Andreas Gursky

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Andreas Gursky im März 2013 im Düsseldorfer Museum K21

Andreas Gursky (* 15. Januar 1955 in Leipzig) ist ein deutscher Fotograf. Die digitale Bildbearbeitung und das extreme Großformat sind neben der dezidierten Farbfotografie charakteristische Ausdrucksmittel. Er ist einer der weltweit erfolgreichsten zeitgenössischen Fotografen.[1]

Leben

Andreas Gursky wurde als Sohn von Rosemarie (1926–2019)[2] und Willy Gursky (1921–2016)[3] geboren. Sein Vater war ebenso wie sein Großvater Hans (1890–1960) Werbefotograf. Willy Gursky betrieb seit 1949 ein Atelier in Leipzig, sein Großvater Hans hatte ein Fotogeschäft in Taucha bei Leipzig. Im Jahre 1955 floh die Familie aus der DDR und ließ sich in Düsseldorf nieder.[4]

Gursky studierte von 1978 bis 1981 an der Universität-Gesamthochschule Essen Visuelle Kommunikation bei Michael Schmidt. Der Lehre Otto Steinerts folgend wählte Gursky Essen bewusst als Studienort. Er erlebte Steinert nur in wenigen Vorlesungen, da dieser kurz nach Gurskys Studienbeginn verstarb.[5] Daran schloss sich ein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd Becher an, dessen Meisterschüler er von 1985 an war. Das Studium schloss er 1987 ab. Andreas Gursky gehört wie auch die profilierten deutschen Fotografen Axel Hütte, Jörg Sasse, Thomas Struth, Candida Höfer und Thomas Ruff zur Gruppe der Becher-Schüler, für die der Begriff Düsseldorfer Photoschule geprägt wurde.

Von 1995 bis 2007 waren er und die Fotografin Nina Pohl verheiratet, mit der er auch eine gemeinsame Arbeit erstellte.[6] Die Arbeit erzielte am 6. Februar 2002 bei Christie’s London einen Preis von über 600.000 US-Dollar. 2002 fotografierte er mit Pohl das Cover-Foto von Reich & sexy II, einem Best-Of-Album der Band Die Toten Hosen.

Andreas Gursky wurde 2007 als Ehrenmitglied in die American Academy of Arts and Letters gewählt.[7]

Er wurde zum Sommersemester 2010 als Professor für „Freie Kunst“ an die Düsseldorfer Kunstakademie berufen.

2012 wurde er als Mitglied in die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste berufen.[8]

Allgemeines zu seinen Werken

Andreas Gursky begann seine künstlerische Arbeit mit kleinformatigen Fotografien, fand aber schon Ende der 1980er Jahre zu großen Formaten und Anfang der 1990er Jahre zur elektronischen Bildverarbeitung. Unverkennbar ist der Einfluss von Bernd und Hilla Bechers dokumentarischer Praxis. Gursky geht wie seine Lehrer konzeptuell vor, wendet sich allerdings anders als diese einer Vielzahl von Gegenständen mit seiner Großformatkamera zu. Er fotografiert u. a. Landschaften, Architektur und Innenräume. Gursky fotografiert farbig, wobei er die Farbe eher verhalten einsetzt und mit den technischen Möglichkeiten des Großformats eine hohe Präzision der Abbildung erreicht, mit dem Werkzeug computergestützter Bildbearbeitung jedoch in die Abbildung eingreift. So erzeugt er in zahlreichen Aufnahmen künstliche Wirkungen, die auf Montagen beruhen.

