(Translated by https://www.hiragana.jp/)
ADB:Gustav II. Adolf – Wikisource Zum Inhalt springen

ADB:Gustav II. Adolf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Gustav II. Adolf“ von Karl Wittich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 189–212, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gustav_II._Adolf&oldid=- (Version vom 1. November 2024, 03:52 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Gustav Samuel Leopold
Band 10 (1879), S. 189–212 (Quelle).
Gustav II. Adolf bei Wikisource
Gustav II. Adolf (Schweden) in der Wikipedia
Gustav II. Adolf in Wikidata
GND-Nummer 118543733
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|10|189|212|Gustav II. Adolf|Karl Wittich|ADB:Gustav II. Adolf}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118543733}}    

Gustav II. Adolf, König von Schweden, geb. am 9. December a. St. 1594 zu Stockholm. – Ein Fremder und doch, wie E. M. Arndt im „Geist der Zeit“ ihn bezeichnet, neben Hermann und Luther des deutschen Volkes Mann und Held, hat G. A. als Feldherr wie als Staatsmann jedenfalls zu tief und nachhaltig in die Angelegenheiten unserer Nation eingegriffen, als daß er an dieser Stelle übergangen werden dürfte. Durch Stamm und Glauben war er zumal mit dem deutschen Norden eng verbunden. Auch seine Erziehung, die neben dem Schweden J. Skytte der brandenburgische Edelmann O. v. Mörner leitete, ist eine großentheils deutsche zu nennen. Unsere Sprache, die er rein wie ein Eingeborener sprach, ist im eigentlichen Sinne seine Muttersprache – die Sprache seiner Mutter gewesen. Diese, die stolze Königin Christina, von Geburt eine holsteinische Prinzessin, war Philipps des Großmüthigen Enkelin. Im Testament König Karls IX., dem G. A., sein ältester Sohn gegen Ende 1611, also erst 17jährig, auf dem schwedischen Thron folgte, wird ihm wie der Mutter die Pflege der Freundschaft mit Deutschlands evangelischen Fürsten zur Pflicht gemacht. Mit seinen letzten Blicken gleichsam hatte Karl „die Glieder eines künftigen Bundes gegen das Papstthum und das Haus Habsburg gemustert“. Er selber, wie nach ihm G. A., galt den Habsburgern nur als Usurpator. Als rechtmäßigen König von Schweden betrachteten diese den Sohn von Karls älterem Bruder, den katholischen Sigismund, der als polnischer Wahlkönig und eifriger Jesuitenfreund den Vorschriften seines großen Ahnherrn Gustav Wasa sowie den Traditionen seines Vaterlandes untreu geworden war. Von den um ihren lutherischen Glauben besorgten Ständen Schwedens schon 1599 förmlich abgesetzt, hatte Sigismund seine Ansprüche auf die schwedische Krone gegen den statt seiner zum König erhobenen Karl, den thatkräftigen Vertheidiger der religiös-politischen Schöpfung Gustav Wasa’s, mit zäher Hartnäckigkeit in wechselvollen Fehden behauptet; er war entschlossen, sie auch gegen seinen Vetter, König G. A., zu behaupten. Bestärkt in diesem Entschluß und in seinen feindlichen Anschlägen wider den in Schweden über ihn triumphirenden protestantischen Wasazweig bald indirect, bald direct unterstützt wurde Sigismund durch die ihm nahe verwandten österreichischen und spanischen Habsburger, die unter einander die Idee des Gesammthauses aufrecht erhielten und Sigismund zum engen Bunde heranzuziehen suchten. Zugleich als monarchische und katholische Pflicht galt namentlich den Spaniern die Zurückführung Sigismunds auf den Thron seiner Väter oder, wie sie sich schlechthin auszudrücken liebten, die Recuperation des Königreichs Schweden, wobei ihre eigenen politischen Interessen, hauptsächlich ihre Pläne zum Ausschluß der holländischen „Rebellen“ von der Ostsee lebhaft mit ins Spiel kamen. Das Maß der Gefahren, welche unaufhörlich die Krone Gustav Adolf’s bedrohten, hing demnach von den Erfolgen oder Niederlagen der beiden habsburgischen Linien von vornherein nicht weniger und bald sogar noch mehr als von denjenigen Polens ab. So sah denn auch G. A. nach dem Vorbilde seines Vaters Alles, was von den Habsburgern bedroht oder in feindlichem Gegensatz zu ihnen war, wie in natürlicher Verbindung mit sich selber. Der Solidarität gegenüber, die in hohem Grade zwischen den katholischen Angriffsmächten in Europa bestand, lernte er von früh auf das Bedürfniß der Solidarität aller evangelischen Staaten und Stände fühlen; und dabei war für Niemand ausgesprochener als für ihn der Begriff der politischen Freiheit unzertrennlich mit dem der kirchlichen verbunden.

Als G. A. die Regierung antrat, fand er freilich sein Land noch in andere, [190] zunächst sogar dringendere Gefahren verwickelt. Er fand es, erschöpft durch vorausgegangene Kriege, unter deren Getöse er aufgewachsen war, auf allen Seiten von feindlichen Nachbarn umgeben. Wenn damals auch gerade mit Polen ein – nachher verlängerter – Waffenstillstand bestand, so herrschte doch noch Krieg gleichzeitig mit den Russen und den Dänen. Die Letzteren waren in das Herz des schwedischen Landes eingedrungen. Zur Rettung seiner Krone schloß G. A. 1613 einen schweren Frieden mit Dänemark – „nicht wie er wollte, sondern wie er konnte“. 1617 dictirte er den Russen einen um so vortheilhafteren Frieden, durch welchen dieselben auf nahezu hundert Jahre von der Ostsee und von Europa ausgeschlossen wurden. Dem russischen Frieden folgte aber unmittelbar der Wiederausbruch der offenen Feindseligkeiten mit Polen. Bei der großen Verschiedenheit der einzelnen Parteien war allen diesen Kriegen doch ein sehr wichtiges Moment gemeinsam: das Ringen um das Uebergewicht auf der Ostsee. Bereits ein halbes Jahrhundert zuvor war den hier genannten Mächten der Zerfall von Livland der Anlaß zum Wettkampf um dessen Besitz geworden; damit hauptsächlich hatte sich der Kampf um jenes Uebergewicht verknüpft. Gerade G. A. war inmitten so vieler Gefahren ganz erfüllt von dem Anspruch auf die Oberhoheit, auf das Dominium über die Ostsee. Nach der entscheidenden Niederlage Rußlands war es sein Bestreben, nun auch die feindliche polnische Herrschaft von der Ostsee zu verdrängen – ein Bestreben, an das sich das weitergehende Bemühen, die Festsetzung der verderbendrohenden Habsburger an den Küsten dieses Meeres zu verhindern, mit Nothwendigkeit anschloß. Gewiß würde auch abgesehen von seinen Thronstreitigkeiten mit Sigismund der Kampf mit Polen um Livland und die Ostsee ihm stets als ernste Aufgabe gegolten haben. Daß aber hinter Sigismund dessen mächtige Verbündete als gleichzeitig zu bekämpfende Feinde standen, gibt diesem Kriege eine weitere Bedeutung. Mit dem ersten Dritttheil des 30jährigen Krieges zusammenfallend, scheint er, obwol noch wiederholt durch längere Waffenstillstände unterbrochen, bei oberflächlicher Betrachtung allerdings ein Hemmniß, ein Grund, daß G. A. nicht früher schon in die deutschen Verhältnisse entschieden eingreifen konnte, gewesen zu sein. Doch nicht allein, daß der König sich erst im polnischen Kriege sein Heer zum Bestehen der größeren und schwierigeren Aufgaben des deutschen Kriegs schuf. Nicht allein, daß er sich selber erst hier zum Meister einer neuen Kriegskunst bildete, die nöthige Selbstbeherrschung des Soldaten, wie den umsichtigen Blick und die Kühnheit des Feldherrn, der zugleich Politiker sein mußte, gewann. In seinen eigenen Augen war auch schon der Krieg gegen Polen ein Krieg zur Beeinträchtigung des Kaisers und der katholischen Liga; und es war sein dringender Wunsch, dem natürlichen Zusammenhange zwischen beiden Kriegen entsprechend ein planmäßiges strategisches Zusammenwirken mit den evangelischen Kämpfern Deutschlands herzustellen. Während er mit Kummer und Verdruß die durch ihre Fehler herbeigeführten Niederlagen bemerkte, trug er September 1621 durch die Eroberung Rigas einen höchst gewinnreichen Erfolg über die Polen in Livland davon. Zwei Jahre später, als er mit dem Süden auch schon den Norden Deutschlands in Gefahr sah und dazu polnische Intriguen in Pommern witterte, faßte er den Plan, den Kriegsschauplatz von Livland unmittelbar nach Polen zu verlegen, um die polnische Politik von Pommern abzulenken und durch Bedrohung der benachbarten kaiserlichen Erbländer den Kaiser und die Liga selbst soviel als möglich von Deutschland zu divertiren. Ja er sprach davon, „sedem belli aus Deutschland nach Polen bringen zu wollen“ und rechnete, wiewol vergeblich, unter anderem darauf, daß Mansfeld und Fürst Christian der Jüngere von Braunschweig ihre Waffen ihm entgegentragen und sich mit ihm daselbst vereinigen würden.

[191] Außerordentliche Wünsche, die noch kühner waren als Gustav Adolf’s eigene Absichten, wurden August und September 1624 von zwei verschiedenen Seiten an ihn gerichtet. England und Kurbrandenburg, beide aus besonderen Gründen von einem ungewöhnlichen Eifer für die Rückeroberung der Pfalz und die Restitution der deutschen Angelegenheiten entflammt, schickten damals nach einander ihre Agenten an ihn in der Hoffnung, für die oberste Leitung des bisher von protestantischer Seite rath- und planlos geführten deutschen Krieges diesen als Feldherrn schon bewährten König persönlich zu gewinnen. Wenn da der englische Gesandte, Ritter Spens, ihn aufforderte, mit Unterstützung seines eigenen Königs und des Pfalzgrafen den Krieg direct nach Schlesien zu verpflanzen, so fand er G. A. hierzu wol bereit. Indeß noch immer fern von Polen, durfte derselbe nicht daran denken, den zweiten Schritt ohne den ersten zu thun; erst an die glückliche Durchführung des polnischen Kampfes konnte der in Schlesien sich anschließen. Wenn der kurbrandenburgische Agent, Chr. v. Bellin, ihm statt Polen Deutschland zum Kriegstheater empfahl und ihn sogar aufforderte, in den wiederzugewinnenden Landstrichen, am Rhein und Neckar den entscheidenden Schlag zu führen, so ging G. A. dem Anschein nach selbst hierauf bereitwillig ein. Aber er stellte Gegenforderungen, Bedingungen für seine Unterstützung, deren nächster Zweck offenbar war, Angesichts der großen Schwierigkeiten des ihm zugemutheten Unternehmens die Nothwendigkeit außerordentlicher gemeinsamer Opfer zu betonen, auf die Gefährlichkeit schlecht vorbereiteter Wagnisse und unzureichender Maßregeln mit ernster Warnung aufmerksam zu machen. Selber zu Opfern bereit, glaubte er für sich auch Opfer fordern zu müssen. Er verlangte zur Deckung seines Rückens, zur Sicherheit für seinen Ein- und Ausgang in Deutschland je einen Hafen in der Ost- und Nordsee, wobei an Wismar und Bremen gedacht wurde. England jedoch fand seine Forderungen insgemein zu hoch und gab – Anfang 1625 – dem weit gelindere Ansprüche erhebenden König Christian IV. von Dänemark den Vorzug in der Direction des deutschen Krieges. So trat, aus wesentlich anderen Beweggründen als die des Schwedenkönigs waren, der alte Feind und Rival desselben ohne zuverlässige Basis für sein kühnes Unternehmen in die große deutsche Action, der er sich in der Folge denn auch keineswegs gewachsen zeigte. Trotzdem drängte G. A. die gerechten Gefühle des Mißtrauens und des Unmuths im Hinblick auf das „gemeine Wesen“ und den besonderen Nutzen, den immerhin auch ihm die Theilnahme Dänemarks am Kriege gegen Kaiser und Liga versprach, mit politischem Tact zurück. Er verhieß ihm wirksame Cooperation und indem er erwartete, daß Christian IV. längs der Weser ins Innere des Reiches oder längs der Elbe nach Böhmen vordringen werde, machte er jetzt den Plan, durch Polen nach Schlesien einzurücken, ganz zu seinem eigenen. Es sei sicherer, sagte er, daß dieser Krieg mit zwei Heeren geführt werde. Oberbefehlshaber des einen, fühlte er sich in der Absicht, der Liga und dem Kaiser von Polen aus in die Flanke zu fallen, als gleichberechtigt mit Christian und beanspruchte, indem er namentlich ein festes Bündniß mit den protestantischen Fürsten und Städten Norddeutschlands erstrebte, demnach auch gleichmäßige Geldhülfe von den Verbündeten, sowie Succurs an Kriegsvolk. Kein Friede sollte ohne seine Zustimmung mit dem Kaiser und der Liga geschlossen werden.

