„Glauben“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|behandelt ''Glaube'' im allgemeinen Sinne des Fürwahrhaltens. Zum religiösen Sinn siehe [[Glaube (Religion)]]. Zum deutschen Koch siehe [[Jörg Glauben]].}}
{{Dieser Artikel|behandelt ''Glauben'' im allgemeinen Sinne des Fürwahrhaltens. Zum religiösen Sinn siehe [[Glaube (Religion)]]. Zum deutschen Koch siehe [[Jörg Glauben]].}}
'''Glaube''' oder '''Glauben''' im weitesten Sinne umfasst jede Art des Fürwahrhaltens, also anzunehmen, dass etwas [[Wahrheit|wahr]] oder [[wahrscheinlich]] ist. Der Begriff wird jedoch oft in einem engeren Sinn verwendet als ein Fürwahrhalten, das im Kontrast zu bloßer [[Meinung]] und zum [[Wissen]] zwar subjektiv, aber nicht objektiv [[Begründung|begründet]] ist. Es besteht Uneinigkeit darüber, was die wesentlichen Merkmale von Glauben sind: ''[[#Repräsentationalismus|Repräsentationalisten]]'' identifizieren Glaubenshaltungen mit [[propositionale Einstellung]]en gegenüber Repräsentationen, während ''[[#Funktionalismus|Funktionalisten]]'' deren kausale Rolle als wesentlich ansehen und ''[[#Interpretationismus|Interpretionalisten]]'' die Abhängigkeit zu der Interpretation durch jemand anderen in den Vordergrund stellen.


Unter '''Glauben''' versteht man ein Fürwahrhalten ohne methodische Begründung.<ref>''Glauben''. In: Brockhaus, Band 8. 1989.</ref> Glauben in diesem Sinne bedeutet, dass ein [[Sachverhalt]] für anscheinend ([[Hypothese|hypothetisch]]) [[Wahrheit|wahr]] oder [[wahrscheinlich]] gehalten wird. Darin unterscheidet sich „Glauben“ im weiteren Sinne einerseits vom [[Glaube (Religion)|religiösen Glauben]] im engeren Sinne, indem der religiöse Glaube auf dem [[Vertrauen]] auf [[Autorität]] oder [[Überlieferung]] beruht und die absolute Wahrheit des Glaubensinhalts (z.&nbsp;B. der [[Gott#Existenz|Existenz Gottes]]) unterstellt; andererseits unterscheidet sich Glauben von [[Wissen]], das als wahre und gerechtfertigte [[Tatsache]] verstanden werden kann.
Der Begriff des Glaubens wird auf verschiedene Arten von mentalen Einstellungen angewendet, die anhand einiger grundlegender Unterscheidungen kategorisiert werden können. ''Okkurrente'' Glaubenszustände sind entweder bewusst oder auf andere Weise kausal aktiv, während ''dispositionelle'' Glaubenszustände momentan inaktiv sind. Bei ''vollständigen'' Glaubenshaltungen wird etwas uneingeschränkt für wahr gehalten, während ''partielle'' Glaubenshaltungen einen Gewissheitsgrad im Bezug auf Wahrscheinlichkeit beinhalten. In der Hauptbedeutung wird Glaube als ''Glaube-dass'' angesehen, also als eine mentale Einstellung zu einer [[Proposition (Psychologie)|Proposition]] oder einem [[Sachverhalt]]. Dem steht die Verwendung als ''Glaube-an'' gegenüber, bei der es sich oft um ein Vertrauen zu einer Person oder um eine Einstellung zur Existenz von etwas handelt. Dieser Sinn spielt eine zentrale Rolle im [[Glaube (Religion)|religiösen Glauben]] bezüglich des ''Glaubens an einen [[Transzendenz|transzendenten]] Daseinsbereich'' (etwa [[Gott]], [[Heilig]]es, [[Numen|Numinoses]], [[Dao]] u.&nbsp;a.). Es gibt verschiedene Theorien darüber, wie der Inhalt eines Glaubenszustands von den Inhalten anderer Glaubenszustände derselben Person abhängt. ''Atomisten'' leugnen solche Abhängigkeitsbeziehungen, ''Molekularisten'' beschränken sie auf eng verwandte Glaubenszustände, während ''Holisten'' der Meinung sind, dass sie zwischen beliebigen Glaubenszuständen bestehen können. ''Externalisten'' nehmen an, dass die Glaubensinhalte einer Person von deren Beziehung zur Umgebung abhängen, während ''Internalisten'' der Meinung sind, dass sie ausschließlich dadurch bestimmt sind, was im Kopf dieser Person vor sich geht.


Demgegenüber steht die „bloße“ [[Meinung]], der sowohl subjektiv als auch objektiv eine [[Hinreichende und notwendige Bedingung|hinreichende]] [[Begründung]] fehlt. (In der [[Erkenntnistheorie]] werden ''Meinung'' und ''Glauben'' jedoch auch bedeutungsgleich verwendet.)<ref>Hans Rott: ''Meinen und Wissen'', Version 6, Regensburg 2002, [https://www.uni-regensburg.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=26014&token=081629fb527fc663ef385c68f835fb85ce926f05 online] abgerufen am 10. April 2023, S. 4.</ref>
Der Glaube spielt eine zentrale Rolle in der [[Erkenntnistheorie]], in der Wissen traditionell oft als gerechtfertigter wahrer Glaube angesehen wurde. In [[Rechtswissenschaft|juristischen]] Kontexten wird der Begriff des [[Guter Glaube|Guten Glaubens]] verwendet für Situationen, in denen jemand zwar gegen das Gesetz handelte, dies jedoch ohne [[Vorsatz (Recht)|Vorsatz]] oder [[grobe Fahrlässigkeit]] tat.

Glauben im alltäglichen Sprachgebrauch ist also eine Vermutung oder Hypothese, welche die Wahrheit des vermuteten Sachverhalts zwar annimmt, aber zugleich die Möglichkeit einer Widerlegung offenlässt, falls sich die Vermutung durch Tatsachen oder neue [[Erkenntnis]]se als ungerechtfertigt herausstellen sollte. Wird diese Möglichkeit aufgrund eines gesteigerten Grades an subjektiver [[Gewissheit]] kaum noch zugelassen, spricht man von einer [[Überzeugung]].

Das Verb „glauben“ kann jedoch in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlich verwendet werden, etwa (in Bezug auf Personen) in der Bedeutung von „jemandem vertrauen“ oder auch in [[Rechtswissenschaft|juristischen]] Kontexten.


== Etymologie ==
== Etymologie ==
Das Wort ''glauben'' kommt von {{gmhS|gelouben}}, {{gohS|gilouben}} ‚für lieb halten‘, ‚gutheißen‘ und geht mit den verwandten Wörtern ''Lob'' und ''lieb'' u.&nbsp;a. auf die indogermanische Wurzel ''*leubh'' zurück. Der gleichen etymologischen Wortfamilie gehören aus anderen Sprachen auch {{enS|''be-lieve''}} ‚glauben‘, {{laS|''libet''}} ‚es beliebt‘, ‚ist gefällig‘ ''libīdo'' ‚Begierde‘. Ferner gingen aus der Wurzel auch die präfigierten deutschen Wörter ''geloben'', ''verloben'', ''erlauben'', ''Urlaub'' und ''Gelöbnis'' hervor.<ref>[http://www.dwds.de/?qu=glauben Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen]</ref><ref>[http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=glauben DWB]</ref>
Das Wort ''glauben'' kommt von {{gmhS|gelouben}}, {{gohS|gilouben}} ‚für lieb halten‘, ‚gutheißen‘ und geht mit den verwandten Wörtern ''Lob'' und ''lieb'' u.&nbsp;a. auf die indogermanische Wurzel ''*leubh'' zurück. Der gleichen etymologischen Wortfamilie gehören aus anderen Sprachen auch {{enS|''be-lieve''}} ‚glauben‘, {{laS|''libet''}} ‚es beliebt‘, ‚ist gefällig‘ ''libīdo'' ‚Begierde‘. Ferner gingen aus der Wurzel auch die präfigierten deutschen Wörter ''geloben'', ''verloben'', ''erlauben'', ''Urlaub'' und ''Gelöbnis'' hervor.<ref>[http://www.dwds.de/?qu=glauben Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen]</ref><ref>[http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=glauben DWB]</ref>


