„Lust“ – Versionsunterschied

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'''Lust''' bezieht sich auf Erfahrung, die sich gut anfühlt, die den Genuss von etwas beinhaltet.<ref name="Pallies"/><ref name="Lopez"/> Sie steht im Gegensatz zu Schmerz oder Leiden, welche Formen des Sich-schlecht-fühlens sind.<ref name="Katz"/> Sie steht in engem Zusammenhang mit Wert, Begierde und Handlung:<ref name="CraigPleasure"/> Menschen und andere bewusste Tiere empfinden Lust als angenehm, positiv oder erstrebenswert. Eine Vielzahl von Aktivitäten wird als lustvoll erlebt, wie Essen, [[Sex]] haben, Musik hören oder spielen. Lust ist Teil verschiedener anderer [[Mentaler Zustand|mentaler Zustände]] wie der [[Ekstase]], der [[Euphorie]] und dem [[Flow (Psychologie)|Flow-zustand]]. [[Glück]] und ''Wohlbefinden'' sind eng mit Lust verwandt, aber nicht identisch mit ihr.<ref name="CraigHappiness"/><ref name="Crisp"/> Es besteht keine allgemeine Einigkeit darüber, ob Lust als eine Empfindung, als eine Qualität von Erfahrungen, als eine Einstellung zu Erfahrungen oder anders zu verstehen ist.<ref name="Borchert"/> Lust spielt eine zentrale Rolle in der Familie der philosophischen Theorien, die als [[Hedonismus]] bekannt ist.


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== Philosophie ==
'''Lust''' ist eine intensiv angenehme Weise des Erlebens. Sie kann sich auf unterschiedlichen Ebenen der [[Sinn (Wahrnehmung)|Wahrnehmung]] zeigen: Vor allem als Bestandteil des [[Sexualität des Menschen|sexuellen Erlebens]]; aber beispielsweise auch beim [[Ernährung|Essen und Trinken]], [[Arbeit (Philosophie)|Arbeiten]] oder bei [[Sport|sportlichen]] Aktivitäten.
Bereits in der antiken Philosophie wurde der Lust (und Vermeidung von Unlust) ein hoher Stellenwert beigemessen (siehe u. a. [[Symposion (Platon)|Platons ''Symposion'']] oder ''[[Philebos]]'' sowie [[Epikur]]s Garten).


=== Übersicht ===
== Bewusstsein und Lust ==
„Lust“ (''pleasure'') bezieht sich auf Erfahrung, die sich gut anfühlt, die den Genuss von etwas beinhaltet.<ref name="Pallies">{{cite journal |last1=Pallies |first1=Daniel |title=An Honest Look at Hybrid Theories of Pleasure |journal=Philosophical Studies |date=2021 |volume=178 |issue=3 |pages=887–907 |doi=10.1007/s11098-020-01464-5 |url=https://philpapers.org/rec/PALAHL}}</ref><ref name="Lopez">{{Literatur |Autor=Shane J. Lopez |Titel=The Encyclopedia of Positive Psychology |Kapitel=Pleasure |Verlag=Wiley-Blackwell |Online=https://philpapers.org/rec/LOPTEO-2}}</ref> Der Begriff wird in erster Linie in Verbindung mit Sinnesfreuden wie dem Genuss von Essen oder Sex verwendet.<ref name="Borchert">{{Literatur |Autor=Donald Borchert |Titel=Macmillan Encyclopedia of Philosophy, 2nd Edition |Kapitel=Pleasure |Datum=2006 |Verlag=Macmillan |Online=https://philpapers.org/rec/BORMEO}}</ref> Aber im allgemeinsten Sinne umfasst er alle Arten von positiven oder angenehmen Erlebnissen, einschließlich der Freude am Sport, am Anblick eines schönen Sonnenuntergangs oder an einer intellektuell befriedigenden Tätigkeit. Lust steht im Gegensatz zu Schmerz oder Leiden, welche Formen des Sich-schlecht-fühlens sind.<ref name="Katz">{{cite web |last1=Katz |first1=Leonard D. |title=Pleasure |url=https://plato.stanford.edu/entries/pleasure/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University |access-date=2021-01-29 |date=2016}}</ref> Sowohl Lust als auch Schmerz treten in Graden auf und werden als eine Dimension angesehen, die von positiven Graden über einen neutralen Punkt bis zu negativen Graden geht. Diese Annahme ist wichtig für die Möglichkeit, die Lustgrade verschiedener Erfahrungen zu vergleichen und zu aggregieren, um beispielsweise das [[Hedonistisches Kalkül|utilitaristische Kalkül]] durchzuführen.<ref name="Borchert"/>


Die Anziehungsqualität der Lust zeigt sich darin, dass sie in direkter Erfahrung von jedermann gewollt wird – vgl. [[Wollust]] –, dabei aber nicht wahllos erreicht werden kann, sondern bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegt, die u.&nbsp;a. von [[Sigmund Freud|Freuds]] Theorie des [[Lustprinzip]]s erörtert werden. Lust wird von gesunden Wesen nur partiell und dann auch nur unter der Voraussetzung abgelehnt, dass ihnen Gründe bewusst werden, die schwere Nachteile zur Folge hätten, würde nicht auf die Befriedigung des jeweils aktuellen Bedürfnisses verzichtet.
Der Begriff der Lust ist ähnlich, aber nicht identisch mit den Begriffen des ''Wohlbefindens'' (''well-being'') und des [[Glück]]s (''happiness'').<ref name="CraigHappiness">{{Literatur |Autor=Edward Craig |Titel=Routledge Encyclopedia of Philosophy |Kapitel=Happiness |Datum=1996 |Verlag=Routledge |Online=https://philpapers.org/rec/BEAREO}}</ref><ref>{{cite web |last1=Haybron |first1=Dan |title=Happiness |url=https://plato.stanford.edu/entries/happiness/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University |access-date=2021-01-29 |date=2020}}</ref><ref name="Crisp"/> Diese Begriffe werden in überlappender Weise verwendet, aber ihre Bedeutungen neigen dazu, in technischen Kontexten wie der Philosophie oder der Psychologie auseinander zu gehen. ''Lust'' bezieht sich auf eine bestimmte Art von Erfahrung, während es beim ''Wohlbefinden'' darum geht, was gut für eine Person ist.<ref name="Tiberius">{{Literatur |Autor=Valerie Tiberius |Titel=The Oxford Handbook of Value Theory |Kapitel=Prudential value |Verlag=Oxford University Press USA |Online=https://philpapers.org/rec/HIROHO}}</ref><ref name="Crisp">{{cite web |last1=Crisp |first1=Roger |title=Well-Being |url=https://plato.stanford.edu/entries/well-being/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University |access-date=2021-01-29 |date=2017}}</ref> Viele Philosophen sind sich einig, dass ''Lust'' gut für eine Person ist und daher eine Form des ''Wohlbefindens'' darstellt. Aber es kann neben oder anstelle von Lust noch andere Dinge geben, die ''Wohlbefinden'' ausmachen, wie Gesundheit, Tugend, Wissen oder die Erfüllung von Begierden.<ref name="Tiberius"/> In einigen Konzeptionen wird ''Glück'' mit dem „Überschuss von angenehmen zu unangenehmen Erfahrungen des Individuums“ identifiziert.<ref name="Haybron">{{cite web |last1=Haybron |first1=Dan |title=Happiness: 2.1 The chief candidates |url=https://plato.stanford.edu/entries/happiness/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University |date=2020}}</ref> ''Theorien der Lebenszufriedenheit'' (''life satisfaction theories'') hingegen besagen, dass ''Glück'' bedeutet, die ''richtige Einstellung zum eigenen Leben als Ganzes'' zu haben. ''Lust'' mag bei dieser Einstellung eine Rolle spielen, ist aber nicht identisch mit ''Glück''.<ref name="Haybron"/>


