Synkretismus (Religionswissenschaft)
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Synkretismus (Religionswissenschaft)
Als religionswissenschaftliche Kategorie bezeichnet der Begriff „Synkretismus“ die Verbindung und Vermischung von Religionen oder einzelnen religiösen Traditionen. Er ist eng verbunden mit der Erforschung der Geschichte der Religionen in der Zeit des Hellenismus und der Spätantike (Gnosis), in der es zu intensiven Religionskontakten kam. Weiterhin spielt der Begriff in Theologie und Missionswissenschaft eine Rolle, in deren Kontext er häufig mit einer negativen Wertung belegt war. In jüngster Zeit wird der Begriff „Synkretismus“ wieder verstärkt im Zusammenhang mit sogenannten Neureligiösen Bewegungen verwendet.[1]
Begriffsgeschichte
In der Antike ist der Begriff „συγκρητισμός“ bei Plutarch (ca. 50-125 n. Chr.) belegt. Er benennt damit eine Sitte der Kreter, die trotz innerer Streitigkeiten im Falle einer äußeren Bedrohung zusammenzustehen. In der frühen Neuzeit greift Erasmus von Rotterdam den Begriff „Synkretismus“ auf und führt ihn in die philosophisch-theologischen Debatten ein. In Anknüpfung an Plutarch bezeichnet Erasmus mit „Synkretismus“ ein Zusammengehen von Personen oder Parteien mit divergierender Auffassungen angesichts einer Gefährdung von außen. In den christlich-theologischen Debatten der Folgezeit erhält der Begriff „Synkretismus“ eine zunehmend negative Bestimmung als „Verfälschung“, „Verwässerung“ und als „falscher Friede“ unter den christlichen Bekenntnissen, der eine behauptete „Reinheit“ der christlichen Lehre gefährdet (siehe „synkretistischer Streit“).<ref>Rudolph: Synkretismus. Vom theologischen Scheltwort zum religionswissenschaftlichen Begriff. 1979, S. 194.>/ref>.
Religionswissenschaftliche Begriffsbildung
Eine religionswissenschaftliche Diskussion mit dem Ziel einer Präzisierung des bisher diffusen und unscharfen Synkretismus Begriff entwickelte sich erst im 20. Jahrhundert. So sieht Gerardus van der Leeuw, einer der Hauptvertreter der Religionsphänomenologie, im Synkretismus eine notwendige Durchgangsstufe der Entwicklung einer jeden Religion, in deren Verlauf religiöse Phänomene zu einer endgültigen Gestalt zusammenwachsen. Nach Leeuw liegt das „Wesen“ des Synkretismus in der Bedeutungsverschiebung religiöser Erscheinungen, die die Dynamik religionsgeschichtlicher Entwicklungen ausmacht [3]. Später sprechen sich Forscher wie der amerikanische Religionshistoriker und Orientalist Robert D. Baird generell gegen eine Verwendung des Synkretismusbegriffs in der Religionswissenschaft aus, da der Begriff als wissenschaftliche Kategorie zu allgemein und aufgrund seiner Historie negativ vorbelastet ist [4]. Der Berliner Religionswissenschaftler Carsten Colpe hat im Rahmen seiner Forschungen in den 70er Jahren den Blick auf moderne Formen des Synkretismus gelenkt. Colpe entwirft eine Typologie von Synkretismus, die sich am Grad der Intensität von Verbindungen religiöser Phänomene zu einer neuen Form orientiert. Colpe schlägt als die drei Grade seiner Typologie Symbiose, Akkulturation und Identifikation vor [5]. Für den englischen Religionswissenschaftler Michael Pye ist Synkretismus Ausdruck der Dynamik religiöser Entwicklungen. Nach seiner Auffassung stellt temporäre Ambiguität, also Mehrdeutigkeit der Bedeutung religiöser Elemente innerhalb eines religiösen Systems den Schlüssel zum Verständnis von Synkretismus dar [6]. Der Bayreuther Religionswissenschaftler Ulrich Berner hat ein sog. „heuristisches Modell der Synkretismus-Forschung“ entwickelt. Im Rahmen seines Modells wendet Berner den Systembegriff, den er von Thomas Lukmann übernommen hat, auf Religion an. Dies ermöglicht ihn, zwischen einen Synkretismus auf Systemebene – der Religion als ganzes System – und auf Elementebene, also auf der Ebene einzelner religiöser Elemente – zu differenzieren [7]. Als heuristische Mittel zur Synkretismusforschung schlägt Kurt Rudolph folgende Typen von Synkretismus vor, die er weitgehend von Colpe übernimmt:
- Symbiose: als neue entstandene Einheit aus zwei oder mehr Traditionskomponenten; auch als „Zusammenleben“ äußerlich getrennter religiöser Traditionen, die von den Gläubigen als relative Einheit aufgefasst und von den Gläubigen für spezifische religiöse Bedürfnisse in Anspruch genommen werden; Beispiel Korea: am Sonntag Besuch eines christlichen Gottesdienstes, bei Krankheit die Inanspruchnahme eines sog. Schamanen.