Noch freilich war die Zeit für derartige Ansprüche nicht reif; noch fand G. A. in Deutschland selbst am wenigsten Entgegenkommen und Verständniß. Deshalb vielleicht um so mehr vertiefte er sich noch einmal gerade 1625 völlig in seinen livländischen Krieg. Livland wurde vom Feinde im ganzen befreit, und so gewann G. A. zum mindesten eine bessere Grundlage für unmittelbare Angriffe auf Polen. Im Frühjahr 1626 wurde in der That der Krieg von der Düna [192] an die Weichsel versetzt – unter den maßgebenden Gründen finden wir wiederholt auch den angeführt, daß der König Deutschland näher kommen und bessere Gelegenheit zur Correspondenz mit den benachbarten Potentaten erlangen wollte. Freilich bedauerte er hier keine Rücksicht auf seinen Schwager, den Kurfürsten von Brandenburg als Herzog von Preußen nehmen, das auf seinem Wege zunächst gelegene herzogliche Preußen wegen seiner Abhängigkeit von der Krone Polen nicht schonen und umgehen zu können. Er landete im Juni bei Pillau, occupirte es und nannte es „ein Loch, durch das er weiter vorwärts müsse“. Dann wandte er sich gegen die preußisch-polnischen Besitzungen und eroberte im Fluge eine Reihe der wichtigsten Städte. Er verjagte die Jesuiten aus Braunsberg, sorgte aller Orten für die nothleidende evangelische Kirche und erschien bereits im Lichte des Glaubenshortes. Die Unzufriedenheit der großentheils evangelisch gesinnten Preußen über den Religionsdruck der Papisten bezeichnete er als den wahren Grund der schnellen Fortschritte seines Heeres. Im folgenden Sommer (1627) gesichert und erweitert, standen dieselben gleichwol in keinem Verhältniß zu den großartigen Erfolgen, welche zur nämlichen Zeit die Waffen Tilly’s und Wallenstein’s über Christian IV. und dessen Mitkämpfer im nördlichen Deutschland, wie in den Erblanden des Kaisers gewannen. Der preußischen Verluste ungeachtet wurde durch diese Erfolge König Sigismund vielleicht mehr als je zum Ausharren im eigenen Kampfe und zur Behauptung seiner Ansprüche auf Schweden ermuthigt. Während G. A. doch nur in einem methodischen Feldzug, Paß für Paß erobernd, sich aus den Küstengegenden weiter landeinwärts begeben wollte, während er demnach mit seinen mäßigen Kräften noch fern von der schlesischen Grenze stand, gelang es den übermächtigen kaiserlich-ligistischen Waffen, den Dänenkönig seewärts mehr und mehr zurückzudrängen und zugleich auch die unzureichenden dänisch-deutschen Truppen, die sich in Schlesien befanden, derartig anzugreifen, daß sie eiligst das Weite suchen und widerstandslos die Ueberwältigung Schlesiens durch Wallenstein geschehen lassen mußten. Wiederholt hatte sich G. A. zu Anfang 1627, wie bereits im Laufe von 1626 erboten, den Dänen in Schlesien zur Hülfe zu kommen. Ursprünglich hatte er sich wol mit dem inzwischen vom Schauplatz abgetretenen Bethlen Gabor zu diesem Zweck zu vereinigen gewünscht. 10000 Mann aber hätte ihm König Christian senden sollen; dann würde er mit einer doppelt so starken Armee, seinen Versicherungen oder doch bestimmten Andeutungen nach, schon im Frühjahr 1627 im Stande gewesen sein, den Marsch durch Polen nach Schlesien auszuführen, um dem großen Krieg eine andere Wendung zu geben und Christian in Deutschland Erleichterung zu verschaffen. Wahrscheinlich also wäre, wenn dieser den Vorschlag Gustav Adolf’s zur rechten Zeit angenommen hätte, das strategisch so bedeutende Schlesien gerettet und Wallenstein dergestalt beschäftigt worden, daß er an die folgende Ueberfluthung der deutsch-dänischen Küstenländer durch seine Heerschaaren kaum hätte denken können. Aber nicht blos, daß G. A. kein Entgegenkommen fand, um unmittelbar in den deutschen Krieg einzugreifen, sondern umgekehrt vermochte Wallenstein die Polen im preußischen Feldzug dieses Jahres auch schon durch ein kaiserliches Hülfscorps von einigen tausend Mann zu verstärken. Auf Seiten der Gegenpartei fand G. A. Macht, Einigkeit, Fleiß und Beharrlichkeit; auf Seiten der eigenen Unfleiß, Undankbarkeit und Unbeständigkeit, so lasse „Einer den Anderen verkommen zum Schaden und Verderben Aller“. Bald warfen die Niederlagen und Verluste der Protestanten in Deutschland ihre dunklen Schatten über die Ostsee. Dinge bereiteten sich vor, die G. A. sein Eingreifen in den deutschen Krieg von einer anderen Seite als bisher nothwendig erscheinen ließen.

Die militärische Occupation Mecklenburgs und Pommerns durch Wallenstein kehrte ihre feindliche Spitze in Wirklichkeit sofort gegen Schweden. Wallenstein [193] hatte mehr als eine bloße Ahnung davon, daß in G. A., der wie kein anderer Fürst auf evangelischer Seite die Angelegenheiten in ihrem universalen Zusammenhang auffaßte und darnach zu handeln stets bereit war, seinen weiteren Plänen, der Gründung einer habsburgischen Ostseemacht unter seinem eigenen Generalat der entschiedenste und streitbarste – ein unversöhnlicher Gegner erstehen müsse. Um G. A. von den kaiserlichen Erblanden abzuhalten, hatte er sich zum Bundesgenossen der Polen erklärt. Um seine maritimen Pläne und seine damit Hand in Hand gehenden persönlichen oder dynastischen Absichten auf Mecklenburg ungestört zur Ausführung zu bringen, würde er am liebsten die schwedische Flotte in ihren Häfen haben zerstören lassen. Schon gab er Befehle, die schwedischen Schiffe, wo man sie fände, in Brand zu setzen. Gleichwol hoffte er, so lange der König von Dänemark nicht vollkommen besiegt war, G. A. durch Unterhandlungen, durch chimärische Anerbietungen ködern zu können. Zum Schein ging G. A. auch darauf ein; aber niemals würde er einen Verrath an den allgemeinen Interessen begangen haben. Rückhaltlos theilte er Christian IV. die gegen Letzteren selbst gerichteten Anerbietungen mit; und bei der ersten Annäherung dieses in die größte Bedrängniß gerathenen Königs erklärte er sich bereit. zur Vertheidigung seines Reiches und nun vor allem auch der Ostsee gemeinschaftliche Sache mit ihm zu machen (October 1627). Ein enges Zusammengehen Schwedens und Dänemarks erschien ihm um so nothwendiger, als nach der Einnahme von Wismar, das alsbald zu einem spanisch-kaiserlichen Kriegshafen ersten Ranges, zu einem „neuen Dünkirchen“ umgeschaffen werden sollte, Wallenstein mit allen Mitteln den Besitz von Stralsund erstrebte. Neben Wismar wurde Stralsund als der eigentliche Schlüssel zur Ostsee von der deutschen Seite aus betrachtet; beide galten als „die rechten Plätze, worinnen royale Armadas formirt werden können“. Zunächst hielt Wallenstein die Unterwerfung von Stralsund jedenfalls für unerläßlich zur Beschließung und Besiegelung des dänischen Krieges. G. A. aber sah auch hier sofort weiter: „damit – äußerte er im Frühjahr 1628 – wäre Dänemark und der Sund verloren, und dann käme die Reihe an Schweden, wenngleich die Gefahr für einige Zeit noch abgewendet werden könnte“. Er faßte demnach die Erhaltung Stralsunds als eine Lebensfrage für sein Land auf. So eifrig er auch 1628 an die Fortsetzung seines preußischen Krieges mit beständiger Rücksicht auf den deutschen Krieg und auf den inneren Zusammenhang zwischen beiden ging, so beschloß er doch im Beginn des Sommers, der den Kaiserlichen muthigen Widerstand leistenden, aber immer ärger von ihnen bedrohten und belagerten Stadt von Preußen aus mit neun Regimentern schwedischer Mannschaft unmittelbar zum Entsatz zu kommen, sobald sie dessen bedürfen würde. Auf ihr Gesuch um Hülfe hatte er ihr bereits Kriegsmunition und eine kleinere Truppenabtheilung zugesandt. Eine neue Abtheilung war unterwegs, als aus Besorgniß vor G. A. und Angesichts einer größeren kriegerischen Bewegung des jetzt in der That mit ihm enger verbündeten auch die Stralsunder aufs wirksamste unterstützenden Dänenkönigs sich Wallenstein entschloß, die Belagerung aufzuheben. Während aber das Prestige desselben hierdurch einen nicht verwindbaren Schaden erlitt, hatte G. A. schon festen Fuß auf deutschem Boden gewonnen. Noch zur Zeit der Belagerung war ein, kurz nachher von ihm ratificirtes Bündniß mit der Stadt – das erste schwedische Bündniß in Deutschland – zum gemeinsamen Schutz der Ostsee und des Handels geschlossen worden. Factisch begab sich Stralsund dadurch in Schwedens dauernde Schirmherrschaft. Eine starke schwedische Besatzung sicherte diese Stadt fortan vor Wallenstein’s und der Habsburger Gewalt. Vergeblich indeß hoffte der König, das Bündniß mit ihr auf die anderen Seestädte auszudehnen und durch ihre Vermittlung sich gleichsam zum Haupt und Patron der [194] Hansa aufschwingen zu können. Die Städte waren, von sonstigen Bedenken abgesehen, im allgemeinen allzusehr eingeschüchtert durch die Uebermacht, welche die Kaiserlichen zu Lande behaupteten. Und somit genügte der Besitz von Stralsund auch noch keineswegs, den Feind zu verhindern, daß er die Herrschaft über die See gewänne. Dazu mußte sich G. A. erst recht in Folge jener Besitzergreifung auf die äußerste Feindschaft des Kaisers gefaßt machen. Er selbst sprach es unumwunden aus, daß er bereits „durch dieses Stralsundische Wesen in den deutschen Krieg hineingerathen sei“. Er hielt nun dessen Fortsetzung gleichfalls für unvermeidlich – auf welche Art er aber fortzusetzen, war die große Frage, die im Winter 1628–29 ihn, seinen ihm nahe befreundeten staatsklugen Reichskanzler Axel Oxenstjerna und seinen Reichsrath zu Stockholm beschäftigte. Da es noch wenig Aussicht für die Beilegung des polnischen Krieges gab, so ließ das neue Jahr zwei schwere Kriege auf einmal erwarten. Beide angriffsweise zu führen, schien aber für ein Reich wie Schweden unmöglich. Da entschied sich der König im Widerspruch mit Oxenstjerna, den Krieg in Preußen vor dem wichtigeren in Deutschland, der ihm auch ohne sein Zuthun von Jahr zu Jahr näher gekommen war, zurücktreten zu lassen, jenen fortan nur noch defensiv zur Behauptung seiner Eroberungen zu führen, diesen hingegen schon im nächsten Frühjahr – 1629 – offensiv und unmittelbar mit einer möglichst starken Armee zur Hand zu nehmen. Seine nächste Absicht war, den Kaiserlichen von der Landseite aus die Häfen zu entwinden, da dies von der durch sie stark befestigten Seeseite nicht thunlich schien. Er hoffte Wallenstein derartig zu beschäftigen, daß er ihn sowol von weiterem Vorgehen wider Dänemark und von der Ausführung kühnerer Pläne zur See, als auch aus Preußen von neuer Unterstützung der Polen abhalten werde. Zwar machte er sich vorläufig auf deutsche Hülfe, sowie auf die auswärtiger Mächte, Englands, Hollands etc. nur geringe Hoffnung. Doch wenn nur erst irgend ein Erfolg ihm zu Theil werden würde, so, meinte er, sei an der Hülfe nicht zu verzweifeln. Ihn schreckte nicht jene angebliche Uebermacht des Feindes. Je weiter derselbe sich ausgedehnt habe, um so mehr Garnisonen müsse er halten und seine Kräfte im Felde schwächen. Ohnehin ward damals Tilly, der ligistische Oberbefehlshaber, nach anderen Richtungen abgezogen. Der König hegte im ganzen die tröstende Ueberzeugung, daß des Feindes Sachen „sehr in fama“ beständen; wenn er die Herrschaft über den Boden verlöre, würde es ihm schlimm ergehen. Eben Alles erwartete er vom ersten Erfolg, die unschlüssigen Hansestädte würden ermuthigt, die unterdrückten Gemüther in Deutschland, „die da heimlich nach Gelegenheit zur Erlösung seufzen“, aufgeweckt werden, daß auch sie etwas unternehmen könnten. Aber nicht blos, daß ein Vorgefühl des Sieges ihn belebte; ihn beseelte auch ein Gottvertrauen, ja der Glaube an einen höheren Beruf, der ihm sein Vorhaben nicht anders als eine evangelische Mission erscheinen ließ. Von jeher hatte er neben oder nächst seinen politischen Interessen die großen religiösen gegenüber dem gemeinsamen Feind ausdrücklich betont, von jeher mit dem Willen ihnen zu dienen, sich als ein Streiter der „wahren Kirche Gottes“ gefühlt. Sein stolzes Bewußtsein, daß „sein löbliches Königreich eine der stärksten Säulen der evangelischen Religionsverwandten sei“, ließ es ihm jetzt um so dringender erscheinen, zur Rettung des gemeinen Wesens da persönlich einzugreifen, wo die Gefahr am größten war. Dennoch traten seinem Vorhaben Hindernisse entgegen, welche die Ausführung desselben noch um ein ganzes Jahr verzögerten.