== Selbstevidenz der Lust und Unlust ==
Lust ist eng verbunden mit Wert, Begierde, Motivation und richtigem Handeln.<ref name="CraigPleasure">{{Literatur |Autor=Edward Craig |Titel=Routledge Encyclopedia of Philosophy |Kapitel=Pleasure |Datum=1996 |Verlag=Routledge |Online=https://philpapers.org/rec/BEAREO}}</ref> Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Lust in gewissem Sinne wertvoll ist. Axiologische Hedonisten sind der Meinung, dass Lust das Einzige ist, was einen [[Axiologie (Philosophie)#Intrinsischer Wert|intrinsischen Wert]] hat.<ref name="Britannica">{{cite web |title=Psychological hedonism |url=https://www.britannica.com/topic/psychological-hedonism |website=Encyclopedia Britannica |access-date=2021-01-29 |language=en}}</ref> Viele Begierden haben mit Lust zu tun. Der psychologische Hedonismus ist die These, dass all unsere Handlungen darauf abzielen, die Lust zu erhöhen und Schmerzen zu vermeiden.<ref name="Borchert2">{{Literatur |Autor=Donald Borchert |Titel=Macmillan Encyclopedia of Philosophy, 2nd Edition |Kapitel=Hedonism |Datum=2006 |Verlag=Macmillan |Online=https://philpapers.org/rec/BORMEO}}</ref> [[Freud]]s [[Lustprinzip]] verbindet Lust mit Motivation und Handlung, indem er behauptet, dass es eine starke psychologische Tendenz gibt, Lust zu suchen und Schmerz zu vermeiden.<ref name="Lopez"/> Der klassische [[Utilitarismus]] verbindet Lust mit Ethik, indem er besagt, dass die Richtigkeit einer Handlung von der Lust abhängt, die sie hervorruft: Sie sollte die Gesamtsumme der Lust maximieren.<ref>{{cite web |last1=Driver |first1=Julia |title=The History of Utilitarianism |url=https://plato.stanford.edu/entries/utilitarianism-history/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University |date=2014}}</ref>


Philosophisch gesehen ist Lust bei den meisten Denkern „in sich selbst wertvoll“. Daher spielt sie in den verschiedenen Trieb- und Bedürfnislehren (s.&nbsp;a. [[Motivation]]) eine bedeutende Rolle, einschließlich deren Theorien über den Vorgang der Bewertung von Erfahrungen und/oder nur Gedanken. Bereits in der antiken Philosophie wurde der Lust (und Vermeidung von Unlust) ein hoher Stellenwert beigemessen (siehe u. a. [[Symposion (Platon)|Platons ''Symposion'']] und [[Epikur]]s Garten). Das Angenehmsein der Lust zeigt sich unmittelbar, anschaulich und emotionell nachvollziehbar auch ohne jegliches Verständnis ihrer Ziele. (Man isst nicht eigentlich zwecks Anhebung des Zuckerpegels, sondern aus Lust; nicht die Fortpflanzung ist ein Grundbedürfnis, sondern die in der Begattung empfundene Lust.) Lustgefühle sind im weiteren Sinne eine sich selbst generierende Erlebnisweise; die körperlichen sind grundverschieden von denen der ästhetischen Sinneswahrnehmung und denen der sich unmittelbar im Geiste entwickelnden Gedanken, Vorstellungen und logischen Empfindungen. Das Gefühl der körperlich erlebten Lust kann sich aber mit allen denkbaren Arten sowohl der Wahrnehmung als auch der rein gedanklichen Logik verbinden und zu deren „Gefühlseinfärbung“ führen. Fehlt die Fähigkeit zu diesen variablen Einfärbungen, die dem Erleben der Lust Gestalt geben, ist dies ein Anzeichen für die Erkrankung an [[Depression]].
=== Theorien der Lust ===
Lust tritt in verschiedenen Formen auf, zum Beispiel beim Genießen von Essen, Sex oder Sport, beim Anblick eines schönen Sonnenuntergangs oder bei einer intellektuell befriedigenden Aktivität.<ref name="Borchert"/> ''Theorien der Lust'' versuchen zu bestimmen, was all diese lustvollen Erfahrungen gemeinsam haben, was an ihnen wesentlich ist.<ref name="Pallies"/> Sie werden traditionell in Qualitätstheorien (''quality theories'') und Einstellungstheorien (''attitude theories'') unterteilt.<ref name="Bramble">{{cite journal |last1=Bramble |first1=Ben |title=The Distinctive Feeling Theory of Pleasure |journal=Philosophical Studies |date=2013 |volume=162 |issue=2 |pages=201–217 |doi=10.1007/s11098-011-9755-9 |url=https://philpapers.org/rec/BRATDF}}</ref> Eine alternative Terminologie bezeichnet diese Theorien als Phänomenalismus (''phenomenalism'') und Intentionalismus (''intentionalism'').<ref>{{cite web |last1=Moore |first1=Andrew |title=Hedonism: 2.1 Ethical Hedonism and the Nature of Pleasure |url=https://plato.stanford.edu/entries/hedonism/#EthHed |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University |access-date=2021-02-01 |date=2019}}</ref> Qualitätstheorien gehen davon aus, dass Lust eine Qualität lustvoller Erfahrungen selbst ist, während Einstellungstheorien besagen, dass Lust in gewissem Sinne außerhalb der Erfahrung liegt, da sie von der Einstellung des Subjekts zur Erfahrung abhängt.<ref name="Pallies"/><ref name="Bramble"/> In jüngerer Zeit wurden Dispositionstheorien (''dispositional theories'') vorgeschlagen, die Elemente beider traditioneller Ansätze enthalten.<ref name="Borchert"/><ref name="Pallies"/>


Dem Gegenteil von Lust – der '''Unlust''' – entsprechen dieselben Charakteristika in entgegengesetzter Erlebnisqualität: Unlust wird für sich selbst gesehen als negativ erfahren und daher gemieden. Darüber hinaus hat Unlust, wie alle von ihr bedingten negativen Gefühle (Schmerz, Trauer, Angst usw.), eine wichtige Funktion innerhalb der menschlichen [[Motivation]]en: Ihr sind stets Hinweise auf körperliche, seelische oder anderweitige Probleme immanent.
==== Qualitätstheorien ====
Im alltäglichen Sprachgebrauch wird der Begriff „Lust“ hauptsächlich mit sinnlichen Freuden wie dem Genuss von Essen oder Sex in Verbindung gebracht.<ref name="Borchert"/> Eine traditionell wichtige ''Qualitätstheorie'' folgt dieser Assoziation genau, indem sie behauptet, dass Lust eine Empfindung ist. Laut der einfachsten Version der Empfindungstheorie wird jedes Lusterlebnis von einer charakteristischen Lustempfindung begleitet.<ref name="Borchert"/><ref name="Katz"/> Eine angenehme Erfahrung beim Essen von Schokolade beinhaltet also eine Empfindung des Geschmacks von Schokolade zusammen mit einer Lustempfindung. Ein offensichtliches Manko dieser Theorie ist, dass viele Eindrücke gleichzeitig vorhanden sein können.<ref name="Borchert"/> Zum Beispiel kann auch eine Juckreizempfindung beim Essen der Schokolade vorhanden sein. Aber diese Darstellung kann nicht erklären, warum die Lust mit dem Geschmack der Schokolade und nicht mit dem Juckreiz verbunden ist.<ref name="Borchert"/> Ein weiteres Problem ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass Empfindungen normalerweise als irgendwo im Körper lokalisiert angesehen werden. Aber im Bezug auf die Lust bei der Betrachtung eines schönen Sonnenuntergangs scheint es keine bestimmte Region im Körper zu geben, in der wir diese Lust erleben.<ref name="Borchert"/><ref>{{cite journal |last1=Myers |first1=Gerald E. |title=Ryle on Pleasure |journal=Journal of Philosophy |date=1957 |volume=54 |issue=March |pages=181–187 |doi=10.2307/2022655 |url=https://philpapers.org/rec/MYEROP}}</ref>


