Fermat-Punkt

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Erster Fermat-Punkt
Erster Fermat-Punkt

Der erste Fermat-Punkt und der zweite Fermat-Punkt, benannt nach dem französischen Richter und Mathematiker Pierre de Fermat, gehören zu den besonderen Punkten eines Dreiecks. Der erste Fermat-Punkt ist derjenige Punkt, für den die Summe der Abstände zu den drei Eckpunkten minimal ist.

Beide Fermat-Punkte sind isogonal konjugiert zu den beiden isodynamischen Punkten. Sie liegen auch auf der Kiepert-Hyperbel. In der einschlägigen Literatur wird der wesentlich bekanntere erste Fermat-Punkt meist als Fermat-Punkt bezeichnet.

Es war vermutlich das Jahr 1646, als Fermat das Manuskript „MAXIMA ET MINIMA“ verfasste,[1] indem er an die Gelehrten seiner Zeit die folgende Aufgabe stellte:[2]

Datis tribus punctis, quartum reperire, a quo si ducantur tres rectæ ad data puncta,summa trium harum rectarum sit minima quantitas

Gegeben sind drei Punkte, gesucht ist ein vierter Punkt, so dass die Summe seiner Abstände von den drei gegebenen Punkten ein Minimum wird.

Noch im selben Jahr fand Evangelista Torricelli drei elementare Lösungen, die Torricellis Schüler Vincenzo Viviani, zusammen mit einer eigenen, im Jahre 1659 veröffentlichte.[2]

Torricelli lieferte u. a. eine geometrische Lösung (Bild 1, 3 und 4), die mit Zirkel und Lineal darstellbar ist. Die Umkreise der drei gleichseitigen Dreiecke, errichtet über die Seiten des Ausgangsdreiecks (Standortdreieck), schneiden sich in einem Punkt. Der auf diese Art und Weise generierte Fermat-Punkt wird auch Torricelli-Punkt genannt.[3] Seine Methode eignet sich übrigens sowohl für den ersten Fermat-Punkt als auch für den zweiten Fermat-Punkt (Bild 5, 7 und 8).

Schließlich bewies Thomas Simpson, daß die drei Linien, die von je einem der gleichseitigen Dreiecke zu der gegenüberliegenden Ecke des Standortdreiecks verlaufen, sich in dem Torricelli-Punkt treffen.[3] Diese drei Linien werden deshalb auch die Simpson-Linien genannt.

Erster Fermat-Punkt

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Bereits im Jahr 1647 zeigte Bonaventura Cavalieri: Wenn alle Winkel des Dreiecks kleiner als 120° sind, dann ist der erste Fermat-Punkt des Dreiecks derjenige Punkt im Inneren des Dreiecks, von dem aus alle drei Seiten unter einem 120°-Winkel gesehen werden (Bild 1 und 4);[3] dies bedeutet

(1) 

Eigenschaften 1

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  • Sind alle Winkel des gegebenen Dreiecks kleiner als 120° (Bild 1 und 4), so ist der erste Fermat-Punkt derjenige Punkt, für den die Summe der Entfernungen von den Ecken des Dreiecks (also die Summe ) den kleinstmöglichen Wert annimmt.
Der Beweis dieser Tatsache stammt von dem Italiener Evangelista Torricelli. Daher spricht man gelegentlich auch vom Fermat-Torricelli-Punkt.
  • Ist dagegen einer der Winkel des Dreiecks größer oder gleich 120° (Bild 3), dann ist die Lösung gerade der Punkt, in dem sich dieser Winkel befindet,[4] d. h. der erste Fermat-Punkt stimmt mit dem Scheitel des 120°-Winkels überein.
  • Bei einem gleichseitigen Dreieck (Bild 4) entspricht der erste Fermat-Punkt dem Inkreismittelpunkt.
  • Der erste Fermat-Punkt liegt auf der Kiepert-Hyperbel.

