„Magisches Viereck“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[ungesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Zeile 53: Zeile 53:
Der Indikator hierfür ist die [[Außenhandelsquote|Außenbeitragsquote]]. Sie errechnet sich aus dem Außenbeitrag (= Exporte minus Importe von Waren und Dienstleistungen) dividiert durch das nominale [[Bruttoinlandsprodukt]].
Der Indikator hierfür ist die [[Außenhandelsquote|Außenbeitragsquote]]. Sie errechnet sich aus dem Außenbeitrag (= Exporte minus Importe von Waren und Dienstleistungen) dividiert durch das nominale [[Bruttoinlandsprodukt]].


<math>\text{Außenbeitragsquote} = \frac{ \text{Exporte} - \text{Importe} }{ \text{nominales Bruttoinlandsprodukt} }</math>
<math>\text{Außenbeitragsquote} = \frac{ \text{Exporte} - \text{Importe} }{ \text{nominales Bruttoinlandsprodukt} } \cdot 100\%</math>


Während der Entstehung des Stabilitätsgesetzes in den 1960er Jahren war Deutschland noch in ein System fester Wechselkurse ([[Bretton-Woods-System]]) eingebunden. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht bedeutete unter dem damaligen Gesichtspunkt ein Zustand, der die Teilnahme an diesem System nicht gefährdet. 1973, als sich dann das System der freien Wechselkurse etablierte, wurde dieses Ziel allerdings nicht neu definiert. Das Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts wird deswegen auch oft aus dem Magischen Viereck herausgehalten.<ref>Vgl. Bofinger (2003), S. 242 ff.</ref> Tatsächlich kann es aber als Vermeidung eines kontinuierlichen [[Leistungsbilanz]]defizits oder -überschusses verstanden werden.
Während der Entstehung des Stabilitätsgesetzes in den 1960er Jahren war Deutschland noch in ein System fester Wechselkurse ([[Bretton-Woods-System]]) eingebunden. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht bedeutete unter dem damaligen Gesichtspunkt ein Zustand, der die Teilnahme an diesem System nicht gefährdet. 1973, als sich dann das System der freien Wechselkurse etablierte, wurde dieses Ziel allerdings nicht neu definiert. Das Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts wird deswegen auch oft aus dem Magischen Viereck herausgehalten.<ref>Vgl. Bofinger (2003), S. 242 ff.</ref> Tatsächlich kann es aber als Vermeidung eines kontinuierlichen [[Leistungsbilanz]]defizits oder -überschusses verstanden werden.

Version vom 6. September 2012, 20:59 Uhr

Magisches Viereck der Wirtschaftspolitik

Das Magische Viereck ist ein volkswirtschaftliches System dieser vier wirtschaftspolitischen Ziele:

Begriff

Ursprünglich gab es das Modell des Magischen Dreiecks, welches aber 1969 um den Faktor "Außenwirtschaftliches Gleichgewicht" ergänzt wurde. Inzwischen gibt es einige erweiterte Varianten des Modells. Gebräuchlich ist unter anderem das sogenannte Magische Sechseck, welches das Magische Viereck um die Faktoren "Erhalten einer lebenswerten Umwelt" und "Gerechte Einkommensverteilung" erweitert.

Herleitung der Ziele

Die Ziele des Magischen Vierecks werden abgeleitet aus den obersten Zielen der demokratischen und marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung, wie z. B.

Die Ziele sind im deutschen Stabilitätsgesetz von 1967 gesetzlich verankert.

Wirtschaftspolitische Ziele werden für wirtschaftliche und gesellschaftliche Bereiche gesetzt, in denen bereits ungenügende Ergebnisse festgestellt worden sind oder wo Fehlentwicklungen befürchtet werden. Die Aufmerksamkeit von Staat, Notenbank und Sozialpartner soll dadurch ständig auf diese Punkte hin ausgerichtet werden. Insofern wäre es konsequent gewesen, auch das Ziel einer gerechten Einkommensverteilung in den gesetzlichen Zielkatalog aufzunehmen. Allerdings ist diese Zielvorgabe noch weniger scharf bestimmbar als die übrigen.[1]

Probleme der Zielerreichung

Ein Erreichen dieser Ziele entspräche dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht. Der Begriff magisch drückt jedoch aus, dass alle Ziele gleichzeitig nur selten erreicht werden können, da zwischen einigen ein Zielkonflikt herrscht.

Tatsächlich können in manchen Situationen Ziele zueinander kongruent sein, das heißt: sie können sich gegenseitig unterstützen, z. B. Wirtschaftswachstum und hohes Beschäftigungsniveau (Okunsches Gesetz), andere sich jedoch gegebenenfalls konkurrierend verhalten, z. B. kurzfristig Preisniveaustabilität und Wirtschaftswachstum oder Preisniveaustabilität und ein hoher Beschäftigungsstand (Phillips-Kurve). Darüber hinaus gibt es die situationsbezogene Zielkonkurrenz, z. B. in einer Rezession mögen die Ziele Preisniveaustabilität und Beschäftigung nicht im Widerspruch stehen, in einer Phase der Hochkonjunktur können es konkurrierende Ziele sein.

Messung der Zielerreichung/Indikatoren

Beschäftigungsstand

Die Höhe des Beschäftigungsstandes wird anhand der Arbeitslosenquote gemessen.

Beträgt die statistisch erfasste Arbeitslosenquote weniger als vier Prozent, so spricht man üblicherweise von "Vollbeschäftigung". Der Anteil darunter wird als "freiwillige", "friktionelle" oder "saisonale" Arbeitslosigkeit erklärt.