== Tiefenpsychologische Theorie von Freud ==
Diese Probleme können durch Theorien der gefühlten Qualitäten (''felt-quality-theories'') umgangen werden, welche die Lust nicht als eine Empfindung, sondern als einen Aspekt ansehen, der Empfindungen oder andere mentale Phänomene charakterisiert.<ref name="Borchert"/><ref name="Pallies"/><ref name="Smuts"/> Als Aspekt hängt die Lust von dem mentalen Phänomen ab, das sie charakterisiert, sie kann nicht allein vorhanden sein.<ref name="Borchert"/> Da die Verbindung zum genossenen Phänomen bereits in die Lust eingebaut ist, löst sich das Problem, mit dem Empfindungstheorien konfrontiert sind, zu erklären, wie diese Verbindung zustande kommt.<ref name="Borchert"/> Es wird auch die Intuition erfasst, dass Lust normalerweise Lust ''an'' etwas ist: Freude ''am'' Trinken eines Milchshakes oder ''am'' Schachspielen, aber nicht nur eine reine oder objektlose Freude. Nach diesem Ansatz unterscheiden sich lustvolle Erfahrungen im Inhalt (einen Milchshake trinken, Schach spielen), stimmen aber im Gefühl oder im hedonischen Ton (''hedonic tone'') überein. Lust kann lokalisiert sein, aber nur in dem Maße, wie der Eindruck, den sie charakterisiert, lokalisiert ist.<ref name="Borchert"/>


In der [[Psychologie]] ist „Lust“ = [[Libido]] die Bezeichnung für eine subjektiv angenehme Empfindung. In der [[Psychoanalyse]] Sigmund Freuds wird alle berechtigte Lust auf eine einzige Urkraft zurückgeführt, die Libido, die eine(n) universale(n), biologische(n) Energie/ Trieb darstelle, deren Verwirklichung grundsätzlich Lust verschaffe und der für das instinktive, angeborene Streben nach Bedürfnisbefriedigung bei gleichzeitiger Meidung von Unlust immanent sei (siehe [[Lustprinzip]]). Die Bedürfnisse versuchte Freud, als Mediziner von der Biologie kommend, auf diesem und dem Wege der [[Traumdeutung]] allein in der Natur und ihren Gesetzen zu verankern und ihrer jeweiligen Funktion sowie Bestimmung nach zu unterscheiden. So stehe die lustvolle Neugierbefriedigung grundsätzlich im Dienste der Selbst- und Umwelterkenntnis und ihrer zwei Aspekte: Suche nach Lebensbedrohlichem zwecks dessen Meidung und Suche nach den Quellen der Befriedung jeglichen Grundbedürfnisses, wie u.&nbsp;a. des Dranges nach Energie/Ernährung und angenehmem Klima.
Ein Einwand sowohl gegen die Empfindungstheorie als auch gegen die Theorie der gefühlten Qualitäten ist, dass es keine einzige Qualität gibt, die von allen Lusterlebnissen geteilt wird.<ref name="Bramble"/><ref name="Pallies"/><ref name="Smuts">{{cite journal |last1=Smuts |first1=Aaron |title=The Feels Good Theory of Pleasure |journal=Philosophical Studies |date=2011 |volume=155 |issue=2 |pages=241–265 |doi=10.1007/s11098-010-9566-4 |url=https://philpapers.org/rec/SMUTFG}}</ref> Die Stärke dieses Einwands beruht auf der Intuition, dass die Vielfalt der Lusterlebnisse einfach zu groß ist, um auf eine gemeinsame Qualität hinzuweisen, beispielsweise die Qualität, die sowohl der ''Freude an einem Milchshake'' als auch und der ''Freude an einer Schachpartie'' zukommt. Eine Möglichkeit für Qualitätstheoretiker, auf diesen Einwand zu reagieren, besteht darin, darauf hinzuweisen, dass der hedonische Ton von Lusterlebnissen keine reguläre Qualität ist, sondern eine Qualität höherer Ordnung.<ref name="Borchert"/><ref name="Pallies"/> Analog dazu teilen ein leuchtend grünes Ding und ein leuchtend rotes Ding keine reguläre Farbeigenschaft, aber sie teilen das „Leuchtend-sein“ als eine Eigenschaft höherer Ordnung.<ref name="Pallies"/>


Eine große Rolle spielt in Sigmund Freuds Lehre die „Sexualität“, die nach seiner Interpretation der Darwinschen Evolutionstheorie im Dienste der weiblichen Vermehrung („Materie-Synthese“) und der durch männlichen Wettkampf umgesetzten Verwirklichung des natürlichen Zuchtwahlgesetzes steht, bei dem „positive“ und „negative Mutanten“ geschieden und nur erstere für die Vermehrung zugelassen werden, die mindermutierten Artgenossen verdrängend („Materie-Analyse“). ''Metapsychologisch'' ist entsprechend Freuds Theorie, die monistische Urtriebkraft der Libido beginne in dem Augenblick ihrer [[Materialisation]], sich nach zwei scheinverschiedenen, weil in Wirklichkeit [[Symbiose|symbiotisch]] ergänzenden Aspekten zu unterscheiden, die er – seiner Vorliebe für die antiken [[Naturphilosophie|Naturphilosophen]] Tribut zollend – nach zwei griechischen Gottheiten benannte:
==== Einstellungstheorien ====
''Einstellungstheorien'' schlagen vor, Lust im Hinblick auf Einstellungen zu Erfahrungen zu analysieren.<ref name="Smuts"/><ref name="Katz"/> Um den Geschmack von Schokolade zu genießen, reicht es also nicht aus, die entsprechende Erfahrung des Geschmacks zu haben. Stattdessen muss das Subjekt die richtige Einstellung zu diesem Geschmack haben, damit Lust entsteht.<ref name="Borchert"/> Dieser Ansatz erfasst die Intuition, dass eine zweite Person genau das gleiche Geschmackserlebnis haben kann, es aber nicht genießt, weil die entsprechende Einstellung fehlt. Es wurden verschiedene Einstellungen für die Einstellungsart vorgeschlagen, die für Lust verantwortlich ist, aber die historisch einflussreichste Version weist diese Rolle den [[Begierde]]n zu.<ref name="Pallies"/> Nach dieser Auffassung ist Lust mit Erfahrungen verbunden, die eine Begierde erfüllen, die der Erlebenden hat.<ref name="Borchert"/><ref name="Pallies"/> Der Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Person im obigen Beispiel besteht also darin, dass nur die erste Person eine entsprechende Begierde hat, die auf den Geschmack von Schokolade gerichtet ist.