Der König von Dänemark stand im Begriff, ohne Rücksicht auf die deutschen Bundesgenossen Frieden mit dem Kaiser zu schließen. Seit Anfang 1629 waren zu Lübeck die Friedensunterhandlungen eröffnet worden. Eine Zusammenkunft [195] Gustav Adolf’s mit Christian in Schonen ließ keinen Zweifel mehr hinsichtlich der veränderten Gesinnung des Letzteren übrig. Und fast gleichzeitig ließ Wallenstein die schwedische Gesandtschaft zurückweisen, welche Gustav Adolf’s eigene Friedensbedingungen dem Congreß zu Lübeck vorlegen sollte; er forderte nichts Geringeres, als die Herstellung Ober- und Niedersachsens, mithin auch der deutschen Nord- und Ostseeküste in den früheren Zustand. Jene beleidigende Zurückweisung sah er jetzt als einen weiteren Beweis der Feindschaft des Kaisers, als ein neues Motiv zum Kriege gegen diesen an. Aber eine noch treffendere Rechtfertigung für seinen folgenden Angriff meinte er vor der Welt zu erhalten, als Wallenstein ihm zuvorkommend, früh im J. 1629 volle 10000 Mann unter General Arnim und damit ein Hülfscorps an König Sigismund sandte, das an Zahl wie an Beschaffenheit dem zwei Jahre zuvor geleisteten Succurse weit überlegen war. Zunächst doch war, dem Plane Wallenstein’s entsprechend, dieses Ereigniß ein zwingender Grund für G. A., von Deutschland fern zu bleiben und noch einmal in Person die Leitung des preußischen Krieges zu übernehmen. Noch einmal wurde er tief in denselben verwickelt und mußte seine ganzen Kräfte hier zusammennehmen. In nicht erwarteter Weise, stärker als je hatte sich ihm der Feind auf dem alten Kriegsschauplatz entgegengestellt. Allen Berechnungen Wallenstein’s zum Trotz wurde gleichwol gerade diese kaiserliche Dazwischenkunft ein Hauptanlaß zur baldigen Beendigung des polnischen Krieges. Statt dankbar für sie zu sein, fürchteten die polnischen Magnaten aus einer engeren Verbindung zwischen ihrem König und dem Kaiser eine Beeinträchtigung ihrer Freiheit und dieser vorzubeugen, nöthigten sie Sigismund einen sechsjährigen Waffenstillstand mit Schweden auf, den berühmten Stillstand von Altmark bei Stuhm, welcher unter französischer und englischer Vermittlung am 16. Sept. 1629 zu Stande gebracht, bedeutende Vortheile, namentlich die gesammten livländischen und einen großen Theil der preußischen Eroberungen in Gustav Adolf’s Händen ließ. Alles überwog jedoch der Vortheil, daß ihm nun endlich die Möglichkeit gegeben war, sich der deutschen Angelegenheiten mit dem größten Theil seiner Kräfte anzunehmen.

Gustav Adolf’s fortgesetztes Mißtrauen gegen Sigismund, der ihn als König von Schweden im Grunde noch ebenso wenig als der Kaiser und der König von Spanien anerkannte, sein erneuertes Mißtrauen gegen Christian IV., der inzwischen – 6. Juni – den Frieden mit dem Kaiser wirklich abgeschlossen hatte, erlaubte ihm allerdings nicht, sich mit gesammter ungetheilter Macht von seinen Landen hinweg zu begeben. Dennoch stand sein Entschluß fest, wenn er auch die Frage, ob der deutsche Krieg offensiv oder defensiv fortzusetzen sei, noch einmal im October und November seinem Reichsrath zur Erwägung vorlegte. Er selber erörterte auf das sorgfältigste alle Gründe für und wider. „Der Stein ist auf uns gelegt – erklärte er – nicht durch unsere, sondern durch des Kaisers Schuld, darum, daß er uns so nahe auf den Hals gekommen ist; entweder müssen wir unterliegen oder den Stein von uns wälzen, entweder ihn in Calmar erwarten oder ihm in Stralsund begegnen“. So überwand er schließlich die Bedenken der Uebrigen. Mächtiger als je war das Kaiserthum geworden; Ferdinand II. überragte schon Karl V.; die spanisch-österreichische Macht ward von den Spaniern mit der römischen verglichen. Deshalb auch rücksichtsloser als je schien sie nach allen Richtungen ihre kriegerischen Erfolge ausbeuten zu wollen. Auf Antrieb der ligistischen Kurfürsten hatte Ferdinand bereits im Frühjahr das Restitutionsedict erlassen, welches in Wahrheit die Axt an die Wurzel des deutschen Protestantismus, zumal des norddeutschen legte. Aber die ungeheuere Erbitterung und Gährung, die dadurch nun im ganzen Reich hervorgerufen ward, kam G. A. wiederum zu Gute. So sehr wuchs [196] sie an, daß nach Wallenstein’s Bekenntniß „sie alle sagten, der Schwede solle nur kommen“. Schon längst waren vornehme Protestanten aus allen Theilen Deutschlands, kleinere Fürsten, Grafen und Cavaliere als länder- und besitzlose Flüchtlinge vor G. A. erschienen, nicht allein, um in Schweden, das er durch ein Patent vom November 1627 zu einer Freistätte für die verfolgten Religionsgenossen eröffnet hatte, ein Asyl zu finden, sondern auch, um Dienste bei ihm zu nehmen oder ihn in seinen kriegerischen Absichten wider den Kaiser zu bestärken. Hauptsächlich war der von Reichswegen niemals anerkannte, im Lauf der Ereignisse verdrängte und verjagte Administrator des Erzstiftes Magdeburg, der Brandenburger Christian Wilhelm, 1629 in letzterem Sinne beim König, seinem nahen Verwandten, thätig – war doch Magdeburg als das bedeutsamste Opfer des Restitutionsedictes ausersehen worden. Mit der Hoffnung, welche Christian Wilhelm ihm machte, durch seine Rückkehr dorthin und durch eine großartige Waffenerhebung von der Stadt Magdeburg aus die Kräfte der Kaiserlichen zersplittern zu helfen, verknüpfte sich die Aussicht auf einen Aufstand in Mecklenburg zu Gunsten der abgesetzten und nun ebenfalls von G. A. ihre Herstellung erwartenden Herzoge. Nichts hat den König mehr erbittert, als das widerrechtliche Verfahren Wallenstein’s und des Kaisers gegen diese, seine leiblichen Vettern.

Im scheinbar gefährlichsten Zeitpunkt, ging G. A. doch unter vielverheißenden Auspicien in den deutschen Krieg. Während Habsburg-Oesterreich sich im Zenith seiner Macht fühlte, war es durch seinen Uebermuth und seine drohende Haltung gegen die Freiheit Deutschlands wie Europa’s auf allen Seiten schon in schwierige, weitaussehende Verwickelungen gerathen. Das ungestüme Spanien hatte den Kaiser in einen italienischen Krieg hineingezogen, der diesen mit dem Papst und Frankreich zugleich aufs nachhaltigste verfeindete und Frankreich alsbald den natürlichen Anlaß gab, mit allen seinen Gegnern in thatkräftige Verbindung zu treten, die deutsche wie die europäische Opposition hinfort rastlos zu schüren. Es schürte unter anderem das Mißvergnügen, welches selbst die dem Kaiser bisher so wirksam verbündeten, aber von reichsfürstlicher Eifersucht erfüllten ligistischen Fürsten in Deutschland über das maßlose Anwachsen der kaiserlichen Kriegsmacht unter Wallenstein, über dessen ausgesprochenen militärischen Despotismus empfanden. Während Wallenstein gegen Europa Front machen mußte, ward seine Stellung von der Mitte des katholischen Deutschlands aus unmittelbar bedroht. Wie hätte sich aber Frankreich die gleichzeitigen Bewegungen des Schwedenkönigs entgehen lassen können! Noch rüstete er, als es ihm Geldhülfe zum Kriege gegen den Kaiser anbot. Doch wollte sich der stolze König an Frankreich nicht verkaufen; er wollte, wie er sagte, sich nicht drei Tonnen Goldes wegen Bedingungen für seinen Krieg von dieser katholischen Macht vorschreiben lassen. Sehr bestimmt rechnete er in Folge der allgemeinen politischen Verwickelungen auf Theilung und Schwächung der katholischen Streitkräfte in Deutschland. Indeß noch keiner einzigen Allianz, weder einer deutschen, wenn wir von dem kleinen Stralsund absehen, noch einer auswärtigen versichert, mußte er stets von seinen ersten Erfolgen das Beste für die Zukunft erwarten. Zunächst auf sich allein angewiesen, mußte er – er war sich dessen wohl bewußt – die thätige Unterstützung Norddeutschlands, an welcher ihm vor allem lag, sich gleichsam erst erkämpfen. Mehr als kühn würde es aber gewesen sein, wenn er, wie noch heut insgemein angenommen wird, mit nur 15000 Mann sein großes Unternehmen begonnen hätte. Die Wahrheit ist, daß er bei seinem Aufbruch aus der Heimath auf nahezu 40000 Mann disponibler – zum großen Theil altbewährter – Feldsoldaten für den deutschen Krieg rechnen durfte, während er zum Schutz seiner eigenen Länder und seiner bisherigen Eroberungen [197] gegen zweideutige Nachbarn eine nur wenig geringere Truppenzahl zurückließ. Neben umfangreichen Aushebungen in jenen waren in den letzten Jahren fortgesetzte Werbungen in fremden Ländern einhergegangen. Man fragt, woher er die Mittel dazu genommen. Unter den vielen bemerkenswerthen Seiten seiner inneren Regententhätigkeit, auf welche näher einzugehen wir hier verzichten müssen, ist jedenfalls seine Finanzpolitik eine der hervorragendsten gewesen. Unter anderem hatten ihm gerade seine bisherigen Eroberungen neue ergiebige Mittel zur Aufbringung der nöthigen Kriegskosten liefern müssen. Mit seinen politischen und militärischen Gründen zur Beherrschung der Ostsee verbanden sich finanzielle. Ein neues Zollsystem war zur Besteuerung des Handels in den livländischen und preußischen Häfen eingeführt worden. Die preußischen Seezölle fielen da in erster Linie ins Gewicht. Freilich reichten auch sie zur Vollendung so großartiger Rüstungen kaum aus. Mit einer überauis schwachen Kriegscasse mußte der König seinen deutschen Feldzug antreten. Stets neuer Zuflüsse aus Schweden und den Ostseeprovinzen bedürftig, rechnete er aber vornehmlich auch nach dieser Richtung hin auf die zukünftige Hülfe der Deutschen. Sie sollten „mit ihrem eigenen Gelde und dem Blute ihrer eigenen Söhne ihre Befreiung bezahlen“. Ganz aus seinen Mitteln trug G. A. eben nur die Kosten des Debuts.

Er ließ sich nicht täuschen und zurückhalten durch Scheinverhandlungen, welche gewissermaßen noch in der zwölften Stunde unter dänischer Vermittelung zu Danzig mit einem kaiserlichen Abgesandten eingeleitet wurden – oder werden sollten. Er traf ohne Zaudern seine letzten Anordnungen und nahm im Mai 1630 ergreifenden Abschied von seinen zu Stockholm versammelten Reichsständen, sowie von Gemahlin und Kind. Gerade zehn Jahre zuvor hatte er während einer längeren Waffenruhe um jene, des Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg Schwester, die schöne Maria Eleonora, in Berlin persönlich geworben und seine Reise von dort, in vollem Incognito, bis nach der Pfalz und dem Elsaß ausgedehnt. Da hatte er unterwegs schon die Gelegenheit gehabt, katholische Prälatenwirthschaft kennen zu lernen, und sich unwillig drohend über sie ausgesprochen. Daß er jedoch als gebietender Kriegsherr in so weit entlegene Regionen einst zurückkehren werde, hatte er damals, hat er auch jetzt schwerlich gedacht. Zunächst bot das nördliche Deutschland, welches er mit seinen strategischen Blicken umfaßte, der Aufgaben und der Mühen genug dar. Leichter, als er selbst erwartete, ging allerdings nach einer durch widrigen Wind um mehrere Wochen verzögerten Ueberfahrt von der schwedischen nach der pommerschen Küste seine erste Festsetzung an dieser von Statten. Schon während der Ueberfahrt empfing er die Nachricht, daß Rügen durch die Seinigen von Stralsund aus eingenommen worden sei. Durch keinen Feind gehindert, landete er, 13000 Mann mit sich führend, am 26. Juni bei Peenemünde. Im Lauf der nächstfolgenden Zeit zog er besonders aus Preußen, das nun seinen eigentlichen Waffenplatz, sein vornehmstes Kriegsmagazin bildete, mehr und mehr Truppen an sich. Wenn der Zuzug von dort auch langsamer geschah, als er wünschte, hatte er doch schon am 1. August, also fünf Wochen nach seiner Landung, von jenen 40000 Mann nahezu 26000 auf deutschem Boden zu unmittelbarer Verfügung. Mühelos konnte er sich inzwischen bereits der Odermündungen sowie des eigentlichen Schlüssels zur Oder, der pommerschen Hauptstadt bemächtigen; und um so mehr eilte er – noch vor Mitte Juli – Stettin zu überrumpeln, als er den Kaiserlichen, die es allein vor allen pommerschen Städten nicht besetzt hatten, hier zuvorkommen mußte. Die Besetzung Stettins erfolgte auf Grund eines schnell erzwungenen Tractates mit dem (letzten) Pommernherzog Bogislaw XIV., der, so ungern er auch als friedliebender Reichsfürst das Erscheinen der ausländischen Eindringlinge sah, ohnmächtig zwischen ihnen und den kaiserlichen „Landverderbern“ [198] sich nach geringem Sträuben fügte, d. h. sich und sein Land officiell in die Gewalt des Schwedenkönigs gab. Mit Stettin aber gewann dieser, wie er sagte, das rechte Fundament für seine pommersche Expedition. Ein Ort nach dem anderen ergab sich darauf seinen immer wuchtiger vorgehenden Kriegern. Als Wallensteins Unterfeldherr befehligte der Italiener Conti die kaiserlichen Truppen in Pommern, die kaum 17000 Mann stark, durch die bisherige räubermäßige Kriegführung äußerst demoralisirt, ja dadurch selber schon in Noth und Elend gerathen waren. Von vornherein sah Conti sich außer Stande, das Land gegen so beherzte und eifrige Feinde wie die Schweden zu vertheidigen und zog sich, da sein vorwiegend durch den italienischen Krieg abgelenkter Chef ihm keinen Mann zum Beistand schicken konnte, nach der von ihm nicht gehinderten Occupation der Hauptstadt in ein verschanztes Lager an der Oder bei Garz und Greifenhagen, nahe der märkischen Grenze zurück. Noch ungünstiger gestalteten sich indeß die Dinge für ihn und die kaiserlichen Waffen im allgemeinen, als kurz darauf Wallensteins Entlassung und eine weitgehende Reduction seiner Heerschaaren erfolgte. Auf dem gleichzeitig mit Gustav Adolf’s Landung eröffneten Kurfürstentage zu Regensburg hatte die Liga diese folgenschweren Maßregeln drohend vom Kaiser gefordert. Den schwedischen Einfall, den zwar auch sie mit Widerwillen sah, in seinen Consequenzen aber noch weit unterschätzte, benutzte sie in Regensburg sogar, um eine größere Pression auf Ferdinand II. auszuüben. Von Gefahren umringt, blieb dem Kaiser nichts übrig, als ihrem zwiefachen Drängen nachzugeben. Die nunmehr stark verminderte kaiserliche Armee hatte ihr imponirendes Haupt und sozusagen ihre Seele verloren. Der Zustand von Lauheit und Auflösung, in den sie unmittelbar darauf verfiel, machte sich gerade in Pommern und Mecklenburg am meisten bemerkbar.

