RE:Sophokles 1
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Der Tragiker | |||
Band III A,1 (1927) S. 1040–1094 | |||
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Sophokles. 1) Sophokles aus Athen, der Tragiker.
Übersicht: A. Leben. B.Umgang. Charakter. Anekdoten, [v. Blumenthal]. C. Bildnisse. [Zschietzschmann]. D. Erfindungen und Neuerungen nach der antiken Überlieferung. E. Dichtungen. F. Zahl der Dramen und Siege. G. Die verlorenen Dramen. H. Die erhaltenen: I. Überlieferungsgeschichte. II. Ausgaben. Literatur. III. Einzelbesprechung. J. Gesamtcharakteristik der Kunst des S. [v. Blumenthal].
A. Leben. Unsere Hauptquelle ist die in mehreren Hss. – aber nicht im Laur. XXXII 9 – erhaltene Vita, daneben steht ein kurzer Lebensabriß des Suidas. Reste hier stets nach ihren Paragraphen zitierte Ausgabe mit Sammlung der wichtigsten für das Leben in Betracht kommenden sonstigen Nachrichten in der Elektraausgabe von Jahn-Michaelis³ (Bonn 1882), dazu Kirchner Prosop. Att. II 263ff. (nr. 12834). Das größere namenlose γένος ist die verkürzte Fassung einer etwa im 1. Jhdt. v. Chr. entstandenen, den Ausgaben vorangestellten, Lebensbeschreibung (vgl. die sorgfältige Analyse von F. Leo Griech.-röm. Biograph. 22ff.). Das Alter der Vorlage ergeben die zitierten Autoren: Aristoxenos, Neanthes, Hieronymos, Istros, Satyros, Aristophanes von Byzanz, Lobon, Karystios. Lobon ist neuestens mit Sicherheit als Zeitgenosse des Kallimachos nachgewiesen worden (zuletzt O. Crusius Philol. LXXX [1925] 176ff.), Karystios ist der jüngste der Reihe, er gehört in das letzte Drittel des 2. Jhdts. (s. o. Bd. X S. 2254) und stellt den Terminus post quem. Daß wir nur eine gekürzte Fassung besitzen, zeigt die Benutzung der vollständigeren durch Athen. I 20 e (vgl. Leo a. a. O. 23, 1). Suidas = Hesych gibt in knappster Fassung Notizen über γένος, Zeit,
Als Todesjahr des S. kann das Jahr des Archon Kallias 406/5 durch die übereinstimmenden Angaben von Marm. Par. ep. 64. Diod. XIII 103,4. Argum. Oid. Kol. als gesichert gelten. Die an den Lenäen 405 aufgeführten Frösche des Aristophanes (82) erwähnen ihn als tot, ebenso die am selben Tage in Szene gegangenen
Für das Geburtsjahr bieten die ältesten, doch wohl auf Tradition, nicht auf Rechnung beruhenden Daten wieder das Marm. Par. ep. 64 für das Jahr 406/5: ἀ
S. ist geboren in dem attischen Demos Kolonos (vit. 1, Arg. Oid. K. 1 IG I 237. Marm. Par. ep. 56 u. a.), fraglich, in welchem der beiden gleichnamigen Demen, dem Kol. Agoraios oder Hippios. Eine Entscheidung ist nicht zu treffen (s. o. Bd. XI S. 1111f. Judeich Top. v. Ath. 156, 4). Aus Androtion im Schol. Aristid. III 485 Dind. schließt Judeich, daß er der Phyle Aigeis angehört habe, dasselbe Kirchner Prosop. s. v. aus IG II 643 add. 644. Jedenfalls war der Begräbnisplatz seines Geschlechtes, wo S. auch selber beigesetzt wurde, elf Stadien von der Mauer am Wege nach Dekeleia (vit. 15. Plin. n. h. VII 109). Die Behauptung des Istros vit. 1, er stamme aus Phlius, wird schon von dem Verfasser der Vita zurückgewiesen, wenn dieser auch für möglich hält, daß das Geschlecht sich von dort ableite. Den Namen des Vaters geben die Vita, Suidas, Marm. Par., Simmias Anth. Pal. VII 21, 1, Clem. Alex. protr. VII 21 St., Diodor einstimmig als Sophillos an, nach Aristoxenos (vit. 1) war er Zimmermann oder Schmied, nach Istros (ebd.) Schwertfeger. Der Verfasser des γένος bestreitet es und meint, der Vater habe wohl Sklaven dieser Handwerke besessen, denn sonst wäre der Sohn nicht zusammen mit Perikles und Thukydides in die höchsten Ehrenstellen gelangt, auch hätte die Komödie – was sich hören läßt – ihn sicher deshalb verspottet. Plin. n. h. XXXVII 40 sagt ähnlich von ihm: super omnes est Sophocles poeta tragicus, quod equidem miror, cum tanta gravitas ei cothurni sit, praeterea vitae fama alias principi loco genito Athenis et rebus gestis et exercitu ducto.
Die wie üblich durch Klatsch undurchsichtigen Familienverhältnisse des S. scheinen sich folgendermaßen verhalten zu haben: Seine eheliche [1042] Frau war Nikostrate (vit. 13), von ihr hatte er einen Sohn, den Tragiker Iophon (I) (vit. 13. Schol. Aristoph. ran. 78. Suid. s. Ἰ
Als zweite Frau des Dichters wird die Sikyonierin Theoris genannt. Läßt man auch den Klatsch bei Athen. XIII 592 a und Hesych Θεωρίς beiseite, so ergibt doch Hermesian. 57 bei Athen. XIII 598 c mit Sicherheit, daß sie die ἐρωμένη war, also ihre Kinder nicht echtbürtig waren. Von ihr hatte er einen Sohn Ariston (vit. 13), dessen vielleicht erst vom Großvater legitimierter (Robert Oid. I 475ff.) Sohn Sophokles (III) nicht
nur 401 den nachgelassenen Oid. Kol. aufführte (Arg. O. K.), sondern auch seit 396 (Diod. XIV 53) als erfolgreicher Tragiker (Suid.