== Konzeptionen ==
== Philosophie ==
Im [[Philosophie|philosophischen]] und speziell [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Sinn bedeutet ''Glauben'' ein Fürwahrhalten eigener [[Wahrnehmung]]en, Überzeugungen ([[Glaube (Religion)|Glaube]], [[Dogma]], [[Paradigma]]) und [[Schlussfolgerung]]en, die hier jedoch nicht zwingend logisch sein müssen. Dieses Fürwahrhalten bedarf nicht zwingend objektiver [[Begründung]] und kann [[subjektiv]] sein.<ref>{{Literatur |Autor=[[Martin Krieger]] |Titel=Vernünftig glauben – Argumente für die Religion |Hrsg=Siegfried Reusch |Sammelwerk=[[Der blaue reiter]] Journal für Philosophie |Nummer=52 |Verlag=Der blaue reiter Verlag für Philosophie |Ort=Hannover |Datum=2023 |ISBN=978-3-933722-82-9}}</ref>
Es wurden verschiedene Konzeptionen der wesentlichen Merkmale von Glauben (''belief'') vorgeschlagen, aber es besteht kein Konsens darüber, welche die richtige ist. Der ''Repräsentationalismus'' ist die traditionell dominante Position. In seiner gebräuchlichsten Form besagt er, dass Glaubenshaltungen mentale Einstellungen gegenüber Repräsentationen sind, die normalerweise mit Propositionen identifiziert werden. Diese Einstellungen sind Teil der internen Konstitution des Geistes, der die Einstellung hat. Diese Ansicht steht im Gegensatz zum ''Funktionalismus'', der Glauben nicht in Bezug auf die interne Konstitution des Geistes definiert, sondern in Bezug auf die Funktion oder die kausale Rolle, die Glaubenszustände spielen. Laut dem ''Dispositionalismus'' werden Glaubenshaltungen mit Dispositionen identifiziert, sich auf bestimmte Weise zu verhalten. Diese Sichtweise kann als eine Form des Funktionalismus angesehen werden, der den Glauben in Bezug auf das Verhalten definiert, das er tendenziell verursacht. Der ''Interpretationismus'' stellt eine weitere Konzeption dar, die in der zeitgenössischen Philosophie an Popularität gewonnen hat. Er besagt, dass die Glaubenszustände einer Entität in gewisser Weise von der Interpretation dieser Entität durch jemand anders abhängen oder relativ dazu sind. Der ''Repräsentationalismus'' wird tendenziell mit einem Geist-Körper-Dualismus in Verbindung gebracht. ''Naturalistische'' Überlegungen gegen diesen Dualismus sind eine der Motivationen für die Wahl einer der alternativen Konzeptionen.<ref name="Schwitzgebel"/>


1962 untersuchte [[Jaakko Hintikka]] die logischen Strukturen von Glaubens- und Wissensäußerungen in seinem Werk ''Knowledge and Belief'' und begründete damit einen neuen Zweig der philosophischen [[Logik]]; die [[epistemische Logik]], in der Wissen und Glauben in ihren reinen Formen als sich ausschließende Gegensätze gegenübergestellt sind.
=== Repräsentationalismus ===
Der ''Repräsentationalismus'' charakterisiert den Glauben in Bezug auf [[mentale Repräsentation]]en. Repräsentationen werden üblicherweise als Objekte mit [[Semantik|semantischen]] Eigenschaften definiert, wie {{nowrap|z. B.}} einen Inhalt zu haben, auf etwas zu verweisen, wahr oder falsch zu sein usw.<ref name="Schwitzgebel">{{cite web |last1=Schwitzgebel |first1=Eric |title=Belief |url=https://plato.stanford.edu/entries/belief/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University |date=2019 }}</ref><ref name="Pitt">{{cite web |last1=Pitt |first1=David |title=Mental Representation |url=https://plato.stanford.edu/entries/mental-representation/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University }}</ref> Glaubenshaltungen bilden eine besondere Klasse von mentalen Repräsentationen, da sie im Gegensatz zu Wahrnehmungen oder episodischen Erinnerungen keine sinnlichen Qualitäten beinhalten, um etwas zu repräsentieren.<ref name="Borchert">{{Literatur |Autor=Donald Borchert |Titel=Macmillan Encyclopedia of Philosophy, 2nd Edition |Kapitel=Belief |Datum=2006 |Verlag=Macmillan |Online=https://philpapers.org/rec/BORMEO}}</ref> Aus diesem Grund scheint es naheliegend, Glaubenshaltungen als Einstellungen zu Propositionen auszulegen, die ebenfalls nicht-sinnliche Repräsentationen darstellen, d.&nbsp;h. als [[propositionale Einstellung]]en. Als mentale Einstellungen sind Glaubenshaltungen sowohl durch ihren Inhalt als auch durch ihren Modus gekennzeichnet.<ref name="Borchert"/> Der Inhalt einer Einstellung ist das, worauf sich diese Einstellung richtet: ihr Objekt. Propositionale Einstellungen sind auf Propositionen gerichtet.<ref>{{cite web |title=Philosophy of mind - Propositional attitudes |url=https://www.britannica.com/topic/philosophy-of-mind/Propositional-attitudes |website=Encyclopedia Britannica }}</ref><ref>{{cite web |last1=Oppy |first1=Graham |title=Propositional attitudes |url=https://www.rep.routledge.com/articles/thematic/propositional-attitudes/v-1 |website=www.rep.routledge.com }}</ref><ref name="Pitt"/> Glaube wird normalerweise von anderen propositionalen Einstellungen, wie Begierde, durch den Modus oder die Art und Weise, wie er auf Propositionen gerichtet sind, unterschieden. Der Modus des Glaubens hat eine „Geist-zu-Welt“-[[Propositionale Einstellung#Passensrichtung propositionaler Einstellungen|Passensrichtung]] (''mind-to-world direction of fit''): der Glaube versucht, die Welt so darzustellen, wie sie ist, er beabsichtigt nicht, sie zu verändern, im Gegensatz zur Begierde.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Borchert"/> Wenn Rahul zum Beispiel glaubt, dass es heute sonnig sein wird, dann hat er eine mentale Einstellung gegenüber der Proposition „Heute wird es sonnig sein“, die besagt, dass diese Proposition wahr ist. Dies unterscheidet sich von Sofias Begierde, dass es heute sonnig sein wird, trotz der Tatsache, dass sowohl Rahul als auch Sofia eine Einstellung zu derselben Proposition haben. Die „Geist-zu-Welt“-Passensrichtung des Glaubens wird manchmal dadurch ausgedrückt, dass der Glaube auf Wahrheit abzielt.<ref>{{cite web |last1=Fassio |first1=Davide |title=Aim of Belief |url=https://iep.utm.edu/beli-aim/ |website=Internet Encyclopedia of Philosophy }}</ref> Dieses Ziel spiegelt sich auch in der Tendenz wider, den eigenen Glauben zu revidieren, wenn neue Beweise dafür vorliegen, dass ein alter Glaube falsch ist.<ref name="Schwitzgebel"/> Wenn Rahul also die schlechte Wettervorhersage hört, wird er wahrscheinlich seine mentale Einstellung ändern, Sofia jedoch nicht.


Lange Zeit nahm man an, dass gerechtfertigter wahrer Glaube [[Wissen]] sei (Glaubenswissen,<ref>Ernstpeter Ruhe: ''Pour faire la lumière as lais? Mittelalterliche Handbücher des Glaubenswissens und ihr Publikum.'' In: [[Norbert Richard Wolf]] (Hrsg.): ''Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Literatur im Mittelalter: Perspektiven ihrer Erforschung (Kolloquium 5.–7. Dezember 1985).'' Wiesbaden 1987 (= ''Wissensliteratur im Mittelalter'', 1), S. 46–56.</ref> GWG-Behauptung). [[Edmund Gettier]] gab dazu Gegenbeispiele an, die zeigten, dass zum Wissen gerechtfertigter wahrer Glaube nicht ausreicht ([[Gettier-Problem]]).
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, zu konzipieren, wie mentale Repräsentationen im Geist realisiert werden. Eine Form ist die Hypothese der [[Sprache des Geistes]] (''language of thought hypothesis''), die behauptet, dass mentale Repräsentationen eine sprachähnliche Struktur haben, die manchmal als ''Mentalesisch'' bezeichnet wird.<ref>{{cite web |last1=Katz |first1=Matthew |title=Language of Thought Hypothesis |url=https://iep.utm.edu/lot-hypo/ |website=Internet Encyclopedia of Philosophy }}</ref><ref name="Craig">{{Literatur |Autor=Edward Craig |Titel=Routledge Encyclopedia of Philosophy |Datum=1996 |Verlag=Routledge |Online=https://philpapers.org/rec/BEAREO}}</ref> Genau wie bei der regulären Sprache handelt es sich dabei um einfache Elemente, die auf verschiedene Weise nach syntaktischen Regeln zu komplexeren Elementen kombiniert werden, die dann als Bedeutungsträger fungieren.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Craig"/> Bei dieser Konzeption würde das Halten eines Glaubens bedeuten, dass sich ein solches komplexes Element im eigenen Geist befindet. Verschiedene Glaubenshaltungen sind insofern voneinander getrennt, als sie unterschiedlichen im Geist gespeicherten Elementen entsprechen. Eine holistischere Alternative zur Hypothese der ''Sprache des Geistes'' ist die ''Kartenkonzeption'', die die Analogie zu Landkarten verwendet, um die Natur des Glaubens zu verdeutlichen.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Craig"/> Nach dieser Auffassung sollte das Glaubenssystem eines Geistes nicht als eine Menge vieler einzelner Sätze begriffen werden, sondern als eine Karte, die die in diesen Sätzen enthaltenen Informationen kodiert.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Craig"/> Zum Beispiel kann die Tatsache, dass Brüssel auf halbem Weg zwischen Paris und Amsterdam liegt, sowohl sprachlich als Satz ausgedrückt werden als auch in einer Karte durch ihre internen geometrischen Beziehungen.