Die Montage in Gurskys Werk

In einem Interview 1998 vergleicht Gursky seine Werke mit Malerei: „Es wäre vielleicht für euch Kunsthistoriker interessant herauszufinden, warum ein kunstgeschichtlich unbedarfter Künstler wie ich trotzdem Zugriff auf dieses Formenvokabular hat.“[9] Sein Selbstverständnis als Fotograf und Maler tritt noch deutlicher hervor, als er 1992 beginnt, digitale Bilder durch Montagen demonstrativ zu bearbeiten. Sein 1993 entstandenes Werk mit dem Titel Montparnasse vereint alle Möglichkeiten, die Gursky aus der digitalen Fotografie schöpft: ornamentale Struktur, Menschenmassen, homogene Oberflächen. Dieses mehrstöckige Gebäude ist zu groß, um im Ganzen einmal fotografiert werden zu können. Gursky fotografierte beide Teile des Hauses und kopierte es im Endstadium mit digitalen Mitteln nebeneinander. Eine Bildmontage, die durch Flächigkeit imponiert und dem Betrachter ein Gefühl der flachen, leblosen ornamentalen Strukturen vermittelt. Schaut man jedoch näher auf die so homogen wirkende Struktur, erschließen sich ganz neue Wahrnehmungen. Menschen, Einrichtungen und Handlungen werden hinter den Fensterscheiben erkannt. Es finden Ereignisse statt, die allesamt auf ein und demselben Bild festgehalten wurden und so die Fotografie zum Leben erwecken. Ein späteres Beispiel für eine solche Vorgehensweise ist das Bild Mayday V von 2006, das während der jährlichen Techno-Party Mayday in Dortmund entstand und die Westfalenhalle 1 als 18-stöckigen Turm erscheinen lässt.[10] „Meine Bilder sind immer von zwei Seiten komponiert. Sie sind aus extremer Nahsicht bis ins kleinste Detail lesbar. Aus der Distanz werden sie zu Megazeichen.“[11] In den Worten von Hanno Rauterberg gebietet die Monumentalität der Bilder zwar Distanz, zugleich jedoch verlangt ihr Detailreichtum Nähe und Intimität: „Viele Gursky-Werke funktionieren wie ein Mikroskop: Was eben noch vertraut und klar geordnet schien, führt in der Naheinstellung ein überraschend wimmeliges Eigenleben.“[12]

Gurskys Realismusanspruch

In der Aufnahme eines Konzerts von Madonna mit dem Titel Madonna I vergrößert er beispielsweise digital das Publikum und erreicht damit Irritationen über die Wirklichkeitstreue des Bildes. Auch in der Serie F1 Boxenstopp, in der in vier breitformatigen Laserprints Bilder verschiedener Boxenstopps der Formel 1 aneinanderkopiert werden, spielt Gursky mit der Objektivität, die die Fotografie lange Zeit auszeichnete. Alle Bilder sind durchkreuzt von Montagen und Wiederholungen. Oberflächlich gesehen kehrt Gursky wieder die strukturelle Ordnung hervor. Alles ist eine streng gegliederte Komposition. Dinge und Räume werden durch horizontale Linien in ein Muster gezwängt, alles erscheint homogen. Und dennoch schummeln sich „Fehler“ in die serielle Wiederholung. „Die unheimliche Wiederholung des doch nicht ganz Gleichen in einem Bild verweist […] auf eine Bildlichkeit der Fotografie, die eben nicht einfach abbildet.“[13] Hier spielt Andreas Gursky mit dem Begriff der Objektivität der Fotografie. Seine offensichtlichen Montagen zeigen, dass es kein „gültiges Bild“ gibt, keine gültige abgelichtete Szene. Sein Wahrheitsanspruch ist der, dass ein Ereignis stattgefunden hat, doch die Art und Weise, dieses Ereignis auf Fotografien festzuhalten, sehr variabel ist. „Jedweder Wahrheitsanspruch in [meinen] Bildern ist nur dahingehend zu befriedigen, dass ein bestimmtes Ereignis im Hier und Jetzt stattgefunden hat“,[14] meint Gursky dazu und zeigt, dass er seinen Bildern keinerlei Authentizität zuspricht. Sein Realismusanspruch an die Fotografie ist nur der, „dass da etwas gewesen ist.“ Seine Montagen und Bildkompositionen thematisieren das Verhältnis von Sein und Schein, Wahrheit und Inszenierung und führen uns zu einer Neubewertung der Rolle der künstlerischen Fotografie im digitalen Zeitalter.

Andreas Gursky
Rhein II
digital bearbeitete Fotografie
185,4 × 363,5 cm
Privatbesitz
Link zum Bild
(Bitte Urheberrechte beachten)

Stehen hier also medienkritische Verfahren im Vordergrund, wendet er sich mit anderen Sujets kritisch der Konsum- und Produktionswelt zu (z. B. mit der Fotografie eines Prada-Schuhgeschäfts, in dem die Inszenierung der Ware selbst ikonografischen Charakter erhält).[15] All seinen Arbeiten sind Fragen an die Moderne gemeinsam, ob Konsum, Architektur, Landschaftsgestaltung oder Popkultur. Sein distanzierter Blick, verstärkt durch die Präzision des Großformats der Kamera, bezieht sich gleichsam auf die Anonymität moderner Existenz und die Austauschbarkeit von Plätzen und Orten in den modernen Industriegesellschaften.

