Rassen der Westlichen Honigbiene

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Westliche Honigbiene: Carnica, Baden-Württemberg
Nest der afrikanisierten Honigbiene, Minas Gerais, Brasilien

Rassen der Westlichen Honigbiene sind verschiedene, teilweise domestizierte und züchterisch beeinflusste Populationen der Art Apis mellifera. Sie werden in der Imkerei gehaltenen und sind heute weltweit verbreitet.

Bei Honigbienen werden nur noch im deutschen Sprachraum, aus historischen Gründen[1], teilweise immer noch auch natürlich entstandene Unterarten und Ökotypen aufgrund von morphologischen (äußeren) Unterschieden als „Rassen“ (englisch races) bezeichnet[2], wo in der englischen Sprache „strains“ oder „breeds“ verwendet würde, was aktuell international nur noch für Haustierrassen akzeptabel und üblich ist. Wie für den veralteten, unscharfen, informellen Begriff „geographische Rasse“ generell, spricht man heute präziser von Unterart.

Bienenzucht

Durch den Transport von Bienenvölkern über weite Entfernungen zur Nutzung in der Imkerei hat der Mensch das Verbreitungsmuster der ursprünglich vikariierend verbreiteten verschiedenen Honigbienenunterarten verändert und infolge von Hybridisierung durch Bienentransporte, seit wenigen Jahrzehnten auch durch Züchtung, deren Charakter beeinflusst. Durch die Zucht werden die traditionell verbreiteten, wild lebenden oder von Imkern als Haustier gehaltenen natürlichen Unterarten und Ökotypen genetisch verändert und sind dadurch teilweise im Bestand bedroht.[3]

Die Unterarten (in der Bienenkunde teilweise noch, wie sonst nur noch für landwirtschaftliche Zuchtlinien üblich, auch Rassen genannt) der Westlichen Honigbiene (Apis mellifera) sind natürlich entstandene Einheiten, die sich teilweise unterschiedlich gut für die Imkerei eignen, wodurch Menschen einige von ihnen bevorzugten und auch außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets etablierten. Erst seit kurzer Zeit existieren außerdem moderne Zuchtlinien (eigentliche Rassen, englisch breeds gegenüber races für die geographischen Rassen). Teilweise ist es aber üblich, auch für natürliche Unterarten wie carnica Rassestandards zu definieren, wodurch die Unterschiede verschwimmen.[4]

Ziel der Honigbienenzucht ist es, mit Hilfe künstlicher Selektion gewünschte genetische Eigenschaften der Honigbienen zu verstärken und unerwünschte Eigenschaften abzuschwächen. Dabei geht es vor allem um die Erhöhung des Ertrages von Honig und Züchtung von friedlichen Bienen mit geringem Schwarmtrieb. Hierzu werden Zuchtlinien aufgebaut um nahezu reinerbige Nachkommenschaft zu erhalten, in der Imkersprache wird dann von Zuchtlinien oder Linienzucht gesprochen. Es handelt sich im Wesentlichen um Inzucht, welche die genetische Distanz zu den natürlichen, wild lebenden Populationen (Wildformen) erhöht. "Die meisten Lebewesen zeigen bei Inzucht eine geringere Vitalität .. [d]ie Biene erweiset sich hier sogar als besonders anfällig".[5] Zuchtlinien der Westlichen Honigbiene können im Allgemeinen in der freien Natur nicht überleben.

Die erst in der Neuzeit einsetzende Bienenzüchtung hat Zuchtlinien und Stämme begründet, die teilweise auf der bewusst herbeigeführten Kreuzung beruhen. Dies fand andererseits stets auch ungewollt statt, durch das Nebeneinanderhalten von Bienenvölkern unterschiedlicher Nutzrassen (natürliche Hybridisierung).

Beispiele sind:

  • Buckfastbiene: Kreuzungszucht aus verschiedenen Unterarten der Honigbiene. Karl Kehrle (Bruder Adam) begann 1916 als Imkergehilfe im englischen Benediktinerkloster Buckfast Abbey. Später wandte Kehrle konventionelle Inzucht, züchterische Kreuzung und Selektion an, um bestimmte Eigenschaften (z. B. Sammeltrieb, Sanftmut etc.) zu stärken und andere (z. B. Schwarmtrieb) zu reduzieren.
  • Afrikanisierte Honigbiene: spektakulärer Unfall der Honigbienenforschung durch ungewollte Auswilderung von Ostafrikanischen Hochlandbienen in Südamerika. Natürliche Hybride mit dort in der Landwirtschaft gehaltenen europäischen Rassen waren in freier Wildbahn überlebensfähig – auch als Killerbienen bekannt.
  • Elgonbiene: in Schweden als besondere Zuchtlinie entstandene (Hybrid)form aus der Ostafrikanischen Bergbiene und der Buckfastbiene.

Um die gewünschten reinerbigen Inzuchtlinien von Honigbienen zu erhalten, bzw. zu stabilisieren, wurden vor allem in der Vergangenheit sogenannte Reinzuchtgebiete mit Belegstellen eingerichtet. In den letzten Jahrzehnten ist die Möglichkeit der künstlichen, instrumentellen Besamung von Bienenköniginnen hinzugekommen, die die Möglichkeiten der Zucht wesentlich verbessert und vereinfacht hat. Eine Folge dieser institutionellen Verdrängungszucht ist, dass die einheimische Dunkle Europäische Biene (Apis mellifera mellifera) heute auf der Liste gefährdeter Nutztierrassen steht.[6]

Unterarten

Ursprüngliches Verbreitungsgebiet der Unterarten in Europa und im vorderen Orient (nach der letzten Eiszeit).

