Hirsvogelsaal
Der Hirsvogelsaal ist ein Bauwerk der Frührenaissance in der Hirschelgasse in Nürnberg. Es handelt sich dabei um eine 1534 durch Lienhard III. Hirschvogel, einen Nürnberger Fernhändler, vorgenommene Erweiterung seines gotischen Wohnhauses. Anlass des Baus war seine Heirat mit Sabine Welser aus Augsburg.
Geschichte
Ein Mitglied der Patrizierfamilie Hirschvogel, Lienhard Hirschvogel, erwarb 1531 ein dreigeschossiges, gotisches, Anwesen mit großem Garten in der Hirschelgasse 21 in Nürnberg und erweiterte es 1534, anlässlich seiner Heirat mit Sabine Welser aus Augsburg und wegen seiner vielfältigen gesellschaftlichen Ambitionen, an der Nordseite um einen rechteckigen Festsaal, den "Hirschvogelsaal" (Abmessungen 16x6,6 Meter). Schon 18 Monate nach der Heirat kehrte Sabine Welser in ihre Heimatstadt zurück, vielmehr wurde sie von Lienhard Hirschvogel zurückgeschickt, weil ihre Familie die vereinbarte Mitgift nicht bezahlte, woraufhin 1539 die Ehe wieder geschieden wurde. Aufgrund der skandalösen Scheidung und der damit verbundenen Schulden muss Lienhard Hirsvogel seine Heimatstadt verlassen. Nach dem Aussterben der Hirschvogel, im Jahr 1550, kam das komplette Anwesen 1555 an die Behaim, 1570 an die Rieter und 1731/32 an die Fürer. Nach häufigem Besitzerwechsel im 19. Jahrhundert erwarb schließlich die Stadt Nürnberg das Anwesen für 300.000 Mark. Vor der Vernichtung des Hirsvogelsaals im Zweiten Weltkrieg wurde die prachtvolle Innenausstattung, bestehend aus geschnitzten Wandvertäfelungen und dem Deckengemälde Der Sturz des Phaeton, ausgelagert und konnte dadurch gerettet werden. Während die Kunstwerke nach dem Krieg nur unzulänglich im Fembohaus ausgestellt werden konnten, sind sie heute Teil des im Jahr 2000 wiederaufgebauten, nach der auch früher gebrauchten Namensvariante benannten, "Hirsvogelsaals". Der neue Saal wurde, mehrere hundert Meter vom Originalstandort entfernt, im Garten des Tucherschlosses errichtet. (Hirschelgasse 9-11)
Künstlerische Innenausstattung
Der Saal wurde vom Kunsthistoriker Fritz Traugott Schulz als "die strengste und schönste Schöpfung der ganzen deutschen Frührenaissance" bezeichnet. Von der Raumausstattung sind die reich geschnitzte Wandvertäfelung und der steinerne Kamin bemerkenswert. Diese dem Nürnberger Künstler Peter Flötner zugeschriebenen Werke stellen die früheste bekannte Wanddekoration dar, die nördlich der Alpen im Stil der italienischen Renaissance geschaffen wurde. Geschnitzte Ornamente der Wanddekoration zeigen Embleme des ländlichen Alltags und der Jagd sowie nautische Instrumente und Musikinstrumente. Die Kunsthistorikerin Christa Schaper schreibt in ihrer Arbeit über den Hirsvogelsaal: “Die erlesenen Pilaster des Hirsvogel-Saales sind zu dem Schönsten zu rechnen, was zur Zeit der Frührenaissance diesseits der Alpen geschaffen wurde.” Bemerkenswert ist auch das Deckengemälde des Dürer-Schülers Georg Pencz [1]. Es handelt sich dabei um eines der frühesten illusionistisch angelegten Deckengemälde nördlich der Alpen. Es besteht aus 20 Leinwandbildern auf Keilrahmen. Sein bei den damaligen humanistisch gebildeten Patriziern beliebtes Bildthema, der "Sturz des Phaeton", sollte vor hochmütiger Selbstüberschätzung warnen.
Quellen
- Presseinformation der Stadt Nürnberg zum Wiederaufbau des Hirsvogelsaals
- Biografie des Lienhard Hirschvogel
- Texttafeln im Hirsvogelsaal
- ↑ Das Deckengemälde von Georg Pencz im Hirschvogelsaal zu Nürnberg - Mit Geschichte des Hirsvogelsaals
Literatur
- Christoph von Imhoff (Hrsg.): Berühmte Nürnberger aus neun Jahrhunderten. Nürnberg: Hofmann, 1984, 425 S., ISBN 3-87191-088-0; 2., erg. u. erw. Auflage, 1989, 459 S.; Neuauflage: Edelmann GmbH Buchhandlung, Oktober 2000.
- Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2. verb. Auflage. Nürnberg: Verlag W. Tümmels, 2000, 1247 S., ISBN 3-921590-69-8.
Siehe auch
Weblink
Koordinaten: 49° 27′ 28,5″ N, 11° 5′ 2,8″ O