Liaozhai Zhiyi
Das Liaozhai Zhiyi (chinesisch 聊齋
Aufbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bis zu Pu Songlings Tod kursierten nur Manuskripte und Abschriften seines Werkes; erst 1766, 50 Jahre nach seinem Tod, erschien der erste Druck. Aus diesem Grund findet sich heute eine Unmenge von Varianten seiner Geschichten. Das Manuskript von Pu Songling selbst überlebte nur zum Teil, von den acht Bänden sind heute nur noch vier erhalten. Das Liaozhai beinhaltet eine wundersame Sammlung von Mythen und Legenden, Volksmärchen, Fabeln, zeitgenössische Anekdoten, Kriminalfälle, Ereignisse des täglichen Lebens, außergewöhnliche Vorkommnisse und Beschreibungen. Wie Pu Songling im Vorwort erklärt, wollte er damit die Wunder und das Erstaunliche im gegenwärtigen China beschreiben.
Stil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Geschichten sind alle in klassischem Chinesisch (
- Chuánqí (
傳奇 ) sind romantische Erzählungen in Prosa, die ihren Höhepunkt in Form und Stil während der Tang-Zeit hatten. - Die Bǐjì (
筆記 ) hingegen sind sachliche, kurz gehaltene Notizen, in der die Zhiguai-Geschichten oft geschrieben wurden, und deren Form sich wieder im Liaozhai wiederfinden. - Zhìguài (
志 怪 ) sind übernatürliche Erzählungen, die ihre Wurzeln in den Han- und Sechs Dynastien haben, jedoch erst in der Tang-Zeit als eigenes Genre ihren Platz in der Literatur finden. Für gewöhnlich sind es Sammlungen von kurzen, einfachen Anekdoten in Prosa, deren Inhalt ein Mix aus bizarr-nüchternen Geschichten des Ungewöhnlichen darstellt.
Von den von Pu verwendeten Quellen ist hier vor allem das Sōushénjì (
Besonderheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Fremde ist das Leitthema der Sammlung: Pu Songling stellt in seinen Geschichten zwei Welten gegenüber, die reale und die fantastische Wirklichkeit. Zentral für das Liaozhai ist, dass sich diese beiden Welten überlappen und deren Grenzen verschwimmen; die Protagonisten bewegen sich ohne Schwierigkeiten zwischen beiden Welten.
Speziell am Liaozhai sind auch die Kommentare von Pu Songling, die sich am Ende von 194 Erzählungen wiederfinden. Diese beginnen alle mit „der Historiker des Fremden kommentiert“ (
Literarischer Kontext[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Pu Songling verfasste mit dem Liaozhai Geschichten, wie sie zur Zeit der Sechs Dynastien und der Tang-Zeit beliebt waren. Ein Grund für diese Themenwahl mögen die neuen Editionen der Zhiguai- und Chuanqi-Erzählungen sein, die am Ende der Ming-Dynastie wieder veröffentlicht wurden. In den Erzählungen Pus mischen sich die einfachen Wunderberichte der Zhiguai-Geschichten der Sechs Dynastien, die eher anspruchsvolleren Themen der Chuanqi aus der Tang-Zeit und die realistischeren Gesellschaftsschilderungen aus der Ming-Zeit in Baihua (Umgangssprache). Insgesamt bedient sich Pu Songling aus drei verschiedenen Bereichen, um im Liaozhai seinen ganz eigenen Stil zu kreieren:
- Adaption aus alten Quellen, mit vor allem stilistischen Verbesserungen
- Auf traditionellen Motiven basierende Erzählungen mit stark inhaltlichen Veränderungen (die heute bekanntesten Geschichten), mündlichen Überlieferungen, volkstümlichen Märchen.
- Auf aktuellen Ereignissen und Erlebnissen basierende Erzählungen.
Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In der Literaturgeschichte Chinas gilt das Liaozhai Zhiyi als Höhepunkt der klassischen Erzählung. Die Sammlung bildet jedoch auch den Endpunkt der traditionellen chinesischen Erzählung, nach ihm wurden alle wichtigen Erzählungen in Baihua (Umgangssprache) geschrieben. Trotzdem gehört das Liaozhai zusammen mit dem „Traum der roten Kammer“ (Hong Lou Meng,
Die Liaozhai-Geschichten und deren Auswirkungen genießen auch heute noch in ganz China große Popularität, wie die verschiedensten Adaptionen für Theater und Film bezeugen, so auch z. B. „A Chinese Ghost Story“ (倩女
Im Jahre 2008 erschien der Film „Painted Skin“ (Hua Pi), mit Donnie Yen in der Hauptrolle.[1][2]
Günter Eich bearbeitete Das lachende Mädchen als Hörspiel (Produktion: NDR 1956).[3]
Übersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Pu Ssung-ling: Chinesische Geister- und Liebesgeschichten. Literarische Anstalt Rütten & Loening, Frankfurt a. M. 1916 (archive.org – 16 Erzählungen in der Übersetzung von Martin Buber, „mit Hilfe des Herrn Chingdao Wang“).
- Pu Sung-ling: Aus der Sammlung Liao-dschai-dschi-yi. Deutsch von Gottfried Rösel. Verlag Die Waage, Zürich.
- Band 1: Umgang mit Chrysanthemen. 81 Erzählungen der ersten 4 Bücher. 1987, ISBN 3-85966-053-5.
- Band 2: Zwei Leben im Traum. 67 Erzählungen der Bände 5 bis 8. 1989, ISBN 3-85966-054-3.
- Band 3: Besuch bei den Seligen. 86 Erzählungen der Bände neun bis zwölf. 1991, ISBN 3-85966-058-6.
- Band 4: Schmetterlinge fliegen lassen. 158 Erzählungen der Bände dreizehn bis fünfzehn. 1992, ISBN 3-85966-059-4.
- Band 5: Kontakte mit Lebenden. 109 Erzählungen der letzten beiden Bücher sechzehn und siebzehn. 1992, ISBN 3-85966-060-8.
- Eine französische Übersetzung von André Lévy wurde 1996 unter dem Titel Chroniques de l'étrange veröffentlicht.
- Eine russische Übersetzung von Wassili Michailowitsch Alexejew erschien 1988 in Moskau (in der Reihe Biblioteka kitaiskoi literatury).
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Alan H. Barr: The Later Classical Tale. In: Victor H. Mair (Hrsg.): The Columbia history of Chinese literature. Columbia University Press, New York NY/Chichester 2001, ISBN 0-231-10984-9, S. 675–696.
- Ying Hu: Records of Anomalies. In: Victor H. Mair (Hrsg.): The Columbia history of Chinese literature. Columbia University Press, New York NY/Chichester 2001, ISBN 0-231-10984-9, S. 542–555.
- Rania Huntington: The Supernatural. In: Victor H. Mair (Hrsg.): The Columbia history of Chinese literature. Columbia University Press, New York NY/Chichester 2001, ISBN 0-231-10984-9, S. 110–131.
- Karl S. Y. Kao (Hrsg.): Classical Chinese Tales of the Supernatural and Fantastic. Selections from the Third to the Tenth Century. Indiana University Press, Bloomington IN 1985, ISBN 0-253-31375-9.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Painted Skin – Die verfluchten Krieger. In: imdb.com. Internet Movie Database, abgerufen am 10. November 2021 (deutsch, englisch).
- ↑
畫 皮 (2008) – Painted Skin. In: hkmdb.com. Hong Kong Movie Database, abgerufen am 10. November 2021 (chinesisch, englisch). - ↑ NDR Hörspiel, NDR Podcast, archive.org.