Über den Seiten eines gegebenen Dreiecks errichtet man die drei gleichseitige Dreiecke und , im Folgenden mit Aufsatzdreiecke bezeichnet. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, um den ersten Fermat-Punkt zu bestimmen (beide Möglichkeiten sind in den Bildern 1, 3 und 4 eingearbeitet):

A) Man verbindet die neu dazu gekommenen Punkte und mit den gegenüberliegenden Ecken des Dreiecks (also mit und ), so schneiden sich diese Verbindungsstrecken in einem Punkt Dieser wird als erster Fermat-Punkt des Dreiecks bezeichnet.

B) Man ermittelt die Umkreise der drei Aufsatzdreiecke. Sie liefern als Schnittpunkt den ersten Fermat-Punkt , wie oben in Geschichtliches beschrieben, auch Torricelli-Punkt genannt.

Die Darstellung des ersten Fermat-Punktes auf der Kiepert-Hyperbel (Bild 2) ist eine Weiterführung der Konstruktion (Bild 1). Ist der erste Fermat-Punktes des Ausgangsdreiecks (Startdreieck) bestimmt, werden über dessen drei Seiten gleichschenklige ähnliche Dreiecke (gleiche Basiswinkel) und nach außen errichtet. Nach dem Einzeichnen des Kiepert-Dreiecks [5] folgen die Geraden und (gestrichelte Linien, hellblau). Die drei Geraden schneiden sich im Perspektivitätszentrum . Abschließend kann die Kiepert-Hyperbel auch alternativ mithilfe der verwendeten Dynamische-Geometrie-Software (DGS) durch Eingabe des Befehls Kegelschnitt generiert werden.[6]

Bild 1: Allgemeines Dreieck, erster Fermat-Punkt bzw. Torricelli-Punkt
Bild 2: Startdreieck , Kiepert-Dreieck: , Perspektivitätszentrum ,
Fermat-Punkt (hellblau), gleich große Basiswinkel (grün), Kiepert-Hyperbel (rot)
Bild 3: Dreieck, Winkel ≥120°, erster Fermat-Punkt bzw. Torricelli-Punkt liegt auf Scheitel ≥120°
Bild 4: Gleichseitiges Dreieck, erster Fermat-Punkt bzw. Torricelli-Punkt auch Inkreismittelpunkt

Der erste Fermat-Punkt findet in der Wirtschaftsmathematik, speziell in der Standortplanung Anwendung. Angenommen drei Unternehmen wollen ein Zentrallager derart bauen, dass die Transportkosten zu diesem Zentrallager minimal sind. Das Zentrallager müsste an der Stelle des Fermat-Punkts gebaut werden, wenn man sich die Lage der drei Unternehmen als Dreieck vorstellt, da für den Fermat-Punkt die Summe der Abstände zu den Ecken des Dreiecks minimal ist (wobei alle Winkel im Dreieck kleiner als 120° sein müssen).

Zweiter Fermat-Punkt

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Für den zweiten Fermat-Punkt (Scheitel) in einem Dreieck ohne Innenwinkel gleich (Bild 4) gilt:

und

Eigenschaften 2

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  • Der zweite Fermat-Punkt besitzt, im Gegensatz zum ersten Fermat-Punkt , im Allgemeinen nicht die Minimumeigenschaft (siehe Eigenschaften 1 und Bild 4). Er erfüllt sie nur dann, wenn er mit einem der Eckpunkte des Ausgangsdreiecks zusammen fällt.[7]
  • Besitzt das Dreieck einen 60°-Winkel (Bild 5), dann entspricht der zweite Fermat-Punkt dem Scheitel des 60°-Winkels.
  • Ist das Dreieck gleichseitig (Bild 6), ist es kongruent zu den drei (gleichseitigen) Aufsatzdreiecken, d. h. die vier Dreiecke liegen übereinander, somit entspricht und Infolgedessen kann jeder der drei Eckpunkte oder quasi ein zweiter Fermat-Punkt sein.
  • Der zweite Fermat-Punkt liegt auf der Kiepert-Hyperbel

Der zweite Fermat-Punkt eines Dreiecks ergibt sich nach der gleichen Konstruktion wie der des ersten Fermat-Punktes nur muss man die drei Aufsatzdreiecke und jeweils nicht „nach außen“ über den Dreiecksseiten errichten, sondern „nach innen“. Die Umkreise der drei Aufsatzdreiecke schneiden sich in diesem Fall im Fermat-Punkt bzw. Torricelli-Punkt .