Sophillos │ | ||||
Nikostrate | Sophokles (I) | Theoris | ||
Iophon (I) (Leosthenes) |
Ariston (Stephanos Menekleides) | |||
│ Sophokles (II) |
│ Sophokles (III) | |||
│ Iophon (II) | ||||
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sophokles (IV) | Sophokles (V) |
Für seinen Lebensgang liegt eine unverhältnismäßig große Zahl gesicherter Tatsachen und Daten vor. Daß er sehr schön war (Athen. I 20 e aus der vollständigeren Vita) und eine sorgfältige gymnische und musische Erziehung genoß, wüßten wir, auch ohne daß es überliefert wäre (vit. 3), ebenso mag er in beiden den Kranz davongetragen haben, wie der erfinderische Istros (vit. 3) behauptet. Nach der Schlacht von Salamis soll er nackt und gesalbt mit der Lyra den Siegesreigen eröffnet haben. Sein Lehrer in der Musik war (nach Athen. I 20 e = vit. 3) Lampros, [1043] den Aristoxenos (Plut. de mus. 31) mit Pindar und Pratinas zu den vorzüglichsten Musikern jener Zeit rechnet. Wegen des Komikers Phrynichos (I 388, 69 Kock) mit Weil-Reinach (zu Plut. de mus. 31) und Abert (s. o. Bd. XII S. 587) an der Identität dieses Lampros mit dem berühmten Musiker zu zweifeln, liegt kein Grund vor. Denn der Anfang des Fragmentes: ⟨
Die nächste sichere Nachricht zeigt ihn in politischer Tätigkeit: nach der Beamtenliste IG I 237 war er im J. 443/2 Hellenotamias, und zwar führte S., wie Ed. Meyer Forsch. z. alt. Gesch. II 82ff. nachgewiesen hat, den Vorsitz; da in diesem Jahre die Neuordnung der Tribute der Bundesgenossen stattfand, war das Amt sicher von großer Bedeutung. Im samischen Kriege 441/39 war er Mitstratege des Perikles (Androt. Schol. Aristid. III 485 D. Strab. XIV 638. Iustin. III 6, 12. Aristod. 15, wo Θεμιστοκλέους statt
Eine vielumstrittene Stelle der Vita (11) lehrt uns, daß S. auch ein Priesteramt bekleidet hat: ἔσχεδὲ
B. Umgang. Charakter. Anekdoten.
Die Zahl der gut bezeugten Stellen über S. als Person ist verhältnismäßig groß. Sein Umgang mit Aischylos ist freilich außer durch die Vita nur durch Chamaileon (Athen. I 22 a. X 428f.) überliefert: er habe zu dem älteren über dessen Dichtung gesagt:
μάκαρ Σοφολκέης ὃς
ἀπέθανεν,
Auch die Anekdote über seine Trauer bei dem Tode des Gegners Euripides fügt sich gut in dieses Bild ein, nicht weniger die urbane Antwort, die er bei Plutarch (Nik. 15) dem Nikias gibt oder die Entgegnung auf einen Angriff, von der Aristoteles Rhet. III 1416 a 15 weiß. Weiter heißt es an einer anderen Stelle der Vita (10), er habe Athen so geliebt, daß er trotz Aufforderungen von vielen Königen seine Vaterstadt nicht habe verlassen wollen. Damit ist er sowohl zu Aischylos wie zu Euripides in Gegensatz getreten. Daß der Dichter φιλομεῖραξ (Athen. XIII 603 e) war, geht aus der Erzählung des Ion zur Genüge hervor, auch hat er die Knabenliebe in der Niobe tragisch dargestellt (Athen. XIII 601 b, wohl aus Chamaileon). Die wenig anmutigen Klatschgeschichten des Hieronymos (Athen. XIII 604 d, 557 e) können wir auf sich beruhen lassen. Aber daneben hat der gleiche peripatetische Historiker noch ein schönes Wort über den Dichter gesprochen: γέγονε
C. Bildnisse. Die Vit. Soph. 5 berichtet: φασὶ
[1049]
D. Erfindungen und Neuerungen nach der antiken Überlieferung. Es ist bekannt, was im allgemeinen von der Zuteilung bestimmter ἑὑρήματα an eine Einzelperson zu halten ist. Von S. sind uns folgende Neuerungen überliefert: 1. Die Vermehrung der Choreuten von 12 auf 15 (vit. 4. Suid.). 2. Die Einführung des dritten Schauspielers (Aristot. poet. 1449 a 19, Dikaiarch. vit. Aeschyl. Diog. Laert. III 56. Vit. Soph. 4. Suid. Schol. Dem. XVIII 267. XIX 200). 3. Die Erfindung der σκηνογραφία (Aristot. a. a. O.).4. Die Einführung der καμπύλη βακτηρία (Satyros vit. 6. S. o. Bd. X S. 1843) und 5. der
E. Dichtungen. Nach der Suidasvita hat S. außer Dramen noch 1. Elegien, 2. Paiane und 3. eine Prosaschrift über den Chor geschrieben. 1. Von den Elegien gibt es zwei gut bezeugte Fragmente (Anth. lyr. I 67, 1–2 Diehl), das dritte, aus Hieronymos von Athen. XIII 604 d mitten in einer wüsten Klatschgeschichte übernommene und dichterisch wertlose gehört unter die falsa. 2. Über die Reste eines inschriftlichen Paians und sonstige Nachrichten s. o. S. 1044. 8. Die Prosaschrift soll er im Wettkampfe mit Thespis und Choirilos verfaßt haben. Crusius Philol. LXXX 178 hat nachgewiesen, daß diese und ähnliche Schwindelnotizen aus Lobon
F. Zahl der Dramen und Siege. Die Zahl der Dramen wird von Aristophanes von
Byzanz (vit 18) mit 130 angegeben, von denen 17 (oder 7) unecht seien ((
G. Die verlorenen Dramen. Fragmentensammlungen: Ich zitiere nach Nauck Fragmenta Tragicorum Graecorum² (1889) 131ff., die ergänzt werden durch Diehl Supplementum Sophocleum (1913), Hunt Fragmenta tragica papyracea (1912). Außerdem stehen die wichtigsten Bruchstücke mit knappen Erläuterungen bei Sophocles ed. Lewis-Campbell vol. II (1887) 482. Vollständigste, ausführlich eingeleitete und sorgfältig kommentierte Sammlung mit Rekonstruktionsversuchen, als Fortsetzung der Jebbschen großen Soph.-Ausgabe von Pearson The Fragments of Sophocles 3 vols. Cambridge 1917 (abgeschlossen 1913) mit wertvollem Sprach- und Sachindex III 192ff. und reicher Literaturangabe I p. XCIff., wo auch die älteren Sammlungen gekennzeichnet sind. Immer noch unentbehrlich ist Welcker Die griechische Tragödie mit Rücksicht auf den epischen Zyklus geordnet, Bonn 1839.