In der Bienenzucht ist der unpräzise Begriff Bienenrasse gebräuchlich, in Biologie und Agrarwissenschaft benutzt man die Fachbegriffe Population, Unterart oder Ökotyp, besonders bei natürlichen, wild lebenden Honigbienen. Die Art Westliche Honigbiene kann in Gruppen unterteilt werden[7], die traditionell als „Bienenrassen“ gefasst wurden, heute aber meist als Unterarten behandelt werden.[8] (Die hier gewählten Namen (Trinomen oder dreiteilige Namen, bei dem ein dritter Name dem Binomen für die Art Apis mellifera nachgestellt wird) bezeichnen nach der zoologischen Nomenklatur Unterarten):

Die dunklen Honigbienen

  • die Dunkle Europäische Biene (Apis mellifera mellifera Linnaeus, 1758), auch Braunelle oder Mellifera genannt, autochthone heimische Honigbiene in Nord-, Ost- und Westeuropa
  • die Iberische Biene (Apis mellifera iberiensis Engel, 1999, syn. Apis mellifera iberica Goetze, 1964), auch Spanische Biene
  • die Tellbiene (Apis mellifera intermissa v. Buttel-Reepen, 1906)
  • die Rifbiene (Apis mellifera major Ruttner, 1975)
  • die Saharabiene (Apis mellifera sahariensis Baldensberger, 1922)
  • die Maltesische Biene (Apis mellifera ruttneri Sheppard, Arias, Grech & Meixner, 1997)

Die Carnica-Gruppe

  • die Kärntner Biene (Apis mellifera carnica Pollmann, 1879), auch Krainer Biene aber meist einfach Carnica genannt. Weltweit exportierte und genutzte Rasse.
  • die Italienische Biene (Apis mellifera ligustica M. M. Spinola, 1806), auch Italiener Biene oder Ligustica genannt. Weltweit exportierte und genutzte Rasse.
  • die Makedonische Biene (Apis mellifera macedonica Ruttner, 1988)
  • die Südgriechische Biene (Apis mellifera cecropia Kiesenwetter, 1860)
  • die Anatolische Biene (Apis mellifera anatoliaca Maa, 1953)
  • die Sizilianische Biene (Apis mellifera siciliana Grassi, 1881, auch fälschlich Apis mellifera sicula Montagano, 1911, genannt)

Die Bienen des tropischen Afrikas

Die Bienen des Vorderen Orients

Eine Unterart in Mittelasien

Literatur

  • Heinrich Friese: Die Bienen Europas (Apidae europaeae). Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1969 (Nachdruck der Erstausgabe 1895-1901).
  • Michael S. Engel: The taxonomy of recent and fossil honey bees (Hymenoptera: Apidae: Apis). Journal of Hymenoptera Research 8, 1999.

Einzelnachweise

  1. Die deutsch-östereichische Imkerei und Bienenforschung wurde seit dem 2. Weltkrieg bis heute institutionell von (Alt-)Nazis und SS-Mitgliedern geprägt, vor allem durch das SS-Mitglied Friedrich Ruttner, der, bis zur Entnazifizierung durch die Alliierten 1945, als Eugeniker und Rassenhygieniker forschte und lehrte und später als Bienenrasseforscher publizierte.
  2. auch bei anderen Arten der Gattung Apis, vgl. Rakesh Kumar Gupta: Taxonomy and Distribution of Different Honeybee Species. Chapter 2 in Rakesh Kumar Gupta, Wim Reybroeck, Johan W. van Veen, Anuradha Gupta (editors): Beekeeping for Poverty Alleviation and Livelihood Security: Vol. 1: Technological Aspects of Beekeeping. Springer Verlag, Dordrecht etc., 2014. ISBN 978-9401791984.
  3. Marina D Meixner, Maria Alice Pinto, Maria Bouga, Per Kryger, Evgeniya Ivanova, Stefan Fuchs (2013): Standard methods for characterising subspecies and ecotypes of Apis mellifera. Journal of Apicultural Research 52 (4): 1-28. doi:10.3896/IBRA.1.52.4.05
  4. R. Moosbeckhofer: Autochthone Bienenrassen in Österreich. In Landwirtschaftskammer Österreich und Ländliches Fortbildungsinstitut Österreich (Herausgeber): Biodiversität. Beitrag der Land- und Forstwirtschaft zur Erhaltung der Biodiversität. Wien, März 2009.
  5. Friedrich-Karl Tiesler, Kaspar Bienefeld, Ralph Büchler: Selektion bei der Honigbiene. 1. Auflage, neue Ausgabe. Buschhausen Druck- und verlagshaus, Herten 2016, ISBN 978-3-946030-45-4, S. 59 (google.de [abgerufen am 29. September 2019]).
  6. Dunkle Biene. Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V., abgerufen am 29. September 2019.
  7. Friedrich Ruttner: Naturgeschichte der Honigbienen. Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart 1992, ISBN 3-440-09125-2.
  8. Friedrich Ruttner: Biogeography and Taxonomy of Honeybees. Springer Verlag, Berlin etc. 1988. ISBN 978-3-642-72651-4, S. 76–78.
  9. Karl Kehrle: Afrikas Bienen – Herausforderung für die fortschrittliche Züchtung Allgemeine Deutsche Imkerzeitung ADIZ 1988 22(8) 277-278 und (9) 300-302.