Während aber in Regensburg nichts geschah, um die erbitterten deutschen Protestanten zu beschwichtigen, während dort vielmehr am Restitutionsedict in schroffster Weise festgehalten wurde, gewann G. A. eine neue und vielverheißende Bundesgenossin in jener strategisch und politisch, kirchlich und moralisch gleich wichtigen Stadt Magdeburg. Wenn auch selber nur durch eine gewagte zweideutige Ueberrumpelung hatte Christian Wilhelm, der frühere Administrator, vom Könige mehr oder weniger dazu ermuthigt, sich in diesem von der katholischen Restauration hart bedrängten Bollwerk des Lutherthums festgesetzt, die Einwohner durch kühne Versprechungen zum Eingehen eines Bündnisses mit den Schweden vermocht und sogleich – im August – die Fahne des Aufstandes erhoben. Die anfänglichen Erfolge des an sich unfähigen Fürsten über die im Magdeburgischen ziemlich schwachen kaiserlichen Truppen konnten sogar den umsichtigen und scharfblickenden König täuschen; er ließ sich durch sie um so mehr täuschen, als dieser erste populäre Aufstand, den sein Erscheinen in Deutschland veranlaßt hatte, ihm eine großartige Perspective erschloß. Auch hier aber betonte er neben den übrigen Gesichtspunkten alsbald den religiösen: eine gewaltige Thür sei ihm geöffnet worden, durch die Verbindung mit Magdeburg viele unterdrückte Christen zu erledigen. Nur zu spät übernahm sein braver Hofmarschall Falkenberg die militärische Leitung dieses in Wahrheit leichtfertig überstürzten und die Kaiserlichen bald wieder in größerer Menge herbeiziehenden Aufstandes. Er selbst, der König betrachtete es aber noch während des Feldzugs in Pommern als eine seiner Hauptaufgaben, bessere Fühlung mit den Magdeburgern zu gewinnen, längs der Oder oder längs der Elbe sich ihnen soviel als möglich zu nähern und zu ihrem Entsatz, zur Vereinigung mit ihnen Alles vorzubereiten. Diese Absicht stand ihm obenan, als er im Herbst den Feind aus seiner festen Stellung bei Garz und damit beinahe ganz aus Pommern zu vertreiben beschloß. Durch weitere Zuzüge aus Preußen bedeutend [199] verstärkt, rüstete er sich zur ersten ernstlichen Schlacht. Jedoch halt- und hoffnungslos, durch Frost und Hunger furchtbar decimirt, leisteten die Truppen Schaumburgs, des unglücklichen Nachfolgers von Conti, gegen die in den Weihnachtstagen zunächst auf Greifenhagen anstürmenden Schweden blos geringen Widerstand. Ihre schnelle Flucht zog den Fall von Garz und ihrer ganzen dortigen Position sofort nach sich. Noch vor Ablauf des Jahres stand G. A. in der Neumark und hoffte, nicht weniger mühelos auch die mittlere Oder vom Feinde reinigen und so zum Entsatz von Magdeburg eine sichere Basis gewinnen zu können. Als Ursache, daß ihm dies nicht gelang, hat er damals und später die unerwartete Verweigerung des Passes von Küstrin von Seiten Kurbrandenburgs geltend gemacht: mitten in seinem Siegeslauf sei er aufgehalten, dagegen den aus Pommern in größter Verwirrung fliehenden Feinden, während er sie verfolgte, die Gelegenheit zum Entweichen gewährt worden. Gleichviel, inwiefern dieser Vorwurf gerecht oder übertrieben ist, Schaumburg gewann Zeit und Gelegenheit die Trümmerreste der ehemaligen kaiserlichen Feldarmee von Pommern in Frankfurt und Landsberg a./W. zu sammeln und Verstärkungen zur Vertheidigung der mittleren Oder, welche die Sicherung Schlesiens bedingte, abzuwarten. In drohender Nähe blieb G. A. zu Bärwalde Januar 1631 stehen, er selbst damals durch allerlei „Incommoditäten“, durch Geldmangel, durch Winterwetter und Grundlosigkeit der Wege hart betroffen und an umgehenden Fortschritten behindert. Dem ersteren besser abzuhelfen, bot sich die Assistenz Frankreichs noch einmal dar, und Dank den fortgesetzten Bemühungen des französischen Unterhändlers Charnacé diesmal mit Erfolg. Frankreich schloß durch ihn noch in Bärwalde – 13. Januar – einen Subsidientractat mit G. A. ab. Dadurch zur Anerkennung gegenseitiger Neutralität zwischen sich und der Liga verpflichtet, hielt G. A. diese ihm sehr widerwärtige Verpflichtung dennoch vom ersten Augenblick für hinfällig, weil in der Person Tilly’s, des alten ligistischen und seit Kurzem auch des kaiserlichen Oberbefehlshabers, des erklärten Nachfolgers von Wallenstein, sich unzertrennbar ligistische und kaiserliche Interessen vereinigten. Tilly’s damaliger Anmarsch gegen ihn direct hatte aber zur Folge, daß er seine Absicht, längs der Oder und dann westwärts ins Innere des Reiches einzudringen, vorläufig aufgeben mußte, daß er seinen ursprünglichen Plan, vor Allem „die Seekante zu reinigen“, wieder aufnahm. Der Succurs für Magdeburg, obwol nie aus den Augen verloren, trat zurück vor der Eroberung Mecklenburgs, die er sich nun mit voller Energie zu seiner nächsten Aufgabe machte.

Trotz eisiger Winterkälte war G. A. im Februar ungemein thätig in Vorpommern und Mecklenburg. Die Grenzplätze daselbst fielen im Nu. Bald indeß änderten sich die Dinge von neuem, als Tilly, dem er an der Oder ausgewichen, ihn in Mecklenburg aufsuchte. Anfang März wandte sich Letzterer mit vereinigten kaiserlich-ligistischen Streitkräften, so viel er ihrer mit sich führen konnte, gegen Neubrandenburg, einen der ebenbezeichneten Oerter in der Erwartung, den Schwedenkönig zur Entscheidungsschlacht herbeizuziehen. Dieser jedoch wagte seinem Kriegsglück nicht blind zu vertrauen. Er hatte zahlreiche Besatzungen in den bisher eroberten Städten zurücklassen, sich also selbst im Felde bedeutend schwächen müssen. Indem er Tilly’s Stärke ohnehin überschätzte, zog er vor, Neubrandenburg durch eine Diversion zu retten und als es gleichwol nach heldenmüthigem Widerstande fiel, beschloß er, durch Einnahme einer Stellung an der Oder, die Landsberg und Frankfurt mehr als früher bedrohte, Tilly aus Mecklenburg abzuziehen. Er kehrte daher in die Nähe von Bärwalde zurück, verschanzte sich mit seiner Hauptmacht bei Schwedt und rüstete sich – Ende März – zu neuen Angriffsbewegungen gegen Oder und Warthe, [200] sowie zur Vertheidigung gegen Tilly. Allein des Hin- und Herziehens überdrüssig, in der festen Ueberzeugung, daß G. A. ihm auch ferner consequent ausweichen und ihn nur durch lange Märsche ermüden und verderben wolle, ergriff Tilly mit einem Male die Initiative, die bisher bei jenem gewesen war, indem er, Mecklenburg verlassend, sich mit ganzer Wucht auf das bis dahin immer noch mit unzureichenden Kräften von Pappenheim eingeschlossene Magdeburg warf. Vergeblich hoffte G. A., der hingegen über Frankfurt und Landsberg herfiel, Tilly noch einmal nach sich zu ziehen. Er eroberte diese Plätze (3. und 16. April), vermochte jedoch nicht das ungleich bedeutendere Magdeburg von der Uebermacht der katholischen Streitkräfte zu befreien. Ein Convent evangelischer Stände, der in Opposition gegen das Restitutionsedict seit Februar in Leipzig getagt, war bereits auseinandergegangen. Thatsächlich auf G. A. sich lehnend, hatte derselbe einige gute, obschon an sich unzureichende Resolutionen zur Abwehr der katholischen Restaurationspolitik gefaßt. Aber die ihm angetragene Verbindung mit G. A. war namentlich durch das officielle Haupt dieser Stände, den engherzigen und kurzsichtigen Kurfürsten Johann Georg von Sachsen, dem der unfruchtbare Gedanke einer dritten Partei, einer bewaffneten Neutralität vorschwebte, hintertrieben worden. Umsonst rechnete mit G. A. Magdeburg auf die Hülfe seiner deutschen Glaubensgenossen. Um so dringender aber war es geboten, daß er nun von der Oder herbeieilte und mit Beiseitesetzung jedes anderen Planes Alles versuchte, um Magdeburg für sich und die Kirche zu retten. Auf dem Wege durch die Mark, durch Berlin erzwang er Anfang Mai vom Kurfürsten Georg Wilhelm die Einräumung der beiden Festungen Küstrin und Spandau, die zu besitzen er in diesem Zeitpunkt für unbedingt nothwendig hielt, weil er Magdeburgs wegen von seiner bisherigen Operationsbasis sich weit entfernend, ein paar so wichtige Pässe nicht meinte hinter seinem Rücken in anderen Händen lassen zu dürfen. Zwischen den beiden Schwägern bestand nichts weniger als Freundschaft. Aeltere Mißverständnisse waren wachgerufen durch die Kriege in Preußen und Pommern, wo der von höheren militärisch-politischen Interessen geleitete König keine Rücksicht auf die besonderen Rechte und Ansprüche des längst zwischen den großen Parteien steuerlos hin- und herschwankenden Brandenburgers genommen hatte. Durch die Occupation von Küstrin und Spandau wollte sich G. A. ohne Zweifel ebenso gegen die aus Frankfurt nach Schlesien geflüchteten Kaiserlichen wie gegen Georg Wilhelm selber decken. Allerdings sah er sich hiermit genöthigt, seine Feldarmee noch schwächer zu machen, als sie es damals nach den ungemeinen Strapazen eines rastlosen Winterfeldzugs an sich war. Da er kaum noch 16000 Mann dem fast doppelt so starken Heere Tilly’s entgegenzuführen hatte, nahm er jetzt doch entschieden den Beistand des anderen Kurfürsten, die unmittelbare Cooperation des kursächsischen Heeres mit dem seinigen für die Entsetzung Magdeburgs in Anspruch. Beide hätten sich zu diesem Zweck bei Wittenberg oder Dessau mit einander vereinigen sollen. Johann Georg war hierzu indeß nicht zu bewegen. Vom Kaiser verhältnißmäßig mehr als irgend ein anderer protcstantischer Reichsfürst bis dahin in berechnender Weise geschont, hegte er gleich Georg Wilhelm, dem solche Schonung freilich nie zu Theil geworden war, reichspatriotische Bedenken gegen eine Theilnahme an dem schwedischen Krieg. Ueberdies aber war ihm wegen seiner besonderen dynastischen Interessen am Erzstift Magdeburg der Aufstand der Stadt von Anfang an zuwider gewesen. Jetzt ließ er sich auch nicht durch das Versprechen des Königs, diesen Interessen völlige Genugthuung leisten zu wollen, zum Aufgeben seiner unfreundlich-passiven Haltung gegen Magdeburg bestimmen. Dasselbe ging verloren, während G. A. in Potsdam noch auf einen günstigen Entschluß Johann [201] Georgs mit peinlicher Ungeduld wartete. Durch Deutschland und Europa flog die Schreckenskunde von der am 10. Mai erfolgten Eroberung und Zerstörung der uralten, festen, volkreichen Hansestadt Magdeburg, der einzigen neben Stralsund, die kriegerischen Muth wider die gemeinsamen Feinde bewiesen hatte.

