Deutscher Werkbund

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Der Deutsche Werkbund (DWB) wurde 1907 als wirtschaftskulturelle „Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen“ auf Anregung von Hermann Muthesius in München gegründet.

Zielsetzung

Der Deutsche Werkbund zielte auf eine »Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk, durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen«. Unter Berufung auf einen moralisch fundierten Qualitätsbegriff suchte man eine neue Warenästhetik für die kunstgewerbliche Industrieproduktion zu etablieren, die sich bislang überwiegend mit Kopien und Adaptionen der alten handwerklichen Formvorbilder mit ihrer oft reichen Ornamentik begnügt hatte. Zentrales Anliegen war die Suche nach einer neuen durch „Zweck“, „Material“ und „Konstruktion“ bedingten Formgebung (auch als „Form follows function“ bekannt), die man auch als „Sachlichkeit“ bezeichnete – und die in den 1920er Jahren dann unter dem ToposNeue Sachlichkeit“ erneut thematisiert werden sollte. Diese Forderung nach einer technisch wie ästhetisch hochwertigen Qualitätsproduktion wurde in einen programmatischen Gegensatz gesetzt zu einer scheinbar nur am Profit orientierten bisherigen Praxis des industrialisierten Kunstgewerbe.

Um dem in diesem Zusammenhang beklagten Qualitätsverfall des Kunstgewerbes entgegenzuwirken, sollte nun eine den spezifischen Bedingungen der maschinellen Produktion adäquate Gestaltungsweise entwickelt werden, die sich insbesondere durch Ornamentlosigkeit und Schlichtheit der Formen auszeichnete, eben das, was heute als „Industrial Design“ bezeichnet wird. In den zahlreichen Publikationen und Ausstellungen des Werkbundes sollte dieser neuen Ästhetik durch beispielhafte Formgestaltungen von Gebrauchsgegenständen bei Konsumenten und Herstellern zugleich zu größerer Popularität verholfen werden.

Außerdem hoffte man unter dem expansiven Motto Vom Sofakissen zum Städtebau auch weit über die Industrieproduktion hinaus für die ganze Welt der alltäglichen Gebrauchsgegenstände einschließlich der Architektur einen damals sogenannten „modernen Stil unserer Zeit“ von epochaler Dauerhaftigkeit etablieren zu können. Im Hintergrund stand dabei die berühmte Prognose Gottfried Sempers, dass der Neuanfang in der Architektur nur vom Kunstgewerbe und den Kunstindustrien ausgehen könne. Entsprechend richte man hinsichtlich der Verbreitung der neuen Formen besondere Erwartungen an die marktbeherrschenden Kräfte der industriellen Massenproduktion und wünschte schließlich auf diesem Wege auch eine Art „Geschmackskartell“ aufzubauen (siehe dazu die Rede von Hermann Muthesius auf der Werkbundtagung in Köln 1914).

Geschichte

Übersicht

  • 1907 Gründung des Deutschen Werkbundes in München
  • 1914 Ausstellung: Industrielle Formgebung in Köln
  • 1924 Ausstellung: Industrielle Formgebung in Berlin
  • 1926 Herausgabe der Zeitschrift Die Form (bis 1934)
  • 1927 Ausstellung: Industrielle Formgebung in Stuttgart (Weißenhofsiedlung)
  • 1929 Ausstellung: Industrielle Formgebung in Breslau (WUWA)
  • 1932 Ausstellung: Werkbundsiedlung Wien
  • 1947 Neugründung nach föderalistischem Prinzip mit acht Landesbünden
  • 1952 Herausgabe der Zeitschrift Werk und Zeit
  • 1972 Gründung des Werkbundarchivs als Museum der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts im Martin-Gropius-Bau in Berlin