Ein wichtiges Argument gegen diese Version ist, dass es zwar oft der Fall ist, dass wir etwas zuerst begehren und dann genießen, dass dies aber nicht immer der Fall sein kann. In der Tat scheint oft das Gegenteil der Fall zu sein: Wir müssen erst lernen, dass etwas Genuss bereitet, bevor wir anfangen, es zu begehren.<ref name="Borchert"/><ref name="Pallies"/> Dieser Einwand kann teilweise vermieden werden, indem man behauptet, dass es egal ist, ob die Begierde vor der Erfahrung vorhanden war, sondern dass es nur darauf ankommt, was wir begehren, während die Erfahrung stattfindet. Diese Variante, die ursprünglich von [[Henry Sidgwick]] vertreten wurde, ist kürzlich von Chris Heathwood verteidigt worden, der behauptet, dass eine Erfahrung lustvoll ist, wenn das Subjekt die Erfahrung um ihrer selbst willen wünscht, während sie stattfindet.<ref name="Heathwood">{{cite journal |last1=Heathwood |first1=Chris |title=The Reduction of Sensory Pleasure to Desire |journal=Philosophical Studies |date=2007 |volume=133 |issue=1 |pages=23–44 |doi=10.1007/s11098-006-9004-9 |url=https://philpapers.org/rec/HEATRO}}</ref><ref name="Bramble"/> Diese Version steht jedoch vor einem verwandten Problem, das dem [[Euthyphron-Dilemma]] ähnelt: Es scheint, dass wir normalerweise Dinge begehren, weil sie angenehm sind, nicht umgekehrt.<ref name="Smuts"/><ref name="Katz"/> Begierdetheorien würden sich also bezüglich der Richtung der Erklärung irren. Ein weiteres Argument gegen Begierdetheorien ist, dass Begierde und Lust auseinandergehen können: Wir können Dinge begehren, die nicht angenehm sind, und wir können Dinge genießen, ohne dies zu wollen.<ref name="Borchert"/><ref name="Pallies"/>

==== Dispositionstheorien ====
''Dispositionstheorien'' versuchen, Lust in Bezug auf ''Dispositionen'' zu erklären, oft durch die Einbeziehung von Erkenntnissen sowohl aus Qualitätstheorien als auch aus Einstellungstheorien. Eine Möglichkeit, diese Elemente zu kombinieren, ist zu behaupten, dass Lust darin besteht, die Disposition zu haben, eine Erfahrung aufgrund ihrer Qualitäten zu begehren.<ref name="Katz"/><ref name="Borchert"/><ref name="Pallies"/> Einige der Probleme der regulären Begierdetheorie können auf diese Weise vermieden werden, da die Disposition nicht realisiert sein muss, damit es Lust gibt, wodurch berücksichtigt wird, dass Begierde und Lust auseinandergehen können.<ref name="Borchert"/><ref name="Pallies"/>

=== Ethik ===
Die Lust hängt nicht nur damit zusammen, wie wir tatsächlich handeln, sondern auch damit, wie wir handeln sollen, was zum Bereich der ''[[Ethik]]'' gehört. Der [[ethischer Hedonismus|ethische Hedonismus]] nimmt die stärkste Position zu dieser Beziehung ein, indem er behauptet, dass Überlegungen zur Steigerung der Lust und zur Verringerung des Schmerzes vollständig bestimmen, was wir tun sollen oder welche Handlung richtig ist.<ref name="Weijers">{{cite web |last1=Weijers |first1=Dan |title=Hedonism |url=https://iep.utm.edu/hedonism/ |website=Internet Encyclopedia of Philosophy |access-date=2021-01-29}}</ref> ''Ethisch-hedonistische Theorien'' können in Bezug darauf klassifiziert werden, wessen Lust gesteigert werden sollte. Nach der [[Ethischer Egoismus|egoistischen]] Version soll jeder Handelnde nur darauf abzielen, die eigene Lust zu maximieren. Diese Position wird normalerweise nicht sehr geschätzt.<ref>{{cite web |last1=Shaver |first1=Robert |title=Egoism: 2. Ethical Egoism |url=https://plato.stanford.edu/entries/egoism/#EthiEgoi |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University |access-date=2021-02-02 |date=2019}}</ref><ref name="Weijers"/> Der [[Utilitarismus]] hingegen ist eine Familie von altruistischen Theorien, die in der philosophischen Gemeinschaft mehr Ansehen genießen. Innerhalb dieser Familie stellt der ''klassische Utilitarismus'' die engste Verbindung zwischen Lust und richtigem Handeln her, indem er behauptet, dass der Handelnde die Gesamtsumme des Glücks aller maximieren sollte.<ref>{{cite web |last1=Driver |first1=Julia |title=The History of Utilitarianism: 2. The Classical Approach |url=https://plato.stanford.edu/entries/utilitarianism-history/#ClaApp |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University |access-date=2021-02-02 |date=2014}}</ref><ref name="Weijers"/> Diese Gesamtsumme beinhaltet auch die Lust des Handelnden, aber nur als einen Faktor unter vielen.

=== Wert ===
Lust ist eng mit ''Wert'' als etwas verbunden, das begehrenswert oder erstrebenswert ist. Nach dem [[Axiologischer Hedonismus|axiologischen Hedonismus]] ist sie das Einzige, was einen [[Axiologie (Philosophie)#Intrinsischer Wert|intrinsischen Wert]] hat oder ''an sich gut'' ist.<ref>{{Literatur |Autor=Daniel M. Haybron |Titel=The Pursuit of Unhappiness: The Elusive Psychology of Well-Being |Seiten=62 |Verlag=Oxford University Press |Online=https://philpapers.org/rec/HAYTPO-8}}</ref> Diese Position beinhaltet, dass andere Dinge als Lust, wie Wissen, Tugend oder Geld, nur einen ''instrumentellen Wert'' haben: Sie sind wertvoll, weil oder in dem Maße, wie sie Lust produzieren, aber ansonsten wertlos.<ref name="Weijers"/> Im Rahmen des axiologischen Hedonismus gibt es zwei konkurrierende Theorien über die genaue Beziehung zwischen Lust und Wert: den quantitativen Hedonismus (''quantitative hedonism'') und den qualitativen Hedonismus (''qualitative hedonism''). Quantitative Hedonisten, die [[Jeremy Bentham]] folgen, vertreten die Ansicht, dass der spezifische Inhalt oder die Qualität einer Lusterfahrung für dessen Wert nicht relevant ist, da er nur von ihren quantitativen Merkmalen abhängt: Intensität und Dauer.<ref name="Moore"/><ref>{{cite web |last1=Sweet |first1=William |title=Jeremy Bentham: 4. Moral Philosophy |url=https://iep.utm.edu/bentham/#H4 |website=Internet Encyclopedia of Philosophy |access-date=2021-02-03}}</ref> In dieser Hinsicht ist eine Erfahrung intensiver Lust beim Essen und Sex mehr wert als eine Erfahrung subtiler Lust beim Betrachten schöner Kunst oder bei einer anregenden intellektuellen Unterhaltung. Qualitative Hedonisten, die [[John Stuart Mill]] folgen, wenden sich gegen diese Version mit der Begründung, dass sie den axiologischen Hedonismus in eine „Philosophie der Schweine“ zu verwandeln droht.<ref name="Weijers"/> Stattdessen argumentieren sie, dass die Qualität ein weiterer Faktor ist, der für den Wert einer Lusterfahrung relevant ist, zum Beispiel, dass die ''niederen Lüste'' des Körpers weniger wertvoll sind als die ''höheren Lüste'' des Geistes.<ref>{{cite web |last1=Heydt |first1=Colin |title=John Stuart Mill: ii. Basic Argument |url=https://iep.utm.edu/milljs/#SH2d |website=Internet Encyclopedia of Philosophy |access-date=2021-02-03}}</ref>

