Steinunn Refsdóttir

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Steinunn Refsdóttir oder Steinunn Dálksdóttir (* im 10. Jahrhundert; † nach 999) war eine isländische Dichterin. Sie ist aus mehreren altisländischen Quellen bekannt.

Überlieferung

Den genealogischen Aufzählungen der Landnámabók zufolge waren Finna Skaftadóttir, eine Enkelin des Landnehmers Þórðr gnúpa, ihre Mutter und Refr inn mikli („Fuchs der Große“) ihr Vater;[1] in einer Handschrift heißt sie jedoch Steinunn Dálksdóttir („Tochter von Dálkr“).[2] Statt Steinunn gibt eine der Handschriften der Njáls saga ihren Namen fälschlich als Steinvǫr an;[3] es handelt sich vermutlich um einen Schreibfehler, möglicherweise auch um eine Verwechslung mit der späteren Dichterin Steinvǫr Sighvatsdóttir. Steinunn stammte aus einer Familie von Goden[4] und heiratete Gestr Björnsson, einen Nachfahren der Goden von Hofgarðar.[5] Steinunn und Gestr lebten in Hofgarðar und hatten einen gemeinsamen Sohn,[6] der Hofgarða-Refr Gestsson oder Skáld-Refr („Skalden-Fuchs“) genannt wurde; von ihm sind ebenfalls Skaldenstrophen überliefert.[7]

Am ausführlichsten erzählt die Brennu Njáls saga von Steinunn.[8] Dieser Isländersaga zufolge trat sie, vermutlich im Jahr 999,[9] dem christlichen Missionar Þangbrandr, der zur Christianisierung Islands ausgesandt worden war, wie eine heidnische Priesterin[10] oder Missionarin[11] entgegen und dichtete im Rahmen ihres Streitgespräches die folgenden zwei Strophen im Dróttkvætt[12] über einen zuvor erwähnten Schiffbruch des Missionars:

Braut fyrir bjǫllu gæti,
bǫnd ráku val strandar,
mǫgfellandi mellu,
móstalls, vísund allan;
hlífðit Kristr, þá er kneyfði
knǫrr, málmfeta varra;
lítt ætla ek, at guð gætti
Gylfa hreins at einu.

Þórr brá Þvinnils dýri
Þangbrands ór stað lǫngu,
hristi buss ok beysti
barðs ok laust við jǫrðu;
munat skíð of sæ síðan
sundfœrt Atals grundar,
hregg því at hart tók leggja,
hánum kent, í spánu.

„Der Töter-des-Verwandten-der-Riesin (= Þórr) brach den ganzen Wisent-der-Möwenkrippe (= Schiff) des Glockenwächters (= Priester, also Þangbrandr), die Götter zerstörten den Falken-des-Strandes (= Schiff); Christus schützte nicht den Erztreter-des-Kielwassers (= Schiff), als das Schiff zerdrückt wurde; kaum, denke ich, wachte Gott über Gylfis Rentier (= Schiff).
Þórr bewegte das lange Tier-des-Þvinnill (= Schiff) des Þangbrandr davon, schüttelte und schlug den Buchs des Stevens (= Schiff)[13] und schmetterte ihn auf die Erde; seither wird der Ski-des-Bodens-des-Atall (= Schiff) nicht mehr auf der See schwimmen, denn ein heftiger Sturm, von ihm (= Þórr) verursacht, zerlegte ihn in Späne.“

Steinunn Refsdóttir[14][15]

In der Kristni saga ist die Reihenfolge der zwei Strophen umgekehrt.[16]

Þórr erscheint in Steinunns Dichtung als aktiv handelnde Kraft hinter dem Schiffbruch, während Gott und Christus untätig bleiben.[17] Die Verse der lausavísa mit ihren zahlreichen Kenningar zeigen Steinunns umfangreiche Kenntnis der älteren Skaldendichtung[18] – zum Beispiel erinnert die Kenning bjǫllu gætir (Glockenwächter = Priester) in ironischer Weise an mit gætir gebildete Kenningar über Krieger und Könige[19] – und bilden eine spöttische Umkehrung des skaldischen Motivs der erfolgreichen Seereise.[20][21]

Literatur

  • Judith Jesch: Women in the Viking Age. Woodbridge 1991, S. 166–167 (englisch).