Von 1907 bis 1947

Am 5. und 6. Oktober 1907 trafen angesehene Künstler, Architekten, Kunsthandwerker, Industrielle, Kaufleute und Schriftsteller im Münchner Hotel Vier Jahreszeiten zusammen, die das Werk, also das Produkt ihrer Arbeit, in den Mittelpunkt ihres Denkens und Handelns stellten. Sie gaben sich den Namen „Werkbund“ und formulierten die Aufgaben in der Satzung: „Der Zweck des Bundes ist die Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen.“ Mit dieser Zielsetzung vertrat der Werkbund einen ethisch fundierten Qualitätsbegriff, der Materialgerechtigkeit, Zweckmäßigkeit, Gediegenheit und Nachhaltigkeit beinhaltete. Die Werkbund-Gründung war ein Protest gegen Historismus und Kulturverfall der menschlichen Umwelt – der Geräte und Möbel, der Wohnungen und Arbeitsstätten, der Häuser, Straßen, Städte und Landschaften. Sie war zugleich ein Aufruf zur künstlerischen, sittlichen und sozialen Erneuerung. Die Werkbundgründer sahen das entscheidende Problem in der Entfremdung des Produktes vom Schaffenden. Sie sahen auch, daß es notwendig war, diese Entfremdung innerhalb der industriellen Entwicklung zu überwinden. Bei der Formel „Veredelung der gewerblichen Arbeit“ ging es daher nicht nur um die Hebung der Qualität der Produkte, sondern auch um die „Veredelung“ des Arbeitsvorganges selbst.

Hermann Hesse schrieb 1912 über den Werkbund: „Im Deutschen Werkbund arbeiten Künstler mit Handwerkern und Fabrikanten zusammen und zwar gegen den Schund zugunsten der Qualitätsarbeit. Es ist etwa der Ruskinsche Gedankenkreis, aber moderner, praktischer und weniger eng determiniert. Es handelt sich um den Geschmack als moralische Angelegenheit, aber Moral ist hier gleichbedeutend mit Volkswirtschaft.“

Ein Höhepunkt in der Werkbund-Geschichte vor dem Ersten Weltkrieg war die große Ausstellung von 1914 in Köln. In den zwanziger Jahren hat das Bauhaus Ideen des Werkbundes aufgegriffen; Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe waren führende Mitglieder. Ein Meilenstein des Neuen Bauens war die Werkbund-Ausstellung „Siedlung am Weißenhof“ 1927 in Stuttgart, ihr folgte 1929 die Bauausstellung „Wohnung und Werkraum“ in Breslau. Von 1918 bis 1933 war Theodor Heuss Geschäftsführer und Vorstandsmitglied. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde die Satzung des Werkbund des nationalsozialistischen Vorstellungen angepasst. Entgegen späteren Legenden blieb der Werkbund aber bis 1938 unter eigenem Vorsitz bestehen und wurde erst dann aufgelöst.

Die Neugründung des Werkbundes erfolgte 1947. Dem föderalististischen Prinzip entsprechend entstanden in schneller Folge Landeswerkbünde, so der Werkbund Berlin.

100 Jahre Deutscher Werkbund

Zum 100-jährigen Bestehen des Deutschen Werkbunds zeigt das Architekturmuseum der Technischen Universität München in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte und Theorie der TU Darmstadt, dem Institut für Auslandsbeziehungen und der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne die seit langem erste große Gesamtdarstellung über den Deutschen Werkbund.[1]

Der Werkbund Bayern hat zum Jubiläum den Bau einer neuen Werkbundsiedlung in München, der Gründungsstadt des Werkbunds, initiiert. Über einen internationalen Architektenwettbewerb wurde der Entwurf des japanischen Architekten Kazunari Sakamoto als städtebauliches Konzept der Werkbundsiedlung „Wiesenfeld“ ausgewählt. Ab 2007 soll mit dem Bau der Wohnhäuser nach den Entwürfen von zwölf Architekturbüros begonnen werden.

Deutschlandweit veranstalten die einzelnen Mitglieder des Deutschen Werkbunds eine Vielzahl von Ausstellungen, Symposien und öffentlichen Tagungen.[2]

Die Bundesrepublik würdigt das Jubiläum durch die Herausgabe einer 55-Eurocent-Sonderbriefmarke, die am 11. Oktober 2007 erscheint.