=== Schönheit ===
Ein sehr häufiges Element in vielen Auffassungen von ''[[Schönheit]]'' ist ihre Beziehung zur Lust.<ref name="DeClercq2019">{{cite journal |last1=De Clercq |first1=Rafael |title=Aesthetic Pleasure Explained |journal=Journal of Aesthetics and Art Criticism |date=2019 |volume=77 |issue=2 |pages=121–132 |doi=10.1111/jaac.12636 |url=https://philpapers.org/rec/DECAPE-3}}</ref><ref name="BeautyandUgliness"/> Der [[Ästhetischer Hedonismus|ästhetische Hedonismus]] macht diese Beziehung zu einem Teil der Definition von Schönheit, indem er behauptet, dass eine notwendige Verbindung zwischen Lust und Schönheit besteht, z.&nbsp;B. dass ein Objekt nur dann schön ist, wenn es Lust verursacht, oder dass die Erfahrung von Schönheit immer von Lust begleitet wird.<ref name="Gorodeisky">{{cite journal |last1=Gorodeisky |first1=Keren |title=On Liking Aesthetic Value |journal=Philosophy and Phenomenological Research |date=2019 |doi=10.1111/phpr.12641 |url=https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/phpr.12641 |language=en |issn=1933-1592}}</ref><ref>{{cite journal |last1=Berg |first1=Servaas Van der |title=Aesthetic Hedonism and Its Critics |journal=Philosophy Compass |date=2020 |volume=15 |issue=1 |pages=e12645 |doi=10.1111/phc3.12645 |url=https://philpapers.org/rec/VANAHA}}</ref><ref>{{cite web |last1=Matthen |first1=Mohan |last2=Weinstein |first2=Zachary |title=Aesthetic Hedonism |url=https://www.oxfordbibliographies.com/view/document/obo-9780195396577/obo-9780195396577-0223.xml |website=Oxford Bibliographies |access-date=2021-02-10 |language=en}}</ref> Die Lust aufgrund von Schönheit muss nicht ''rein'' sein, d.&nbsp;h. alle unangenehmen Elemente ausschließen.<ref>{{cite web |last1=Spicher |first1=Michael R. |title=Aesthetic Taste |url=https://iep.utm.edu/a-taste/ |website=Internet Encyclopedia of Philosophy}}</ref> Stattdessen kann Schönheit ''gemischte'' Lust beinhalten, zum Beispiel im Fall einer schönen tragischen Geschichte.<ref name="DeClercq2019"/> Wir erfreuen uns an vielen Dingen, die nicht schön sind, weshalb Schönheit normalerweise als eine besondere Art von Lust definiert wird: Als ''ästhetische'' Lust oder als ''interesseloses'' Wohlgefallen.<ref name="StanfordBeauty">{{cite web |last1=Sartwell |first1=Crispin |title=Beauty |url=https://plato.stanford.edu/entries/beauty/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University |date=2017}}</ref><ref>{{cite web |title=Aesthetics |url=https://www.britannica.com/topic/aesthetics |website=Encyclopedia Britannica |access-date=2021-02-09|language=en}}</ref><ref name="Levinson">{{Literatur |Autor=Jerrold Levinson |Titel=The Oxford Handbook of Aesthetics |Kapitel=Philosophical Aesthetics: An Overview |Seiten=3–24 |Datum=2003 |Verlag=Oxford University Press |Online=https://philpapers.org/rec/LEVPAA-3}}</ref> Wohlgefallen ist interesselos, wenn es gleichgültig gegenüber der Existenz des schönen Objekts ist.<ref name="RoutledgeBeauty">{{Literatur |Autor=Edward Craig |Titel=Routledge Encyclopedia of Philosophy |Kapitel=Beauty |Datum=1996 |Verlag=Routledge |Online=https://philpapers.org/rec/BEAREO}}</ref><ref name="DeClercq2019"/> Zum Beispiel wäre die Lust am Betrachten einer schönen Landschaft auch dann noch wertvoll, wenn sich herausstellen würde, dass diese Erfahrung eine Illusion war, was nicht der Fall wäre, wenn diese Lust darauf zurückzuführen wäre, die Landschaft als wertvolle Immobiliengelegenheit anzusehen.<ref name="StanfordBeauty"/> Gegner des ''ästhetischen Hedonismus'' haben darauf hingewiesen, dass es trotz des häufigen gemeinsamen Auftretens auch Fälle von Schönheit ohne Lust gibt.<ref name="Gorodeisky"/> Zum Beispiel kann eine kalte, abgestumpfte Kritikerin aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung immer noch ein gutes Urteil über die Schönheit fällen, auch wenn ihr die Lust fehlt, die ihre Arbeit anfangs begleitete.<ref name="DeClercq2019"/> Eine weitere Frage für Hedonisten ist, wie die Beziehung zwischen Schönheit und Lust zu erklären ist. Dieses Problem ähnelt dem [[Euthyphron-Dilemma]]: Ist etwas schön, weil wir es genießen, oder genießen wir es, weil es schön ist?<ref name="BeautyandUgliness">{{cite web |title=Beauty and Ugliness |url=https://www.encyclopedia.com/history/dictionaries-thesauruses-pictures-and-press-releases/beauty-and-ugliness |website=www.encyclopedia.com |access-date=2021-02-09}}</ref> Identitätstheoretiker (''identity theorists'') lösen dieses Problem, indem sie leugnen, dass es einen Unterschied zwischen Schönheit und Lust gibt: Sie identifizieren Schönheit, oder das Erscheinen von ihr, mit der Erfahrung von ästhetischer Lust.<ref name="DeClercq2019"/>

== Psychologie ==
Der Begriff der Lust spielt in verschiedenen Trieb- und Bedürfnislehren eine bedeutende Rolle, einschließlich deren Theorien über den Vorgang der Bewertung von Erfahrungen und/oder Gedanken.

=== Motivation und Verhalten ===
[[Motivation]] hängt häufig mit Lust zusammen. Lustsuchendes Verhalten ist ein weit verbreitetes Phänomen, es kann unser Verhalten zeitweise dominieren. Die These des [[psychologischer Hedonismus|psychologischen Hedonismus]] verallgemeinert diese Einsicht, indem sie behauptet, dass alle unsere Handlungen darauf abzielen, Lust zu steigern und Schmerz zu vermeiden.<ref name="Craig">{{Literatur |Autor=Edward Craig |Titel=Routledge Encyclopedia of Philosophy |Kapitel=Hedonism |Datum=1996 |Verlag=Routledge |Online=https://philpapers.org/rec/BEAREO}}</ref><ref name="Borchert2"/> Dies wird üblicherweise in Kombination mit dem [[Egoismus]] verstanden, d.&nbsp;h. dass jede Person nur auf ihr eigenes Glück abzielt.<ref name="Britannica"/> Unser Handeln stützt sich auf Glaubenshaltungen darüber, was Lust bereitet. Falsche Glaubenshaltungen können uns in die Irre führen, sodass unsere Handlungen scheitern, Lust zu verursachen, aber selbst gescheiterte Handlungen sind laut dem psychologischen Hedonismus durch Erwägungen zur Lust ''motiviert''.<ref name="Moore">{{cite web |last1=Moore |first1=Andrew |title=Hedonism |url=https://plato.stanford.edu/entries/hedonism/ |website=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |publisher=Metaphysics Research Lab, Stanford University |access-date=2021-01-29 |date=2019}}</ref> Das ''Paradox des Hedonismus'' besagt, dass lustsuchendes Verhalten häufig auch auf andere Weise scheitert. Es behauptet, dass lustmotiviertes Verhalten insofern kontraproduktiv ist, als es zu weniger tatsächlicher Lust führt, als wenn man anderen Motiven folgt.<ref name="Moore"/><ref>{{cite journal |last1=Dietz |first1=Alexander |title=Explaining the Paradox of Hedonism |journal=Australasian Journal of Philosophy |date=2019 |volume=97 |issue=3 |pages=497–510 |doi=10.1080/00048402.2018.1483409 |url=https://philpapers.org/rec/DIEETP}}</ref>