Daß S. mit Vorliebe seine Stoffe dem epischen Kyklos entnommen hat, wird von Chamaileon bei Ath. VII 277 e hervorgehoben und durch eine große Zahl der hier in alphabetischer Ordnung [1051] folgenden uns noch bekannten Titel bestätigt (vgl. Pearson I p. XXXI).
1. Ἄδμητος (frg. 767 N.): Es ist sicher, daß das Stück diesen Titel führte, da der einzige erhaltene Vers zwar von Plutarch mit den Worten ὁ Σοφοκλέους Ἄδμητος sc.
2. Ἀθάμας
3. Ἀθάμας
4.
5.
6.
7.
8.
9. Ἀκρίσιος (frg. 57–73 N.): Daß hier der [1053] Mythos Danae – Perseus in irgendeiner Gestalt dargestellt war, darüber läßt frg. 61 nicht im Zweifel. Wahrscheinlich hat die von Apollod. II 47 W. berichtete Form der Sage zugrunde gelegen; frg. 63. 64 beziehen sich dann auf die Furcht des Akrisios vor der Erfüllung des Orakels, frg. 68 vielleicht auf seine unerwartete Erfüllung; frg. 70 ἀπόδρομον· ἐλαττούμενον
10. Ἀλεάδαι (frg. 74–88 N.): Die Fabel ist fast lückenlos rekonstruierbar. Telephos ist ein Bastard (frg. 84), seine Mutter ist unbekannt, sein Vater zweifelhaft (frg. 83). Heimlich von der Mutter geboren und im Parthenion Oros ausgesetzt ist der Heraklessohn von einer Hindin gesäugt (fr. 86), von Hirten gefunden und dem König Korythos gebracht worden, der ihn an Kindesstatt aufzieht (Diod. IV 33, 11 + Apollod. III 104 W.). Seine Mutter Auge war nämlich von ihrem Vater Aleos zur Athenapriesterin gemacht worden, weil ihrem Vater in Delphi geweissagt wurde, ihr Sohn würde seine Söhne töten. Auge aber war von Herakles verführt worden (Alkid. Ulix. 13–16). Wie es zum Konflikt des Telephos mit seinen Oheimen gekommen ist, wissen wir nicht, frg. 81 scheint der Chor darüber zu zürnen, daß Edle dem Bastard unterlegen sind, sich also das Orakel erfüllt hat. Der Schluß muß einen ähnlichen ἀναγνωρισμός, wie der Oid. Tyr. – auch die Argumentation (frg. 83) erinnert an Oid. Tyr. 1080ff. – gehabt haben (frg. 74. 76. 80), wohl hervorgerufen durch die Hirten, die einst den Knaben fanden. Vermutlich geschah die Erkennung, als es nach dem Tode der Aleaden zu einem Zusammenstoße zwischen Großvater und Enkel zu kommen drohte. Das Ende war wohl versöhnlich, frg. 82. 84. 85 erinnern auffallend an euripideische Redeweise. Vergleiche die vortreffliche Rekonstruktion nach Vaters und Welckers Vorgange bei Robert Arch. Jahrb.