Auf den ersten Blick schien die moralische und militärische Stellung des Königs, der seine Bundesgenossin nicht hatte retten können, eine außerordentlich kritische geworden zu sein. Der directen Angriffe des siegreichen Tilly gewärtig, ging er zunächst nach Spandau zurück in der Absicht, die Position, die er zwischen Havel und Oder einnahm, so vertheidigungsfähig zu machen, wie es in der Eile möglich war. Und da Georg Wilhelm unter den Umständen nichts so sehr fürchtete, als einen Besuch von Magdeburgs furchtbaren Zwingherren in seiner Hauptstadt, so fand auch er, trotz des Widerwillens, womit er seinem königlichen Schwager sich eben erst gefügt hatte, für seine eigene Selbsterhaltung unvermeidlich, daß dieser jetzt als sein Beschützer die erwähnte Position mit Spandau und Küstrin bis auf Weiteres behaupte. G. A. befestigte sich nun zwischen beiden Orten von Tag zu Tag mehr gegen den Feind. Doch er wußte noch nicht, daß Tilly durch die totale Zerstörung Magdeburgs weit empfindlicher als er selber getroffen, wieder nach einer anderen Richtung abgezogen ward. Auf Tilly als den Eroberer ist das Odium jenes furchtbaren Ereignisses gefallen, welches gleichwol durch andere Urheber und Ursachen, in erster Linie ohne Zweifel durch einen eigenwilligen Entschluß des schwedischen Commandanten von Magdeburg, des todesmuthigen Falkenberg, herbeigeführt worden war und daß, wie jetzt allgemein anerkannt ist, den Wünschen und Interessen Tilly’s in jeder Hinsicht zuwiderlief. Im Moment der Eroberung hatte Letzterer die Festung und damit nicht blos eine äußerst wichtige Basis für fernere Operationen in Norddeutschland, sondern auch ein reiches, noch bis zum Ende der Belagerung wohlgefülltes Proviantmagazin durch das verheerende Feuer verloren. Er konnte demnach seine starke Armee in dem ringsum verödeten und ausgesogenen Lande nicht länger unterhalten. Er konnte sie, da sie dem Hunger preisgegeben war, nicht zu einer neuen schwierigen Unternehmung gegen die Wälle von Spandau, gegen Gustav Adolfs „Schlupfwinkel“, wie Pappenheim sagte, marschiren lassen. Vielmehr mußte er sie, indem er nur eine ganz geringe Besatzung zur Wahrung des Magdeburgischen Elbpasses zurückzulassen vermochte, zu ihrer unumgänglichen Erholung und Erfrischung nach weniger ausgezehrten Gegenden abführen. Wenn er dabei an Thüringen und Hessen dachte, so kam es ihm doch zugleich darauf an, die von dort nach dem katholischen Süden führenden Pässe, welche die beherzten und ergrimmten Fürsten dieser Länder ihm soeben zu sperren suchten, mit Waffengewalt offen zu halten. Seine mit der Zerstörung Magdeburgs thatsächlich eingetretene Isolirung im Norden ließ das um so nothwendiger erscheinen. Wie er selbst aber voraussah, ohne es verhindern zu können, machte sich G. A. die Schwierigkeiten seiner Lage sofort nach seiner Entfernung in umsichtigster Weise zu Nutze. Erst jetzt gelang es dem König, sich in Norddeutschland recht festzusetzen und seine Stellungen nach allen Richtungen hin zu erweitern. Der Kurfürst von Brandenburg war nunmehr ganz in seinen Händen und mußte (11. Juni) einen Vertrag unterzeichnen, wodurch den Schweden namentlich die Festung Spandau für die ganze Dauer des Krieges überlassen wurde und wonach zu ihrem Unterhalt beträchtliche Contributionen von Land und Ständen monatlich geliefert werden sollten. Gleichzeitig wurde die Eroberung von Pommern durch die Einnahme Greifswalds vollendet. Von allen pommerschen Plätzen hatten die Kaiserlichen diesen allein noch gehalten; nun, da keine Aussicht auf Tilly’s Succurs mehr war, mußten sie auch ihn übergeben. Der Fall von Greifswald war aber das eigentliche Signal zu ihrer Vertreibung [202] aus Mecklenburg, welches, bezeichnend genug für die Situation, alsbald nach dem Falle Magdeburgs von Pappenheim so gut wie aufgegeben worden war. Mit Ausnahme von Rostock, Dömitz und Wismar, die erst nach längerer Belagerung fielen, wurde denn auch Mecklenburg bereits in den nächsten Wochen erobert. Die beiden von Wallenstein vertriebenen Herzoge kehrten, der Aufforderung des Königs entsprechend, an der Spitze einer kleinen Kriegsschaar, die sich mit jedem Schritt vergrößerte, im Juli heim, um selbst an dieser Eroberung theilzunehmen. Inzwischen aber war G. A. schon ins Erzstift Magdeburg eingefallen und, obwol er dort nur etwa 7000 Mann anführte, ungehindert von Pappenheim, dem neuen Commandanten Magdeburgs, bis Tangermünde vorgerückt. Er gewann mit Tangermünde den ersten Posten auf dem linken Elbufer. Seine Blicke maßen von hier aus den Weg nach Lüneburg und weiter an die Weser nach Bremen. Durch frische Truppenzuzüge verstärkt, errichtete er in der Mitte zwischen Lüneburg, Mecklenburg und Magdeburg, bei Werben, wo die Havel in die Elbe fließt, ein verschanztes Lager, von welchem er nach jeder Seite ausfallen und in dem er jeden Angriff erwarten konnte. Seinen Groll gegen den Kurfürsten von Sachsen bei Seite setzend, forderte er diesen von neuem auf, sich mit ihm zur „Restitution“ des Erzstiftes zu vereinigen, weil dazu jetzt die beste Gelegenheit sich biete; noch ein Mal versprach er, die sächsischen Hausinteressen hierbei vor allem in Acht nehmen zu wollen. Pappenheim aber empfand dem Könige gegenüber seine ganze Ohnmacht und rief Tilly um Hülfe an.

Nach erfolgter Pacification von Thüringen, das nun zum Unterhalt der katholischen Armee in hohem Grade beisteuern mußte, hatte Tilly das zu hartnäckigerem Widerstand entschlossene Hessen angegriffen, als er die schlimme Botschaft von Magdeburg empfing. Unerträglich war ihm vor allem der Gedanke, daß die vor Kurzem zurückgewonnenen norddeutschen Stifter an die Schweden verloren gehen sollten; und so entschied er sich jetzt, der bisherigen Schwierigkeiten ungeachtet, für die nochmalige Umkehr nach Magdeburg. Neben dem Erfolg über Thüringen ermuthigte ihn der Umstand, daß nach dem perfect gewordenen italienischen Friedensschluß ihm eine ansehnliche Verstärkung für den Krieg in Deutschland, zumal für die Einschüchterung des protestantischen Oberdeutschlands zur Verfügung gestellt wurde. Als Tilly mit dem Groß seiner Armee aufs neue nach der Elbe aufbrach, forderte er vom Grafen Fürstenberg, der an der Spitze des aus Italien zurückgekehrten kaiserlichen Heeres bereits die evangelischen Stände von Schwaben und Franken zur Entwaffnung und Unterwerfung gezwungen hatte, daß er nun ihn selbst ablösend die gleiche Aufgabe in Hessen übernehme. Der Deckung seines Rückens demnach einigermaßen versichert, konnte Tilly indeß G. A. jetzt so wenig wie früher beikommen. Nutzlos waren die Bewegungen, die er nach seiner Wiedervereinigung mit Pappenheim Ende Juli gegen das Lager von Werben richtete. G. A. wollte auch diesmal die Entscheidungsschlacht, zu welcher Tilly sich anbot, so lange vermeiden, bis er auf unbedingten Erfolg rechnen durfte. Weitere Verstärkungen erwartend, schien er, von einigen kleineren Ausfällen und Scharmützeln abgesehen, fast unthätig hinter seinen Schanzen zu liegen. Doch über Tilly’s Haupt hinweg schloß er am 12. August ein längst vorbereitetes Schutz- und Trutzbündniß mit dem Landgrafen Wilhelm von Hessen-Kassel ab, der, gleich seinem nächsten Gesinnungs- und Parteigenossen Herzog Bernhard von Weimar, ihn damals persönlich in Werben aufsuchte. Eine noch größere Genugthuung wurde G. A. zu Theil, da ihm der Kurfürst von Sachsen einen außerordentlichen Schritt entgegenkam. Erst seit der Eroberung Magdeburgs waren demselben die Augen aufgegangen. Tilly’s Einfall in Thüringen hatte er als Oberst des obersächsischen Kreises wie eine [203] persönliche Beleidigung aufgenommen. Fürstenberg’s Einfall in Schwaben, namentlich dessen hartes Vorgehen wider Würtemberg hatte ihn mit der Besorgniß erfüllt, daß, wie es sich dort und überall in den protestantischen Territorien in erster Reihe um die Vereitelung der auf dem Leipziger Convent beschlossenen Werbungen handelte, so in der Folge auch er von Tilly oder Fürstenberg zur Entwaffnung gezwungen werden sollte. Sein Feldmarschall Arnim, dieser ehemalige Officier Wallensteins, drängte ihn dagegen zu eifrigster Fortsetzung seiner Rüstungen, ja in der That zu offenem Anschluß an den Schwedenkönig. Indem Tilly sich auf diesen gefaßt machte, meinte er Fürstenberg unmittelbar an sich ziehen, sich mit ihm zwischen G. A. und Johann Georg werfen zu müssen. Kaum jedoch hatte der Kurfürst durch aufgefangene Briefe Tilly’s selber Nachricht von dem beschlossenen Anmarsch Fürstenberg’s erhalten, als er, von Furcht und Zorn übermannt, sich gegen G. A. erbot, Fürstenberg’s Bereinigung mit Tilly verhindern zu wollen, im Fall G. A. sich stark genug fühle, Tilly zurückzuhalten. Der Stein war im Rollen. Während Tilly seine Maßregeln traf, um sich von Fürstenberg nicht abschneiden zu lassen, aber noch bevor er zu feindlichen Angriffen gegen Kursachsen überging, war die so lange vergeblich erwartete Verbindung zwischen dem König und dem Kurfürsten bereits beschlossene Sache. Mit beiden Händen griff G. A. zu, und Tilly eilte seinerseits nicht weniger. Noch vermochte Letzterer seine Vereinigung mit Fürstenberg Ende August bei Eisleben ungehindert zu vollziehen. Anfang September wurde der Vergleich zwischen G. A. und Johann Georg besiegelt; am 5. feierten dieselben ihre erste persönliche Zusammenkunft und die Vereinigung ihrer Heere zu Düben an der Mulde; und schon zwei Tage später ward in der Ebene nördlich von Leipzig die große Entscheidungsschlacht geschlagen, welche Tilly’s Nimbus, unbesiegbar zu sein, vernichtete und zugleich mit dem Krieg den kirchlich-politischen Verhältnissen Deutschlands eine ganz neue Wendung gab. Etwa 40000 Mann schwedisch-sächsische Truppen oder vielmehr, da die noch zu wenig geübten Sachsen sich eigentlich nur durch ihre schnelle Flucht bemerkbar machten, ungefähr 23000 des Königs rangen in furchtbarem Kampfe gegen nahezu 30000 Mann kaiserlich-ligistische Truppen. Die neue Taktik, als deren Begründer er in der Geschichte der Kriegskunst erscheint, triumphirte über die von Tilly beibehaltene der spanischen Schule. Die vornehmste Bedeutung dieses schwedischen Sieges liegt aber darin, daß er das Grab des Restitutionsedictes geworden ist. Aller Orten jauchzten die Protestanten sofort dem königlichen Sieger entgegen, dessen nächstes Losungswort: „Herstellung unserer bedrängten Glaubensgenossen!“ hieß. Seinen Sieg zu verfolgen und für alle Zukunft wirksam zu machen, beschloß er ins Herz der Feinde zu dringen.

