Knochenmark

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Das Knochenmark (lateinisch: Medulla ossium) ist etwa ab dem Ende des vierten Embryonalmonats (dem Beginn der medullären Phase) das wichtigste blutbildende Organ des Menschen. Es füllt die Hohlräume der Knochen (Markhöhlen oder Spongiosa genannt). Im Knochenmark werden fast alle Blutzellarten des Menschen gebildet.

Im Durchschnitt besitzt ein Erwachsener etwa 2.600g Knochenmark, entsprechend 4,6% des Körpergewichts oder dem Gewicht der Leber. Etwa die Hälfte dieser Masse besteht aus rotem Knochenmark, der Rest hauptsächlich aus Fettmark. Im Knochenmark befinden sich circa 10% allen Blutes des Körpers.

Anatomischer Aufbau

Die inneren Hohlräume der Knochen sind mit einer feinen Schicht von Bindegewebe, dem Endost, überzogen; von ihr ausgehend werden die Hohlräume mit retikulärem Bindegewebe gefüllt. Dieses Gewebe wird mittels Adern ernährt, die in den Knochen eintreten (vasa nutrica) und sich dort zu langgestreckten Kavernen (Sinusoide) weiten. Die Wände dieser Kavernen werden von einem besonderen Gewebe gebildet, das zwar wie Epithel aussieht, aber aus Retikulumzellen gebildet wurde.

Aufgabe dieses Gewebes ist nicht nur die Versorgung des dahinter liegenden Gewebes, wie es jede Kapillarwand leistet, sondern zusätzlich auch, den dahinter produzierten Blutzellen eine Möglichkeit zu bieten, in das Blut überzutreten. Granulozyten, Monozyten und Thrombozyten werden dabei aktiv tätig, doch die Erytrozyten sind dazu nicht in der Lage, da es offensichtlich keine dauerhaften Lücken in der Aderwand gibt, die dafür geeignet wären. Deswegen vermutet man, dass die Retikulo-Endothelzellen auseinander weichen, wenn Erytrozyten in die Blutbahn abgegeben werden sollen. Zusätzlich müssen sich die Erytrozyten dabei vermutlich stark verformen, so dass dieser Vorgang zugleich einen Funktionstest für die fertigen Blutkörperchen darstellen würde.

Im Knochenmark finden sich übrigens keine Lymphgefäße.

Rotes Knochenmark

Nur im roten Knochenmark (lat.: medulla ossium rubra) finden sich die blutbildenden Zellen. Es handelt sich um etwa 400g, von denen jeweils 180g an der Erythropoese und der Leukopoese beteiligt sind. Die übrigen 40g entfallen auf Zellen, die Thrombozyten produzieren.
Während beim Säugling das rote Knochenmark überall im Knochen zu finden ist, konzentriert sich beim Erwachsenen das rote Knochenmark auf die platten Knochen und die Knochenschäfte der Röhrenknochen. In den gelenknahen Knochenteilen (den Diaphysen) wird das rote Knochenmark mit zunehmenden Alter durch Fettmark ersetzt. Doch auch innerhalb des roten Knochenmarks finden sich Fettzellen, von 35% in den Wirbelkörpern bis zu 75% in den Rippen.

Gelbes Knochenmark (Fettmark)

Im gelben Knochenmark (lat.: medulla ossium flava) sind besonders große Mengen Fett in die Retikulumzellen eingelagert, wodurch das Mark gelb wirkt. Gelbes Knochenmark kann keine Blutzellen produzieren, wird vom Körper aber bei starkem Blutverlust wieder zu rotem Knochenmark zurück gebildet.
Gelbes Knochenmark findet sich hauptsächlich in den gelenknahen Bereichen (Diaphysen) der Röhrenknochen.

Weißes Knochenmark (Gallertiges Knochenmark)

Bei dieser Variante des gelben Knochenmarks sind die Fetteinlagerungen durch Wasser ersetzt; daher das gallertige Aussehen. Weißes Knochenmark kann nicht mehr zu rotem Knochenmark rückgewandelt werden, es ist also eine degenerierte Form des Marks. Diese Variante tritt meist im Greisenalter oder bei Schwerkranken auf.

Blutbildung

Obwohl sich die Forscher lange Zeit stritten, ob die verschiedenen Blutzellen aus einer, zwei oder drei verschiedenen Stammzellen gebildet werden, scheint es heute so, als ob eine einzige Stammzelle der Ursprung aller Blutzellen ist: der Hämozytoblast. Durch Teilung entstehen aus ihm zwei Zellen: ein neuer Hämozytoblast und eine Vorläuferzelle, die der Beginn der Entwicklungsreihen Erythropoese, Granulopoese, Lymphopoese, Thrombozytopoese und Monozytopoese ist, an deren Ende jeweils die verschiedenen Blutzellarten stehen. Die Faktoren, die zu den unterschiedlichen Formen führen, sind bisher weitgehend unbekannt; nur dass eine Gruppe von Wirkstoffen, die Poetine, daran beteiligt ist, gilt als sicher.

Hämozytoblasten kommen nicht nur im Knochenmark vor, sondern finden sich auch in geringem Umfang im Blut. Beim Erwachsenen teilen sich diese Zellen nur noch selten.