11. Ἀλέξανδρος (frg. 89–96 N. frg. 2 D.): Die schwangere Hekabe träumt, sie werde eine brennende Fackel gebären, aus der viele Schlangen kröchen. Die Weissager verlangen den Tod des Kindes, weil es dem Lande den Untergang bringen würde. Alexandr
[1054] 12. Ἀλήτης (frg. 97–103 N.): Welcker Gr. Tr. I 216 hat in Hyg. 122 die Hypothesis des Stückes zu finden geglaubt, dasselbe aber ohne Grund mit der Erigono identifiziert (Ribbeck Röm. Trag. 620). Der Gang bei Hygin ist folgender: Elektra hört fälschlich, Orestes sei in Taurien von Iphigenie der Artemis geopfert worden. So bemächtigt sich Aletes, des Aigisthos Sohn, der Herrschaft von Mykene. Elektra geht nach Delphi, um über den Tod des Bruders Gewißheit zu erhalten. Sie trifft am gleichen Tage wie Orestes und Iphigenie dort ein. Elektra will Iphigenie wegen der angeblichen Ermordung des Bruders mit einem Feuerbrande blenden, da sie nicht weiß, daß diese ihre Schwester ist. Orestes tritt dazwischen. Nach der Erkennung ziehen sie nach Mykene, Orestes tötet Aletes, will auch Erigone, die Tochter des Aigisthos und der Klytaimnestra töten. Artemis entrückt sie nach Attika und macht sie zu ihrer Priesterin (vgl. E. Maass Analecta Eratosth. 133). Die nur bei Stobaios überlieferten Fragmente enthalten ausschließlich Sentenzen ohne rechten Bezug auf eine besondere Lage; der Titel lautet dort immer Ἀλείτης. Hygin gibt wohl sicher den Sagenkreis, an den wir zu denken haben, Aletes spielt aber zu sehr eine Nebenrolle als daß man mit Gewißheit die Hyginfabel zum Argument des Dramas erklären könnte. v. Wilamowitz (Herm. LIV 53, 1) hält wegen der Trivialität der erhaltenen Sentenzen das Drama für unsophokleisch.
13. Ἀλκμέων(frg. 104–106 N.): Da die Myographie (vgl. die Zeugnisse bei Nauck TGF p. 379) durch die beiden gleichnamigen Dramen des Euripides bestimmt ist, die Sophoklesfragmente aber unergiebig sind, ist die Handlung nicht auszumachen, s. Robert Heldensage II 959, 6, zur Form des Namens Cramer Anekd. Ox. II 337, 4.
14. Ἄμυκος σατυρικός (frg. 107–108 N.): Amykos ist der König der Bebryker, der die Argonauten zum Faustkampfe herausfordert und von Polydeukes besiegt wird: Apoll. Rhod. II 1ff. Apollod. I 119 W. Hyg. fab. 17. s. o. Bd. I S. 2000. frg. 108: σιαγόνας
15. Ἀμφιάρεως σατυρικός (frg. 109–117 N.): Es läßt sich nur ausmachen, daß ein Schriftunkundiger aufgetreten ist, der, um sich verständlich zu machen, die Buchstaben vorgetanzt hat (Athen. X 454f.).
16. Ἀμφιτρύων (frg. 118–120 N.): Eine Rekonstruktion aus den Fragmenten ist selbst dann unmöglich, wenn man die des Accius hinzunimmt, von dem man nicht weiß, ob er nach S. gearbeitet hat. Vgl. Ribbek Röm. Tr. 553ff. Welcker Gr. Tr. I 371f.
17. Ἀνδρομάχη (frg. 121 N.): Es ist nur ein Wort erhalten. Auf Grund von frg. 477 will Welcker Gr. Tr. I 114 das Drama mit den Ποιμένες identifizieren, was bei unserem Nichtwissen Spielerei ist.
18. Ἀνδρομέδα (frg. 122–132 N.): Nach Ps.-Eratosth. Kat. 16 und den Parallelberichten in den Germanicusscholien und Hygin (S. 116 Rob.) hat Kassiepeia, die Mutter der Andromeda, ihre eigene Schönheit mit der der Nereiden verglichen. Zur Strafe sendet Poseidon ein das Land verheerendes [1055] Ungeheuer, das die Andromeda zum Fraße verlangte (expostulatam Andromedam et ceto propositam schol. Germ. BP 77, 17). Daß Perseus als Retter erschien, ist selbstverständlich und wird durch fr. 123 nahegelegt. Zur Rekonstruktion vgl. Robert Heldens. I 238, die angebliche bildliche Überlieferung ebd. Anm. 3.
19. Ἀντηνορίδαι (frg. 133–135 N.): Aus Argum. Soph. Ai. wissen wir, daß das Drama zum troischen Sagenkreise gehörte. Mit Recht hat Welcker Gr. Tr. I 166 Strab. XIII 608 (auch I 48. V 212. XII 552) zur Wiederherstellung benutzt. Bei der Zerstörung Troias sei ein Pardelfell als Schutzzeichen am Haus des Antenor aufgehängt worden. Antenor und seine Söhne seien mit den verbündeten Henetern nach Thrakien gerettet und von dort in das Gebiet der Adria verschlagen worden. Aineias sei mit Anchises und Askanios ebenfalls entronnen. Die zahlreichen Söhne des Antenor – Homer nennt 11, Bakchylides gar 50 – müssen den Chor gebildet haben. Die auf Grund von Bakch. XIV von v. Wilamowitz ausgesprochene Identifikation mit der Ἑλένης ἀπαίτησις ist schwerlich haltbar, vgl. Pearson I 89. Ob die gleichnamige Tragödie des Accius auf S. zurückgeht, wissen wir nicht, ist aber wahrscheinlich. Dann hätte das Werk schon vor der Eroberung begonnen, wie Ribbeck Röm. Trag. 406ff. glaubhaft gemacht hat.
20. Ἀτρεὺς ἢ Μυκηναῖ
21. Ἀχαιῶ
22. Σύνδειπνον Ἀχαιῶ
23. Ἀχιλλέως ἐρασταί (frg. 153–161 N.): Das Drama war ein Satyrspiel (frg. 157). Die Exposition scheint Peleus gegeben zu haben, wie er die sich verwandelnde Thetis gewann (frg. 154) und daß sie ihn wegen einer Schmähung verließ (frg. 155). Phoinix hält die begehrlichen Satyrn von seinem Zöglinge ab (frg. 157), auch edle ἐρασταί fehlten nicht (frg. 153). Irgendwie ist er dann zum Helden erwacht (frg. 160), vgl. v. Wilamowitz Berl. kl. Text. V 2, 72, 3.