Zwei Wege boten sich ihm dar: der eine südostwärts in die kaiserlichen Erblande, der andere südwestwärts in die ligistischen Reichsländer. Wenn er den letzteren vorzog, so geschah es einfach deshalb, weil er in dieser Richtung die schwierigeren Aufgaben, die größeren Gefahren, die es zu bekämpfen galt, sah. Wie an der Befreiung der Protestanten in Süddeutschland, an Rettung der großen Reichsstädte Nürnberg, Ulm, Augsburg, Straßburg, an Herstellung namentlich auch der pfälzischen Kur kirchlich und politisch mehr gelegen war, als an der Restitution der böhmisch-mährischen Protestanten, so erschien die mit Wallenstein’s Verdrängung über den Kaiser selbst siegreich gewesene Liga immer noch als der stärkere Feind. G. A. wollte Tilly so viel als möglich daran hindern, daß er nach Vernichtung seiner Veteranen bei Leipzig wiederum größere Kräfte in Oberdeutschland sammle. Doch ward die andere Richtung darum nicht außer Acht gelassen; er übertrug die leichter und minder bedeutsam scheinende Aufgabe, den Krieg gegen Böhmen zu richten, dem Kurfürsten von Sachsen, [204] dessen Bundestreue durch seine Freude über den glänzenden Sieg wohlbefestigt schien. Er selber drang dann durch Thüringen, wo er ursprünglich Winterquartiere hatte beziehen wollen, noch vor Ablauf des Jahres über den Main bis an den Rhein vor. Er zog, wie man sagte, die eigentliche Pfaffengasse einher. Aus der einen Eroberung ergab sich da gleichsam die andere mit Nothwendigkeit. Ende September fiel das kurmainzische Erfurt widerstandslos in seine Gewalt; Anfang October bereits auch Würzburg; die hoch am anderen Ufer des Main gelegene Veste Marienberg wurde schnell erstürmt. Das reiche Stiftsland bot Gelegenheit zu außerordentlicher Beute, und allerdings zeigte sich der König nicht abgeneigt, für das bisherige Verfahren der Katholischen in evangelischen Ländern hier namentlich an der Geistlichkeit Repressalien zu nehmen. Da der Fürstbischof von Würzburg im Voraus entflohen war, hielt er sich für um so mehr berechtigt, eine neue Regierung einzusetzen. Ja schon sprach er von „seinem Herzogthum Franken“, ließ sich von Ständen und Unterthanen huldigen und verhieß ihnen dagegen Schutz und Gerechtigkeit. Mitte November zog er in Hanau ein, zwei Tage später in Frankfurt und in Höchst, wo die kaiserliche Besatzung sich ihm sofort ergab. Schon traf er daselbst ernstliche Vorbereitungen zum Angriff auf Mainz, schon erreichte seine Vorhut den Rhein, als ihm eine beunruhigende Nachricht über Tilly zukam, wodurch die Fortsetzung seiner Siegeslaufbahn plötzlich in Frage gestellt wurde. Nach der letzten großen Katastrophe war der feindliche Feldherr mit den nothdürftig gesammelten Trümmern seiner Armee auf die Weser zurückgegangen, sodann am Landgrafen Wilhelm Rache zu üben in Hessen eingefallen, darauf zu spät zum Entsatz von Würzburg aufgebrochen. Immerhin hatte er schon auf diesen verschiedenen Märschen numerisch beträchtliche Verstärkungen an sich gezogen; qualitativ weit entfernt, ihm Ersatz für die bei Leipzig erlittenen Verluste zu geben, schienen sie doch genügend, um das inzwischen bereits zum Abschluß eines Bündnisses mit G. A. gedrängte Nürnberg in ernste Gefahr zu versetzen. Eben die Nachricht, daß Tilly drohend vor dieser Stadt erschienen sei, erregte Ende November die Besorgniß des Königs; von Höchst aus wollte er ihr umgehend mit 26000 Mann, wobei die hessischen und die gleichfalls ihm untergeordneten weimarischen Truppen waren, gegen Tilly „den alten Teufel“ zur Hülfe eilen. Da Tilly jedoch, des nothwendigen Belagerungsgeräthes entbehrend, unverrichteter Sache von Nürnberg wieder abzog und seine hart leidenden Truppen zu theilen genöthigt war, so konnte G. A. seinen eigentlichen Plan alsbald wieder aufnehmen. Mit den Waffen bahnte er sich den Weg nach Mainz und Mitte December zwang er es zur Uebergabe. Das von seinem Fürsten verlassene Erzstift erhielt nun ebenfalls eine königlich schwedische Regierung, während auf beiden Seiten des Rheins noch verschiedene andere Oerter erobert wurden.

So nahm G. A. beim Eintritt in das J. 1632 eine großartige Position ein. Neben seiner Hauptarmee – jetzt die rheinische genannt – zählte er eine fränkische unter Feldmarschall Horn, der von Anfang an in erster Reihe zur Vertheidigung der gemachten Eroberungen, zur Sicherung seines Rückens berufen, damals vom Main sich nach dem Neckar ausbreitete, ferner eine magdeburgische unter General Baner, eine mecklenburgische, eine niedersächsische, dazu das landgräflich hessische, das herzoglich weimarische Corps und von Stralsund an gerechnet eine reiche Fülle von Besatzungen. Je mehr Terrain er in Deutschland gewonnen und je größeren Ruhm er errungen hatte, um so stärker war der Zulauf auf seinen Werbeplätzen geworden; auch hatte er nicht aufgehört, sich für die unvermeidlichen Abgänge neue Ersatztruppen aus Preußen und der schwedischen Heimath zu verschreiben. Sein Commando umfaßte in diesem Zeitpunkt gegen 80000 Mann auf deutschem Boden, die er aber mit Hinzuziehung [205] der kursächsischen und kurbrandenburgischen Truppen mehr als zu verdoppeln beabsichtigte. Stets bildeten seine schwedischen Truppen den Kern, um den sich die an Zahl weit überwiegenden Deutschen zusammenschlossen. Deutsche Fürsten und fremde Diplomaten umgaben ihn in seinem Hauptquartier. Lebhafte Verhandlungen wurden mit den protestantischen Reichsständen, Fürsten wie Städten im Norden und Süden gepflogen, ältere Bündnißtractate ratificirt und neue vorbereitet. Schon stand G. A. hier am Rhein als das thatsächliche und durch die Stimme des Volkes anerkannte Haupt des protestantischen Deutschlands da. Von der Pfalz aus wollte er Würtemberg die Hand reichen.

Aber gerade am Rhein drohten ihm nun auch neue, zwiefache Verwicklungen. Gleich Anfangs war er mit den Spaniern, welche Mainz gegen ihn zu vertheidigen gesucht hatten, in Waffenwechsel gerathen, und so mußte er sich auf eine förmliche Kriegserklärung von ihrer Seite gefaßt machen. Allein so wenig die ursprüngliche Feindschaft zwischen den beiden Kronen, ihre tiefwurzelnden Gegensätze an der Ostsee zu einem ausgesprochenen directen Bruch geführt hatten, so wenig kam es jetzt am Rhein zu einem solchen. Beide hatten sich längst unter der Hand allen möglichen Abbruch zugefügt; aber da beiden daran lag den offenen Bruch zu vermeiden, so setzten sie das alte Verhältniß fort; ohne Kriegserklärung blieb es bei dem factischen Kriegszustande zwischen ihnen. Gefährlicher erschien die Eifersucht und Mißgunst, womit Frankreich die unerwarteten Fortschritte Gustav Adolf’s und nun zumal seine Festsetzung am Rhein verfolgte. Um diesen Fortschritten einen Damm entgegenzusetzen, forderte es noch einmal von ihm die Neutralität mit der deutschen Liga, wodurch letztere gerettet und zu dankbarer Anerkennung der französischen Protection veranlaßt hätte werden können – wodurch zugleich aber auch das Haus Habsburg von der Liga getrennt und den furchtbaren schwedischen Waffen gegenüber isolirt worden wäre. G. A. war jedoch noch immer der Ansicht, daß die Ligisten seine und seiner Glaubensgenossen Feinde nicht minder als der Kaiser seien. Um Frankreich zu beschwichtigen, wies er einen Neutralitätstractat mit ihnen nicht schlechtweg von sich. Im stolzen Selbstbewußtsein des Siegers stellte er gleichwol Bedingungen, von denen sich voraussehen ließ, daß namentlich der noch nicht im eigenen Land unmittelbar vom Krieg betroffene Kurfürst Maximilian von Baiern sie nicht annehmen werde. Trotz Frankreichs eifriger Vermittelung scheiterten die im Januar und Februar stattfindenden Neutralitätsverhandlungen an ihrer inneren Unausführbarkeit. G. A. aber brauchte sich um so weniger durch Drohungen einschüchtern zu lassen, da Frankreich durch inländische Wirren beschäftigt, mit nichten so gefährlich war, als es schien. Wenn er dennoch gerade am Rhein vor dieser Macht bald mehr zurücktrat und ihr so belangreiche Zugeständnisse wie die Einräumung des Besatzungsrechtes in den Trier’schen Festungen machte, so that er das, weil er selber mit dem Gros seines Heeres nach Franken zurückgerufen, jetzt im Ernst sein Hauptaugenmerk wieder auf Tilly zu richten hatte. Durch einen inzwischen von Horn in das Stift Bamberg unternommenen Einfall, durch die Einnahme der bischöflichen Residenzstadt war nämlich Tilly herbeigezogen und Horn von diesem schnell zurückgeworfen worden. G. A. glaubte seinen Feldmarschall in der größten Gefahr und brach, nachdem er dem Machtbereich der Spanier noch eben Kreuznach entrissen hatte, zu Horn’s Unterstützung Anfang März von Mainz auf. Mit Horn vereinigt und Baner, der unterdessen Magdeburg genommen, sowie den Herzog Wilhelm von Weimar zu seiner weiteren Verstärkung erwartend, gedachte er womöglich eine zweite Entscheidungsschlacht herbeizuführen. Darauf jedoch hätte Tilly, der sich von der Niederlage bei Leipzig noch keineswegs erholt hatte, es nicht ankommen lassen dürfen. Sein schleuniger Rückzug nach der Oberpfalz ermuthigte den König, nach hinlänglicher [206] Deckung des Rheins und des Herzogthums Franken den Krieg bereits nach der Donau und nach Baiern zu versetzen. Ein neuer Abschnitt desselben ward hiermit eröffnet.

Ueber Nürnberg, wo er am 21. März mit Jubel und Begeisterung empfangen wurde, ging G. A. in Eilmärschen auf Donauwörth; er nahm es nach mehrstündigem Bombardement und ließ dort eine evangelische Osterfeier – in Donauwörth die erste nach langen Jahren – veranstalten. Darauf versicherte er sich der Donau bis Ulm durch Occupation der zwischen beiden Städten gelegenen Pässe und bewerkstelligte mit seltener Kühnheit den Uebergang über den Lech, welchen der bei Rain verschanzte Tilly ihm vergeblich zu wehren suchte. Der Kampf, der sich bei dieser Gelegenheit – 5. April – entwickelte, brachte dem ligistischen Heere die empfindlichsten Verluste; Tilly selbst wurde tödtlich verwundet und starb vierzehn Tage später zu Ingolstadt. Baiern lag offen und fast wehrlos vor dem Schweden, der aber zunächst alte Unbill in Augsburg sühnen wollte. Erst nachdem Augsburg von der feindlichen Besatzung, die ihrer Schwäche wegen capitulirte, gesäubert und von königlichen Truppen besetzt, erst nachdem in dieser Stadt, dem Geburtsort des nach ihr genannten Bekenntnisses, die unterdrückte Religionsfreiheit hergestellt war, kam die Reihe an Baiern. Die anfänglich ernst ins Auge gefaßte Belagerung von Ingolstadt wurde aufgegeben und desto schneller im Centrum des Landes die Isarpässe Moosburg, Landshut, Freising, schließlich die Hauptstadt München genommen. Im Mai hielt G. A., den unglücklichen Friedrich von der Pfalz, den Winterkönig zur Seite, daselbst seinen Einzug. Um den Krieg, der den Kurfürsten Max so lange verschont und den doch gerade er als Vorkämpfer der katholischen Reaction hauptsächlich provocirt und unterhalten hatte, ihm jetzt recht empfindlich zu machen, ließ G. A. seine Truppen in Baiern feindlicher als anderwärts hausen. An Baierns völlige Eroberung sollte sich diejenige Schwabens anschließen, ja Baiern, Schwaben und Elsaß, wo Feldmarschall Horn sich demnächst Lorbeeren erwarb, zu einem einzigen großen Quartier vereinigt werden. Mit der Schweiz wurden nähere Beziehungen angeknüpft; während G. A. dort ebenfalls ansehnliche Werbungen vornehmen ließ, dachte er unter Anderem daran, den aus Italien erwarteten spanischen Truppen die Pässe nach Deutschland zu verlegen. Ernstlicher als je bedrohte er, nach Vernichtung der Liga, nun auch den Kaiser. Aber eben in diesem Moment – da die schwedischen Waffen sich über Schwaben ausbreiteten – zwang die Wiedererhebung Wallenstein’s, sein mächtiges siegreiches Vordringen gegen Kursachsen den König zur Umkehr nach Norden.