=== Funktionalismus ===
== Glauben mit Sachbezug ==
Der ''Funktionalismus'' steht im Gegensatz zum ''Repräsentationalismus'', da er den Glauben nicht in Bezug auf die innere Konstitution des Geistes definiert, sondern in Bezug auf die Funktion oder die kausale Rolle, die er spielt.<ref name="Levin">{{cite web |last1=Levin |first1=Janet |title=Functionalism |url=https://plato.stanford.edu/entries/functionalism/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University }}</ref><ref name="Polger">{{cite web |last1=Polger |first1=Thomas W. |title=Functionalism |url=https://iep.utm.edu/functism/ |website=Internet Encyclopedia of Philosophy }}</ref> Diese Ansicht wird oft mit der Vorstellung verbunden, dass ein und derselbe Glaube auf verschiedene Weise verwirklicht werden kann und dass es keine Rolle spielt, wie er verwirklicht wird, solange er die für ihn charakteristische kausale Rolle spielt.<ref name="Schwitzgebel"/><ref>{{cite web |last1=Bickle |first1=John |title=Multiple Realizability |url=https://plato.stanford.edu/entries/multiple-realizability/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University }}</ref> Analog dazu ist eine [[Festplatte]] funktionalistisch definiert: Sie erfüllt die Funktion des Speicherns und Abrufens digitaler Daten. Diese Funktion kann auf vielfältige Weise realisiert werden: Die Festplatte kann aus Kunststoff oder Stahl bestehen und ein Magnetband oder einen Laser verwenden.<ref name="Schwitzgebel"/> Funktionalisten gehen davon aus, dass etwas Ähnliches auch für den Glauben (oder mentale Zustände im Allgemeinen) gilt.<ref name="Levin"/><ref name="Polger"/> Zu den für Glaubenszustände relevanten Rollen gehört ihre Beziehung zu Wahrnehmungen und Handlungen: Wahrnehmungen verursachen normalerweise Glaubenszustände und Glaubenszustände verursachen Handlungen.<ref name="Schwitzgebel"/> Wenn man beispielsweise sieht, dass die Ampel auf Rot umgeschaltet hat, ist dies meist mit dem Glauben verbunden, dass sie rot ist, was wiederum den Fahrer dazu veranlasst, das Auto zum Stillstand zu bringen. Funktionalisten verwenden solche Eigenschaften, um den Glauben zu definieren: Was auch immer durch Wahrnehmungen in einer bestimmten Weise verursacht wird und zudem Verhalten auf eine bestimmte Weise verursacht, wird als Glaube bezeichnet. Dies gilt nicht nur für Menschen, sondern kann auch Tiere, hypothetische Außerirdische oder sogar Computer umfassen.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Levin"/> Aus dieser Perspektive würde es Sinn machen, den Glauben, dass die Ampel rot ist, einem [[Selbstfahrendes Kraftfahrzeug|selbstfahrenden Auto]] zuzuschreiben, das sich genauso verhält wie der menschliche Fahrer.

Der ''Dispositionalismus'' wird manchmal als eine spezifische Form des Funktionalismus angesehen.<ref name="Schwitzgebel"/> Er definiert Glauben nur in Bezug auf seine Rolle als Verhaltensursache oder als [[Dispositionelle Eigenschaft|Disposition]], sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten.<ref name="Quilty-Dunn">{{cite journal |last1=Quilty-Dunn |first1=Jake |last2=Mandelbaum |first2=Eric |title=Against dispositionalism: belief in cognitive science |journal=Philosophical Studies |date=2018-09-01 |volume=175 |issue=9 |pages=2353–2372 |doi=10.1007/s11098-017-0962-x |language=en |issn=1573-0883}}</ref><ref name="Audi">{{Literatur |Autor=Robert Audi |Titel=The Cambridge Dictionary of Philosophy |Kapitel=Belief |Verlag=Cambridge University Press |Online=https://philpapers.org/rec/AUDTCD-2}}</ref> Zum Beispiel ist der Glaube, dass in der Speisekammer ein Kuchen ist, mit der Disposition verbunden, dies zu bejahen, wenn man gefragt wird und zur Speisekammer zu gehen, wenn man Hunger hat.<ref name="Borchert"/> Während es unstrittig ist, dass der Glaube unser Verhalten prägt, ist die These umstritten, dass Glaube ausschließlich durch seine Rolle bei der Erzeugung von Verhalten definiert werden kann. Das Problem besteht darin, dass die Mechanismen, die unser Verhalten prägen, zu komplex zu sein scheinen, um den allgemeinen Beitrag einer bestimmten Glaubenshaltung für jede mögliche Situation herauszuheben.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Quilty-Dunn"/> Zum Beispiel kann man sich entscheiden, nicht zu bejahen, dass ein Kuchen in der Speisekammer ist, wenn man gefragt wird, weil man dies geheim halten will. Oder man würde den Kuchen trotz Hunger nicht essen, wenn man zusätzlich glaubt, dass er vergiftet ist.<ref name="Borchert"/> Aufgrund dieser Komplexität können wir nicht einmal einen so einfachen Glauben wie diesen in Bezug auf die Verhaltensdispositionen definieren, für die er verantwortlich ist.<ref name="Schwitzgebel"/>

=== Interpretationismus ===
Laut dem ''Interpretationismus'' ist der Glaube einer Entität in gewisser Weise abhängig von oder relativ zu der Interpretation durch jemand anders.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Child1"/> [[Daniel Dennett]] ist ein wichtiger Verfechter einer solchen Position. Er vertritt die Auffassung, dass wir Entitäten Glaubenshaltungen zuschreiben, um vorherzusagen, wie sie sich verhalten werden. Entitäten mit einfachen Verhaltensmustern können anhand physikalischer Gesetze oder in Bezug auf ihre Funktion beschrieben werden. Dennett bezeichnet diese Erklärungsformen als den ''physikalischen Standpunkt'' und den ''funktionalen Standpunkt''. Diese Standpunkte werden dem ''intentionalen Standpunkt'' gegenübergestellt, der auf Entitäten mit einem komplexeren Verhalten angewendet wird, indem diesen Entitäten Glaubenszustände und Begierden zugeschrieben werden.<ref>{{Literatur |Autor=Daniel Dennett |Titel=The Intentional Stance |Datum=1989 |Verlag=The MIT Press |Sprache=en |Online=https://mitpress.mit.edu/books/intentional-stance}}</ref><ref>{{cite journal |last1=Dennett |first1=Daniel C. |title=Precis of the Intentional Stance |journal=Behavioral and Brain Sciences |date=1988 |volume=11 |issue=3 |pages=495–505 |doi=10.1017/S0140525X00058611 |url=http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.1026.2283&rep=rep1&type=pdf}}</ref> Wir können z.&nbsp;B. vorhersagen, dass eine Schachspielerin ihre Dame nach f7 ziehen wird, wenn wir ihr die Begierde zuschreiben, das Spiel zu gewinnen, und den Glauben, dass dieser Zug dies erreichen wird. Das gleiche Verfahren lässt sich auch auf die Vorhersage des Verhaltens eines Schachcomputers anwenden. Die Entität hat den betreffenden Glauben, wenn dieser Glaube verwendet werden kann, um ihr Verhalten vorherzusagen.<ref name="Schwitzgebel"/> Einen Glauben zu haben ist relativ zu einer Interpretation, da es verschiedene gleich gute Möglichkeiten geben kann, Glaubenshaltungen zur Vorhersage von Verhalten zuzuschreiben.<ref name="Schwitzgebel"/> Es kann also eine andere Interpretation geben, die den Zug der Dame nach f7 vorhersagt, welche nicht den Glauben beinhaltet, dass dieser Zug zum Sieg führen wird. Eine andere Version des ''Interpretationismus'' geht auf [[Donald Davidson]] zurück,<ref name="Child1"/> der das Gedankenexperiment der [[Radikale Interpretation|radikalen Interpretation]] verwendet, bei dem es darum geht, das Verhalten und die Sprache einer anderen Person von Grund auf zu verstehen, ohne die Sprache dieser Person zu kennen.<ref name="Schwitzgebel"/> Dieser Prozess beinhaltet, dem Sprecher Glaubenszustände und Begierden zuzuschreiben. Der Sprecher hat diese Glaubenszustände wirklich, wenn dieses Projekt prinzipiell erfolgreich sein kann.<ref name="Schwitzgebel"/>

Der Interpretationismus kann mit dem ''Eliminativismus'' und dem ''Instrumentalismus'' bezüglich des Glaubens kombiniert werden. Eliminativisten sind der Meinung, dass es streng genommen keine Glaubenshaltungen gibt. Instrumentalisten stimmen den Eliminativisten zu, fügen aber hinzu, dass Glaubenszuschreibungen dennoch nützlich sind.<ref name="Schwitzgebel"/> Diese Nützlichkeit kann im Sinne des Interpretationismus erklärt werden: Glaubenszuschreibungen helfen uns, vorherzusagen, wie sich Entitäten verhalten werden. Es wurde argumentiert, dass der Interpretationismus auch in einem realistischeren Sinne verstanden werden kann: dass Entitäten wirklich die ihnen zugeschriebenen Glaubenszustände haben und dass diese Glaubenszustände am kausalen Netzwerk beteiligt sind.<ref name="Child4">{{Literatur |Autor=William Child |Titel=Causality, Interpretation, and the Mind |Kapitel=4. Causalism and Interpretationism: The Problem of Compatibility |Verlag=Oxford, UK: Oxford University Press |Online=https://philpapers.org/rec/CHICIA}}</ref> Damit dies jedoch möglich ist, könnte es notwendig sein, den Interpretationismus als eine Methodik und nicht als eine ontologische Sichtweise zum Glauben zu definieren.<ref name="Child1">{{Literatur |Autor=William Child |Titel=Causality, Interpretation, and the Mind |Kapitel=1. Interpretationism |Verlag=Oxford, UK: Oxford University Press |Online=https://philpapers.org/rec/CHICIA}}</ref>

