Circumcisionsstil

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Der Circumcisionsstil (auch Zirkumzisionsstil) ist ein kirchlicher Kalenderstil, demzufolge das Jahr mit dem 1. Januar beginnt. Die Bezeichnung war bis ins 19. Jahrhundert gebräuchlich und leitete sich von dem Fest der Beschneidung des Herrn (circumcisio Domini) ab.

Geschichte

Mittelalter

Die römisch-katholische Kirche polemisierte zunächst gegen den 1. Januar als Jahresbeginn. Sie begann das Jahr meist am 25. Dezember (Weihnachten, daher Nativitätsstil), Das Konzil von Tours verbot 567 die traditionellen Feiern zum 1. Januar. Seit dem 6. Jahrhundert wurde stattdessen an diesem Tag das Fest der „Beschneidung des Herrn“ (Circumcisio Domini) begangen.

In England war der Circumcisionsstil zwischen 1066 und 1155 zum Teil gebräuchlich, in Neapel um von 1266 bis 1284 durchgehend. Die königliche Kanzlei von Rudolf I. verwendete ihn von 1273 bis 1291, ebenso die von Ludwig dem Bayern zwischen 1314 und 1323, die Kanzleien der anderen deutschen Könige und Kaiser verwendeten fast ausschließlich den Nativitätsstil.[1]

Das Bistum Münster führte 1313 den 1. Januar als Jahresbeginn ein, die Kanzlei der Stadt Frankfurt am Main von 1338 bis 1484 durchgehend, im 14. Jahrhundert zuweilen in Kurmainz, Meißen, Thüringen, ab etwa 1450 die polnische Königskanzlei. Der verbreitete Jahresanfang blieb jedoch der 25. Dezember, seltener der 25. März (Verkündigung des Herrn, daher Annuntiationsstil) oder regional andere Tage.

Neuzeit

Erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts setzte sich der 1. Januar als Jahresanfang in Deutschland fast überall durch, ebenso in Frankreich, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und weiten Teilen der Schweiz, im frühen 17. Jahrhundert dann auch im Erzbistum Trier. Die päpstliche Kanzlei verwendete ihn ab 1621, Papst Innozenz XII. ab 1691 für seine Bullen.

1700 legte Zar Peter der Große für Russland den 1. Januar als Jahresbeginn fest, 1764 England, 1797 die Republik Venedig. In den folgenden Jahrhunderten wurde der 1. Januar auch in vielen Ländern außerhalb Europas der erste Tag des Jahres, so seit 1873 in Japan.

Literatur

  • Hermann Grotefend: Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit. Band 1. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1891. S. 22–24. erweitere Fassung
  • Friedrich Karl Ginzel: Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie. Das Zeitrechnungswesen der Völker. III. Band: Zeitrechnung der Makedonier, Kleinasier und Syrer, der Germanen und Kelten, des Mittelalters, der Byzantiner (und Russen), Armenier, Kopten, Abessinier, Zeitrechnung der neueren Zeit, sowie Nachträge zu den drei Bänden. Leipzig 1914. Seiten 157–159.
  • Anna-Dorothee von den Brincken: Anno Domini 1308. Anmerkungen zur Zeitrechnung. In: Andreas Speer, David Wirmer (Hrsg.): 1308. Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit. (Reihe Miscellanea Mediaevalia). Walter de Gruyter, Berlin, New York 2010. S. 3–12, hier S. 11.

Einzelnachweise

  1. Harry Bresslau: Handbuch der Urkundenlehre in Deutschland und Italien. Zweiter Band. 2./3. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 1958. S. 431