Kunstmarkt

Seine Fotografien erreichen auf dem internationalen Kunstmarkt Spitzenpreise. Die Fotografie Rhein II (1999) erzielte am 8. November 2011 bei Christie’s New York mit 4,3 Millionen Dollar (zum damaligen Kurs umgerechnet rund 3,19 Millionen Euro) einen Rekordwert, womit sie zeitweise zur teuersten Fotografie der Geschichte wurde.[16][17]

Zuvor hatte schon die Fotografie 99 cent (2001) am 10. Mai 2006 bei Sotheby’s 2,26 Millionen Dollar erzielt. Am 16. November desselben Jahres hatte ein anonymer Bieter für das 99 Cent II-Diptychon bei einer Auktion von Phillips de Pury & Company in New York 2,48 Millionen Dollar bezahlt. Im Februar 2007 war schließlich der Preis für einen Abzug dieses Motivs auf 3,3 Mio. US-Dollar gestiegen.

Gurskys Werke befinden sich im Besitz internationaler Museen und privater Sammlungen. Er wird von den Galerien Sprüth Magers, White Cube und Gagosian Gallery vertreten.

Ausstellungen (Auswahl)

Preise

Literatur

chronologisch

  • Andreas Gursky. Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Texte von Beat Wismer, Hans Irrek und John Yau, Steidl, 2012, ISBN 978-3-86930-554-7.
  • Andreas Gursky at Louisiana. Texte von Poul Erik Tøjner und Frederik Stjernfelt, Hatje Cantz 2012, ISBN 978-3-7757-3297-0.
  • Andreas Gursky. Texte von Norman Bryson and Werner Spies, Rizzoli 2010, ISBN 978-0-8478-3643-7.
  • Martin Hentschel (Hrsg.): Andreas Gursky. Werke works 80-08. Ausstellungs-Katalog. Kunstmuseen Krefeld, Moderna Museet Stockholm, Vancouver Art Gallery, Ostfildern 2008, ISBN 978-3-7757-2338-1.
  • Beate Söntgen: Am Rande des Ereignisses. Das Nachleben des 19. Jahrhunderts in Andreas Gurskys Serie F1 Boxenstopp. In: Kunstmuseum Basel: Andreas Gursky. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2007.
  • Thomas Weski (Hrsg.): Andreas Gursky – Ausstellung Andreas Gursky im Haus der Kunst, München, 17. Februar bis 13. Mai 2007. Snoeck Verlagsgesellschaft, 2007, ISBN 978-3-936859-50-8.
  • Kunstmuseum Basel (Hrsg.): Andreas Gursky. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2007, ISBN 978-3-7757-2019-9.
  • Christiane Hoffmans: Kunst im deutschen Vereinsheim. Andreas Gursky und Claus Föttinger richten in der Düsseldorfer Galerie Sies + Höke eine WM-Bar ein. In: Welt am Sonntag, Nr. 24 vom 11. Juni 2006, S. 72 – auch online.
  • Bienal de Sao Paulo, Andreas Gursky, 'Traveling Eye – An Encyclopedia of the modern Metropolis', Essay Hans Irrek, Sao Paulo, 2002.
  • Peter Galassi: Andreas Gursky – Ausstellung Andreas Gursky im Museum of Modern Art, New York, 4. März bis 15. Mai 2001. Übersetzung: Hinrich von Haaren. Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2001, ISBN 3-7757-1052-3.
  • Anette Hüsch: Künstlerische Konzeptionen am Übergang von analoger zu digitaler Fotografie.
  • Architecture without Shadow, edited by Gloria Moure, Andreas Gursky Essay 'Shakespears Stage' by Hans Irrek, Poligrafia, Barcelona 2000, ISBN 84-343-0911-4.
  • Anette Hüsch: Schrecklich schön. Zum Verhältnis von Körper, Material und Bild in der Post-Photographie. In: Beiträge zu Kunst und Medientheorie. Projekte und Forschungen an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Hans Belting, Ulrich Schulze (Hrsg.), Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2000.
  • Marie Luise Syring (Hrsg.): Andreas Gursky. Fotografien 1984 bis heute. Ausstellungskatalog, Kunsthalle Düsseldorf. München 1998.
  • Kunstmuseum Wolfsburg: Andreas Gursky – Fotografien 1994–1998. Hatje Cantz, Ostfildern 1998, ISBN 3-89322-425-4.
  • Rooseum Malmö: Andreas Gursky. Essay Hans Irrek. Malmö 1995, ISBN 91-88090-15-9.
  • Portikus Frankfurt: Andreas Gursky – Montparnasse. Essay by Hans Irrek. 1995, ISBN 3-928071-24-6.
  • Fiona Bradley (Hrsg.): Andreas Gursky: Bilder. Ausstellungs-Katalog der Tate Gallery Liverpool. Stuttgart 1995.
  • Zdenek Felix (Hrsg.): Andreas Gursky. Fotografien 1984–1993. Ausstellungskatalog, Deichtorhallen Hamburg. München 1994.
  • UKS-Forum 3-4: Andreas Gursky – Niemeyer Scetch Essay Hans Irrek. Oslo 1994, S. 26–33.