== Abgrenzung zu Meinung, Überzeugung und Wissen ==
Glaube im weitesten Sinne umfasst jede Art des Fürwahrhaltens.<ref name="Sandkühler">{{Literatur |Autor=Hans Jörg Sandkühler |Titel=Enzyklopädie Philosophie |Kapitel=Meinung/Glaube |Datum=2010 |Verlag=Meiner |Online=https://meiner.de/enzyklopadie-philosophie.html}}</ref><ref name="Bremer">{{cite journal |last1=Bremer |first1=Manuel |title=Kemmerling, Andreas: Glauben. Essay über einen Begriff |journal=Zeitschrift für philosophische Literatur |date=2018 |volume=6 |issue=2 |pages=31–39}}</ref> Der Begriff wird jedoch oft in einem engeren Sinn verwendet als ein Fürwahrhalten, das nur subjektiv aber nicht objektiv [[Begründung|begründet]] ist. In diesem Sinn steht Glaube im Kontrast zu [[Wissen]], welches objektive Begründung beinhaltet, und bloßer [[Meinung]], der neben der objektiven Begründung noch die subjektive Begründung fehlt.<ref>{{Literatur |Autor=Rudolf Eisler |Titel=Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1 |Kapitel=Fürwahrhalten |Seiten=341 |Datum=1904 |Ort=Berlin |Sprache=de |Online=http://www.zeno.org/Eisler-1904/A/F%C3%BCrwahrhalten}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Rudolf Eisler |Titel=Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1 |Kapitel=Glaube |Seiten=391-395 |Datum=1904 |Ort=Berlin |Sprache=de |Online=http://www.zeno.org/Eisler-1904/A/Glaube}}</ref><ref>{{cite journal |last1=Simon |first1=Josef |title=Meinen, Glauben und Wissen als Arten des Fürwahrhaltens |journal=Hegel-Jahrbuch |date=2003 |issue=1 |url=https://www.degruyter.com/document/doi/10.1524/hgjb.2003.5.jg.67/pdf}}</ref><ref>''Glauben''. In: Brockhaus, Band 8. 1989.</ref> Dieser Unterschied wird manchmal daran festgemacht, dass man im Meinen zwar etwas für wahr hält, sich aber nicht praktisch im Handeln darauf verlassen würde. Beim Glauben hingegen verlässt man sich persönlich im Handeln darauf, während man beim Wissen zusätzlich annimmt, dass es jeder so sehen müsste, der sich in einer vergleichbaren Situation befindet.<ref name="Hesper">{{cite journal |last1=Hesper |first1=Axel |title=Wahrheit Und Fürwahrhalten |journal=Synthesis Philosophica |date=2010 |volume=25 |issue=2 |pages=317–332 |url=https://philpapers.org/rec/HESWUF}}</ref> Eine weitere Unterscheidungsform bezieht die Meinung auf ein Urteil über mögliche Sachverhalte, den Glauben auf ein Urteil über wirkliche Sachverhalte und das Wissen auf ein Urteil über notwendige Sachverhalte.<ref>{{cite web |title=Historisches Wörterbuch der Philosophie online: Fürwahrhalten |url=https://www.schwabeonline.ch/schwabe-xaveropp/elibrary/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27verw.furwahrhalten%27%20and%20%40outline_id%3D%27hwph_verw.furwahrhalten%27%5D |website=www.schwabeonline.ch |access-date=2021-07-27}}</ref><ref name="Hesper"/> Der Begriff der [[Überzeugung]] wird oft für einen Glauben verwendet, bei dem sich der Glaubende sehr sicher ist, also für einen festen, unerschütterlichen Glauben.<ref>{{cite web |title=Duden: Überzeugung |url=https://www.duden.de/rechtschreibung/Ueberzeugung |website=www.duden.de |language=de}}</ref> Die Verwendung dieser Begriffe in der deutschsprachigen Fachliteratur ist bezüglich dieser verschiedenen Sinnkonnotationen jedoch uneinheitlich.<ref name="Sandkühler"/> So wird Wissen {{nowrap|z. B.}} auch manchmal in Bezug auf Glauben definiert als ein begründeter wahrer Glaube.<ref name="Bremer"/> Diese Unterscheidungen finden weniger Bedeutung in der englischsprachigen Fachliteratur, in der der Oberbegriff „belief“ in all diesen Kontexten verwendet wird.<ref name="Sandkühler"/><ref>{{Literatur |Autor=Jürgen Mittelstraß |Titel=Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie |Kapitel=Glaube (philosophisch) |Datum=2005 |Verlag=Metzler |Online=https://www.springer.com/de/book/9783476021083}}</ref>

== Arten ==
Glaubenshaltungen können in verschiedene Arten eingeteilt werden, je nach ihrem ontologischen Status, ihrem Grad, ihrem Objekt oder ihren semantischen Eigenschaften.

=== Okkurrent und dispositionell ===
Einen ''okkurrenten'' Glauben zu haben, dass [[Ayers Rock]] in Australien ist, beinhaltet, dass man die mit diesem Glauben verbundene Vorstellung erwägt, zum Beispiel, indem man aktiv daran denkt. Aber die große Mehrheit unserer Glaubenshaltungen ist die meiste Zeit nicht aktiv, sie sind lediglich ''dispositionell''.<ref name="Schwitzgebel"/> Sie werden normalerweise aktiviert oder treten auf, wenn sie gebraucht werden oder in irgendeiner Weise relevant sind, und fallen danach wieder in ihren dispositionellen Zustand zurück.<ref name="Schwitzgebel"/> Zum Beispiel war der Glaube, dass 57 größer als 14 ist, wahrscheinlich dispositionell für den Leser vor dem Lesen dieses Satzes, ist beim Lesen okkurrent geworden und wird wohl bald wieder dispositionell werden, wenn sich der Geist auf andere Dinge konzentriert. Die Unterscheidung zwischen dem okkurrenten und dem dispositionellen Glauben wird manchmal mit der Unterscheidung zwischen dem bewussten und dem unbewussten Glauben gleichgesetzt.<ref name="Bartlett">{{cite journal |last1=Bartlett |first1=Gary |title=Occurrent States |journal=Canadian Journal of Philosophy |date=2018 |volume=48 |issue=1 |pages=1–17 |doi=10.1080/00455091.2017.1323531 |url=https://philpapers.org/rec/BAROS-4}}</ref><ref name="Frise">{{cite journal |last1=Frise |first1=Matthew |title=Eliminating the Problem of Stored Beliefs |journal=American Philosophical Quarterly |date=2018 |volume=55 |issue=1 |pages=63–79 |url=https://philpapers.org/rec/FRIETP-3}}</ref> Es wurde jedoch argumentiert, dass die beiden Unterscheidungen trotz ihrer Überschneidungen nicht übereinstimmen. Der Grund dafür ist, dass der Glaube das Verhalten einer Person prägen und in ihrem Denken involviert sein kann, auch wenn die Person sich dessen nicht bewusst ist. Solche Glaubenszustände sind Fälle von unbewussten okkurrenten mentalen Zuständen.<ref name="Bartlett"/> Aus dieser Sicht ist etwas okkurrent, wenn es aktiv ist, entweder bewusst oder unbewusst.<ref name="Frise"/>

Ein dispositioneller Glaube ist nicht dasselbe wie eine Disposition zu glauben.<ref name="Audi"/> Wir haben verschiedene Dispositionen zu glauben, wenn wir die richtige Wahrnehmung haben, zum Beispiel zu glauben, dass es regnet, wenn wir Regen wahrnehmen. Ohne diese Wahrnehmung gibt es immer noch eine Disposition zu glauben, aber keinen tatsächlichen dispositionellen Glauben.<ref name="Audi"/> Laut der dispositionalistischen Konzeption des Glaubens gibt es keine okkurrenten Glaubenshaltungen, da alle Glaubenshaltungen in Bezug auf Dispositionen definiert werden.<ref name="Schwitzgebel"/>

=== Vollständig und partiell ===
Ein wichtiger Streitpunkt in der formalen Epistemologie betrifft die Frage, ob Glaubenshaltungen als vollständige Glaubenshaltungen (''full beliefs'') oder als partielle Glaubenshaltungen (''partial beliefs'') konzeptualisiert werden sollten.<ref name="Genin">{{cite web |last1=Genin |first1=Konstantin |last2=Huber |first2=Franz |title=Formal Representations of Belief |url=https://plato.stanford.edu/entries/formal-belief/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University}}</ref> Vollständige Glaubenshaltungen sind Alles-oder-Nichts-Einstellungen: Entweder man glaubt an eine Proposition oder nicht. Diese Konzeption reicht aus, um viele in der Alltagssprache vorkommende Glaubenszuschreibungen zu verstehen, {{nowrap|z. B.}} Pedros Glaube, dass die Erde größer als der Mond ist. Aber einige Fälle, in denen es um Vergleiche zwischen Glaubenszuständen geht, lassen sich nicht ohne weiteres durch vollständige Glaubenszustände allein erfassen, zum Beispiel, dass Pedros Glaube, dass die Erde größer als der Mond ist, sicherer ist als sein Glaube, dass die Erde größer als die Venus ist. Solche Fälle werden am natürlichsten in Form von partiellen Glaubenshaltungen analysiert, die Glaubensgrade beinhalten und in der englischen Fachliteratur als „credences“ bezeichnet werden.<ref name="Genin"/><ref name="Olsson"/> Je höher der Grad eines Glaubens, desto sicherer ist der Glaubende, dass die geglaubte Proposition wahr ist.<ref name="Hartmann"/> Dies wird in der Regel durch Zahlen zwischen 0 und 1 formalisiert: Ein Grad von 1 steht für einen absolut sicheren Glauben, ein Glaube von 0 entspricht einem absolut sicheren Unglauben und alle Zahlen dazwischen entsprechen dazwischen liegenden Gewissheitsgraden. Beim [[Bayesscher Wahrscheinlichkeitsbegriff|Bayesschen Ansatz]] werden diese Grade als [[Subjektiver Wahrscheinlichkeitsbegriff|subjektive Wahrscheinlichkeiten]] interpretiert,<ref>{{cite web |last1=Hájek |first1=Alan |title=Interpretations of Probability: 3.3 The Subjective Interpretation |url=https://plato.stanford.edu/entries/probability-interpret/#SubPro |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University}}</ref><ref name="Pettigrew">{{cite journal |last1=Pettigrew |first1=Richard |title=Précis of Accuracy and the Laws of Credence |journal=Philosophy and Phenomenological Research |date=2018 |volume=96 |issue=3 |pages=749–754 |doi=10.1111/phpr.12501 |url=https://philpapers.org/rec/PETPOA-3}}</ref> {{nowrap|z. B.}} bedeutet ein Glaube des Grades 0,9, dass es morgen regnen wird, dass die Person glaubt, dass die Wahrscheinlichkeit von Regen morgen {{nowrap|90 %}} beträgt. Der Bayesianismus verwendet diese Beziehung zwischen Glauben und Wahrscheinlichkeit, um die Rationalitätsnormen in Bezug auf die Wahrscheinlichkeitsgesetze zu definieren.<ref name="Hartmann">{{Literatur |Autor=Stephan Hartmann, Jan Sprenger |Titel=The Routledge Companion to Epistemology |Kapitel=Bayesian Epistemology |Seiten=609–620 |Datum=2010 |Verlag=London: Routledge |Online=https://philpapers.org/rec/BOVSIO}}</ref> Dazu gehören sowohl synchrone Gesetze darüber, was man zu jedem Zeitpunkt glauben sollte, als auch diachrone Gesetze darüber, wie man den eigenen Glauben nach Erhalt neuer Belege revidieren sollte.<ref name="Olsson">{{Literatur |Autor=Erik J. Olsson |Titel=Introduction to Formal Philosophy |Kapitel=Bayesian Epistemology |Seiten=431–442 |Datum=2018 |Verlag=Springer |Online=https://philpapers.org/rec/OLSBE}}</ref><ref name="Hartmann"/>