=== Theorie von Freud ===
{{Belege fehlen|2=Dieser Abschnitt}}

[[Sigmund Freud]] formulierte sein [[Lustprinzip]], um den Einfluss von Lust auf unser Verhalten zu erklären. Es besagt, dass es eine starke, angeborene Tendenz in unserem geistigen Leben gibt, sofortige Befriedigung zu suchen, wann immer sich eine Gelegenheit bietet.<ref name="Lopez"/> Dieser Tendenz steht das [[Realitätsprinzip]] gegenüber, das eine erlernte Fähigkeit darstellt, die unmittelbare Befriedigung zu verzögern, um die tatsächlichen Konsequenzen unseres Handelns zu berücksichtigen.<ref>{{Literatur |Autor=Alain De Mijolla |Titel=International Dictionary of Psychoanalysis |Kapitel=pleasure/unpleasure principle |Datum=2005 |Verlag=Macmillan Reference USA}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Alain De Mijolla |Titel=International Dictionary of Psychoanalysis |Kapitel=reality principle |Datum=2005 |Verlag=Macmillan Reference USA}}</ref> Freud beschrieb das Lustprinzip auch als einen ''positiven Rückkopplungsmechanismus'', der den Organismus dazu motiviert, die Situation, die er gerade als angenehm empfunden hat, wieder herzustellen und vergangene Situationen zu vermeiden, die Schmerzen verursachten.<ref>{{Literatur |Autor=Sigmund Freud |Titel=Beyond the pleasure principle |Jahr=1950 |Verlag=Liveright |Ort=New York}}</ref>

In der [[Psychoanalyse]] Sigmund Freuds wird Lust auf eine einzige Urkraft zurückgeführt, die [[Libido]], die eine(n) universale(n), biologische(n) Energie/ Trieb darstelle, deren Verwirklichung grundsätzlich Lust verschaffe und der für das instinktive, angeborene Streben nach Bedürfnisbefriedigung bei gleichzeitiger Meidung von Unlust immanent sei (siehe [[Lustprinzip]]). Die Bedürfnisse versuchte Freud als Mediziner auf dem Wege der [[Traumdeutung]] allein in der Natur und ihren Gesetzen zu verankern und ihrer jeweiligen Funktion sowie Bestimmung nach zu unterscheiden. So stehe die lustvolle Neugierbefriedigung grundsätzlich im Dienste der Selbst- und Umwelterkenntnis und ihrer zwei Aspekte: Suche nach Lebensbedrohlichem zwecks dessen Meidung und Suche nach den Quellen der Befriedung jeglichen Grundbedürfnisses, wie u.&nbsp;a. des Dranges nach Energie/Ernährung und angenehmem Klima.

Eine große Rolle spielt in Sigmund Freuds Lehre die [[Sexualität]], die nach seiner Interpretation der Darwinschen [[Evolutionstheorie]] im Dienste des natürlichen Zuchtwahlgesetzes steht. Dabei unterscheidet er zwei Aspekte, die er – seiner Vorliebe für die antiken [[Naturphilosophie|Naturphilosophen]] Tribut zollend – nach zwei griechischen Gottheiten benannte:
* den [[Lebenstrieb|Eros]] ''(als Anziehung von Gegensätzen: Synthese; Leben; Begehren; Schöpfung; Innen; Verbinden; 'Weiblich')'' und
* den [[Lebenstrieb|Eros]] ''(als Anziehung von Gegensätzen: Synthese; Leben; Begehren; Schöpfung; Innen; Verbinden; 'Weiblich')'' und
* den [[Todestrieb|Thanatos]] ''(als Abstoßung von Gleichen: Analyse; Tod; Ablehnung; Vernichtung; Außen; Trennen; 'Männlich')''. (Vgl. auch "''Die'' Ánima & ''Der'' Ánimus" in C.G. Jungs Archetypen-Lehre.)
* den [[Todestrieb|Thanatos]] ''(als Abstoßung von Gleichen: Analyse; Tod; Ablehnung; Vernichtung; Außen; Trennen; 'Männlich')''. (Vgl. auch "''Die'' Ánima & ''Der'' Ánimus" in C.G. Jungs Archetypen-Lehre.)


Im universalharmonisch „fließenden“ Ringen dieser zwei [[Komplementarität|komplementären]] Aspekte derselben Ur-Energie „Libido“ sah Freud – wie [[Heraklit]] und [[Epikur]] vor ihm – nichts Destruktives, vielmehr umgekehrt die konstruktive, daseinskämpferische Ursache.
Im universalharmonisch „fließenden“ Ringen dieser zwei [[Komplementarität|komplementären]] Aspekte derselben Ur-Energie „Libido“ sah Freud – wie [[Heraklit]] und [[Epikur]] vor ihm – nichts Destruktives, vielmehr umgekehrt die konstruktive, daseinskämpferische Ursache jedes der wahrnehmbaren [[Symbol]]e, den Vater aller Dinge, „Arten“ und der unserem Denken immanenten Gegensätze, so auch der Dualismen Weiblich-Männlich, Mutation-Auslese, Welle-Teilchen usw.


Ungeklärt bis zum Ende seines Lebens blieb die Herkunft des krankhaften [[Narzissmus]]. Auch seine [[Triebtheorie]] ist bis heute umstritten. Diese Sachverhalte vermochte Freud beim damaligen Stand der Wissenschaft nicht zu klären. Jedoch stellt auch eines seiner gesellschaftskritischen Werke, [[Das Unbehagen in der Kultur|''Das ''Unbehagen'' in der Kultur'']], einen Aspekt des Phänomens „Lust“ dar, und zwar einen unmissverständlich negativen.
Ungeklärt bis zum Ende seines Lebens blieb die Herkunft des in der Tat destruktiven, sadomasochistischen [[Narzissmus]]. [[Triebtheorie|Trieb]] ist also eine irreführende Bezeichnung des Syndroms „Narzissmus“; hypothetisch sollte es weder dem naturwissenschaftlich verankerten Fachgebiet der biologisch-'körperlichen' ''Psychologie'' zugerechnet werden, noch der erkenntnistheoretisch-'geistigen' ''[[Metapsychologie]]'' als Naturwissenschaft, sondern die wissenschaftliche Beschreibung des Narzissmus gehört in die ''„Pathologie“''-Abteilung von Freuds Lehre. Dieses Abteil befasst sich also nicht mit den psychisch vollintakten, einwandfrei naturverbundenen Lebewesen und den lebenswichtigen Funktionen ihres Erkenntnisapparates, sondern mit unserer an Narzissmus und vielerlei Ersatzbedürfnissen leidenden patriarchalischen Gesellschaft – den [[Neurose]]n und allen denkbaren Entartungen. Diesen Sachverhalt vermochte Freud beim damaligen Stand der Wissenschaft nicht zu klären. Jedoch stellt auch eines seiner gesellschaftskritischsten Werke, [[Das Unbehagen in der Kultur|''Das '''Unbehagen''' in der Kultur'']], einen Aspekt des Phänomens „Lust“ dar, und zwar einen unmissverständlich negativen.

