Inhalt (Maßtheorie)

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Ein Inhalt ist in der Maßtheorie eine spezielle Mengenfunktion, die für gewisse Mengensysteme definiert wird und dazu dient, den intuitiven Volumenbegriff zu abstrahieren und zu verallgemeinern.

In der englischen Literatur wird auch häufig der Begriff endlich additives Maß verwendet, auch wenn es sich im Allgemeinen nicht um ein Maß handelt.

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Endliche Additivität für ein Inhalt : Der Inhalt einer endlich disjunkten Vereinigung ist gleich der Summe über die Inhalte der einzelnen Teilmengen.

Auf beliebigen Mengensystemen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegeben sei ein Mengensystem , das die leere Menge enthält. Dann heißt eine Mengenfunktion

ein Inhalt, wenn gilt:[1]

  1. Die leere Menge hat den Wert null: .
  2. Die Funktion ist endlich additiv. Sind also endlich viele paarweise disjunkte Mengen aus und dann gilt
    .

Bei dem Mengensystem handelt es sich meist um einen Mengenhalbring.[2][3]

Bemerkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu beachten ist, dass in der Definition nicht gefordert wird, dass endliche Vereinigungen von disjunkten Mengen wieder im Mengensystem liegen. Es wird lediglich gefordert, dass falls die disjunkte Vereinigung wieder im Mengensystem liegt, die endliche Additivität gilt. So liegen beispielsweise endliche Vereinigungen disjunkter Mengen in Halbringen im Allgemeinen nicht wieder im Halbring. Beispiel hierfür ist der Halbring auf , der aus den halboffenen Intervallen der Form besteht.

Ebenso folgt im Allgemeinen aus der Additivität, also aus der Eigenschaft

für disjunkte Mengen mit nicht die endliche Additivität. Dies beruht darauf, dass aus in allgemeinen Mengensystemen nicht folgt für disjunktes . Der (rückwärts)induktive Schluss von der Additivität zur endlichen Additivität gilt somit nur in vereinigungsstabilen Mengensysteme.

Auf vereinigungsstabilen Mengensystemen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund der obigen Überlegungen erhält man in vereinigungsstabilen Mengensystemen folgende vereinfachte Definition: Ist ein vereinigungsstabiles Mengensystem, dass die leere Mengen enthält, so heißt eine Mengenfunktion

ein Inhalt, wenn gilt:

  1. Die leere Menge hat den Wert null: .
  2. Die Funktion ist additiv, das heißt für je zwei disjunkte Mengen gilt
    .

Dabei handelt es sich bei den vereinigungsstabilen Mengensystem meist um einen Mengenring.

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der wichtigste Inhalt ist der sogenannte Lebesgue'sche Inhalt

.

auf dem Halbring der halboffenen Intervalle auf den reellen Zahlen. Aus ihm wird durch Erweiterung und diverse Fortsetzungssätze schließlich das Lebesgue-Integral konstruiert. Tatsächlich ist dieser Inhalt bereits ein Prämaß.

Ein weiterer wichtiger Inhalt ist der Stieltjes’sche Inhalt, aus dem sich das Lebesgue-Stieltjes-Maß und das Lebesgue-Stieltjes-Integral ableitet:

,

wobei eine monoton wachsende reellwertige Funktion ist. Durch ihn lassen sich alle endlichen Inhalte auf den reellen Zahlen beschreiben.

Ein weiterer Inhalt ist das Jordan-Maß. Entgegen dem Namen handelt es sich nicht um ein Maß im Sinne der Maßtheorie.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Je nachdem, auf welchem Mengensystem Inhalte definiert werden, treffen gewisse Eigenschaften zu.

Im Halbring[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Falls ein Halbring ist, dann gilt:

  • Jeder Inhalt ist monoton, es gilt folglich:
für .
  • Jeder Inhalt ist subadditiv, es gilt also:
für aus mit .

Im Ring[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wählt man als Mengensystem einen Ring, gelten (da jeder Ring ein Halbring ist) zusätzlich zu den Eigenschaften im Halbring die folgenden Aussagen:

  • Subtraktivität: für mit gilt .
  • .
  • Subadditivität: .
  • -Superadditivität: Seien paarweise disjunkt mit . Dann folgt aus der Additivität und Monotonie .
  • Falls endlich ist, also für alle gilt, dann gilt die Siebformel von Poincaré und Sylvester:
mit für .

Abgeleitete Begriffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Inhalt heißt endlich, wenn für alle gilt. Ein Inhalt heißt σしぐま-endlich, wenn es eine Zerlegung von in gibt, so dass für alle gilt.

Fortsetzung von Inhalten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man kann zu jedem Inhalt auf dem Halbring einen Inhalt auf dem von erzeugten Ring konstruieren. Aufgrund der Eigenschaften eines Halbringes gibt es für alle paarweise disjunkte Mengen mit . Indem man durch

definiert, erhält man eine eindeutig bestimmte Fortsetzung . Die Fortsetzung ist genau dann -endlich, wenn -endlich ist.

Verwandte Konzepte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wahrscheinlichkeitsinhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Inhalt wird ein Wahrscheinlichkeitsinhalt genannt, wenn die Grundmenge im Mengensystem enthalten ist und gilt[4].

Signierter Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein signierter Inhalt ist eine Mengenfunktion auf einem Mengensystem , das abgeschlossen bezüglich endlichen Vereinigungen ist und die leere Menge enthält, für die gilt

  1. Die Bildmenge der Mengenfunktion ist oder .
  2. Es gilt endliche Additivität, also für disjunkte [5].

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Schmidt: Maß- und Wahrscheinlichkeit. 2011, S. 44.
  2. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 12.
  3. Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 2009, S. 27.
  4. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2011, S. 194.
  5. Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 2009, S. 277.