Geheime Verhandlungen, die der pläne- und ränkevolle, dazu rachsüchtige Friedländer in der langen Zeit seiner unfreiwilligen Muße von Böhmen aus mit G. A. selber eingeleitet hatte, waren trotz großer gegenseitiger Verheißungen resultatlos verlaufen, oder vielmehr G. A. hatte sie wegen ihres abenteuerlichen und zugleich gehässigen Charakters noch zur rechten Zeit abgebrochen. Eben dies aber ward ein Hauptanlaß zu der neuen Wendung. Der stolze Herzog, der sich verschworen hatte dem Kaiser nie wieder dienen zu wollen, wurde, über des Königs Rücktritt im höchsten Grade mißvergnügt, eben dadurch bestimmt, die ihm in den Stunden der Noth unter glänzenden Bedingungen angebotene Heerführung der kaiserlichen Truppen gegen die Schweden zu übernehmen. Und mehr als das, durch lockende Anerbietungen versuchte er selbst alsbald Kursachsen von ihnen abzuziehen, auf die Seite des Kaisers zurückzuführen. Johann Georgs Kriegseifer war seit dem Siege bei Leipzig längst verraucht; nachdem er anfangs ohne Widerstand bis Prag vorgedrungen war, hatte er dort sein Heer zu eigenem schweren Schaden ausruhen lassen. Wallenstein aber, der sich in kurzer Frist wieder eine großartige Armee geschaffen, trug unter diesen Umständen [207] „in der einen Hand den Oelzweig, in der anderen das Schwert“. Die schlechte Beschaffenheit der sächsischen Truppen kennend, überfiel er zur Zeit von Gustav Adolf’s Einzug in München dieselben in Prag, um sie bald aus ganz Böhmen hinauszudrängen. Durch die Schläge, die er dem Kurfürsten somit ertheilte, hoffte er ihn völlig gefügig für seine Friedensanträge zu machen. Gleichwol verrechnete er sich; je mehr er Johann Georg zusetzte, um so mehr erinnerte sich dieser einer während der früheren Krisis eingegangenen Verpflichtung, keine Abmachungen mit dem Feinde ohne die Einwilligung des Königs zu treffen, und um so mehr entschied er sich noch ein Mal die ihm vom Könige dargebotene Hand zu ergreifen. Johann Georg’s bisherige Hinneigung zum Frieden mit dem Kaiser, die deshalb zwischen beiden schon geführten Unterhandlungen waren G. A. keineswegs entgangen. Bei seinem zwiefachen, militärischen und moralischen Mißtrauen gegen Sachsen – doch that er Arnim Unrecht, wenn er ihn als den treulosen Verführer des Kurfürsten zu gefährlichen Tractaten betrachtete – hatte er Letzteren bereits von Moosburg aus dringend zur Beständigkeit gemahnt und ihm seine unmittelbare Unterstützung gegen Wallenstein versprochen. Jetzt (Ende Mai), da er mit Sachsen das Fundament seiner eigenen Erfolge in Süddeutschland in Gefahr sah, eilte er nach Zurücklassung des Generals Baner und des Herzogs Bernhard in Baiern und Schwaben dem Kurfürsten von dort mit 18000 Mann entgegen. Um zugleich eine wirksamere Contremine wider neue Anträge Wallenstein’s an Johann Georg, durch welche ihm selbst Isolirung drohte, zu legen, ließ er nach Dresden eine außerordentliche Gesandtschaft vorausgehen, die nun zum ersten Mal in weiterem Umfang, wenn auch noch mit einiger Zurückhaltung seine eigenen Friedensbedingungen, seine persönlichen Forderungen ebenso wie das, was er den Evangelischen Deutschlands zu ihrer dauernden Sicherheit anbot, darlegen sollte. Für sich und die Krone Schweden beanspruchte G. A. zu „billig-mäßiger Satisfaction“ für seine Mühen und Opfer, zum Dank und zur Recompens für seine segensreichen Leistungen wenn nicht ganz Pommern, so mindestens den Theil des Landes, in welchem „die Paßörter mit den für Schweden wichtigen Meerhäfen“ lagen; er forderte das vom Reich als Lehen. Brandenburg sollte wegen seiner Anwartschaft auf Pommern durch Säcularisationen entschädigt werden. Die von ihm eroberten geistlichen Gebiete wollte er als Pfand, in der That nur als solches bis zur Erfüllung seiner Forderungen behalten. Zur Sicherheit der Glaubensgenossen beantragte er die Errichtung eines deutsch-protestantischen Bundes, der als feste und dauernde politisch-militärische Organisation die gewonnene Stellung gegen Oesterreich-Spanien und die Liga zu behaupten im Stande sei. Dieses „corpus Evangelicorum“ wurde natürlich in naher Verbindung mit der Krone Schweden gedacht, und indem der König ein „absolutes Directorium“ für dasselbe nothwendig fand, ließ er deutlich genug seine Erwartung durchblicken, daß man ihn als einen Hauptinteressenten zum Director wählen werde. Wenn ihm vor Allem daran lag, mit Kursachsen und Kurbrandenburg einen Vergleich zu treffen, der die eigentliche Grundlage zu späterer Vereinigung mit den übrigen Ständen bilden sollte, so unterhandelte er über die nämliche Angelegenheit doch gleichzeitig schon mit einer Reihe anderer evangelischer Reichsmitglieder. Schon hatte sich Würtemberg günstig erklärt; vornehmlich auch jenen evangelischen Reichsstädten, insbesondere der ihm näher befreundeten Stadt Nürnberg, die er auf seinem Marsch nach Sachsen zu Anfang Juni erreichte, machte er ähnliche, obwol im Einzelnen mehrfach abweichende und mehrfach noch weitergehende Eröffnungen. Auch ließ er durch seinen längst nach Deutschland berufenen Kanzler Oxenstjerna hier in Nürnberg die Bedingungen, auf welche er die Herstellung eines allgemeinen Friedens in Deutschland begründen wollte, schriftlich ausarbeiten. [208] Obenan stand die Restitution der vertriebenen Fürsten, ständische Freiheit und Religionsfreiheit im Allgemeinen. Für Brandenburg wurden hier bestimmter die Stifter Magdeburg und Halberstadt gegen Pommern, das er für sich nun schon ganz als Reichslehen beansprucht zu haben scheint, verlangt. Aber auch andere Bundesgenossen des Königs, neben Kursachsen namentlich Hessen-Kassel und Sachsen-Weimar wurden bedacht; der Landgraf sollte das Stift Fulda, Herzog Wilhelm Erfurt erhalten. Um die Feinde eher zu gewinnen, zeigte sich G. A. bereit, an Wallenstein das Stift Würzburg und das Herzogthum Franken abzutreten, während er Baiern zum Ersatz für die Oberpfalz auf Oberösterreich verwies. So kam der Kaiser, der freilich ohne Wallenstein nichts mehr war, in diesen „Friedensbedingungen“ immer am schlechtesten weg.

G. A. stand auf dem Gipfel seiner Macht. Von der Ostsee bis zum Bodensee, vom Rhein bis an die Oder und darüber jenseits des Reiches weit hinaus erstreckten sich seine Waffen, seine Eroberungen. Er war Herr von halb Deutschland. Trotzdem machte er sich darauf gefaßt, daß die Feinde zur Zeit noch nicht nachgeben würden und somit die Dinge für den Frieden, den er forderte, noch nicht reif seien. Siegesgewiß dachte er daran, weiter zu gehen, um „ex castris“, „sub clypeo“ weiter zu unterhandeln. Durfte er aber hoffen Wallenstein zu überwinden, wie er Tilly überwunden hatte? Gerade während der Nürnberger und der Dresdener Verhandlungen hatte sich bereits eine für ihn ungünstige Wandlung im Kriege vollzogen, die ihn wahrscheinlich erst veranlaßte, die eben erwähnten Zugeständnisse an Wallenstein und den Baiernfürsten zu machen. Beide hatten nämlich ihrer gegenseitigen Abneigung ungeachtet sich Mitte Juni unweit Eger vereinigt und waren darauf mit einem überaus zahlreichen Heere in Franken gegen G. A. selber vorgerückt. Dieser, der von Nürnberg aufbrechend ihre Vereinigung umsonst zu verhindern gesucht, sah sich einer unvermutheten Uebermacht gegenüber; und zurückgekehrt nach Nürnberg, welches er mit den nächsten Umgebungen sofort in ein großes verschanztes Lager verwandelte, mußte er ihre Angriffe erwarten. Aber Wallenstein, seiner jungen Truppen für den Kampf noch nicht sicher, zog es vor, fast an des Königs Seite sich lagernd und eine noch großartigere feste Stellung einnehmend ihm und den Nürnbergern alle Zufuhr ringsum abzuschneiden, um sie womöglich auszuhungern. Der Zustand des Königs und der Stadt wurde in der That so unerträglich, daß Ersterer nach mehrwöchentlichem Warten, übrigens trotz dieser feindlichen Absicht durch frischen Zuzug bis auf 46000 Mann verstärkt, nun seinerseits den unbeweglichen Wallenstein anzugreifen beschloß. Während er mit seinen Friedensprojecten noch vollauf beschäftigt war, unternahm er das Wagniß; am 24. August ließ er in zehnstündigem mörderischen Kampfe Wallenstein’s Lager stürmen, doch vergebens. Durch den eisernen Widerstand dieses ihm hier als ebenbürtig erscheinenden Gegners zurückgewiesen, mußte er erkennen, daß nach wie vor Alles auf der Spitze des Schwertes stand und – daß er selber nicht mehr der gebietende Meister des Krieges war. Dazu kam, daß sein Heer auch noch durch Noth und Krankheiten außerordentlich zusammenschmolz. Er konnte nicht umhin es, nach Zurücklassung genügender Vertheidigungsmannschaften in Nürnberg, von dannen zu führen. Nochmals brach er im September, Donau und Lech überschreitend, in Baiern ein; aber wenn er Wallenstein damit nach sich zu ziehen und von Kursachsen abzuhalten hoffte, so rechnete er auch in dieser Hinsicht vergeblich. Im Gegentheil fand sich durch Gustav Adolf’s Rückkehr gen Süden Wallenstein bewogen über Sachsen herzufallen, wenngleich der Kurfürst von Baiern sich nun von ihm trennte, um sich wiederum seiner schwer bedrohten Heimath zuzuwenden. G. A. empfing Anfang October, als er sich zur Belagerung von Ingolstadt rüstete, nähere Kunde über [209] Wallenstein’s Bewegungen, und da blieb ihm keine Wahl mehr. Zugleich mit der nothwendigen Rücksicht auf Sachsen zwang ihn die Gefährdung seiner eigenen Gesammtposition in Norddeutschland, seiner Rückzugslinien nach der Ostsee, mit einem Wort die Pflicht der Selbsterhaltung zu schleunigster Umkehr. Er übertrug dem Pfalzgrafen von Birkenfeld mit den neugeworbenen Schweizern und anderen Truppen die militärischen Aufgaben an der Donau und, schon auf halbem Wege nach Sachsen befindlich, seinem Reichskanzler die Leitung der Angelegenheiten in ganz Süddeutschland. Um auch in diesem kritischen Zeitpunkte nichts zu versäumen, was zur glücklichen Durchführung des Krieges und zur Förderung seiner Friedenswünsche dienen konnte, sollte Oxenstjerna als sein unumschränkt bevollmächtigter Legat in Oberdeutschland von Ulm aus eine nähere Zusammensetzung der protestantischen Stände des schwäbischen, des fränkischen, der beiden rheinischen Kreise und ihre Bereinigung unter schwedischer Direction und Protection bewirken. Er selbst, der König, zog während eines eiligen Marsches durch Thüringen so viele Truppen an sich, als anderweitig zu entbehren waren. In Erfurt nahm er Ende October zärtlichen Abschied von seiner Gemahlin, die er, von Sehnsucht nach ihr ergriffen, seit mehr als Jahresfrist aus Schweden hatte kommen lassen und die ihm auf seinen Zügen seitdem in einiger Entfernung gefolgt war. In Naumburg, das die Seinigen den von Wallenstein dorthin wie nach Weißenfels ausgeschickten kaiserlichen Vorposten schnell wieder entrissen hatten, erhielt er Anfang November noch einen neuen Beweis von dem enthusiastischen und rührenden Dank, den ihm als ihrem Erretter das protestantische Bürgerthum in Deutschland zollte.