Die zentrale Frage im Streit zwischen vollständigen und partiellen Glaubenshaltungen ist, ob es sich bei diesen beiden Arten wirklich um unterschiedliche Arten handelt oder ob eine Art durch die andere Art erklärt werden kann.<ref name="Genin"/> Eine Antwort auf diese Frage wird die Locke'sche These (''Lockean thesis'') genannt. Sie besagt, dass partielle Glaubenshaltungen grundlegend sind und dass vollständige Glaubenshaltungen als partielle Glaubenshaltungen oberhalb eines bestimmten Schwellenwerts zu verstehen sind, zum Beispiel, dass jeder Glaube über 0,9 ein vollständiger Glaube ist.<ref name="Genin"/><ref>{{cite journal |last1=Dorst |first1=Kevin |title=Lockeans Maximize Expected Accuracy |journal=Mind |date=2019 |volume=128 |issue=509 |pages=175–211 |doi=10.1093/mind/fzx028 |url=https://philpapers.org/rec/DORLME-2}}</ref><ref>{{cite journal |last1=Locke |first1=Dustin Troy |title=The Decision-Theoretic Lockean Thesis |journal=Inquiry: An Interdisciplinary Journal of Philosophy |date=2014 |volume=57 |issue=1 |pages=28–54 |doi=10.1080/0020174x.2013.858421 |url=https://philpapers.org/rec/LOCTDL}}</ref> Verfechter eines primitiven Begriffs des vollständigen Glaubens haben dagegen versucht, partielle Glaubenshaltungen als vollständige Glaubenshaltungen über Wahrscheinlichkeitsgrade zu erklären.<ref name="Genin"/> Nach dieser Auffassung ist ein partieller Glaube vom Grad 0,9, dass es morgen regnen wird, dasselbe wie der vollständige Glaube, dass die Wahrscheinlichkeit von Regen morgen {{nowrap|90 %}} beträgt. Ein anderer Ansatz umgeht den Begriff der Wahrscheinlichkeit ganz und ersetzt Glaubensgrade durch Grade der Disposition, den eigenen vollständigen Glauben zu revidieren.<ref name="Genin"/> Aus dieser Perspektive können sowohl ein Glaube des Grades 0,6 als auch ein Glaube des Grades 0,9 als vollständige Glaubenshaltungen angesehen werden. Der Unterschied zwischen ihnen besteht darin, dass der erste Glaube leicht geändert werden kann, wenn man neue Belege erhält, während der letztere stabiler ist.<ref name="Genin"/>

=== Glaube-an und Glaube-dass ===
Traditionell haben sich Philosophen bei ihren Untersuchungen zum Glauben hauptsächlich auf den Begriff des Glaubens-dass (''belief-that'') konzentriert.<ref name="Price">{{cite journal |last1=Price |first1=H. H. |title=Belief 'In' and Belief 'That' |journal=Religious Studies |date=1965 |volume=1 |issue=1 |pages=5–27 |doi=10.1017/S0034412500002304 |url=https://philpapers.org/rec/PRIBIA}}</ref> Der Glaube-dass kann als eine [[propositionale Einstellung]] zu einer Behauptung charakterisiert werden, die entweder wahr oder falsch ist. Der Glaube-an (''belief-in'') hingegen ist enger mit dem Begriff des Vertrauen verwandt, da er sich in der Regel auf eine Einstellung zu Personen bezieht.<ref name="Price"/> Der Glaube-an spielt eine zentrale Rolle in vielen religiösen Traditionen, in denen der [[Glaube (Religion)|Glaube an Gott]] eine der zentralen Tugenden ihrer Anhänger ist.<ref name="Williams">{{cite journal |last1=Williams |first1=John N. |title=Belief-in and Belief in God |journal=Religious Studies |date=1992 |volume=28 |issue=3 |pages=401–406 |doi=10.1017/s0034412500021740 |url=https://philpapers.org/rec/WILBAB-3 }}</ref> Der Unterschied zwischen Glaube-an und Glaube-dass ist manchmal verschwommen, da verschiedene Ausdrücke, die den Begriff „Glaube an“ verwenden, in entsprechende Ausdrücke übersetzt werden können, die stattdessen den Begriff „Glauben dass“ verwenden.<ref name="Macintosh2">{{cite journal |last1=Macintosh |first1=J. J. |title=Belief-in Revisited: A Reply to Williams |journal=Religious Studies |date=1994 |volume=30 |issue=4 |pages=487–503 |doi=10.1017/S0034412500023131 |url=https://philpapers.org/rec/MACBRA-4 }}</ref> Zum Beispiel kann man sagen, dass ein ''Glaube an'' Feen dasselbe ist wie ein ''Glaube, dass'' Feen existieren.<ref name="Williams"/> Nicht alle Verwendungen von „Glauben-an“ beziehen sich auf die Existenz von etwas: Einige sind befürwortend, da sie eine positive Einstellung zu ihrem Objekt zum Ausdruck bringen.<ref name="Macintosh">{{Literatur |Autor=Jack Macintosh |Titel=The Oxford Companion to Philosophy |Kapitel=Belief-in |Datum=2005 |Verlag=Oxford University Press |Online=https://philpapers.org/rec/HONTOC-2}}</ref><ref name="Price"/> Es wurde vorgeschlagen, dass diese Fälle auch im Sinne von Glauben-dass erklärt werden können. Zum Beispiel könnte der ''Glaube an'' die Ehe übersetzt werden als der ''Glaube, dass'' die Ehe gut ist.<ref name="Williams"/> Der Glaube-an wird in einem ähnlichen Sinne verwendet um [[Selbstvertrauen]] oder Glauben an sich selbst oder an die eigenen Fähigkeiten ausdrücken.

Verfechter einer reduktiven Auslegung vom Glauben-an haben diesen Gedankengang verwendet, um zu argumentieren, dass der ''Glaube an Gott'' auf ähnliche Weise analysiert werden kann, z.&nbsp;B. dass er auf einen Glauben hinausläuft, dass Gott mit seinen charakteristischen Attributen wie [[Allwissenheit]] und [[Allmacht]] existiert.<ref name="Williams"/> Die Gegner dieser Auslegung räumen oft ein, dass der Glaube an Gott verschiedene Formen des Glaubens-dass mit sich bringen kann, dass es jedoch noch zusätzliche Aspekte des Glaubens-an gibt, die nicht auf den Glauben-dass reduzierbar sind.<ref name="Macintosh2"/> Zum Beispiel kann der Glaube an ein Ideal den Glauben beinhalten, dass dieses Ideal etwas Gutes ist, aber er beinhaltet zusätzlich eine positive evaluative Einstellung zu diesem Ideal, die über eine bloße propositionale Einstellung hinausgeht.<ref name="Williams"/> Angewandt auf den Glauben an Gott können Gegner des reduktiven Ansatzes die Ansicht vertreten, dass der Glaube, dass Gott existiert, zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Glauben an Gott ist.<ref name="Williams"/><ref name="Macintosh2"/>

==== Glauben mit Sachbezug ====
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Im alltäglichen Sprachgebrauch beschreibt das Verb ''glauben'' die im Rahmen von Unsicherheit festgestellte Erwartung bezüglich irgendwelcher Tatsachen oder Zusammenhänge. Etwa: „Ich glaube, dass morgen die Sonne scheinen wird“ oder „Ich glaube, es geht hier entlang und nicht dort.“ Im Unterschied zur Wortverwendung im religiösen Kontext ist „glauben“ mit Sachbezug immer auch dem Irrtum unterworfen, kann also durch Tatsachen oder neue Erkenntnisse widerlegt und korrigiert werden. Im Satz „Ich glaube, dass es regnen wird“ wird also die Möglichkeit zugelassen, dass sich diese Vermutung auch ''nicht'' bestätigt. In solchem Glauben im alltäglichen Sinne drückt sich also die Meinung aus: „Vielleicht ist es wahr bzw. wird es wahr, vielleicht auch nicht.“ Glauben bedeutet hier auch „meinen“ oder „vermuten“.
Im alltäglichen Sprachgebrauch beschreibt das Verb ''glauben'' die im Rahmen von Unsicherheit festgestellte Erwartung bezüglich irgendwelcher Tatsachen oder Zusammenhänge. Etwa: „Ich glaube, dass morgen die Sonne scheinen wird“ oder „Ich glaube, es geht hier entlang und nicht dort.“ Im Unterschied zur Wortverwendung im religiösen Kontext ist „glauben“ mit Sachbezug immer auch dem Irrtum unterworfen, kann also durch Tatsachen oder neue Erkenntnisse widerlegt und korrigiert werden. Im Satz „Ich glaube, dass es regnen wird“ wird also die Möglichkeit zugelassen, dass sich diese Vermutung auch ''nicht'' bestätigt. In solchem Glauben im alltäglichen Sinne drückt sich also die Meinung aus: „Vielleicht ist es wahr bzw. wird es wahr, vielleicht auch nicht.“ Glauben bedeutet hier auch „meinen“ oder „vermuten“.


