Kiri-ezu

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Karte gefaltet (16,5 × 9,5 cm)
Karte Shibaguchi-minami

Kiri-ezu (japanisch きり絵図えず, dt. etwa: „Abschnittskarten“) sind Stadtteilkarten, die Mitte des 19. Jahrhunderts für die damalige Hauptstadt Japans Edo (heute Tokio) hergestellt wurden.

Mit der verstärkten Reise-Aktivitäten in der Edo-Zeit entstanden Wege-(道中どうちゅう, dōchū)-Karten in Leporellofaltung, die Ortschaften und Gelände rechts und links der Straße wiedergeben, und Karten der großen Städte. Letztere waren dekorativ gestaltet, aber mit einem Maßstab von 1:1.000.000 trotz ihrer Größe von mehr als einem Meter nur zur groben Orientierung geeignet.

Stadtteilkarten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für das große Edo entstanden Anfang des 19. Jahrhunderts Stadtteilkarten, unter denen vor allem die des Verlags Owariya große Verbreitung fanden. Die Kaei-(1838–1854)-Ausgabe umfasste 26 Blatt, die Ansei-(1854–1860)-Ausgabe 28 Blatt und schließlich die Bunkyū-(1881–1864)-Ausgabe 30 Blatt, zu denen noch ein 31. Blatt kam. Das Format der Blätter liegt bei 40 × 60 cm, aber es gibt auch deutlich breitere Blätter. Die dargestellten Stadtteile orientieren sich nicht an irgendwelchen Gitternetzen, Norden ist praktisch gewählt auf jedem Blatt vermerkt. Auch die Ausschnitte wurden pragmatisch gewählt und sind – oft etwas gewaltsam – auf Rechteckform gebracht. Alle Karten lassen sich auf das Format 16,5 × 9,5 cm zusammenfalten, was einen gut handhabbaren Kartensatz ergibt. Der gesamte Satz konnte in einem passenden Holzkästchen bezogen werden.

Legende

Die Karten zeigen neben den Konturen in schwarz in fünf Farben (die Grundstücke des Schwertadels blieben weiß):

  • gelb: die Straßen und Brücken
  • rot: Tempel und Schreine
  • grau: Bürgerquartiere
  • blau: Gewässer
  • grün: Wald, Wiesen, Pferdebahnen u. a.

Die Grundstücke der Daimyō zeigen die Hauptresidenz (上屋敷かみやしき, kami-yashiki) mit Namen und Kamon (Familienwappen), die Neben- (中屋敷なかやしき, naka-yashiki) und Unterresidenz- (下屋敷しもやしき, shimo-yashiki) ohne Kamon mit einer quadratischen bzw. runden Markierung. Die Grundstücke der Hatamoto tragen nur den Namen. Alle Namen sind so eingetragen, dass sie an der Seite des Grundstücks beginnen, an der sich der Eingang befindet.[Anm 1] Die unteren Samurai bewohnten Anwesen, die als „Vorhut-Gruppe“ (先手せんてぐみ, sente-gumi) oder als „100-Leute-Gruppe“ (ひゃく人組にんぐみ, hyakunin-gumi) eingetragen sind. Die grauen Bezirke der Bürger (町民ちょうみん, chōmin) tragen nur Ortsangaben.

Bekannte Tempel und Schreine sind bildhaft dargestellt. An den Straßen sind die Wachhäuschen (辻番つじばん, tsujiban), auch die Straßen mit starken Steigungen (坂道さかみち, sakamichi), sind durch Schraffur gekennzeichnet.

Die Karten als Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Shubi-Kiefer am Hafenrand.
Oben: Kan’ei-ji
Darunter: Shikendera.

Wie die Karten zeigen, gab es die Viertel um die Shoguns-Residenz herum, die ausschließlich vom Schwertadel bewohnt waren und es gab die Bürgerviertel wie Ginza oder Kanda. Aber in weiten Teilen der Stadt wohnte man klassenmäßig gemischt: auf den Anhöhen die Samurai, in den schmalen Tälern dazwischen das einfache Volk. So hatten Handwerker und Lieferanten kurze Wege, um sich am Eingang einer Residenz um Aufträge zu bemühen. Auch rechts und links der Durchgangsstraßen finden sich oft Bürgerquartiere. Auffallend sind auch die unzähligen kleinen Tempel, oft als ganze Gruppen nebeneinander.

In ihrem Detail-Reichtum sind diese Karten eine gute Informationsquelle, wie einige Beispiele zeigen.

  • So zeigen z. B. die verschiedenen Ausgaben desselben Blattes, dass Daimyō mit Positionen im Shogunat Dienstanwesen nahe der Residenz zugewiesen bekamen, die sie nach Beendigung wieder verlassen mussten.
  • Wie aus Farbholzschnitten, z. B. von Hiroshige, bekannt ist, wurde bei Bootsfahrten auf dem Sumida-Fluss gerne Rast gemacht im Schatten der „Von-Kopf-bis-Fuß Kiefer“ (首尾しゅびまつ, shubi no matsu). Wie auf der Karte Asakusa zu sehen ist, stand sie außen[Anm 2] zwischen dem 4. und 5. Hafenbecken.
  • Bei der Suche nach dem Vereinshaus der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens zwischen 1880 und 1882 war eine Stadtteilkarte hilfreich. Die aus der Literatur nur in lateinischer Umschrift überlieferte Adresse „Uyeno, Shikendera No.5“ ließ an einen Tempel denken. Allerdings existiert in Ueno oder der näheren Umgebung kein Tempel namens Shiken-dera. Auf der Karte Shitaya fand sich dann der Ort als „Bei den vier Tempeln“ (よんけんてら, Shikendera).