24. Δαίδαλος (frg. 162–163. 165–167 N., dazu neues Fragment schol. Gen. Hom. XXI 282 = I 111 frg. 158 Pearson, fehlt bei Diehl). Die Fabel ist nicht zu eruieren. Deutet frg. 162 auf die Erfindung der Tischlerei, frg. 163 auf seinen kretischen, frg. 165 (vgl. Ichneut. 300) auf den sizilischen Aufenthalt? Andere Vermutungen bei Pearson I 110.
25. Δανάη (frg. 168–175 N.): Für die Identifikation mit dem Akrisios haben wir keinen Anhalt. Daß die Danae ein Satyrspiel gewesen sei, hat schon Welcker Gr. Trag. I 349 vermutet und wird durch frg. 170 nahegelegt, frg. 168 spricht Akrisios.
26. Διονυσίσκος σατυρικός (frg. 174–175 N., neues Fragment im Lex. Mess. Rh. Mus. XLVII [1892] 411 = I 118 frg. 171 Pearson, fehlt bei Diehl). Daß der Name Διονυσίσκος, wie das Lex. Mess. schreibt, nicht, mit Hesych und Anekd. Beck., Διονυσιακός richtig ist, hat Crusius Rh. Mus. XLVIII (1893) 152 gesehen. Der Inhalt war, daß der kleine Dionysos, von Silen erzogen (vgl. das neue Fragment), den Wein erfunden hat, an dem sich die Satyrn berauschen (frg. 174). Weiter heißt es von frg. 174 in den Anekdota: ὅ
27. Δόλοπες (frg. 176–177 N.): Auf Grund des Titels mit Welcker Gr. Trag. I 140 an die Abholung des Neoptolemos aus Skyros zu denken, die in den Skyriern dargestellt war, geben die beiden Fragmente keinerlei Handhabe.
28. Ἑλένης ἀπαίτησις (frg. 178-181 N.): Nach dem Titel zu urteilen, müßte die Tragödie etwa zum Inhalt gehabt haben, was man Schol. T Il. III 205 liest (vgl. auch Ovid. met. XIII 200ff.): ὅ
29.Ἑλένης ἁρπαγή. Nur im Arg. Soph. Ai. erwähnt; ob eine Titelverwechslung mit nr. 28 vorliegt, ist nicht zu entscheiden. Sonst wäre nur an den Parisraub zu denken, da die Theseussage ausgeschlossen ist.
30. Ἑλένης γάμος (frg. 182–185 N.): Das Drama war, wie man aus Aristid. zper tvn tett. II 399 schließt, ein Satyrspiel, in dem die Geilheit der Satyrn durch den Anblick der Helena geweckt wurde.
31. Ἐπίγονοι (frg. 186–188. adesp. 2. 3. 358 N.), gewöhnlich mit der Eriphyle identifiziert, schwerlich mit Recht. Die Rekonstruktion ist möglich, weil Accius (Trag. Rom. Fr. I 173) das Werk benutzt hat (Cic. de opt. gen. or. VI 18, s. Ribbeck Röm. Trag. 489). Unter Hinzunahme von Asklepiades von Tragilos FGR hist. I 174, 29. Apollod. III 62 W. Diod. IV 65, 6 ergibt sich: Amphiaraos hat seinem Sohne Alkmeon befohlen, ihn an der Eriphyle zu rächen, bevor er nach Theben zieht, auch Delphi befiehlt es (Acc. frg. VI). Die Ungeduld des Heeres (Acc. frg. III und der Befehl drücken ihn (Acc. frg. VI). Eriphyle sucht durch Gebete und Opfer die Götter zu versöhnen (Acc. frg. X). Amphilochos (Acc. frg. IV) und Demonassa (Acc. frg. XI) treten auf. Letztere warnt die Mutter und rät dem Bruder ab, der aber nicht gehorcht (Acc. frg. VII). Nach dem Muttermorde, dem wohl ähnlich wie in den Choephoren ein Wortwechsel vorherging (frg. 187), tritt Adrast gegen Alkmeon auf (frg. adesp. 358). Apollon scheint (Antiphanes’ ποίησις bei Athen. VI 222 b) als deus ex machina die Lösung bewirkt zu haben, indem er die Schlacht von Glisa prophezeite (Acc. frg. XVI) und Alkmeon die Peloponnes zu meiden befahl (ebd. und frg. 188). Rekonstruktion bei Robert Heldens. II 958f.
32. Ἔρις (frg. 189–191 N.): Die Diktion von frg. 189 läßt an ein Satyrspiel denken. Der Titel ist dreimal überliefert und erinnert an Krisis, Momos, die sicher Satyrspiele waren. Man hat vermutet, die Hochzeit des Peleus und der Thetis, vor allem der Streit um den Erisapfel, habe das Thema abgegeben, vgl. Pearson I 140.
33. Ἐριφύλη (frg. 192–198): Seit Welcker und noch von Robert wird die Eriphyle mit den Epigonoi identifiziert, wenig wahrscheinlich gegenüber sechsfachem Zitat und der Tatsache, daß auch für Accius sowohl Eriphyle wie Epigonoi bezeugt sind. Weiter wissen wir nichts, da alle sicheren Bruchstücke Sentenzen sind, frg. 199 ebensogut in die Ἐπίγονοι gehören kann.
34. Ἑρμιόνη (frg. 200–201 N.): Den Stoff überliefert Eustath. Od. 1479, 10: als Menelaos noch in Troia war, vermählte Tyndareos die Hermione [1058] dem Orestes. Nach der Heimkehr wird sie ihm genommen und dem Neoptolemos gegeben. Als dieser aber in Delphi, weil er den Vater an Apollon rächen wollte, von dem Priester Machaireus erschlagen war (Pherek. schol. Eur. Or. 1655 FGR hist. I 78, 64 + Asklep. Trag. FGR hist. 171, 15 + Strab. 421), kehrt sie zu Orest zurück und gebiert ihm den Tisamenos
35.
