Joachim Kühn

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Joachim Kühn beim Solokonzert in der Stadtkirche Darmstadt am 28. Januar 2016

Joachim Kühn (* 15. März 1944 in Leipzig) ist ein deutscher Jazz-Pianist; „er prägt heute wie kein Zweiter die deutsche Jazzwelt.“[1]

Joachim Kühn, März 2010

Leben und Wirken

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kühn wurde als klassischer Pianist ausgebildet. Schon in jungen Jahren trat er als Konzertpianist hervor, aber unter dem Einfluss seines älteren Bruders, des Klarinettisten Rolf Kühn, begann er sich immer mehr für den Jazz zu begeistern. Nach einem Quintettprojekt mit Ernst-Ludwig Petrowsky, Heinz Becker, Klaus Koch und dem Schlagzeuger Wolfgang Henschel (1962) und regelmäßigen Auftritten im Werner-Pfüller-Quintett (1963) spielte er in der Bigband von Klaus Lenz und 1964 in Prag. Im gleichen Jahr trat er beim Warschauer Jazz Jamboree auf und gründete ein erstes, auf die Jazzszene der DDR sehr einflussreiches Trio (mit Klaus Koch und Reinhard Schwartz), mit dem er sich der freien Improvisation zuwendete. 1966 siedelte er nach Westdeutschland über und trat im gleichen Jahr mit seinem Bruder Rolf sowohl auf dem Newport Jazz Festival als auch auf den Berliner Jazztagen auf, 1968 mit Don Cherry (Eternal Rhythm). 1968 zog er nach Paris. Nach Gruppen im Free-Jazz-Idiom, in denen Kühn mit Eje Thelin, Jacques Thollot und Michel Portal spielte und auch als Altsaxophonist auftrat, konzentrierte er sich während der 1970er hauptsächlich auf Projekte im Jazzrock-Bereich, u. a. mit Jean-Luc Ponty, Philip Catherine, Alphonse Mouzon, Pierre Courbois, Jan Akkerman, Billy Cobham, Zbigniew Seifert oder Aldo Romano. Mitte der 1970er lebte er einige Zeit in Kalifornien.

Großes Ansehen als Jazz-Klaviervirtuose erreichte er in dem bereits ab 1974 zweieinhalb Jahrzehnte bestehenden Trio[2] mit dem Bassisten Jean-François Jenny-Clark und dem Schlagzeuger Daniel Humair. Er gehört zu den wenigen Pianisten, mit denen Ornette Coleman konzertierte. Klanglich besonders interessante CD-Aufnahmen entstanden gemeinsam mit dem Produzenten Walter Quintus. Dann spielte er einerseits mit seinem neuen Trio (mit Jean-Paul Céléa und Wolfgang Reisinger), aber auch im Quintett mit Dominique Pifarély und Rudi Mahall, andererseits öffnete er sich zunehmend der Weltmusik und trat ab 2007 im Trio mit Majid Bekkas und Ramón López (aber auch mit Rabih Abou-Khalil) auf. Ab 2010 spielte Kühn auch im Trio mit Christian Lillinger und Sébastien Boisseau. Sein Soloalbum Melodic Ornette Coleman wurde im 2. Quartal 2019 auf die Bestenliste des Preises der Deutschen Schallplattenkritik gesetzt: „Die Widmung an das Idol gerät Joachim Kühn zugleich zu einem Selbstporträt, das Meisterschaft offenbart, in der thematischen Durchdringung, aber vor allem eine tiefe Hingabe an die Musik.“[3] 2024 bestritt er mit seinem neuen „French Trio“ auf dem Jazzfest Berlin ein sensationelles Abschiedskonzert von der Bühne.[4]

Kühn lebt heute in Paris und auf Ibiza.

Preise und Auszeichnungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Joachim Kühn und sein Bruder Rolf (Klarinette) erhielten im Juni 2011 den Jazz-Echo-Preis 2011 für ihr Lebenswerk. Im Mai 2014 erhielt er den Jazz-Echo-Preis 2014 in der Rubrik Instrumentalist des Jahres National Piano/Keyboards. Sein Album Colours (mit Ornette Coleman) erhielt 1998 den Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik. Gemeinsam mit seinem Bruder Rolf erhielt er den Deutschen Jazzpreis 2023 für sein Lebenswerk.[5]

Diskografie (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Solos (EPM-188, Paris 1971)
  • Solo Now (neben Albert Mangelsdorff, Gunter Hampel und Pierre Favre; MPS 15457 LP, 1976)
  • Charisma (1977)
  • Snow in the Desert (1980)
  • United Nations (1981)
  • Distance (CMP 1984)
  • Situations (1988)
  • Dynamics (CPM-LC 6055, Zerkall Tonstudio, 1990)
  • The Diminished Augmented System (1999)
  • Piano Works I - Allegro Vivace (ACT, 2005)
  • Melodic Ornette Coleman: Piano Works XIII (ACT, 2019)
  • Touch the Light (ACT, 2021)

Trio mit Daniel Humair und Jean-François Jenny-Clark

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Easy to Read (OWL Records 043CD, Paris, 1985)
  • Joachim Kühn Birthday Edition (ACT, Aufnahmen von den Berliner Jazztagen 1987 und 1995[6])
  • 9-11 P.M. Town Hall (1988[7])
  • From Time to Time Free (1988)
  • Live Théâtre de la Ville, Paris, 1989 (1989)
  • Carambolage mit der WDR Big Band (1991)
  • Usual Confusion (1993)
  • Triple Entente (Mercury/PolyGram 1997)

Andere Besetzungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Joachim Kühn, Aus Leipzig in die Welt. In R. Bratfisch (Hrsg.): Freie Töne. Die Jazzszene der DDR. Links, Berlin 2005, ISBN 3-86153-370-7, S. 137–146.
  • Nora Pester: Rolf und Joachim Kühn. In: Dies.: Jüdisches Leipzig. Menschen – Orte – Geschichte. Hentrich & Hentrich, Berlin u. a. 2023, ISBN 978-3-95565-562-4, S. 81f.

Dokumentarfilme

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Commons: Joachim Kühn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. NDR über Joachim Kühn (Memento vom 15. März 2014 im Internet Archive)
  2. Joachim Kühn: The Way (Digipak) (CD) – jpc.de. Abgerufen am 10. November 2024.
  3. Bert Noglik: Bestenliste 2-2019. 15. Mai 2019, abgerufen am 17. August 2019.
  4. Michael Rüsenberg: Jazzfest Berlin 2024. In: jazzcity. 7. November 2024, abgerufen am 10. November 2024 (englisch).
  5. Preisträger:in 2023. In: Deutscher Jazzpreis. 28. April 2023, abgerufen am 28. April 2023.
  6. plus das Album Europeana mit der NDR Radiophilharmonie unter Michael Gibbs von 1994
  7. nur auf 2 Stücken, in 3 weiteren Stücken um Portal und z. T. Marc Ducret erweitert
  8. FONO FORUM: Joachim Kühn & Mateusz Smoczynski | Speaking Sound. 2. Dezember 2021, abgerufen am 7. Oktober 2023.
  9. Werner Stiefele: Komeda – Jazz At Berlin Philharmonic XIV Joachim Kühn New Trio. In: Rondo. 8. Juli 2023, abgerufen am 15. Juli 2023.