Die Darstellung des zweiten Fermat-Punktes auf der Kiepert-Hyperbel (Bild 6) ist eine Weiterführung der Konstruktion (Bild 5). Sie ist analog der, die im Abschnitt Konstruktion 1 beschrieben ist[5].

Bild 5: Allgemeines Dreieck, zweiter Fermat-Punkt bzw. Torricelli-Punkt
Bild 6: Startdreieck , Kiepert-Dreieck: , Perspektivitätszentrum ,
Fermat-Punkt (hellblau), gleich große Basiswinkel (grün), Kiepert-Hyperbel (rot)
Bild 7: Dreieck, Innenwinkel 60°, zweiter Fermat-Punkt bzw. Torricelli-Punkt liegt auf Scheitel 60°
Bild 8: Gleichseitiges Dreieck, zweiter Fermat-Punkt bzw. Torricelli-Punkt liegt auf A, B oder C

Wir nutzen in Lemma 1 und Lemma 2 die Eigenschaften von Vektoren und ihrem Skalarprodukt in der euklidischen Ebene.

Geometrisch bedeutet die Bedingung für die Vektoren, dass die skalierten Vektoren ein gleichseitiges Dreieck der Seitenlänge 1 bilden, dessen Außenwinkel den Winkeln zwischen den Vektoren entsprechen.
In gleichseitigen Dreiecken gilt:
Innenwinkel (grün) betragen
Außenwinkel (rot) betragen
Für alle Vektoren ist
äquivalent zu der Aussage, dass
jeweils einen Winkel von 120° zueinander haben.
Beweis von Lemma 1
Wir definieren Einheitsvektoren durch
und bezeichnen mit den Winkel zwischen den zwei Einheitsvektoren .
Dann haben wir zum Beispiel
,
also , genauso für die anderen Punktepaare.
So bekommen wir und die Werte des inneren Produkts als
Damit erhalten wir
Umgekehrt, wenn Einheitsvektoren einen Winkel von 120° zueinander haben, erhält man
Deshalb erhalten wir
Q.e.d.
Für alle Vektoren und gilt
Beweis von Lemma 2
Das folgt aus der für alle Vektoren geltenden Cauchy-Schwarzsche Ungleichung durch Einsetzen von Q.e.d.

Wenn im Dreieck alle Innenwinkel kleiner als 120° sind, können wir den Fermat-Punkt im Inneren des Dreiecks konstruieren. Dann setzen wir

Wenn der Fermat-Punkt ist, dann gilt per Definition so dass wir die Gleichung aus Lemma 1 bekommen.

Aus Lemma 2 sehen wir, dass

Aus diesen drei Ungleichungen und der Gleichung von Lemma 1 folgt

Dies gilt für jeden Punkt X in der euklidischen Ebene. Damit haben wir gezeigt: wenn X = , dann wird der Wert minimal. Q.e.d.

Der folgende Beweis für Dreiecke mit Innenwinkeln kleiner als stammt von Joseph Ehrenfried Hofmann, aus seinem im Jahr 1929 erschienenen Artikel Elementare Lösung einer Minimumsaufgabe in der Zeitschrift für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht.[8] Wenn auch weniger bekannt als die klassischen, analytischen Beweise, so überzeugt er doch durch seine Einfachheit und Nachvollziehbarkeit.

