten Definition zählen auch Bögen, die aus mehr als zwei Kreisbögen konstruiert werden, zu den Spitzbögen, insbesondere

  • der vierzentrige Spitzbogen, in Europa am bekanntesten als Tudorbogen,
  • Klappbogen, beginnt an den Kämpfern mit einem Knick

daneben Bögen mit konvexen Elementen:

  • der ebenfalls vierzentrige Kielbogen (bzw. Eselsrücken),
  • der nur aus zwei oder mehr konvexen Elementen bestehende Vorhangbogen.[2]

Eine selten verwendete Bezeichnung für die Spitzbogen-Bauweise ist ogival (vgl. „Ogive“).[3]

Der Spitzbogen der Gotik

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Gotisches Maßwerkfenster mit Spitzbogen

Der Spitzbogen gilt als ein zentrales Element der Baukunst der Gotik. Der Begriff Spitzbogenstil findet sich auch als eine ältere Bezeichnung für die gotische Baukunst als solche.[4]

Erste Spitzbögen fanden sich bereits in der islamischen Architektur, insbesondere zur Zeit der Abbasiden.[5] In der Burgundischen Romanik, beim 1088 begonnenen Bau der dritten Abteikirche von Cluny verwendete man den Spitzbogen für Arkaden und Gewölbe, nicht aber für Portale und Fenster.[6] Viele Nachfolgebauten des 12. Jahrhunderts in Burgund folgen diesem Beispiel. In der gotischen Sakralarchitektur (St. Denis) wurden Spitzbögen seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts für Gewölbe und (mit teilweise zögerlichem Beginn) auch für Portale und Fenster verwendet.[7] Von Frankreich aus verbreitete sich diese Bogenform um 1200 nach Deutschland, wurde bis in das frühe 16. Jahrhundert hinein benutzt und Jahrhunderte später, in der Neogotik, wieder aufgegriffen.[7]

Lanzettfenster und Gruppenfenster

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lLanzett-Zwillingsfenster

Eine Sonderform des Spitzbogenfensters ist das Lanzettfenster. Es handelt sich um ein schlankes Fenster mit einem überhöhten Spitzbogen (Lanzettbogen) als Abschluss. Das Lanzettfenster gilt, wie der Lanzettbogen, insbesondere als ein Element der englischen Frühgotik.[8] Dort wurde dieser Fenstertyp häufig in Gruppen verwendet.[9] Als Beispiele dafür werden ein einfaches Lanzettfenster in Witney in der Grafschaft Oxfordshire um 1220, ein Lanzett-Zwillingsfenster in Lincoln um 1250 und auch ein Lanzett-Drillingsfenster in Salisbury um 13. Jh. aufgeführt.[10] Bei einem Lanzett-Drillingsfenster überragt das mittlere der drei Fenster die beiden anderen.[11] Das Motiv des Lanzett-Drillingsfensters wird im Historismus wiederaufgenommen.

Spitze Dreiecksschlüsse mit geraden Schenkeln

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Wandöffnungen können oben auch in spitzen Dreiecken enden, deren Schenkel nicht gekrümmt sind. In der angelsächsischen Architektur gibt es Portale in dieser Form, die vor den ersten Spitzbögen Englands entstanden.

Andernorts wurden Fenster mit solchen Schlüssen als Vereinfachung von Spitzbögen errichtet. Besonders häufig findet sich das an gotischen Backsteintürmen Südfrankreichs.

Kreuzbogenfries in der Kirche San Sepolcro, 11. Jh., Bologna, Norditalien

Schon in Baustilen ohne regelmäßige Verwendung des Spitzbogens finden sich Kreuzbogenfriese, in denen Spitzbögen aus Teilen einander überschneidener Rundbögen gebildet werden.

Ein Spitzbogenfries ist eine in der Gotik entwickelte Friesornamentik aus kleinen Spitzbögen.

  • Rudolf Wiegmann: Bemerkungen über die Schrift „In welchem Style sollen wir bauen?“ von Heinrich Hübsch. In: Kunstblatt 10, 1829, S. 173–174, 177–179 und 181–183.
  • Rudolf Wiegmann: Der Ritter Leo von Klenze und unsere Kunst. Schreiner, Düsseldorf 1839.
  • Rudolf Wiegmann: Gedanken über die Entwicklung eines zeitgemäßen nationalen Baustils. In: Allgemeine Bauzeitung. 1841, S. 207–214.[12]
  • Rudolf Wiegmann: Über den Ursprung des Spitzbogenstils. Mit einem Anhange, betreffend die Bildung eines Vereins für die Geschichte der mittelalterlichen Baukunst. Mit einer Lithografie. Julius Buddeus, Düsseldorf 1842 (erschien zuvor in der Allgemeinen Wiener Bauzeitung).
Commons: Spitzbögen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Satz nach Encyclopædia Britannica Online, Lemma lancet window, abgerufen am 17. November 2008
  2. Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): Wasmuths Lexikon der Baukunst, Berlin, 1929–1932 (4 Bände), Lemma Spitzbogen
  3. Eintrag ogival bei Duden online, abgerufen am 24. März 2019
  4. Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): Wasmuths Lexikon der Baukunst, Berlin, 1929–1932 (4 Bände), Lemma Spitzbogenstil
  5. ARD Tel Aviv: (Memento vom 20. Mai 2015 im Internet Archive) Richard C. Schneider
  6. Fritz Baumgart: DuMont's kleines Sachlexikon der Architektur, Köln, 1977, Lemma Spitzbogen
  7. a b Satz nach Hans-Joachim Kadatz: Wörterbuch der Architektur, Leipzig, 1988, Lemma Spitzbogen
  8. Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): Wasmuths Lexikon der Baukunst, Berlin, 1929–1932 (4 Bände), Lemma Lanzettbogen
  9. Satz Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur (= Kröners Taschenausgabe. Band 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X, Lemma Lanzettfenster
  10. Wilfried Koch: Baustilkunde. Orbis-Verlag, München 1988, S. 196, 412
  11. siehe das aufgeführte Beispiel bei Wilfried Koch auf S. 412
  12. Georg Wilbertz: Stilsynthese und Sprachverwirrung. Theorie und Kritik des „neuen“ Stils im 19. Jahrhundert. (Memento des Originals vom 6. Juni 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.semiotik.eu Seite 8–10. (PDF-Datei; 233 kB)