- Assimilation – Anpassung an eine dominante religiöse oder kulturelle Tradition unter Aufgabe der eigenen Identität (Beispiel ist die Übernahme und Weiterführung von präexistierenden heiligen Orten, z. B. im Christentum)
- Identifikation: vor allem im Rahmen von Göttervorstellungen („interpretatio graecae“)
- Metamorphose: Umwandlung, Verwandlung, Transformation; (z. B. Schamanismus als Form alter Religiosität wird Aufgegriffen als Leitmotiv studentischer Protestbewegung als Ausdruck koreanischer Identität) [8].
Neuere Religionswissenschaft / Ausblick
Gemäß Ulrichs Berners systemtheoretischem Ansatz von Synkretismus als Assimilationsprozess zwischen homogen aufgefassten religiösen Systemen, gilt Synkretismus ein „erklärungsbedürftiger Sonderfall“, d. h. normalerweise sind diese Systeme stabil, im Falle des Aufeinandertreffens kommt es zu synkretistischen Prozessen. Tatsächlich aber sind Religionen keine geschossenen homogenen Einheiten, sondern weisen erhebliche Inhomogenitäten auf, insbesondere im Hinblick auf ihre „soziale Schichtung“ [9] von religiösem Expertentum und der breiten Masse der Anhänger: dies ist mit punktuellen oder umfassenderen Aneignungen von Vorstellungen und Praktiken aus anderen religiösen Traditionen verbunden und hat eine Vielzahl von unabhängig voneinander verlaufenden Fusions-, Aushandlungs- und Wandlungsprozessen zur Folge [10]. In der neueren religionswissenschaftlichen Forschung hat beispielsweise die Konzeptualisierung von Synkretismus als „Austauschprozesse“, die „kaum je symmetrisch“ (Stolz) verlaufen und von unterschiedlichen Rahmenbedingungen mitbestimmt werden, das Bewusstsein für dynamische Verlaufsformen nachhaltig geschärft [11]. Synkretismus ist seither nicht mehr ein problematischer Sonderfall einer ansonsten von relativer Stabilität geprägten Religionsgeschichte aufzufassen, sondern als Regelfall stetiger komplexer Aushandlungsdiskurse in gleichermaßen von religiösen, politischen, wirtschaftlichen und sonstigen kulturellen Faktoren bestimmten Konstellationen [12]. So legen Charles Stewart und Rosalind Shaw ihn ihrer Monographie zum Synkretismusbegriff den Fokus auf den Einfluss von Machtstrukturen und Interessenlage auf synkretistische Prozesse. Für sie ist Synkretismus eine geeignete Kategorie um zum einen „the politics of religious synthesis“, und zum anderen die Diskurse über Synkretismus im Hinblick auf die beteiligte Akteure und die von ihnen verfolgten Interessen zu untersuchen [13].
Literatur
- Ahn, Gregor: „Synkretismus“, §1: Religionsgeschichtlicher Ansatz: Forschungsgeschichte, in: Beck, Heinrich u. a. (Hrsg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Bd. 30, Berlin / New York: De Gruyter, 2005, 216-218.
- Berner, Ulrich: Untersuchungen zur Verwendung des Synkretismus-Begriffes. (Göttinger Orientforschungen, Reihe Grundlagen und Ergebnisse; 2). Wiesbaden: Harrassowitz, 1982.
- Berner, Ulrich: "Synkretismus", in: Cancik, Hubert u. a. (Hrsg.): Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, Bd. V, Stuttgart u. a.: 2001, S. 143-152.
- Rudolph, Kurt: Synkretismus. Vom theologischen Scheltwort zum religionswissenschaftlichen Begriff.(Hrsg.): Humanitas Religiosa (Festschrift Harald Biezais), 1979, 194-212.
- Stewart, Charles/Shaw, Rosalind: Syncretism/Anti-syncretism (Hrsg.): The politics of religious synthesis. London/New York: Routledge, 1994.
- Stolz, Fritz: Austauschprozesse zwischen religiösen Gemeinschaften und Symbolsystemen. In: Volker Drehsen, Walter Sparn (Hrsg.): Im Schmelztiegel der Religionen. Konturen des modernen Synkretismus.Gütersloh: Gütersloher Verl., 1996, 15-36.
Einzelnachweise
- ↑ Berner, Ulrich: "Synkretismus", in: Cancik, Hubert u. a. (Hrsg.): Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, Bd. V, Stuttgart u. a.: 2001, S. 144.