36.
37.
38.
39–41. Ἡρακλεΐσκος σατυρικός (frg. 208–209 N.). Dieser Titel (vgl. Dionysiskos) kann als zuverlässig überliefert gelten. Ob damit identisch ist
Ἡρακλῆς σατυρικός (frg. 205–206 N.): und dies wieder mit dem nur Ἡρακλῆς (frg. 207) genannten, haben wir kein Mittel zu entscheiden, noch weniger, ob dies gleichzusetzen ist mit
Ἐ
42. Ἠριγόνη (frg. 214–215 N.): Wir haben keine Möglichkeit auszumachen, welcher Sagenstoff hier behandelt war. Welcker Gr. Tr. I 215 hält Erigone für die Aigisthostochter und identifiziert das Werk ohne Grund mit dem Aletes. Dann könnte Accius seine Erigone nach S. gearbeitet haben. Mit mehr Wahrscheinlichkeit hat Ribbeck Röm. Tr. 620 in Erigone die attische Ikariostochter vermutet und auf Grund des verschriebenen Erotianzitats (frg. 215) Σοφοκλῆς ἐ
43. Θαμύρας (frg. 216–224 N.): Das Drama wird bald als Θάμυρις bald als Θαμύρας zitiert. Daß letzteres die attische Form ist, bezeugt Cyrill Anekd. Par. IV 183, 14. Die Vita Soph. I (§ 5) überliefert, daß S. selbst die Hauptrolle agiert und dabei die Kithara gespielt habe, weshalb er auch in der Stoa Poikile so dargestellt sei. Da S. später nicht mehr selbst auftrat (vit. § 4), gehört das Werk zu den frühen Dramen. Die Maske des Thamyras hatte ein schwarzes und ein blaues Auge: Poll. IV 141, vgl. Asklep. Trag. FGR hist. I 170, 10:
44. Θησεύς (frg. 225 N.): Die zwei Worte des Fragments erlauben weder eine Vermutung noch die Identifikation mit der Phaidra.
45. Θυέστης
46. Θυέστης
47. Θυέστης
48. Ἰάμβη (frg. 664 N. = frg. 731 Pearson): Von Welcker, ,weil der Gegenstand ganz undramatisch zu sein scheint‘ (Gr. Tr. I 73), verworfen. Hermann hat die Herkunftsangabe des einzigen Fragmentes in Niobe, Nauck in Amykos ändern wollen, Hartung, dem Pearson beitritt, nimmt Verwechselung von Sprecher mit Titel an und weist es dem Triptolemos zu. Das zitierte Wort: φενακίζειν gehört ohne Zweifel in niedere Sphäre. Die Jambe wird ein Satyrspiel gewesen sein, das Thema wohl aus dem Demeterkreis.
49. Ἴβηρες: Nur der Titel bekannt aus IG XII 1, 125, vgl. Kaibel Herm. XXIII (1888) 273. Heraklesfahrten?
50. Ἴναχος (frg. 248–273 N.): v. Wilamowitz Einl. in d. Griech. Trag. 89, 53 hat die Fabel rekonstruiert und wahrscheinlich gemacht, daß das Drama an vierter Stelle statt eines Satyrspieles gegeben sei. Die Hypothesis wäre etwa diese: In Argos herrscht Inachos, Sohn des Okeanos (frg. 248) und Gott des gleichnamigen vom Pindos strömenden Flusses. Seine Tochter, die Herapriesterin Io, wird die Geliebte des Zeus (Apollod. II 5 W.), der dem Lande ein goldenes Zeitalter bereitet. Plutos selbst scheint eingezogen (frg. 256. 253. 251. 261). Hera entdeckt das Geschehene (Apollod. a. a. O.). greift durch Iris ein (frg. 250), das Land dürstet, die Scheuern sind leer (frg. 262. 264. 265). Io wird in eine Kuh verwandelt und erhält den Argos zum Wächter (frg. 257–59). Hermes trat noch auf (frg. 250), tötete wohl den Argos und versöhnte die Hera. Zu frg. 257 vgl. Müncher Rh. Mus. LXIX (1914) 180, 1.
51. Ἰξίων (frg. 274 N.): Nur ein Wort erhalten. Da zweimal unabhängig S. als Autor genannt wird, kann man nicht mehr mit Welcker Gr. Tr. I 402 an Verwechselung mit Aischylos denken. Vom Inhalte wissen wir nichts.
52. Ἰοβάτης (frg. 275–276 N. und vielleicht Rh. Mus. XLVII (1892) 407: Σοφοκλῆς ἰ
53. Ἰοκλῆς (frg. 277–278 N.): Nicht einmal der Titel ist gegen Zweifel gesichert. Poll. X 39 schreibt
54. Ἱπποδάμεια (frg. 431 N.): Es liegt, wie schon Ribbeck Röm. Trag. 442 gesehen hat, kein Grund vor, sie mit Welcker Gr. Tr. I 352 mit dem Oinomaos zu identifizieren. Robert Oidip. I 406f. hat wahrscheinlich gemacht, daß der Schluß von Hyg. 85 (vgl. frg. 431): hunc (Chrysippum) Atreus et Thyestes matris Hippodamiae impulsu interfecerunt. Pelops cum Hippodamiam argueret ipsa se interfecit, den Inhalt der sophoklëischen Tragödie angibt; a. a. O. II 140, 22 vermutet er, daß Accius seinen Chrysippus nach der Hippodameia des S. gearbeitet habe. Der Oenomaus des Accius, den Ribbeck Röm. Trag. 431ff. rekonstruiert, hängt dagegen von Euripides ab: Robert Heldens. I 216.