Einzelnachweise

  1. Landnámabók (Sturlubók). Kap. 27 (isländisch, snerpa.is).
  2. Declan Taggart: Stealing His Thunder. An Investigation of Old Norse Images of Þórr. In: Saga-Book. Band 41, 2017, S. 129, JSTOR:48611710 (englisch).
  3. Einar Ól. Sveinsson (Hrsg.): Brennu-Njáls saga (= Íslenzk Fornrit. Band 12). Reykjavík 1954, S. 265 (isländisch, Anmerkung 2).
  4. Siân Grønlie (Hrsg.): Íslendingabók. Kristni saga. The Book of the Icelanders. The Story of the Conversion (= Viking Society for Northern Research. Text Series. Band 18). London 2006, S. 65 (englisch, PDF – Anmerkung 56).
  5. Steinunn Refsdóttir. In: skáld.is. Abgerufen am 11. Januar 2023 (isländisch).
  6. Finnur Jónsson: Den oldnorske og oldislandske litteraturs historie. Første bind. 2. Auflage. Kopenhagen 1920, S. 501 (digitalisiert).
  7. Edith Marold: Hofgarða-Refr Gestsson. In: Kari Ellen Gade und Edith Marold (Hrsg.): Poetry from Treatises on Poetics (= Skaldic Poetry of the Scandinavian Middle Ages. Band 3). 2017, S. 243 (englisch, Skaldic Project).
  8. Einar Ól. Sveinsson (Hrsg.): Brennu-Njáls saga (= Íslenzk Fornrit. Band 12). Reykjavík 1954, Kapitel 102, S. 265–267 (altnordisch).
  9. Vgl. Sandra Ballif Straubhaar: Old Norse Women's Poetry: The Voices of Female Skalds. D. S. Brewer, Cambridge 2011, S. 18 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Vgl. Zoe Borovsky: Never in Public: Women and Performance in Old Norse Literature. In: The Journal of American Folklore. Band 112, Nr. 443, 1999, S. 7, JSTOR:541400 (englisch).
  11. Vgl. Siân Grønlie: „No Longer Male and Female“: Redeeming Women in the Icelandic Conversion Narratives. In: Medium Ævum. Band 75, Nr. 2, 2006, S. 293, JSTOR:43632766 (englisch).
  12. Steinunn Refsdóttir. In: skáld.is. Abgerufen am 11. Januar 2023 (isländisch).
  13. Vgl. Wilhelm Heizmann: Wörterbuch der Pflanzennamen im Altwestnordischen (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 7). Berlin / New York 1993, S. XX, doi:10.1515/9783110887686.xiii.
  14. Einar Ól. Sveinsson (Hrsg.): Brennu-Njáls saga (= Íslenzk Fornrit. Band 12). Reykjavík 1954, S. 265–266 (altnordisch, Kapitel 102; mit Erklärung der Kenningar in den isländischen Fußnoten).
  15. Sandra Ballif Straubhaar: Old Norse Women's Poetry: The Voices of Female Skalds. D. S. Brewer, Cambridge 2011, S. 19 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – mit englischer Übersetzung).
  16. Siân Grønlie (Hrsg.): Íslendingabók. Kristni saga. The Book of the Icelanders. The Story of the Conversion (= Viking Society for Northern Research. Text Series. Band 18). London 2006, S. 43–44 (englisch, PDF).
  17. Siân Grønlie (Hrsg.): Íslendingabók. Kristni saga. The Book of the Icelanders. The Story of the Conversion (= Viking Society for Northern Research. Text Series. Band 18). London 2006, S. xli (englisch, PDF).
  18. Zoe Borovsky: Never in Public: Women and Performance in Old Norse Literature. In: The Journal of American Folklore. Band 112, Nr. 443, 1999, S. 9, JSTOR:541400 (englisch).
  19. Valgerður Erna Þorvaldsdóttir: Kátlegar kenningar. Um gamansemi dróttkvæðaskálda. In: Són. Tímarit um óðfræði. Band 2, 2004, S. 24, 26–27 (isländisch, Tímarit.is).
  20. Siân Grønlie (Hrsg.): Íslendingabók. Kristni saga. The Book of the Icelanders. The Story of the Conversion (= Viking Society for Northern Research. Text Series. Band 18). London 2006, S. 65 (englisch, PDF – Anmerkung 57).
  21. Judith Jesch: Women in the Viking Age. Woodbridge 1991, S. 167 (englisch).