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In aller Regel bedeutet glauben, etwas Fürwahrhalten auf Grund eines glaubwürdigen Zeugen oder einer glaubwürdigen Informationsquelle. Auch kann das Fürwahrhalten von wissenschaftlichen Theorien, die nicht verifiziert wurden bzw. werden können, als Glauben verstanden werden. Dies ist etwa bei wissenschaftlichen [[Hypothesen]] der Fall. Glauben in diesem Sinne impliziert stets das Fehlen einer akzeptierten Rechtfertigung oder das Fehlen eines Beweises. Wird diese Rechtfertigung oder dieser Beweis später möglich, etwa indem neue Tatsachen oder Erkenntnisse die Rechtfertigung oder den Beweis ermöglichen, kann das hypothetische Glauben an die Wahrheit eines Sachverhalts zum Wissen werden.
In aller Regel bedeutet glauben, etwas Fürwahrhalten auf Grund eines glaubwürdigen Zeugen oder einer glaubwürdigen Informationsquelle. Auch kann das Fürwahrhalten von wissenschaftlichen Theorien, die nicht verifiziert wurden bzw. werden können, als Glauben verstanden werden. Dies ist etwa bei wissenschaftlichen [[Hypothesen]] der Fall. Glauben in diesem Sinne impliziert stets das Fehlen einer akzeptierten Rechtfertigung oder das Fehlen eines Beweises. Wird diese Rechtfertigung oder dieser Beweis später möglich, etwa indem neue Tatsachen oder Erkenntnisse die Rechtfertigung oder den Beweis ermöglichen, kann das hypothetische Glauben an die Wahrheit eines Sachverhalts zum Wissen werden.


==== Glauben mit Personenbezug ====
== Glauben mit Personenbezug ==
{{Belege fehlen|2=Dieser Abschnitt}}
Glauben findet sich im alltäglichen Sprachgebrauch auch in anderer Bedeutung als im Sinne von „meinen“ und „vermuten“ wieder, beispielsweise Sätzen wie: „Ich glaube dir.“, „Ich glaube an die Liebe zwischen uns.“ Ein solches Glauben ist hier nicht so sehr ein Vermuten über Sachverhalte, sondern drückt primär eine zwischenmenschliche Beziehung aus, in der sich eine Person vom Geglaubten her leiten lässt. Glauben wird hier in der Bedeutung von „vertrauen“ verwendet. In Sätzen wie „Ich glaube dir“ kann jedoch auch zum Ausdruck gebracht werden, dass man eine Meinung der angesprochenen Person übernimmt (ihr also vertraut), ohne diese Meinung jedoch selbst überprüft zu haben.
Glauben findet sich im alltäglichen Sprachgebrauch auch in anderer Bedeutung als im Sinne von „meinen“ und „vermuten“ wieder, beispielsweise Sätzen wie: „Ich glaube dir.“, „Ich glaube an die Liebe zwischen uns.“ Ein solches Glauben ist hier nicht so sehr ein Vermuten über Sachverhalte, sondern drückt primär eine zwischenmenschliche Beziehung aus, in der sich eine Person vom Geglaubten her leiten lässt. Glauben wird hier in der Bedeutung von „vertrauen“ verwendet. In Sätzen wie „Ich glaube dir“ kann jedoch auch zum Ausdruck gebracht werden, dass man eine Meinung der angesprochenen Person übernimmt (ihr also vertraut), ohne diese Meinung jedoch selbst überprüft zu haben.


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Anders formuliert ist der Glaube, in einem engen Zusammenhang mit dem [[Vertrauen]] oder dem „vertrauen können“ zu sehen. Diese Form von Glauben kann daher mit einer Aufhebung der alleinigen [[Verantwortung]] einhergehen, die sich aus dem angenommenen Glauben nährt und dadurch das eigene [[Handeln]] rechtfertigt.
Anders formuliert ist der Glaube, in einem engen Zusammenhang mit dem [[Vertrauen]] oder dem „vertrauen können“ zu sehen. Diese Form von Glauben kann daher mit einer Aufhebung der alleinigen [[Verantwortung]] einhergehen, die sich aus dem angenommenen Glauben nährt und dadurch das eigene [[Handeln]] rechtfertigt.

=== De dicto und de re ===
Der Unterschied zwischen [[De re und de dicto|de dicto und de re]] Glauben bzw. den entsprechenden Zuschreibungen betrifft die Beiträge, die singuläre Begriffe wie Namen und andere referentielle Mittel zu den semantischen Eigenschaften des Glaubens oder seiner Zuschreibung leisten.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Broackes">{{cite journal |last1=Broackes |first1=Justin |title=Belief de Re and de Dicto |journal=Philosophical Quarterly |date=1986 |volume=36 |issue=144 |pages=374–383 |doi=10.2307/2220191 |url=https://philpapers.org/rec/BROBDR }}</ref> In regulären Kontexten ändert sich der [[Wahrheitswert]] eines Satzes nicht durch die Substitution von koreferentiellen Begriffen.<ref name="Nelson">{{cite web |last1=Nelson |first1=Michael |title=Propositional Attitude Reports > The De Re/De Dicto Distinction (Stanford Encyclopedia of Philosophy) |url=https://plato.stanford.edu/entries/prop-attitude-reports/dere.html |website=plato.stanford.edu }}</ref> Da sich beispielsweise die Namen „Superman“ und „Clark Kent“ auf dieselbe Person beziehen, können wir in dem Satz „Superman ist stark“ den einen durch den anderen ersetzen, ohne seinen Wahrheitswert zu verändern. Aber diese Angelegenheit ist komplizierter im Falle von Glaubenszuschreibungen.<ref name="Nelson"/> Zum Beispiel glaubt Lois, dass Superman stark ist, aber sie glaubt nicht, dass Clark Kent stark ist.<ref name="Schwitzgebel"/> Diese Schwierigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass sie nicht weiß, dass sich die beiden Namen auf dieselbe Entität beziehen. Glaubenshaltungen oder Glaubenszuschreibungen, bei denen diese Substitution im Allgemeinen nicht funktioniert, sind de dicto, andernfalls sind sie de re.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Nelson"/><ref name="Broackes"/> Im de-re-Sinne glaubt Lois also, dass Clark Kent stark ist, während sie es im de-dicto-Sinn nicht tut. Die Kontexte, denen de-dicto-Zuschreibungen entsprechen, werden als [[Opaker Kontext|referentiell opake Kontexte]] bezeichnet, während de-re-Zuschreibungen referentiell transparent sind.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Nelson"/>

== Glaubensinhalte ==
Als [[mentale Repräsentation]]en haben Glaubenszustände Inhalte. Der Inhalt eines Glaubens ist das, worum es in diesem Glauben geht oder was er repräsentiert. Innerhalb der Philosophie gibt es verschiedene Auseinandersetzungen darüber, wie Glaubensinhalte zu verstehen sind. ''Holisten'' und ''Molekularisten'' vertreten die Ansicht, dass der Inhalt einer bestimmten Glaubenshaltung von anderen Glaubenshaltungen, die derselben Person gehören, abhängt oder von diesen determiniert wird, was von ''Atomisten'' bestritten wird. Die Frage der Abhängigkeit oder Determination spielt auch in der ''Internalismus-Externalismus-Debatte'' eine zentrale Rolle. Der Internalismus besagt, dass der Inhalt des Glaubens einer Person nur von dem abhängt, was innerhalb dieser Person ist: Sie werden ausschließlich durch die Dinge bestimmt, die im Kopf dieser Person vor sich gehen. Der Externalismus hingegen behauptet, dass dabei auch die Beziehungen zur eigenen Umwelt eine Rolle spielen.