=== Lust und kognitive Verzerrungen ===
Eine [[kognitive Verzerrung]] ist eine systematische Tendenz, in einer Weise zu denken und zu urteilen, die von einem normativen Kriterium abweicht, insbesondere von den Anforderungen der [[Rationalität]].<ref>{{Literatur |Autor=P. Litvak, J. S. Lerner |Titel=The Oxford Companion to Emotion and the Affective Sciences |Kapitel=Cognitive Bias |Datum=2009 |Verlag=Oxford University Press |Online=https://philpapers.org/rec/LITCB}}</ref> Zu den kognitiven Verzerrungen in Bezug auf die Lust gehören unter anderem die Peak-End-Regel (''peak-end rule'') und die Fokussierungsillusion (''focusing illusion'').

Die Peak-End-Regel beeinflusst, wie wir uns an die Angenehmheit oder Unangenehmheit von Erfahrungen erinnern. Sie besagt, dass unser Gesamteindruck von vergangenen Ereignissen größtenteils nicht von der Gesamtheit der darin enthaltenen Lust und Leiden bestimmt wird, sondern davon, wie sie sich an ihren ''Höhepunkten'' und an ihrem ''Ende'' anfühlten.<ref>{{cite journal |last1=Do |first1=Amy M. |last2=Rupert |first2=Alexander V. |last3=Wolford |first3=George |title=Evaluations of pleasurable experiences: The peak–end rule |journal=Psychonomic Bulletin & Review |date=2008-02-01 |volume=15 |issue=1 |pages=96–98 |doi=10.3758/PBR.15.1.96 |url=https://link.springer.com/article/10.3758/PBR.15.1.96 |language=en |issn=1531-5320}}</ref> Zum Beispiel wird die Erinnerung an eine schmerzhafte [[Darmspiegelung]] verbessert, wenn die Untersuchung um drei Minuten verlängert wird, in denen sich das Endoskop zwar noch im Inneren befindet, aber nicht mehr bewegt wird, was zu einem mäßig unangenehmen Gefühl führt. Diese verlängerte Darmspiegelung ist zwar insgesamt mit mehr Schmerzen verbunden, bleibt aber aufgrund der geringeren Schmerzen am Ende weniger negativ in Erinnerung. Dies erhöht sogar die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient zu nachfolgenden Eingriffen zurückkehrt.<ref>{{cite journal |last1=Redelmeier |first1=Donald A. |last2=Katz |first2=Joel |last3=Kahneman |first3=Daniel |title=Memories of colonoscopy: a randomized trial |journal=Pain |date=2003 |volume=104 |issue=1–2 |pages=187–194 |doi=10.1016/s0304-3959(03)00003-4 |pmid=12855328}}</ref> [[Daniel Kahneman]] erklärt diese Verzerrung anhand des Unterschieds zwischen [[Schnelles Denken, langsames Denken#Zwei Selbste|zwei Selbsten]]: dem erlebenden Selbst (''experiencing self''), das sich der Lust und des Schmerzes bewusst ist, während sie geschehen, und dem sich erinnernden Selbst (''remembering self''), das die Gesamtheit von Lust und Schmerz über einen längeren Zeitraum aufzeigt. Die Verzerrungen aufgrund der ''Peak-End-Regel'' treten auf der Ebene des ''sich erinnernden Selbsts'' auf. Unsere Tendenz, uns auf das ''sich erinnernde Selbst'' zu verlassen, kann uns oft dazu bringen, Handlungsweisen zu verfolgen, die nicht in unserem besten Eigeninteresse liegen.<ref>{{Literatur |Autor=Daniel Kahneman |Titel=Thinking, Fast and Slow |Kapitel=35. Two Selves |Datum=2011 |Verlag=New York: Farrar, Straus & Giroux |Online=https://philpapers.org/rec/KAHTFA-2}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Katarzyna de Lazari-Radek, Peter Singer |Titel=The Point of View of the Universe: Sidgwick and Contemporary Ethics |Seiten=276 |Datum=2014 |Verlag=Oxford University Press |Online=https://philpapers.org/rec/LAZTPO-7}}</ref>

Die Fokussierungsillusion tritt auf, wenn Menschen den Einfluss eines bestimmten Faktors auf ihr gesamtes Glück betrachten. Sie neigen dazu, die Bedeutung dieses Faktors stark zu überschätzen, während sie die zahlreichen anderen Faktoren übersehen, die in den meisten Fällen einen größeren Einfluss haben würden.<ref>{{cite journal |last1=Schkade |first1=David A. |last2=Kahneman |first2=Daniel |title=Does Living in California Make People Happy? A Focusing Illusion in Judgments of Life Satisfaction: |journal=Psychological Science |date=2016-05-06 |doi=10.1111/1467-9280.00066 |url=http://web.mit.edu/curhan/www/docs/Articles/biases/9_Psychological_Science_340_(Schkade).pdf |language=en |issn=1467-9280}}</ref>

Das Bevorzugen lustvoller Erlebnisse führt auch zu kognitiven Verzerrungen in der zeitlichen Dimension. Bei angenehmen Erlebnissen bevorzugen wir, dass sie in der Zukunft statt in der Vergangenheit liegen, bei schmerzhaften Erfahrungen hingegen, dass sie in der Vergangenheit statt in der Zukunft liegen.<ref name="Dorsey">{{cite journal |last1=Dorsey |first1=Dale |title=A Near-Term Bias Reconsidered |journal=Philosophy and Phenomenological Research |date=2019 |volume=99 |issue=2 |pages=461–477 |doi=10.1111/phpr.12496 |url=https://philpapers.org/rec/DORANB}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=David O. Brink |Titel=The Oxford Handbook of Philosophy of Time |Kapitel=Prospects for Temporal Neutrality |Verlag=Oxford University Press |Online=https://philpapers.org/rec/BRIPFT}}</ref><ref name="Greene">{{cite journal |last1=Greene |first1=Preston |last2=Sullivan |first2=Meghan |title=Against Time Bias |journal=Ethics |date=2015 |volume=125 |issue=4 |pages=947–970 |doi=10.1086/680910 |url=https://philpapers.org/rec/GREATB-2}}</ref><ref name="Greene2">{{cite journal |last1=Greene |first1=Preston |last2=Holcombe |first2=Alex |last3=Latham |first3=Andrew James |last4=Miller |first4=Kristie |last5=Norton |first5=James |title=The Rationality of Near Bias Toward Both Future and Past Events |journal=Review of Philosophy and Psychology |date=2021 |pages=1–18 |doi=10.1007/s13164-020-00518-1 |url=https://philpapers.org/rec/GRETRO-49}}</ref>

== Siehe auch ==
* [[Hedonismus]]
* [[Wollust]]


== Literatur ==
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* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/pleasure/}}
* {{SEP|https://plato.stanford.edu/entries/pleasure/}} (Pleasure)


== Einzelnachweise ==
== Siehe auch ==
* [[Hedonismus]]
<references/>


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Aktuelle Version vom 29. September 2023, 23:23 Uhr

Lust ist eine intensiv angenehme Weise des Erlebens. Sie kann sich auf unterschiedlichen Ebenen der Wahrnehmung zeigen: Vor allem als Bestandteil des sexuellen Erlebens; aber beispielsweise auch beim Essen und Trinken, Arbeiten oder bei sportlichen Aktivitäten.