Die auf diesen Karten gut sichtbare Durchmischung der Stadt mit den winzigen Grundstücken der Bürger führte zu großen Problemen bei der Stadtentwicklung in der Nach-Edo-Zeit. So brauchte noch um 1980 das Unternehmen Mori Buildings Jahre, um die Bewohner der kleinen Häuschen auf dem Hang umzusiedeln bzw. zu entschädigen, der heute von den ARC Hills mit Hotels, der Suntory Hall und modernen Apartments eingenommen wird. Auf der anderen Seite erleichterten die auf den Karten gut sichtbaren großen Grundstücke der Daimyō, die nach der Meiji-Restauration an den Kaiser bzw. an den Staat fielen, die Anlage von Regierungsgebäuden, Kasernen, Universitäten.

Liste der Karten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der „Weizennudeln-Hangweg“ (Udon-zaka) in Roppongi

Die folgenden Titel der Blätter können von den auf dem Einband abweichen.

  • Kandabashi-nai Daimyō-kōji Uchi-sakurada (大名小路だいみょうこうじ神田かんだきょうない絵図えず)
    • auch: Kuruwa-nai Daimyō-kōji (曲輪くるわない大名小路だいみょうこうじ絵図えず)
  • Kōjimachi Nagatachō Soto-sakurada (こうじまち永田町ながたちょうがい桜田さくらだ絵図えず)
  • Banchō (東都とうとばんまちだい絵図えず)
  • Iidamachi Surugadai Ogawamachi (飯田いいだまち駿河台するがだい小川おがわまち絵図えず)
  • Nihonbashi-kita Uchi-kanda Ryōgoku Hamamachi (日本橋にほんばし北内ほくない神田かんだ両国りょうこく浜町はまちょう明細めいさい絵図えず)
  • Hatchōbori Reiganjima Nihonbashi-minami (八町堀霊岸嶋日本橋南之絵図)
  • Kyōbashi-minami Tsukiji Teppōsu (京橋南きょうばしみなみ築地つきじてつ鉄砲てっぽうしゅう絵図えず)
  • Shibaguchi-minami Nishi-Ōkubo Atago-shita (芝口しばぐちみなみ西久保にしくぼ愛宕下あたごした)
  • Imaidani Roppongi Akasaka (今井谷いまいだに六本木ろっぽんぎ赤坂あかさか絵図えず)
  • Sendagaya Samegahashi, Yotsuya (千駄ヶ谷せんだがやさめきょう四谷よつや絵図えず)
  • Ichigaya Ushigome (市ヶ谷いちがや牛込うしごめ絵図えず)
  • Koishigawa Ushigome, Kobinata (つぶてがわ牛込うしごめ小日向おびなた絵図えず)
  • Koishikawa (東都とうと小石川こいしかわ絵図えず)
  • Koishikawa Taninaka Hongo (小石川こいしかわ谷中たになか本郷ほんごう絵図えず)
  • Shitaya (東都とうと下谷しもたに絵図えず)
  • Asakusa (東都とうと浅草あさくさ絵図えず)
  • Imado Minowa Asakusa (今戸いまど箕輪みのわ浅草あさくさ絵図えず)
  • Honjo (本所ほんじょ絵図えず)
  • Honjo Fukagawa (本所ほんじょ深川ふかがわ絵図えず)
  • Shiba Mita Nihon-enoki Takanawa hen (しば三田みた二本榎にほんえのき高輪たかなわ絵図えず)
  • Azabu (東都とうと麻布まふ絵図えず)
  • Meguro Shirogane (目黒めぐろ白銀はくぎん)
  • Aoyama (東都とうと青山あおやま絵図えず)
  • Naitō-Shinkuku Sendagaya hen (内藤ないとう新宿しんじゅく千駄ヶ谷せんだがや)
  • Ushigome Ichigaya Ōkubo (牛込うしごめ市谷いちたに大久保おおくぼ絵図えず)
  • Zōshigaya Otowa (雑司ヶ谷ぞうしがや音羽おとわ絵図えず)
  • Komagome hen (東都とうと駒込こまごみ絵図えず)
  • Somei Ōji Sugamo hen (染井そめい王子おうじ巣鴨すがも絵図えず)
  • Negishi, Taninaka, Nippori, Toshima hen (根岸ねぎし谷中たになか日暮里にっぽり豊島としま)
  • Sumidagawa, Mukōjima (隅田すみた川向かわむかいしま絵図えず)

Schlussbemerkung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Glück lassen sich originale Karten erwerben, wobei diese meist im schlechten Zustand, oft von Wurmfraß durchsetzt sind. Das Interesse an ihnen hat dazu geführt, dass der Verlag Jinbunsha die Stadtteilkarten als Nachdrucke herausgebracht hat. Diese Karten sind allerdings keine Kopien von Originalen, sondern sind nachgezeichnet. Das schränkt ihren Wert als historische Quelle ein.[Anm 3]

  1. Die Notierung der Namen hochrangiger Bewohner auf Karten hat sich bis in die frühe Meiji-Zeit erhalten.
  2. Seit einigen Jahren steht dort wieder eine Kiefer am zugeschütteten Hafenbecken.
  3. Hier werden nur Originale oder Kopien von Originalen verwandt.
  • T. Morohashi: Edo kiriezu. Tokyo Jimbunsha, 1995, ISBN 4-7959-1350-1.
  • Präfektur Toyko (Hrsg.): Edo fukugen-zu. Tokyo 1991, OCLC 255509571.
  • R. Iida, M. Tawara: Edo-zu no rekishi. Tokyo Tsukiji Shokan, 1988, OCLC 713694690.