Der Ansatz ist die Rotation (Koordinatentransformation) eines beliebigen Punktes innerhalb eines Dreiecks mit dem Zentrum (Koordinatenursprung) Als Definition der Funktion in der Ebene gilt

[9]

Ist der Punkt des Dreiecks das Zentrum und der Rotationswinkel , ergibt sich (Bild 6)

und
Bild 6: Hofmann-Beweis des ersten Fermat-Punktes, gebrochene Linie
Bild 7: Hofmann-Beweis des ersten Fermat-Punktes, kürzest mögliche Länge, siehe Animation

Aufgrund der gleichseitigen Dreiecke und sowie der deckungsgleichen Dreiecke und (zweiter Kongruenzsatz SWS) kann man folgern

Mit Worten: steht für die Summe der drei Abstände, d. h. für die Länge der gebrochenen Linie Sie ist gleich lang wie die Summe der Verbindungslinien von zu den Ecken des Dreiecks

Die kürzest mögliche Länge von wird erreicht, wenn die Punkte und auf einer gemeinsamen Geraden liegen, denn dadurch ergibt sich (Bild 7)

und

wegen

oder wegen auf Umkreis des [8] (Kreiswinkelsatz mit Mittelpunktswinkel )

folgt

folglich ist auch

Setzt man für gleich (Bild 1), ist damit bewiesen

(1)
Fermat-Punkte ( und )
Trilineare Koordinaten
Baryzentrische Koordinaten
  • Joseph Ehrenfried Hofmann: Elementare Lösung einer Minimumsaufgabe. In: Zeitschrift für den mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht. Band 60, 1929, S. 22–23.
  • Harold Scott MacDonald Coxeter: Unvergängliche Geometrie. (= Wissenschaft und Kultur. Band 17). Birkhäuser, Basel/Stuttgart 1963, S. 39–39.
  • Hans Schupp: Elementargeometrie (= Uni-Taschenbücher. 669 Mathematik). Schöningh, Paderborn 1977, ISBN 3-506-99189-2, S. 79–82.
  • Hans Schupp: Figuren und Abbildungen (= Studium und Lehre Mathematik). Franzbecker, Hildesheim 1998, ISBN 3-88120-288-9, S. 54–55.

Einzelnachweise

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  1. Pierre de Fermat: Œvres de Fermat. Tom Premier. Œvres math ́ematiques diverses. — Observations sur Diophante. (PDF) MAXIMA ET MINIMA. Universität Michigan Library Digital Collections, 1841, S. 153, abgerufen am 8. September 2019.
  2. a b Ulrich Eckhardt: Kürzeste Wege und optimale Standorte – Von Industriestandorten, Bomben und Seifenblasen. (PDF) 2.1 Die Aufgabe von Fermat. Universität Hamburg Department Mathematik, 11. April 2008, S. 13, abgerufen am 8. September 2019.
  3. a b c Ulrich Eckhardt: Kürzeste Wege und optimale Standorte – Von Industriestandorten, Bomben und Seifenblasen. (PDF) 2.1 Die Aufgabe von Fermat. Universität Hamburg Department Mathematik, 11. April 2008, S. 15, abgerufen am 8. September 2019.
  4. Ulrich Eckhardt: Kürzeste Wege und optimale Standorte – Von Industriestandorten, Bomben und Seifenblasen. (PDF) 2.1 Die Aufgabe von Fermat. Universität Hamburg Department Mathematik, 11. April 2008, S. 14, abgerufen am 8. September 2019.
  5. a b Haben die drei Aufsatzdreiecke – wie dargestellt – je zwei Basiswinkel gleich 30°, so ist das Kiepert-Dreieck gleichseitig.
  6. Hans Walser: Bewegte Figuren. 8.1 Kiepert-Hyperbel. 13. April 2023, abgerufen am 30. September 2024.
  7. Tasja Werner: Der Fermatpunkt – eine Erweiterung der Schulgeometrie. (PDF) 7.4 Der 2. Fermatpunkt. Universität Bremen, Fachbereich Mathematik / Informatik, 21. April 2008, S. 51, abgerufen am 8. September 2019.
  8. a b H.S. Coxeter: Unvergängliche Geometrie, Dreiecke. Springer Basel, 1981, ISBN 978-3-0348-5152-7, S. 38 Google
  9. Peter Andree: Der Punkt von Fermat. (PDF) 9.3 Der Hofmann–Beweis. Die Rotation und der Punkt von Fermat. Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e. V., 15. Januar 2004, S. 4, abgerufen am 15. September 2019.