Der Verlauf der Arbeitslosigkeit in Deutschland lag während der Großen Depression in den 1920er Jahren bei 14 %. Nach Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1949 herrschte in der Bundesrepublik Deutschland bis Ende der 1960er Jahre Vollbeschäftigung bis hin zu Arbeitskräftemangel, in der DDR Vollbeschäftigung bis Ende 1989. Seit den 1970er Jahren zeigt die Arbeitslosenquote (im kapitalistischen deutschen System) eine steigende Tendenz.[2]

Messung des Wirtschaftswachstums

Mit einem angemessenen Wachstum wird die allgemeine Erhöhung des Wohlstandes eines Landes bezeichnet, die besondere Bedeutung für weniger wohlhabende Bevölkerungsgruppen hat. Ein stetiges Wachstum soll starke Ausschläge in der Entwicklung und Schwankungen in der Beschäftigung vermeiden.[3]

Wirtschaftswachstum liegt vor bei einer Zunahme des realen Bruttonationaleinkommens bzw. des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP). In Deutschland war die Menge der produzierten Güter und Dienstleistungen pro Kopf im Jahre 2000 achtundzwanzig Mal so hoch wie 1870.[4]

Die prozentuale Veränderung im Wachstum der Volkswirtschaft wird rückwirkend jeweils einmal pro Quartal erfasst. In Deutschland gelten die Werte von zwei aufeinanderfolgenden Quartalen als Signalgeber. In den USA wird dagegen nur ein Quartalswert genommen und aufs Jahr hochgerechnet.

Phasen besonders starken Wachstums waren in Deutschland die sog. Gründerzeit von ca. 1870-1913 und die Zeit des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg. Phasen besonders starker Schwankungen waren die beiden Weltkriege und die Große Depression in den 1920er Jahren. In den letzten 100 Jahren war das Wachstum demzufolge nicht durchgängig stetig. Seit Gründung der Bundesrepublik zeigt das Wachstum einen Verlauf, den man eher mit dem Begriff "stetig" bezeichnen kann. Aber auch in dieser Zeit gab es Dellen (Erste Schwächephase 1966/67, Ölkrise 1973-75, Rezessionen 1981/82 und 1993/94, Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09).[5]

Messung der Preisniveaustabilität

Mit Hilfe der Inflationsrate wird die Preisniveaustabilität gemessen. Es wird ein Warenkorb mit den üblicherweise konsumierten Gütern zusammengestellt, deren Preise monatlich erhoben werden. Vergleicht man das Preisniveau des Warenkorbs mit dem des Vorjahres, so erhält man die Veränderung, die bei positivem Vorzeichen als Inflation und bei negativem Vorzeichen als Deflation bezeichnet wird. Eine Inflationsrate von nahe, aber unter zwei Prozent pro Jahr wird beispielsweise von der Europäischen Zentralbank als Preisniveaustabilität interpretiert. Diese Angabe lässt allerdings einiges an Interpretationsspielraum.[6]

Preisniveaustabilität bewirkt, dass Geld in einer Marktwirtschaft seine Funktionen als Tauschmittel, Wertspeicher und Recheneinheit wahrnehmen kann.

Messung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts

Der Indikator hierfür ist die Außenbeitragsquote. Sie errechnet sich aus dem Außenbeitrag (= Exporte minus Importe von Waren und Dienstleistungen) dividiert durch das nominale Bruttoinlandsprodukt.

Während der Entstehung des Stabilitätsgesetzes in den 1960er Jahren war Deutschland noch in ein System fester Wechselkurse (Bretton-Woods-System) eingebunden. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht bedeutete unter dem damaligen Gesichtspunkt ein Zustand, der die Teilnahme an diesem System nicht gefährdet. 1973, als sich dann das System der freien Wechselkurse etablierte, wurde dieses Ziel allerdings nicht neu definiert. Das Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts wird deswegen auch oft aus dem Magischen Viereck herausgehalten.[7] Tatsächlich kann es aber als Vermeidung eines kontinuierlichen Leistungsbilanzdefizits oder -überschusses verstanden werden.

Situation in Deutschland

Die vier Ziele des magischen Vierecks werden in § 1 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes von 1967 genannt. Sie bilden zusammen das Staatsziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 109 Abs. 2 GG).

Die Ziele sind eigentlich als gleichberechtigt gedacht gewesen; durch das Europarecht wird jedoch der Preisniveaustabilität eine herausragende Stellung eingeräumt (vgl. Art. 4 Abs. 2 und Art. 105 EGV, Art. 88 Satz 2 GG)

Varianten der Ziele im magischen Viereck

Von einem magischen Dreieck spricht man bei der Beobachtung der drei Ziele Preisniveaustabilität, Vollbeschäftigung und außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Bisweilen ist auch vom magischen Fünfeck, Sechseck, Siebeneck, Achteck oder Neuneck die Rede, wobei dann jeweils das magische Viereck um einen oder mehrere der folgenden Punkte erweitert wird:

  • ausgeglichene öffentliche Haushalte
  • gerechte Einkommensverteilung
  • Erhaltung einer lebenswerten Umwelt
  • humane Arbeitsbedingungen
  • Sicherung von Ressourcen

Literatur

Einzelnachweise

  1. Klaus Bolz: Ist eine gerechte Einkommensverteilung möglich? Mit einem Vorwort von Heinz-Dietrich Ortlieb. Wilhelm Goldmann Verlag, München 1972, 1975. ISBN 3-442-10009-7. S. 9.
  2. Vgl. Bofinger (2003) S. 236 f.
  3. Vgl. Bofinger (2003) S. 232 f.
  4. Vgl. Bofinger (2003) S. 233.
  5. Vgl. Bofinger (2003) S. 234 f.
  6. Zur Berechnung des Laspeyres-Index, vgl. CEZANNE (2005) S. 277 f.
  7. Vgl. Bofinger (2003), S. 242 ff.