In verschanzter Stellung wollte er bei Naumburg seine Truppen concentriren, seine letzten Vorbereitungen zu einem entscheidenden Schlage gegen Wallenstein treffen, vornehmlich auch die kursächsischen Truppen an sich ziehen. Schnell indeß gab er diese Absicht auf, als er vernahm, daß die Kaiserlichen in rückgängiger Bewegung Weißenfels verlassen, ja daß sie ihre Streitkräfte von neuem getheilt hätten. Er beschloß den Sachsen weiter entgegenzugehen und hoffte offenbar die Kaiserlichen unterwegs mit Vortheil zu überraschen. Sein nächstes Hauptquartier wollte er, in ihre eigenen Quartiere eindringend, zu Lützen nehmen, ohne daß er wußte, daß Wallenstein in Person sich soeben hier und in der Umgegend mit einem größeren Theil seiner Armee einlagerte. Wallenstein aber entschied sich, da er den Anmarsch der Schweden bemerkte, sie von dieser für ihn aus mehreren Gründen bedeutsamen Stellung so energisch zurückzuweisen, als er sie von seinem Lager bei Nürnberg abgewiesen hatte. Spät Abends am 5. November 1632 war G. A. mit gesammelter Heeresmacht nach Eroberung des Passes über die Rippach in Schlachtordnung bis in die Nähe von Lützen gerückt. Da benutzte sein Gegner mit größtem Eifer die Nacht, um auch seine Truppen zu sammeln und, so gut es in der Eile ging, seine Stellung zu befestigen. Inzwischen bemerkte der König gleichfalls den Ernst der Situation. In einem Wagen auf freiem Felde berieth er sich in der nämlichen Nacht mit Herzog Bernhard, und begierig den Feinden die Spitze zu bieten, rückte er noch vor Tagesanbruch am 6. weiter gegen Lützen vor. Gottvertrauen und Siegesgewißheit sprechen aus seinen letzten Aeußerungen, aus den herrlichen Anreden, mit denen er seine Kämpfer in die unvermeidlich gewordene und von ihm lebhaft gesuchte Schlacht führte. Es waren etwa 20000 Mann, während Wallenstein kaum 16000 im Beginn der Schlacht bei sich hatte; da diese aber durch den dichten Herbstnebel, der über der weiten Ebene lag, bis gegen Mittag verzögert wurde, so konnte Pappenheim mit seiner Reiterei von Halle noch rechtzeitig zur Verstärkung kommen. Dann entspann sich ein heißer Kampf. [210] G. A. führte in Person ein schwedisches Reiterregiment zum Beistand seiner hart bedrängten Infanterie vor. Nur allzuschnell reitend wurde er, während der Nebel sich von neuem auszubreiten begann, von der Truppe getrennt. Er verirrte sich zwischen die kaiserlichen Kürassiere und fiel, von mehreren Kugeln getroffen. Grundlos ist jedoch das bald nachher verbreitete Gerücht, daß er von Verräthers Hand erschossen, daß der während der Katastrophe in seiner nächsten Nähe befindliche, sich aber durch schleunige Flucht rettende Herzog Franz Albert von Lauenburg dieser Verräther gewesen sei. Muthige Finnen erkämpften die von Blut und Wunden entstellte, von den Feinden ausgeplünderte Leiche des Königs. Ueber ihr entzündete sich nochmals die Schlacht, in welcher bereits auch Pappenheim tödtlich verwundet worden war. Der hochstrebende Herzog Bernhard übernahm auf schwedischer Seite das Commando und drängte mit zäher Erbitterung die Kaiserlichen endlich zurück, doch ohne daß er einen entscheidenden Sieg davontrug. Und unentschieden blieb damit der Krieg, von dem der große König durch seinen Heldentod so plötzlich abgerufen ward. Auf die Nachricht von diesem ging ein Weheruf durch alle protestantischen Länder. Einen ergreifenden Ausdruck gab der tiefen Trauer Schwedens die Leichenrede, die bei dem erst Juni 1634 in der Ritterholmskirche zu Stockholm erfolgten Begräbniß gehalten wurde. – Gefallen war der Hort der Evangelischen, zugleich der populärste Mann in Europa, der einzige, der in jenem eisernen Zeitalter das Herz der deutschen Nation ergriffen, der es gefesselt hatte. Die fast bis zur Vergötterung fortschreitende Verehrung, welche man ihm seit der Schlacht bei Leipzig erwies, war ihm selber zu stark erschienen. Aber nicht blos die ihm Dank schuldeten, auch seine Feinde hatten ihn achten und bewundern gelernt. In katholischen wie evangelischen Städten hatten Erwachsene und Kinder sich um ihn gedrängt, um den siegreichen Helden zu sehen und um von dem unwiderstehlichen Zauber seiner Persönlichkeit sich hinreißen zu lassen. Schon sein Aeußeres, seine hohe martialische und majestätische Gestalt konnte ihren Eindruck nicht verfehlen. Seine Art zu sprechen, sein ganzes Benehmen war originell und von genialer Kraft. Mit gebietendem Ernst verband er herzgewinnende Leutseligkeit und Herablassung, natürliche Heiterkeit und kernigen Humor. Sein Wesen war „von Kopf zu Fuß Consequenz, Entschlossenheit, markige Thatkraft“. Sein Feuereifer schloß die Besonnenheit nicht aus, die mit staatsmännischer Klarheit und Umsicht gepaart, vor herzhaftem Wagen erst lange wägte und niemals unvorbereitete Handlungen zuließ. Aber freilich so vorsichtig und methodisch G. A. gerade auch als Feldherr verfuhr – für seine eigene Person ist er von dem Vorwurf der Tollkühnheit nicht freizusprechen. Lange bevor ihn bei Lützen im wirren Handgemenge die tödtliche Kugel traf, hatte er, durch die Gefahr unwillkürlich gereizt, sein Leben wiederholt in feindlichen Rencontres zum Kummer der Seinigen unnöthig blosgestellt. Anderseits trug doch diese persönliche Bravour zu der Begeisterung, mit der sich Einheimische wie Fremde seinen Diensten widmeten, nur noch bei. Ueberhaupt aber zeigt sich der magnetische Zauber seiner Eigenart am schlagendsten im Verhältniß zu seinem Heere, zu jedem einzelnen seiner Krieger, für deren Ruf er ebenso besorgt wie für ihr Wohlergehen war, die er mit Mannszucht Gottesfurcht lehrte und mit denen er, namentlich in den Tagen der Noth, unvergleichlich umzugehen wußte. Durch seinen guten Humor beschwichtigte er die Murrenden. Nur wenn, wie es später in Süddeutschland allerdings öfters vorkam, theils die unvermeidliche Gewohnheit des Beutemachens, theils dann von neuem ein längerer Nothstand die Disciplin trotz seiner Bemühungen lockerte, Excesse und unerlaubte Plünderungen zur Folge hatte, konnte er im Zorn aufwallen und, wie gegen [211] Insubordination und Feigheit, die härtesten Strafen dictiren. Ihn selbst erfüllte ein ehernes Pflichtgefühl, das ihn Anstrengungen und Entbehrungen unschwer überwinden ließ. Indem er aber an sich als König und Feldherrn die höchsten Forderungen stellte, verlangte er auch von Allen, die in Beziehung zu ihm standen, von seinen Beamten und Officieren, seinen Untergebenen und seinen Verbündeten, dem harten Gebote der Zeit entsprechend, außerordentliche Leistungen. Zum Herrschen geboren forderte er im Bewußtsein seiner geistigen Ueberlegenheit und im sicheren Glauben an seinen Stern auch von den Letzteren gemeinhin die Anerkennung seiner unbedingten Oberleitung, die ihm unumgänglich erscheinende zwingende Dictatur im Kriege. Keine irgendwie selbständige Autorität in seiner Armee neben sich duldend, konnte er geistesverwandte, gleich ihm stolze und thatkräftige Persönlichkeiten wie jenen Herzog Bernhard, der als Reichsfürst und nicht als Unterfeldherr behandelt zu werden wünschte, gelegentlich sehr empfindlich berühren. Immer aber achtete und ehrte er sie, während er gegen schwache, unkriegerische und selbstsüchtige protestantische Fürsten, die auch in der größten Gefahr noch „stille sitzen und ihr Bierchen in Ruhe trinken“ wollten, eine souveräne Geringschätzung zur Schau trug, bei der sich sein Humor in Sarkasmus verwandelte.

So kriegerisch G. A. an sich erscheint, er selbst hat den Frieden, d. h. einen ehrenvollen, allgemeinen und dauerhaften Frieden im Lauf der Jahre stets lebhafter ersehnt. Kein blinder Eroberer, hatte er seinen Angriffskrieg in Deutschland zum Zweck nothwendiger Selbstvertheidigung begonnen. Er hatte, wie er damals sagte, sicher in seinem Vaterlande werden wollen durch die Wiederherstellung und die Sicherung seiner norddeutschen Nachbarn, deren Länder in dem Zustande feindlicher Ueberwältigung durch die katholischen Zwingherren, in den Händen der Habsburger unmittelbare Gefahren für seine eigene Stellung an der Ostseee und in weiterer Folge für seine Existenz bildeten. Nie hat er ein Hehl aus seinem politischen Interesse gemacht, ja als Motiv zu seinem deutschen Krieg es selber obenan gestellt. Aber die höhere Weihe gab diesem Kriege doch erst, neben seinem treibenden Mitgefühl für die nothleidenden Glaubensgenossen, sein inniger Wunsch die evangelische Kirche Deutschlands zu retten und zwar, wie er ebenfalls schon im Beginn verlauten ließ, durch Begründung eines neuen Religionsfriedens über das ganze Reich. Seine starke Religiosität durchdrang sein staatsmännisches Denken so vollkommen, daß für ihn selbst ununterscheidbar mit seinem Beruf, Schweden und seinen Thron zu vertheidigen, sich das Bewußtsein seiner evangelischen Mission verband. – Viel ist über seine letzten Ziele in diesem Krieg vermuthet und gefabelt worden. Seine Ansichten vom jus belli, das er in einem sehr weitgehenden Sinne handhabte, auf Grund dessen er bereits Säcularisationen und Verschenkungen von Stiftern vornahm, besonders auch die strengen und umfassenden Huldigungseide, die er nach dem Siege bei Leipzig sich und der Krone Schweden in seinen neuen Eroberungen schwören ließ, haben den Vermuthungen und Verdächtigungen großen Vorschub geleistet. Kein Zweifel, daß mit seinen Opfern und Erfolgen seine Ansprüche gewachsen sind. Aber seine Nürnberger Friedensbedingungen, die fast im Moment seiner größten Machtentfaltung aufgestellt wurden, gewähren einen hinlänglichen Maßstab für den Charakter und die etwaige Höhe seiner Forderungen. Allerdings würde weder Wallenstein noch der Kurfürst von Baiern und am wenigsten der Kaiser dieselben damals angenommen haben, und wer kann, da der Krieg seinen Fortgang nehmen mußte, sagen, was G. A. später unter veränderten Verhältnissen gefordert haben würde? Der Tod hat die Fäden zerschnitten. Nachher ist Axel Oxenstjerna noch wiederholt auf seine Pläne zu sprechen gekommen. Darnach hätte G. A. neben Pommern auch Mecklenburg, [212] überhaupt die deutsche Ostseeküste verlangt; diese sollte zu einem Bollwerk für die Krone Schweden umgewandelt werden. Soviel ist anzunehmen, daß G. A. auch in Mecklenburg die strategisch wichtigsten Hafenplätze, insbesondere Wismar in der einen oder anderen Form zu besitzen wünschte. Indem er einen festen Fuß in Deutschland zu behaupten gedachte, wollte er ebensowol „sein Reich der Ostsee versichern“, als zur allgemeinen Sicherheit seiner Partei die Garantie haben für eine dauernde Einwirkung auf die Angelegenheiten des längst seiner selber nicht mehr mächtigen deutschen Reiches, für sein Protectorthum über jenes neu zu begründende corpus Evangelicorum. Entschieden und mit Recht hat Oxenstjerna geleugnet, daß G. A. nach der deutschen Kaiserkrone trachtete, während der Gedanke, den er ihm zuschreibt, dereinst Kaiser von Skandinavien zu werden, überhaupt der Gedanke eines großskandinavischen Reiches unter schwedischer Herrschaft allzu problematisch erscheint. G. A. wollte Schweden neben seinem nationalen Charakter jedenfalls einen großartigen europäischen geben, und für seine hierzu dienliche Festsetzung in Deutschland hatte er noch einen besonderen Plan, dessen Spuren sogar schon seit Anfang 1631 bemerkbar werden. Kurbrandenburg sollte mit Schweden zu einer protestantischen Großmacht vereinigt werden auf Grund eines Ehebündnisses zwischen seiner einzigen Tochter Christine, der schwedischen Thronerbin, und dem Kurprinzen Friedrich Wilhelm; dieser sollte nach Schweden geschickt und mit Christine im lutherischen Glauben erzogen werden. Die Ausführung des Planes wäre gewiß kein Glück für Deutschland gewesen; Brandenburg würde nur ein Anhängsel des übermächtigen Schwedens geworden sein. Wol hat man Friedrich Wilhelm, den großen Kurfürsten als den natürlichen Erben des großen Schwedenkönigs in Deutschland bezeichnet. Aber in ganz anderer Weise, im feindlichen politischen Gegensatz zu Gustav Adolfs minder edlen Nachfolgern mußte er diese moralische Erbschaft erst erkämpfen. Als politischer Neugestalter würde auch G. A. nur die Ohnmacht und Zersplitterung des Reiches besiegelt haben, wünschte er doch die unselige reichsständische Libertät noch weiter auszudehnen. In politischer Beziehung wäre auch er uns ein Fremder geblieben. Aber in Kirche und Schule hat er deutsches Wesen vor dem Jesuitismus und dem habsburgischen Despotismus gerettet. Die Errungenschaften der deutschen Reformation, die Selbständigkeit des Protestantismus hat er mit der thatsächlichen Beseitigung des Restitutionsedictes noch einmal errungen; dem Zwang der Geister hat er eine Schranke gesetzt. Das gibt ihm seine welthistorische Bedeutung.

Chemnitz, Königl. Schwedischen in Teutschland geführten Krieges 1. Th. 1648. Moser, Patriotisches Archiv für Deutschland, Bd. V u. VI, 1786. 87. Breyer, Beyträge zur Gesch. des dreyßigjährigen Krieges, 1812, S. 205 f. Arkiv till upplysning om Svenska krigens och krigsinrättningarnes historia I–III, 1854–61. Konung Gustaf II Adolfs skrifter, 1861. Geijer, Gesch. Schwedens, Bd. III, 1836. Helbig, Gustav Adolf und die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, 1854. Hammarstrand, Bidrag till historien om Konung Gustaf Adolfs deltagande i trettioåriga kriget in Årsskrift utg. af Kongl. vetenskaps-societeten i Upsala, I, 1860. Cronholm, Gustaf II Adolphs regering, I–VI, 1857–72. G. Droysen, Gustav Adolf, 2 Bde., 1869. 70 (Schriftstücke von G. A., 1877). Wittich, Magdeburg, Gustav Adolf und Tilly, 1874. Odhner, Die Politik Schwedens im Westphälischen Friedenscongreß, 1877, S. 1–20.