Film

Commons: Andreas Gursky – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Artikel über Gursky bei hr-online. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 26. Januar 2021.@1@2Vorlage:Toter Link/www.hr-online.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  2. Traueranzeige Rosemarie Gursky. In: RP-Online. 9. März 2019, abgerufen am 11. März 2019.
  3. Nachruf: Familie trauert um Willy Gursky. In: RP-Online. 27. Dezember 2016, abgerufen am 27. Dezember 2016.
  4. Michael Kohler: Generation Gursky. In: art Das Kunstmagazin. Gruner und Jahr, 3. August 2012, ISSN 0173-2781., Online (Memento vom 8. Dezember 2012 im Internet Archive)
  5. Der subjektive Fotograf. In: kulturstiftung.de. Abgerufen am 12. August 2016.
  6. Andreas Gursky, Nina Pohl: Untitled V. 1999.
  7. Honorary Members: Andreas Gursky. American Academy of Arts and Letters, abgerufen am 11. März 2019.
  8. „Neue Mitglieder der NRW-Akademie berufen“, Nachricht auf der Website des Westdeutschen Rundkfunks vom 16. Mai 2012. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 26. Januar 2021.@1@2Vorlage:Toter Link/www.wdr3.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  9. Beate Söntgen: Am Rande des Ereignisses. Das Nachleben des 19. Jahrhunderts in Andreas Gurskys Serie F1 Boxenstopp. In: Kunstmuseum Basel, Beate Söntgen, Nina Zimmer (Hrsg.): Andreas Gursky. 3. Auflage. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2007, ISBN 978-3-7757-2019-9.
  10. Florian Heine: Mit den Augen der Maler: Schauplätze der Kunst neu entdeckt. Bucher, München 2009, ISBN 978-3-7658-1612-3, Mayday V.
  11. Frank Nicolaus: Andreas Gursky: Reporter des Weltgeistes. 26. Februar 2007 (Online).
  12. Hanno Rauterberg: Fotografie: Gursky, Gursky über allem. In: Zeit Online. 19. Januar 2012, abgerufen am 12. August 2016.
  13. Beate Söntgen: Am Rande des Ereignisses. Das Nachleben des 19. Jahrhunderts in Andreas Gurskys Serie F1 Boxenstopp. In: Kunstmuseum Basel, Beate Söntgen, Nina Zimmer (Hrsg.): Andreas Gursky. 3. Auflage. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2007, ISBN 978-3-7757-2019-9, S. 49.
  14. Beate Söntgen: Am Rande des Ereignisses. Das Nachleben des 19. Jahrhunderts in Andreas Gurskys Serie F1 Boxenstopp. In: Kunstmuseum Basel, Beate Söntgen, Nina Zimmer (Hrsg.): Andreas Gursky. 3. Auflage. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2007, ISBN 978-3-7757-2019-9, S. 62.
  15. Christopher Williams-Wynn: Images of Equivalence: Exchange-Value in Andreas Gursky’s Photographs and Production Method. In: Photography and Culture. Band 9, Nr. 1, 2. Januar 2016, ISSN 1751-4517, S. 3–24, doi:10.1080/17514517.2016.1153264.
  16. Andreas Gursky's Rhein II sets photo record. In: bbc.co.uk. BBC News, 11. November 2011, abgerufen am 12. August 2016.
  17. Christies. In: christies.com. Abgerufen am 12. August 2016.
  18. Andreas Gursky. In: MdbK Leipzig. Abgerufen am 18. Dezember 2020.