55. Ἱππόνους (frg. 279–283 N.): Daß unter den sieben gleichnamigen Heroen nur Hipponoos von Olenos, der Vater der Periboia und Großvater des Tydeus, in Frage kommt, lehrt frg. 279, daß es sich um die – wirkliche oder angebliche – Verführung der Periboia durch einen Gott oder Helden handelte, scheint aus frg. 280. 283 hervorzugehen. Welcher der verschiedenen mythographischeu Berichte (Diod. IV 35, i. Ps.-Plut. Prov. I 5. Apoll. I 74 W.) auf S. zurückgeht, ist kaum auszumachen. Bei Apollodor werden als Quellen genannt: Thebaïs, Hesiod,
56. Ἱφιγένεια (frg. 284–291 N): Es ist nur bekannt, daß Odysseus darin zu Klytaimnestra redete (frg. 284), es sich also um eine aulische Iphigenie handelte. Es ist verführerisch in Hyg. 98 die Hypothesis zu sehen. Vgl. Robert Heldens. II 1101, Welcker Gr. Tr. I 107. [–] Ob in frg. 292 ἐ
57. Ἱχνευταὶ σάτυροι: Editio princeps Oxyr. Pap. IX (1912) 1174 aus einem Papyrus des 2. Jhdt. n. Chr. von Hunt, seither Fragmenta tragica papyracea ed. Hunt S. 1, Suppl. Soph. [1064] ed. Diehl S. 3. Terzaghi Sofocle i cercatori di traccie, Firenze 1913, Pearson I 218, freie Übersetzung von Robert, die Spürhunde d. S., Berlin 1912. Außer bei Hunt, Terzaghi, Pearson ausführliche Kommentare bei v. Wilamowitz N. Jahrb. XXIX (1912) 453, Robert Herm. XLVII (1912) 536ff. Münscher Rh. Mus. LXIX (1914) 170ff. Bethe S.-Ber. Akad. Lpz. 1919. Einzelheiten besprechen P. Maas DLZ 1912, 2784; Berl. Phil. Woch. 1912, 1075f.; 1913 226 Rossbach a. a. O. 1912, 1460f. Schenkel Herm. XLVIII (1913) 153f., Stahl Rh. Mus. LXVIII (1913) 307ff. LXX (1915) 145. Neueste Literatur s. Bell Journ. Aeg. Arch. VIII 1, 85. Daß S. den uns erhaltenen homerischen Hermeshymnus als Quelle benutzt hat, ist erwiesen. Die Freiheit, die sich Euripides im Kyklops gegenüber der Odyssee nimmt, bewahrt sich auch S. gegenüber seinem Vorbilde. Abgesehen von der notwendigen Einführung der Satyrn ist das Auftreten der Kyllene in dem uns erhaltenen Teile die wichtigste Änderung. Setzen wir mit P. Maas frg. 847 ὅρκος
58. Ἴ
59. Καμικοί (frg. 300–304 N.): Daß Zenobius IV 92 in seiner aus Apollodors Bibl. geschöpften (vgl. C. Robert de Apollodori Bibl. 49) Erzählung die Hypothesis unseres Stückes erhalten hat, beweist die Koinzidenz mit frg. 301. 302 (vgl. Robert s. o. Bd. IV 2001, Wagner Apollod. Epit. 132): Minos verfolgt überall den entflohenen Daidalos. Er verspricht demjenigen hohen Lohn, der einen Faden durch eine gewundene Muschel ziehen kann; so kommt er zu dem König Kokalos von Kamikos nach Sizilien, bei dem Daidalos sich verborgen hielt. Kokalos läßt Daidalos die Aufgabe lösen: dieser bindet den Faden einer Ameise an, die ihn durch die Windungen zieht. An der Lösung der Aufgabe erkennt Minos, daß der Gesuchte da sein müsse und fordert seine Auslieferung. Kokalos verspricht sie und nimmt Minos bei sich auf, aber seine Töchter töten den Gast durch siedendes Pech (vgl. Hyg. 44). Von Einzelheiten [1065] erfahren wir noch, daß der von Daidalos in Athen erschlagene Neffe hier Perdix (frg. 300) heißt und Daidalos irgendwann, wie Welcker Gr. Tr. I 434 erkannte, von seinen Flügeln gesprochen hat (fr. 304). – Die Aufgabe, einen Faden durch eine gewundene Muschel zu ziehen, und ihre Lösung sucht Zachariae Herm. L (1915) 475ff. auf orientalische Vorbilder wenig überzeugend zurückzuführen. Zur sprachlichen Form des Titels vgl. v. Wilamowitz Pindaros 296.
60. Κέρβερος (frg. 5 D.): Daß die Szene in der Unterwelt war, macht außer dem Titel das Lemma des einzigen Bruchstückes Schol. Apophth. Rh. Mus. LX
61. Κηδαλίων σατυρικός (frg. 305–310 N.): Von Kedalion kennen wir zwei Sagen, die eine aus der Tradition des mythologischen Handbuches nach Hesiod in Ps.-Eratosth. Katast. 32 und seinen Parallelen (vgl. Robert Erat. 32f.) oder ähnlich nach Pherekydes (Apollod. I 25 W), der offenbar aus Hesiod schöpfte. Der von dem Dionysossohne Oinopion wegen Vergewaltigung seiner Tochter Merope (mit Hilfe der Satyrn: Serv. Verg. Aen. X 763) geblendete Orion kommt zu Hephaistos nach Lemnos, dieser gibt ihm aus Mitleid seinen Diener Kedalion als Führer. Orion nimmt ihn auf die Schultern, wird von ihm zum Sonnenaufgange gelenkt und so geheilt. Die andere steht Schol. T Il. XIV 296 (und Eustath. 987, 8): ὅ
62. Κλυταιμνήστρα (frg. 311 N.): Von Welcker Gr. Tr. I 108 mit der Iphigenie zusammengeworfen. Wir wissen nichts, zumal das zweizeilige Fragment noch nicht sicher geheilt ist.