Die Frage des Urheberschutzes

Der Werkbundgründung unmittelbar vorangegangen war eine Novellierung des Urheberrechtsgesetzes, so dass es zum ersten Mal möglich wurde, die Formerfindungen des Künstlers des Kunstgewerbes bzw. des neuentstehenden „Industrial Designs“ (etwa eines Peter Behrens) vor beliebiger Nachahmung zu schützen, wodurch die Künstler bzw. „Designer“ in rechtlicher Hinsicht zu einem gleichberechtigten Partner des industriellen Herstellers geworden waren. Der Werkbund suchte wie die neue Gesetzgebung zum Geschmacksmusterschutz eine Antwort auf die mit dem Jugendstil entstandene Problematik der Plagiate, die nicht nur etliche Künstler um die wirtschaftlichen Früchte ihrer entwerferischen Leistungen gebracht hatte, sondern in Augen vieler Kritiker auch dazu geführt hatte, dass der Jugendstil im Zusammenspiel mit den seit der Industrialisierung entfesselten Marktkräften als Modewelle ebenso rasch verebbte, wie die im 19. Jahrhundert vorausgegangenen Stilmoden. Die Stilmoden des Historismus suchten ihre Formvorbilder allerdings im historischen Material, weshalb die Frage nach den Rechten des Entwerfers an seinen Formen und Zeichen erst mit dem Jugendstil und der rasch anwachsenden industriellen Massenproduktion wirklich akut wurde. Dies ist immer noch ein wichtiges Handlungsfeld des Deutschen Werkbundes, dem sich Rido Busse mit seiner Initiave Plagiarius widmet. Das volkswirtschaftliche Schadensvolumen durch Plagiate und Produktnachahmungen wird allein in Deutschland auf 29 Milliarden Euro und 70.000 Arbeitsplätze beziffert.

Gründungsmitglieder

Gründungsmitglieder des Deutschen Werkbundes waren zwölf Künstler und zwölf Firmen.

Die Vorsitzenden des Deutschen Werkbundes

Siehe auch

Literaturhinweise

  • Tillmann Buddensieg, Hennig Rogge: Industriekultur Peter Behrens und die AEG 1907-1914, Gebr. Mann, Berlin 1993. ISBN 978-3786111559
  • Joan Campbell: Der Deutsche Werkbund 1907-1934. Übers. v. Toni Stolper. Klett-Cotta, Stuttgart 1981. ISBN 3-12-911980-9
  • Ulrich Conrads, Peter Neitzke (Hrsg.): Mensch und Raum. Das Darmstädter Gespräch 1951 mit den Vorträgen von Schwarz, Schweizer, Heidegger, Ortega y Gasset,Neuausgabe, Bauwelt-Fundamente 94, Vieweg, Braunschweig 1991. ISBN 978-3528087944
  • Armin Chodzinski: Kunst und Wirtschaft. Peter Behrens, Emil Rathenau und der dm drogerie markt. Berlin 2007.
  • Wend Fischer (Hrsg.); Neue Sammlung, München: Zwischen Kunst und Industrie, der Deutsche Werkbund. DVA, Stuttgart 1987. Sonderausgabe für den DWB ISBN 3-421-02890-7
  • Theodor Heuss: Was ist Qualität? Zur Geschichte und zur Aufgabe des Deutschen Werkbundes, Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins, Tübingen und Stuttgart 1951.
  • Ot Hoffmann (Hrsg.) im Auftrag des DWB: Der Deutsche Werkbund - 1907, 1947, 1987, Wilhelm Ernst&Sohn, Frankfurt 1987. ISBN 3-433-02268-2
  • Yuko Ikeda (Hrsg.): Vom Sofakissen zum Städtebau. Hermann Muthesius und der Deutsche Werkbund. Modern Design in Deutschland 1900-1927. Ausstellungskatalog. The National Museum of Modern Art, Kyoto 2002. ISBN 4-87642-165-X
  • Karl Ernst Osthaus Museum Hagen und Kaiser Wilhelm Museum Krefeld (Hrsg.): Das Schöne und der Alltag - Deutsches Museum für Kunst in Handel und Gewerbe. Ausstellungskatalog. Pandora Snoeck-Ducaju & Zoon, Gent 1997. ISBN 90-5325-090-5
  • Frederic J. Schwartz: Der Werkbund. Ware und Zeichen 1900-1914. Übers. v. Brigitte Kalthoff. Verl. der Kunst, Dresden 1999. ISBN 90-5705-116-8
  • Werkbund-Archiv (Hrsg.): Hermann Muthesius im Werkbundarchiv. Ausstellungskatalog. Berlin 1990.

Quellen

Einzelnachweise
  1. Ausstellung über den Deutschen Werkbund 2007 im Architekturmuseum der Technischen Universität München
  2. Offizielle Gesamtübersicht des Deutschen Werkbundes über die Veranstaltungen im Jahr 2007