=== Atomismus, Molekularismus und Holismus ===
Die Meinungsverschiedenheit zwischen ''Atomismus, Molekularismus und Holismus'' betrifft die Frage, wie der Inhalt einer Glaubenshaltung von den Inhalten anderer Glaubenshaltungen derselben Person abhängt.<ref name="Block"/> Atomisten leugnen solche Abhängigkeitsbeziehungen, Molekularisten beschränken sie auf einige wenige, eng verwandte Glaubenshaltungen, während Holisten der Meinung sind, dass sie zwischen zwei beliebigen Glaubenshaltungen bestehen können, egal wie wenig sie miteinander in Beziehung zu stehen scheinen.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Pitt"/><ref name="Block"/> Nehmen wir zum Beispiel an, dass Mei und Benjamin beide behaupten, dass Jupiter ein Planet ist. Die einfachste Erklärung, die von den Atomisten gegeben wird, wäre, dass sie denselben Glauben haben, d.&nbsp;h. dass sie denselben Inhalt für wahr halten. Aber nehmen wir nun an, dass Mei auch glaubt, dass Pluto ein Planet ist, was Benjamin bestreitet. Dies deutet darauf hin, dass sie unterschiedliche Begriffe von [[Planet]]en haben, was bedeuten würde, dass sie unterschiedliche Inhalte bejahten, als sie beide sich einig waren, dass Jupiter ein Planet ist. Diese Argumentation führt zum Molekularismus oder zum Holismus, weil der Inhalt des Jupiter-Glaubens in diesem Beispiel vom Pluto-Glauben abhängt.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Block"/>

Eine wichtige Motivation für diese Position ergibt sich aus dem Bestätigungsholismus von [[W. V. Quine]], der besagt, dass wir aufgrund dieser Vernetzung einzelne Hypothesen nicht bestätigen oder widerlegen können, sondern dass die Bestätigung auf der Ebene der Theorie als Ganzes geschieht.<ref name="Block"/><ref>{{cite journal |last1=Wagner |first1=Steven J. |title=Quine's Holism |journal=Analysis |date=1986 |volume=46 |issue=1 |pages=1–6 |doi=10.2307/3328733 |url=https://www.jstor.org/stable/3328733 |issn=0003-2638 }}</ref> Eine weitere Motivation ist auf Überlegungen zur Natur des Lernens zurückzuführen: Es ist oft nicht möglich, einen Begriff, wie die [[Kraft]] in der [[Newtonsche Physik|Newtonschen Physik]], zu verstehen, ohne andere Begriffe, wie [[Masse (Physik)|Masse]] oder [[kinetische Energie]], zu verstehen.<ref name="Block">{{Literatur |Autor=Ned Block |Titel=Routledge Encyclopedia of Philosophy |Kapitel=Holism, Mental and Semantic |Datum=1996 |Verlag=Routledge |Online=https://philpapers.org/rec/BLOMAS}}</ref> Ein Problem für den Holismus besteht darin, dass echte Meinungsverschiedenheiten unmöglich oder sehr selten zu sein scheinen: Diskussionsteilnehmer würden in der Regel aneinander vorbeireden, da sie nie genau das gleiche Netz von Glaubenshaltungen teilen, das notwendig ist, um den Inhalt der Quelle der Meinungsverschiedenheit zu bestimmen.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Block"/>

=== Internalismus und Externalismus ===
''Internalismus und Externalismus'' sind sich uneinig darüber, ob der Inhalt unseres Glaubens nur durch das, was in unserem Kopf passiert, oder auch durch andere Faktoren bestimmt wird.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Pitt"/><ref name="Rowlands">{{cite web |last1=Rowlands |first1=Mark |last2=Lau |first2=Joe |last3=Deutsch |first3=Max |title=Externalism About the Mind |url=https://plato.stanford.edu/entries/content-externalism/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University }}</ref><ref name="Smith">{{cite web |last1=Smith |first1=Basil |title=Internalism and Externalism in the Philosophy of Mind and Language |url=https://iep.utm.edu/int-ex-ml/ |website=Internet Encyclopedia of Philosophy }}</ref> Internalisten leugnen eine solche Abhängigkeit von externen Faktoren. Sie behaupten, dass eine Person und eine molekülgenaue Kopie exakt die gleichen Glaubenszustände haben würden. [[Hilary Putnam]] widerspricht dieser Position durch sein Gedankenexperiment der [[Zwillingserde]]. Er stellt sich eine Zwillingserde in einem anderen Teil des Universums vor, die genau wie unsere ist, nur dass ihr Wasser eine andere chemische Zusammensetzung hat, obwohl es sich genauso verhält wie unseres.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Rowlands"/><ref name="Smith"/> Laut Putnam bezieht sich der Gedanke des Lesers, dass Wasser nass ist, auf ''unser Wasser'', während der Gedanke des Zwillings des Lesers auf der Zwillingserde, dass Wasser nass ist, sich auf ''deren Wasser'' bezieht. Dies ist der Fall, obwohl die beiden Leser die gleiche molekulare Zusammensetzung haben. Es scheint daher notwendig, externe Faktoren einzubeziehen, um den Unterschied zu erklären. Ein Problem an dieser Position ist, dass dieser inhaltliche Unterschied keinen kausalen Unterschied mit sich bringt: Die beiden Leser verhalten sich genau gleich. Dies lässt Zweifel an der These aufkommen, dass es einen echten erklärungsbedürftigen Unterschied zwischen den Inhalten der beiden Glaubenshaltungen gibt.<ref name="Schwitzgebel"/><ref name="Rowlands"/><ref name="Smith"/>

== Philosophie ==
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Im [[Philosophie|philosophischen]] und speziell [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Sinn bedeutet ''Glauben'' ein Fürwahrhalten eigener [[Wahrnehmung]]en, Überzeugungen (Glaube, [[Dogma]], [[Paradigma]]) und [[Schlussfolgerung]]en, die hier jedoch nicht logisch zwingend sein müssen. Dieses Fürwahrhalten bedarf nicht zwingend objektiver [[Begründung]] und kann [[subjektiv]] sein.

1962 untersuchte [[Jaakko Hintikka]] die logischen Strukturen von Glaubens- und Wissensäußerungen in seinem Werk ''Knowledge and Belief'' und begründete damit einen neuen Zweig der philosophischen [[Logik]]; die [[epistemische Logik]], in der Wissen und Glauben in ihren reinen Formen als sich ausschließende Gegensätze gegenübergestellt sind.

Lange Zeit nahm man an, dass gerechtfertigter wahrer Glaube [[Wissen]] sei (Glaubenswissen,<ref>Ernstpeter Ruhe: ''Pour faire la lumière as lais? Mittelalterliche Handbücher des Glaubenswissens und ihr Publikum.'' In: [[Norbert Richard Wolf]] (Hrsg.): ''Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Literatur im Mittelalter: Perspektiven ihrer Erforschung (Kolloquium 5.–7. Dezember 1985).'' Wiesbaden 1987 (= ''Wissensliteratur im Mittelalter'', 1), S. 46–56.</ref> GWG-Behauptung). [[Edmund Gettier]] gab dazu Gegenbeispiele an, die zeigten, dass zum Wissen gerechtfertigter wahrer Glaube nicht ausreicht ([[Gettier-Problem]]).


== Rechtlich ==
== Rechtlich ==
In manchen Gesetzen kommt der Begriff „Glauben“ bzw. „[[guter Glaube]]“ vor, z.&nbsp;B. im § 8 des [[Patentgesetz (Deutschland)|deutschen Patentgesetzes]]. Dies unterstellt der Partei eine begründete Annahme, die nicht durch besseres Wissen oder stark begründete Zweifel verworfen wird. So kann auf die Korrektheit einer Produktbeschreibung in gutem Glauben ausgegangen werden, da diese ja durch gesetzliche Anforderungen korrekt sein muss.
In manchen Gesetzen kommt der Begriff „Glauben“ bzw. „[[guter Glaube]]“ vor, z.&nbsp;B. im § 8 des [[Patentgesetz (Deutschland)|deutschen Patentgesetzes]]. Dies unterstellt der Partei eine begründete Annahme, die nicht durch besseres Wissen oder stark begründete Zweifel verworfen wird. So kann von der Korrektheit einer Produktbeschreibung in gutem Glauben ausgegangen werden, da diese ja durch gesetzliche Anforderungen korrekt sein muss.


Ein anderes Beispiel stellt der [[Gutgläubiger Eigentumserwerb|gutgläubige Eigentumserwerb]] in {{§|932|BGB|dejure}} des [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] dar. Nach dieser Rechtsnorm ist es prinzipiell möglich, dass eine Partei Eigentum an einer Sache erwerben kann, obwohl der Veräußerer gar nicht Eigentümer war. Eine der Voraussetzungen hierfür ist, dass der Erwerber nicht bösgläubig in Bezug auf das Eigentum war, also er weder [[Vorsatz (Recht)|vorsätzlich]] noch [[Grobe Fahrlässigkeit|grob fahrlässig]] dahingehend handelte, dass dem Veräußerer die Sache nicht gehört (§&nbsp;932 Abs.&nbsp;2 BGB).<ref>[[Hans Schulte-Nölke]] In: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Auflage 2019, BGB §&nbsp;932 Rn.&nbsp;10 f. (Aus der negativen Formulierung ist zu schließen, dass die [[Beweislast]] für die Bösgläubigkeit beim ursprünglichen Eigentümer liegt.).</ref>
Ein anderes Beispiel stellt der ''gutgläubige Eigentumserwerb'' in § 932 des [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] dar. Nach dieser Rechtsnorm ist es prinzipiell möglich, dass eine Partei Eigentum an einer Sache erwerben kann, obwohl der Veräußerer gar nicht Eigentümer war. Eine der Voraussetzungen hierfür ist, dass der Erwerber aus gutem Grund geglaubt hat, dass dem Veräußerer die Sache gehört hat.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Bayesianische Erkenntnistheorie]]
* [[doxastische Logik]] (Logik des Glaubens)
* [[doxastische Logik]] (Logik des Glaubens)

== Literatur ==
* {{Literatur |Titel=Credition. Fluides Glauben: Kultur- und Wissenschaftsgeschichte von einem blinden Fleck und seinem Ende |Autor=[[Hans-Ferdinand Angel]] |Verlag=[[Deutscher Wissenschafts-Verlag (DWV)|Deutscher Wissenschafts-Verlag]] |Ort=Kappelrodeck |Datum=2022 |ISBN=978-3-86888-188-2}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Aktuelle Version vom 6. April 2024, 15:15 Uhr

Unter Glauben versteht man ein Fürwahrhalten ohne methodische Begründung.[1] Glauben in diesem Sinne bedeutet, dass ein Sachverhalt für anscheinend (hypothetisch) wahr oder wahrscheinlich gehalten wird. Darin unterscheidet sich „Glauben“ im weiteren Sinne einerseits vom religiösen Glauben im engeren Sinne, indem der religiöse Glaube auf dem Vertrauen auf Autorität oder Überlieferung beruht und die absolute Wahrheit des Glaubensinhalts (z. B. der Existenz Gottes) unterstellt; andererseits unterscheidet sich Glauben von Wissen, das als wahre und gerechtfertigte Tatsache verstanden werden kann.

