Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen, Maritime Technologie und Forschung
Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen, Maritime Technologie und Forschung | |
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Staatliche Ebene | Bund |
Stellung | Wehrtechnische Dienststelle der Bundeswehr |
Aufsichtsbehörde | Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) |
Gründung | 1912 als Torpedoversuchsanstalt |
Hauptsitz | Eckernförde |
Direktor | Frank Menning[1][2] |
Bedienstete | 830 |
Netzauftritt | WTD 71 |
Die Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen, Maritime Technologie und Forschung (WTD 71) ist eine Behörde im Organisationsbereich Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (AIN) der Bundeswehr und dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr unterstellte zivile Dienststelle. Sie hat ihren Hauptsitz in Eckernförde. Die WTD 71 ist als Ressortforschungs-Einrichtung auch wissenschaftlich tätig.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vorläufer der WTD 71 waren unter anderem die Torpedoversuchsanstalt Eckernförde der Kaiserlichen Marine, Reichsmarine und Kriegsmarine, die Torpedowaffenplätze der Luftwaffe, das Sperrversuchskommando, das Artillerieversuchskommando, das Nachrichtenversuchskommando und die Chemisch-physikalische Versuchsanstalt[3].
Die WTD 71 ging aus der vormaligen Erprobungsstelle 71 unter Integration mehrerer eigenständiger Dienststellen hervor. Nach der Integration der vormaligen Erprobungsstellen 71, 72, 73 und von Teilen der Erprobungsstelle 81 führte die Dienststelle ab 1974 die Bezeichnung Erprobungsstelle 71 für Schiffe und Marinewaffen und hieß ab 1987 Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen.[4] Nach der Eingliederung der Forschungsanstalt der Bundeswehr für Wasserschall und Geophysik am 1. Februar 2009 erhielt die Dienststelle ihre jetzige Bezeichnung.
Erprobungsstelle 71
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Erprobungsstelle 71 für Marinewaffen wurde mit Erlass vom 1. Juni 1957 auf dem Gelände der vormaligen Torpedoversuchsanstalt in Eckernförde aufgestellt.[5] Weitere Erprobungsanlagen befanden sich in Surendorf, Aschau und Plön-Ruhleben.
Zwischen 1972 und 1974 wurden die Erprobungsstellen 71, 72 und 73 und die Außenstelle Surendorf der Erprobungsstelle 81 für Fernmeldewesen und Elektronik in Greding (Bayern) unter der Bezeichnung Erprobungsstelle 71 für Schiffe und Marinewaffen in Eckernförde zusammengefasst.
Erprobungsstelle 72
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Erprobungsstelle 72 für Magnetischen Schiffsschutz wurde mit Erlass vom 1. April 1957 in Rendsburg eingerichtet. Sie übernahm den Betrieb mehrerer im Zweiten Weltkrieg aufgebauter Entmagnetisierstellen, die nach 1945 durch das Bundesverkehrsministerium zur Unterstützung von Minenräumaufgaben funktionsfähig gehalten worden waren. Dazu gehörten die Entmagnetisierstellen Kiel-Friedrichsort und Kudensee, die als Außenstellen der Erprobungsstelle 72 übernommen wurden. Die Stelle in Kudensee wurde 1961 aufgelöst und in Wilhelmshaven neu aufgebaut. Sie wurde 1997 an das Marinearsenal übergeben. Eine weitere Außenstelle befand sich als Erprobungsplatz in Borgstedt. 1974 wurde die Erprobungsstelle in die Erprobungsstelle 71 überführt.
Erprobungsstelle 73
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Erprobungsstelle 73 für Schiffstechnik wurde am 1. September 1965 in Kiel errichtet und übernahm einige Arbeitsbereiche des Marinearsenals. Auch sie wurde 1974 in die Erprobungsstelle 71 überführt.
Forschungsanstalt der Bundeswehr für Wasserschall und Geophysik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Forschungsanstalt der Bundeswehr für Wasserschall und Geophysik (FWG) in Kiel dient der Forschung auf den Gebieten Wasserschall und Geophysik und ist aus der Ozeanographischen Forschungsanstalt der Bundeswehr (OFBw) hervorgegangen, der vor allem maritime meteorologische Untersuchungen und Feststellungen der natürlichen Einflüsse des Wassers auf alle für die Verteidigung wichtigen Vorgänge im Medium Wasser oblag. Zur FWG gehört das Forschungsschiff Planet. Die FWG wurde am 1. Februar 2009 in die WTD 71 eingegliedert.
Aufgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die WTD 71 hat die Aufgabe, die Deutsche Marine in maritimen Fragestellungen der Wehrtechnik und Wehrwissenschaft zu unterstützen. „Die WTD 71 deckt die gesamte Bandbreite maritimer Wehrtechnik in allen Phasen des Entstehungsganges von Wehrmaterial ab. Die Aktivitäten sind in erster Linie ausgerichtet auf das Gesamtsystem Schiff und das Zusammenwirken unterschiedlicher Komponenten auf und mit diesem System in maritimem Umfeld.“[6] Dazu gehören die Aufgaben
- Maritime Forschung
- Technologische Untersuchungen
- Prüfungen und Nachweise
- Unterstützung in der Nutzung von Wehrmaterial und das
- Bereitstellen technischer Expertise.[7]
Die Tätigkeitsbereiche umfassen:[8]
- Schiffssignatur
- Torpedotechnik/Torpedoabwehr
- Seeminen / Seeminenabwehr
- Sonartechnologie
- Führungssysteme
- Kommunikationssysteme
- Navigationssysteme
- Aufklärungssysteme/Elektronische Kampfführung
- Elektromagnetische Interoperabilität
- Integration von Marinewaffensystemen
- Schiffbau
- Schiffsmaschinenbau
- Schiffselektrotechnik
- Unterwasserdetonik
- Aquatechnik und Rettungsmittel
Forschung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die WTD 71 ist, neben den beiden Wehrwissenschaftlichen Instituten (WiWeB, WIS), die dritte Ressortforschungseinrichtung im Rüstungsbereich der Bundeswehr[9] und damit auch wissenschaftlich tätig. Diese für eine Wehrtechnische Dienststelle untypische Aufgabe liegt in der 2009 eingegliederten FWG begründet, welche als Forschungsanstalt vorrangig wissenschaftliche Fragestellungen bearbeitet hat.
Organisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von den 830 Mitarbeitern der WTD 71 sind etwa 190 Wissenschaftler und Ingenieure; hinzu kommen Techniker, Handwerker, Seeleute und Verwaltungspersonal.
Gliederung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zur Wahrnehmung dieser Tätigkeitsbereiche gliedert sich die WTD 71 in fünf Geschäftsfelder[10]
- Waffensystem Schiff
- Schiffstechnik, Standkraft
- Aufklärung, Wirkung, Eigenschutz
- Sensortechnik, Signaturen, Vertretung im Center for Ship Signature Management (CSSM)
- Unterwasserortung und -kommunikation
unterstützt von
- einem technisch-betrieblichen Servicebereich und
- einem wirtschaftlich-administrativen Servicebereich
Ausrüstung und Liegenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zu den Liegenschaften gehören außer dem Hauptstandort in Eckernförde die folgenden Liegenschaften:[11]
Im östlichen Teil des Borgstedter Sees bei Lehmbek befindet sich in einem eigens ausgebaggerten Becken von 40 m Breite und 120 m Länge ein Erdmagnetfeldsimulator der Wehrtechnischen Dienststelle 71 der Deutschen Marine für die Vermessung der magnetischen Signatur von Marinefahrzeugen wie der U-Boot-Klasse 212 A oder Minensuchbooten. Es können Magnetfelder von jedem beliebigen Ort der Erde simuliert werden. Dies ist zur Sicherstellung des magnetischen Eigenschutzes der Fahrzeuge gegen Seeminen notwendig. Der in den 1960er Jahren erbaute erste Simulator wurde 2005 durch einen modernen, 40 Mio. Euro teuren Neubau ersetzt.[12][13]
- Kiel-Ellerbek
- Kiel-Friedrichsort
- Plön
- Aschau
- Schwedeneck
- Elpersbüttel, Kreis Dithmarschen
Zu der Ausrüstung der WTD 71 gehören:
- Akustische Messstellen für Schiffe in Flachwasser und Tiefwasser
- Unter- und Überwasserbahnvermessungsanlagen
- Versuchsgebiet für Unterwasseransprengungen
- Unterwassertestanlage
- Torpedoschießstand und -bahn
- Prüfeinrichtungen zur Simulation
- Schiffstechnische Prüfstände verschiedener Art
- Antennenmodellmessplatz
- Messkammer für Elektromagnetische-Verträglichkeit
- Erprobungsplätze für Luftziel-, Seeziel- und Geschosserprobungen
- 8 Erprobungsschiffe
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Edgar Nießen: Die Erprobungsstelle 71, in: Jürgen Rhades: Jahrbuch der Marine, Folge 13, 1978; Koblenz, Bonn 1978; ISBN 3-8033-0275-7.
- Doris Milkert: Maritime Technologie und Forschung – Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen. MarineForum 9/2016, S. 8–13 (PDF-Datei, 1,1 MB).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Gernot Kühl: Zwei plus zwei plus zwei - WTD-Flotte wächst und wird moderner. In: shz. Eckernförder Zeitung, 11. Dezember 2023, abgerufen am 19. Juli 2024.
- ↑ Nachgefragt mit Frank Menning von der WTDWehrtechnische Dienststelle 71. Bundeswehr, 2. Dezember 2022, abgerufen am 19. Juli 2024.
- ↑ Edgar Nießen: Die Erprobungsstelle 71, in: Jürgen Rhades: Jahrbuch der Marine, Folge 13, 1978; Koblenz, Bonn 1978; ISBN 3-8033-0275-7.
- ↑ Siehe zu diesem Abschnitt Bundesarchiv/Militärarchiv Bestand BV 7 ( vom 3. August 2004 im Internet Archive)
- ↑ Oliver Krauß: Rüstung und Rüstungserprobung in der deutschen Marinegeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Torpedoversuchsanstalt (Dissertation, Kiel 2006), S. 346. (online)
- ↑ Portrait der WTD 71. Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, abgerufen am 5. Juli 2017.
- ↑ Wehrtechnische Dienststelle (WTD 71) – Neue Dienststelle im Rüstungsbereich der Bundeswehr; in: Marineforum 7/8-2009, S. 10 ff
- ↑ WTD 71. Abgerufen am 25. Juli 2022.
- ↑ Ralf Schnurr: Ressortforschungsplan des Bundesministeriums der Verteidigung. 2022, abgerufen im Jahr 2022.
- ↑ Organigram WTD 71. Mai 2022, abgerufen im Jahr 2022.
- ↑ Geografische Lage der WTD 71. Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, abgerufen am 5. Juli 2017.
- ↑ Wasser- und Schifffahrtsamt Lübeck. Archiviert vom am 12. Februar 2013; abgerufen am 14. Januar 2018.
- ↑ Das Wasser- und Schifffahrtsamt Lübeck weiht Erdmagnetfeldsimulator ein. (PDF) Wasser- und Schifffahrtsamt Lübeck, 7. November 2005, abgerufen am 14. Januar 2018.
Koordinaten: 54° 28′ 25″ N, 9° 51′ 34″ O