Erythropoese

Wenn aus dem oben beschriebenen Teilungsvorgang ein Myeloblast hervorgeht werden neue Erythrozyten produziert. Dabei reift das Blutkörperchen in vier bis fünf Tagen vom Proerythroblast über den Erythroblast (auch Makroblast genannt) und dem Normoblast, der seinen Zellkern ausstößt, zum Retikulozyt. In ihm sind noch Reste der RNS zu erkennen, die netzförmig die Zelle durchziehen (Substantia granulofilamentosa). Etwa 0,8% dieser Retikulozyten gelangen bereits in die Blutbahn, obwohl sie erst die letzte Vorstufe zum "normalen" roten Blutkörperchen darstellen. Nach einem bis zwei Tagen sind auch die letzten Reste der RNS verschwunden, nun ist der Erythrozyt reif und wird in die Blutbahn ausgestoßen.
Aus jedem Proerythroblasten gehen in vier bis fünf Teilungsschritten 16 bis 32 Erythrozyten hervor. Davon sind normalerweise 10% bis 15% fehlgebildet und gehen zugrunde.

Granulopoese

Granulozyten entstehen, wenn sich die Vorläuferzelle zum Myeloblasten entwickelt, die sich wiederum in den Promyelozyten weiter entwickelt. Von dieser Stufe stammen wahrscheinlich nicht nur die Granulozyten ab, sondern auch die Monozyten (siehe weiter unten: Monozytopoese).
Metamyelozyten sind der direkte Vorläufer der drei Granulozytenarten und sind die nächste Stufe der Entwicklung. Bis der Promyelozyt sich so weit entwickelt hat vergehen vier bis sieben Tage, bis zu den reifen Endstadien der Granulozyten werden weitere vier bis sechs Tage vergehen. Aus einem Promyelocyten entstehen 16 reife Granulozyten.
Die Teilung des Promyelozyten führt zur ersten, noch unreifen Form der Granulozyten, die jetzt noch einen unsegmentierten Zellkern besitzen (Stabkerniger Granulocyt). In den nächsten Tagen entstehen drei bis vier Einschnürungen, die den Zellkern in Segmente teilen, die aber untereinander verbunden sind; der Zellkern wird nicht etwa zerteilt. Sobald diese Segmentierung abgeschlossen ist gilt der Granulozyt als reif (Segmentkerniger Granulocyt) und wird in die Blutbahn geschleust.

Monozytopoese

Wie der Granulozyt stammt auch der Monozyt vom Promyelozyten ab; zumindest wird die Vermutung durch enzymhistochemische Untersuchungen nahe gelegt. Sie werden ohne weitere Reifung aus dem Knochenmark ausgeschleust, können sich aber an anderen Stellen des Körpers in andere Zellarten des Retikulo-Endothelialen Systems, wahrscheinlich auch in Mastzellen, umwandeln.

Lymphopoese

Thrombozytopoese

Thrombozyten (Blutplättchen) sind Abschnürungen aus dem Plasma der Megakaryozyten (Knochenmarksriesenzellen), die sich bei diesem Vorgang verbrauchen. Dabei vereinigen sich die Trennwände von Teilen des Plasmalemms zu trennenden Wänden und Spalten. So wird der entstehende Thrombozyt mit einer Membran umgeben, bis er sich schließlich abschnürt.

Erkrankungen des Knochenmarks

Leukämie, Myelodysplastisches Syndrom, Neuroblastom, Osteomyelitis, Strahlenkrankheit

Wichtiger Hinweis: diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie enthält nur Erkrankungen, die in der Wikipedia abgehandelt werden.

Schädigende Medikamentenwirkstoffe

In Klammern: die Kennung der Roten Liste

Biguanide (B 25), Chlorambucil (C 18), Melphalan (C 18), Busulfan (C 18), Tioguanin (C 18), Chloramphenicol (C 20), Cyclophosphamid (C 75), Ifosamid (C 75), Trofosfamid (C 75), Carmustin (C 75), Lomustin (C 75), Mitobronitol (C 75), Vinblastin (C 75), Vincristin (C 75), Vindesin (C 75), Cisplatin (C 75), Etoposid (C 75), Teniposid (C 75), Hydantoin (H 40), Pyrazinamid (P 165)

Viele weitere Wikstoffgruppen, wie zum Beispiel die Sulfonamide, beeinträchtigen die Bildung von Leukozyten und Thrombozyten, ohne in dieser Aufzählung enthalten zu sein. Siehe hierzu Leokopenie und Thrombopenie.

Wichtiger Hinweis: diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit

Knochenmark-Spende (Transplantation)

Eine "Spende" blutbildender Stammzellen wird benötigt, wenn jemand z.B. an Leukämie ("Blutkrebs") erkrankt ist. Knochenmark kann dann transplantiert werden. Es wird aus den platten Knochen, in der Regel dem Beckenkamm, durch eine große Nadel von einem HLA-kompatiblen Spender extrahiert und dem Empfänger transfundiert.

Die Prozedur dauert zwischen einer halben und anderthalb Stunden. Das Risiko, dass es durch die Narkose oder durch das Punktieren dieses Knochenmarkraumes zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommt, liegt etwa bei eins zu 20.000, vergleichbar der Blutplättchenspende. Entnommenes Knochenmark regeneriert sich beim Spender innerhalb weniger Tage.

Ein kompatibler Spender kann durch Bluttests gefunden werden. Beim perfekten Spender passen die insgesamt sechs HLA-Typen genau zum Empfänger, wodurch die Transplantation in der Regel erfolgreich ist. Wenn nur vier oder fünf Merkmale passen, kann die Transplantation auch erfolgreich sein, die Wahrscheinlichkeit ist aber geringer.

Entgegen landläufiger Meinung muß bei der Knochenmarktransplantation die Blutgruppe zwischen Spender und Empfänger nicht übereinstimmen.

Literatur

  • Histologie, Zytologie und Mikroanatomie des Menschen von Helmut Leonardt, Thieme Verlag, ISBN 3-13-371506-2
  • Repetitorium der Histologie von Dr. W. Tackmann, Berlin (ohne ISBN)

siehe auch: Blut, HLA, Blutplättchenspende, Punktieren