Demgegenüber steht die „bloße“ Meinung, der sowohl subjektiv als auch objektiv eine hinreichende Begründung fehlt. (In der Erkenntnistheorie werden Meinung und Glauben jedoch auch bedeutungsgleich verwendet.)[2]

Glauben im alltäglichen Sprachgebrauch ist also eine Vermutung oder Hypothese, welche die Wahrheit des vermuteten Sachverhalts zwar annimmt, aber zugleich die Möglichkeit einer Widerlegung offenlässt, falls sich die Vermutung durch Tatsachen oder neue Erkenntnisse als ungerechtfertigt herausstellen sollte. Wird diese Möglichkeit aufgrund eines gesteigerten Grades an subjektiver Gewissheit kaum noch zugelassen, spricht man von einer Überzeugung.

Das Verb „glauben“ kann jedoch in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlich verwendet werden, etwa (in Bezug auf Personen) in der Bedeutung von „jemandem vertrauen“ oder auch in juristischen Kontexten.

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wort glauben kommt von mittelhochdeutsch gelouben, althochdeutsch gilouben ‚für lieb halten‘, ‚gutheißen‘ und geht mit den verwandten Wörtern Lob und lieb u. a. auf die indogermanische Wurzel *leubh zurück. Der gleichen etymologischen Wortfamilie gehören aus anderen Sprachen auch englisch be-lieve ‚glauben‘, lateinisch libet ‚es beliebt‘, ‚ist gefällig‘ libīdo ‚Begierde‘. Ferner gingen aus der Wurzel auch die präfigierten deutschen Wörter geloben, verloben, erlauben, Urlaub und Gelöbnis hervor.[3][4]

Philosophie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im philosophischen und speziell erkenntnistheoretischen Sinn bedeutet Glauben ein Fürwahrhalten eigener Wahrnehmungen, Überzeugungen (Glaube, Dogma, Paradigma) und Schlussfolgerungen, die hier jedoch nicht zwingend logisch sein müssen. Dieses Fürwahrhalten bedarf nicht zwingend objektiver Begründung und kann subjektiv sein.[5]

1962 untersuchte Jaakko Hintikka die logischen Strukturen von Glaubens- und Wissensäußerungen in seinem Werk Knowledge and Belief und begründete damit einen neuen Zweig der philosophischen Logik; die epistemische Logik, in der Wissen und Glauben in ihren reinen Formen als sich ausschließende Gegensätze gegenübergestellt sind.

Lange Zeit nahm man an, dass gerechtfertigter wahrer Glaube Wissen sei (Glaubenswissen,[6] GWG-Behauptung). Edmund Gettier gab dazu Gegenbeispiele an, die zeigten, dass zum Wissen gerechtfertigter wahrer Glaube nicht ausreicht (Gettier-Problem).

Glauben mit Sachbezug[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im alltäglichen Sprachgebrauch beschreibt das Verb glauben die im Rahmen von Unsicherheit festgestellte Erwartung bezüglich irgendwelcher Tatsachen oder Zusammenhänge. Etwa: „Ich glaube, dass morgen die Sonne scheinen wird“ oder „Ich glaube, es geht hier entlang und nicht dort.“ Im Unterschied zur Wortverwendung im religiösen Kontext ist „glauben“ mit Sachbezug immer auch dem Irrtum unterworfen, kann also durch Tatsachen oder neue Erkenntnisse widerlegt und korrigiert werden. Im Satz „Ich glaube, dass es regnen wird“ wird also die Möglichkeit zugelassen, dass sich diese Vermutung auch nicht bestätigt. In solchem Glauben im alltäglichen Sinne drückt sich also die Meinung aus: „Vielleicht ist es wahr bzw. wird es wahr, vielleicht auch nicht.“ Glauben bedeutet hier auch „meinen“ oder „vermuten“.

Der Glaube kann dabei plausibel und pragmatisch sein, zum Beispiel „Ich glaube, dass ich kein Gehirn in einem Glas bin und dass die Umwelt, die ich sehe, real ist.“

In aller Regel bedeutet glauben, etwas Fürwahrhalten auf Grund eines glaubwürdigen Zeugen oder einer glaubwürdigen Informationsquelle. Auch kann das Fürwahrhalten von wissenschaftlichen Theorien, die nicht verifiziert wurden bzw. werden können, als Glauben verstanden werden. Dies ist etwa bei wissenschaftlichen Hypothesen der Fall. Glauben in diesem Sinne impliziert stets das Fehlen einer akzeptierten Rechtfertigung oder das Fehlen eines Beweises. Wird diese Rechtfertigung oder dieser Beweis später möglich, etwa indem neue Tatsachen oder Erkenntnisse die Rechtfertigung oder den Beweis ermöglichen, kann das hypothetische Glauben an die Wahrheit eines Sachverhalts zum Wissen werden.

Glauben mit Personenbezug[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glauben findet sich im alltäglichen Sprachgebrauch auch in anderer Bedeutung als im Sinne von „meinen“ und „vermuten“ wieder, beispielsweise Sätzen wie: „Ich glaube dir.“, „Ich glaube an die Liebe zwischen uns.“ Ein solches Glauben ist hier nicht so sehr ein Vermuten über Sachverhalte, sondern drückt primär eine zwischenmenschliche Beziehung aus, in der sich eine Person vom Geglaubten her leiten lässt. Glauben wird hier in der Bedeutung von „vertrauen“ verwendet. In Sätzen wie „Ich glaube dir“ kann jedoch auch zum Ausdruck gebracht werden, dass man eine Meinung der angesprochenen Person übernimmt (ihr also vertraut), ohne diese Meinung jedoch selbst überprüft zu haben.

„Glaube“ in diesem rein menschlichen Sinn bezeichnet den Bewusstseins-Akt des Vertrauens (Vertrauensglaube) mit dem dazugehörenden vertrauenden Handlungs-Akt (Tatglaube), dass das Geglaubte eine Möglichkeit ist, die Realität werden kann oder eine noch nicht erfahrbare Realität ist, so dass so gehandelt wird, dass das Geglaubte Realität werden kann oder als ob das Geglaubte schon erfahrbare Realität sei. Andernfalls wäre der Glaube nur ein Pseudo-Glaube bzw. das Vertrauen nur ein Pseudo-Vertrauen.

Anders formuliert ist der Glaube, in einem engen Zusammenhang mit dem Vertrauen oder dem „vertrauen können“ zu sehen. Diese Form von Glauben kann daher mit einer Aufhebung der alleinigen Verantwortung einhergehen, die sich aus dem angenommenen Glauben nährt und dadurch das eigene Handeln rechtfertigt.

Rechtlich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In manchen Gesetzen kommt der Begriff „Glauben“ bzw. „guter Glaube“ vor, z. B. im § 8 des deutschen Patentgesetzes. Dies unterstellt der Partei eine begründete Annahme, die nicht durch besseres Wissen oder stark begründete Zweifel verworfen wird. So kann von der Korrektheit einer Produktbeschreibung in gutem Glauben ausgegangen werden, da diese ja durch gesetzliche Anforderungen korrekt sein muss.

Ein anderes Beispiel stellt der gutgläubige Eigentumserwerb in § 932 des BGB dar. Nach dieser Rechtsnorm ist es prinzipiell möglich, dass eine Partei Eigentum an einer Sache erwerben kann, obwohl der Veräußerer gar nicht Eigentümer war. Eine der Voraussetzungen hierfür ist, dass der Erwerber aus gutem Grund geglaubt hat, dass dem Veräußerer die Sache gehört hat.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Glauben – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Glauben In: Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Band 1. Berlin 1904, S. 391–395.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Glauben. In: Brockhaus, Band 8. 1989.
  2. Hans Rott: Meinen und Wissen, Version 6, Regensburg 2002, online abgerufen am 10. April 2023, S. 4.
  3. Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen
  4. DWB
  5. Martin Krieger: Vernünftig glauben – Argumente für die Religion. In: Siegfried Reusch (Hrsg.): Der blaue reiter Journal für Philosophie. Nr. 52. Der blaue reiter Verlag für Philosophie, Hannover 2023, ISBN 978-3-933722-82-9.
  6. Ernstpeter Ruhe: Pour faire la lumière as lais? Mittelalterliche Handbücher des Glaubenswissens und ihr Publikum. In: Norbert Richard Wolf (Hrsg.): Wissensorganisierende und wissensvermittelnde Literatur im Mittelalter: Perspektiven ihrer Erforschung (Kolloquium 5.–7. Dezember 1985). Wiesbaden 1987 (= Wissensliteratur im Mittelalter, 1), S. 46–56.