Bewusstsein und Lust[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Anziehungsqualität der Lust zeigt sich darin, dass sie in direkter Erfahrung von jedermann gewollt wird – vgl. Wollust –, dabei aber nicht wahllos erreicht werden kann, sondern bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegt, die u. a. von Freuds Theorie des Lustprinzips erörtert werden. Lust wird von gesunden Wesen nur partiell und dann auch nur unter der Voraussetzung abgelehnt, dass ihnen Gründe bewusst werden, die schwere Nachteile zur Folge hätten, würde nicht auf die Befriedigung des jeweils aktuellen Bedürfnisses verzichtet.

Selbstevidenz der Lust und Unlust[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Philosophisch gesehen ist Lust bei den meisten Denkern „in sich selbst wertvoll“. Daher spielt sie in den verschiedenen Trieb- und Bedürfnislehren (s. a. Motivation) eine bedeutende Rolle, einschließlich deren Theorien über den Vorgang der Bewertung von Erfahrungen und/oder nur Gedanken. Bereits in der antiken Philosophie wurde der Lust (und Vermeidung von Unlust) ein hoher Stellenwert beigemessen (siehe u. a. Platons Symposion und Epikurs Garten). Das Angenehmsein der Lust zeigt sich unmittelbar, anschaulich und emotionell nachvollziehbar auch ohne jegliches Verständnis ihrer Ziele. (Man isst nicht eigentlich zwecks Anhebung des Zuckerpegels, sondern aus Lust; nicht die Fortpflanzung ist ein Grundbedürfnis, sondern die in der Begattung empfundene Lust.) Lustgefühle sind im weiteren Sinne eine sich selbst generierende Erlebnisweise; die körperlichen sind grundverschieden von denen der ästhetischen Sinneswahrnehmung und denen der sich unmittelbar im Geiste entwickelnden Gedanken, Vorstellungen und logischen Empfindungen. Das Gefühl der körperlich erlebten Lust kann sich aber mit allen denkbaren Arten sowohl der Wahrnehmung als auch der rein gedanklichen Logik verbinden und zu deren „Gefühlseinfärbung“ führen. Fehlt die Fähigkeit zu diesen variablen Einfärbungen, die dem Erleben der Lust Gestalt geben, ist dies ein Anzeichen für die Erkrankung an Depression.

Dem Gegenteil von Lust – der Unlust – entsprechen dieselben Charakteristika in entgegengesetzter Erlebnisqualität: Unlust wird für sich selbst gesehen als negativ erfahren und daher gemieden. Darüber hinaus hat Unlust, wie alle von ihr bedingten negativen Gefühle (Schmerz, Trauer, Angst usw.), eine wichtige Funktion innerhalb der menschlichen Motivationen: Ihr sind stets Hinweise auf körperliche, seelische oder anderweitige Probleme immanent.

Tiefenpsychologische Theorie von Freud[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Psychologie ist „Lust“ = Libido die Bezeichnung für eine subjektiv angenehme Empfindung. In der Psychoanalyse Sigmund Freuds wird alle berechtigte Lust auf eine einzige Urkraft zurückgeführt, die Libido, die eine(n) universale(n), biologische(n) Energie/ Trieb darstelle, deren Verwirklichung grundsätzlich Lust verschaffe und der für das instinktive, angeborene Streben nach Bedürfnisbefriedigung bei gleichzeitiger Meidung von Unlust immanent sei (siehe Lustprinzip). Die Bedürfnisse versuchte Freud, als Mediziner von der Biologie kommend, auf diesem und dem Wege der Traumdeutung allein in der Natur und ihren Gesetzen zu verankern und ihrer jeweiligen Funktion sowie Bestimmung nach zu unterscheiden. So stehe die lustvolle Neugierbefriedigung grundsätzlich im Dienste der Selbst- und Umwelterkenntnis und ihrer zwei Aspekte: Suche nach Lebensbedrohlichem zwecks dessen Meidung und Suche nach den Quellen der Befriedung jeglichen Grundbedürfnisses, wie u. a. des Dranges nach Energie/Ernährung und angenehmem Klima.

Eine große Rolle spielt in Sigmund Freuds Lehre die „Sexualität“, die nach seiner Interpretation der Darwinschen Evolutionstheorie im Dienste der weiblichen Vermehrung („Materie-Synthese“) und der durch männlichen Wettkampf umgesetzten Verwirklichung des natürlichen Zuchtwahlgesetzes steht, bei dem „positive“ und „negative Mutanten“ geschieden und nur erstere für die Vermehrung zugelassen werden, die mindermutierten Artgenossen verdrängend („Materie-Analyse“). Metapsychologisch ist entsprechend Freuds Theorie, die monistische Urtriebkraft der Libido beginne in dem Augenblick ihrer Materialisation, sich nach zwei scheinverschiedenen, weil in Wirklichkeit symbiotisch ergänzenden Aspekten zu unterscheiden, die er – seiner Vorliebe für die antiken Naturphilosophen Tribut zollend – nach zwei griechischen Gottheiten benannte:

  • den Eros (als Anziehung von Gegensätzen: Synthese; Leben; Begehren; Schöpfung; Innen; Verbinden; 'Weiblich') und
  • den Thanatos (als Abstoßung von Gleichen: Analyse; Tod; Ablehnung; Vernichtung; Außen; Trennen; 'Männlich'). (Vgl. auch "Die Ánima & Der Ánimus" in C.G. Jungs Archetypen-Lehre.)

Im universalharmonisch „fließenden“ Ringen dieser zwei komplementären Aspekte derselben Ur-Energie „Libido“ sah Freud – wie Heraklit und Epikur vor ihm – nichts Destruktives, vielmehr umgekehrt die konstruktive, daseinskämpferische Ursache jedes der wahrnehmbaren Symbole, den Vater aller Dinge, „Arten“ und der unserem Denken immanenten Gegensätze, so auch der Dualismen Weiblich-Männlich, Mutation-Auslese, Welle-Teilchen usw.

Ungeklärt bis zum Ende seines Lebens blieb die Herkunft des in der Tat destruktiven, sadomasochistischen Narzissmus. Trieb ist also eine irreführende Bezeichnung des Syndroms „Narzissmus“; hypothetisch sollte es weder dem naturwissenschaftlich verankerten Fachgebiet der biologisch-'körperlichen' Psychologie zugerechnet werden, noch der erkenntnistheoretisch-'geistigen' Metapsychologie als Naturwissenschaft, sondern die wissenschaftliche Beschreibung des Narzissmus gehört in die „Pathologie“-Abteilung von Freuds Lehre. Dieses Abteil befasst sich also nicht mit den psychisch vollintakten, einwandfrei naturverbundenen Lebewesen und den lebenswichtigen Funktionen ihres Erkenntnisapparates, sondern mit unserer an Narzissmus und vielerlei Ersatzbedürfnissen leidenden patriarchalischen Gesellschaft – den Neurosen und allen denkbaren Entartungen. Diesen Sachverhalt vermochte Freud beim damaligen Stand der Wissenschaft nicht zu klären. Jedoch stellt auch eines seiner gesellschaftskritischsten Werke, Das Unbehagen in der Kultur, einen Aspekt des Phänomens „Lust“ dar, und zwar einen unmissverständlich negativen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Lust – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Lust – Zitate

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]