63. Κολχίδες (frg. 312–323 N., dazu neues Fragment Rh. Mus. XLVII [1892] 406 = frg. 349 Pears., fehlt bei D.): Der Titel zeigt – die dreimal vorkommende Form Κόλχοι ist sicher verschrieben – daß der Chor aus Kolcherinnen bestand und die Argonautensage behandelt war. Die Rekonstruktion hat in der Hauptsache Welcker geleistet, Gr. Tr. I 333ff. Die Fragmente lassen keinen Zweifel, daß Apollod. I 127ff. W. im wesentlichen die Hypothesis gibt. Medea belehrt nicht nur in einer Stichomythie (Schol. Apoll. Rhod. III 1040) den Jason über die Art des bevorstehenden Kampfes, sondern gibt ihm auch die schützende Salbe, die aus einem Kraut bereitet ist, das dem Blute des Prometheus entsprang (Apoll. Rhod. III 851). Bei dieser Gelegenheit ist das Geschick des Titanen ἐ
64. Κρέουσα (frg. 324–332 N. 6 D.): Welcker Gr. Tr. I 391ff. hat angenommen, der Gang der Handlung sei dem des euripideischen Ion ähnlich gewesen. Das ist möglich, aber es ist nicht einmal zu erweisen, ob nicht eine andere der vielen gleichnamigen Heroinnen die Heldin war. Fest steht nur, daß der Chor aus Frauen bestand (frg. 327), daß frg. 328 jemand mit ἄ
65. Κρίσις σατυρική (frg. 338–334 N.): Wenn, wie ich glaube, frg. 334 ἐ
66.
67. Λάκαιναι (frg. 338–340 N.): Durch Aristoteles poet. 1459 b 6 steht fest, daß der Stoff des Werkes der kleinen Ilias entnommen war und der Ἰλίου πέρσις dem Ablauf der Ereignisse nach vorauflag. Frg. 338: στενἢ
68. Λαοκόων (frg. 341–347 N. 7 D.): Der Inhalt des Stückes war etwa folgender: Laokoon, der Sohn des Antenor (Schol. Lyk. 347), hatte sich vor dem Bilde des thymbräischen Apollon vergangen cum Antiopa sua uxore coeundo (Schol. Verg. Aen. II 201). Der Gott schickt von den kalydnischen Inseln die Schlangen Porkes und Chariboia (vgl. Pearson II 40), die in eben dem Heiligtume die beiden Söhne des Laokoon – Antiphates und Thymbraios Hyg. 135 –, aber nicht den Vater erwürgen. Durch diesen Vorgang gewarnt, durch den Befehl des Vaters Anchises, der sich der Weissagung der Aphrodite erinnert, angetrieben, verläßt Aineias mit den Seinen die Stadt und zieht auf den Ida, des bevorstehenden Unterganges der Stadt gewiß (Dionys. v. Hali. Arch. I 48). Aus dem Botenbericht, der dies erzählte, stammt frg. 344. – S. hat seine Tragödie einmal auf die Iliu Persis gegründet (s. Proklos) und vielleicht Züge aus Bakchylides übernommen (frg. 9 Bl.). Vgl. die vorzügliche Analyse der Überlieferung von Robert Bild und Lied 192ff., der obige Angaben folgen; die Welckersche Annahme (Gr. Tr. I 151ff.), Hyg. fab. 135 sei die Hypothesis, ist nicht mehr haltbar.
69. Λαρισσαῖ
70. 71. Λήμνιαι
72. Μάντεις (frg. 358–365 N.). Dieses Drama ist mit einer aller Kritik spottenden Leichtfertigkeit seit Brunck mit dem Πολύιδος identifiziert worden. Dabei heißt es in den verschiedenen Lexicis, die über die Schreibung dieses Eigennamens orientieren: Πολύιδος·
73. Μελέαγρος (frg. 369–373 N. 8 D.): Wir wissen von diesem Drama, daß der Chor aus Priestern bestand. Da dieses vom Schol. A zu Il. IX 575 ausdrücklich als Entlehnung aus Homer bezeichnet wird, so dürfen wir wohl annehmen, daß die Belagerung von Kalydon durch die Kureten und die vergeblichen Bittgänge der Priester zum grollenden Meleager dargestellt waren. Frg. 369 ist ein Stück aus der Beschreibung der Eberjagd erhalten. Über den Schluß des Dramas gibt Auskunft Plin. n. h. XXXVII 40: (Sophocles) ultra Indiam fieri dixit (sc. electrum) e lacrimis meleagridum avium Meleagrum deflentium. Aus der Übereinstimmung dieser Notiz mit dem sonst ziemlich genau Homer folgenden Berichte bei [1069] Apollod. I 72. 73 W. schließt Pearson II 65 wohl mit Recht, daß in dem Handbuche die Hypothesis des Dramas erhalten sei. Im übrigen vgl. Robert Heldens. I 97ff., v. Wilamowitz Heldens. II BSB 1925 216, 4.
74. Μέμνων: Nur der Titel erhalten im Arg. Soph. Ai. in. Für die Identifikation mit den
75. Μίνως (frg. 374 N.): Für die Gleichsetzung mit Daidalos oder Kamikoi bietet das einzige Fragment keine Handhabe.
76.
77. Μυσοί (frg. 375–379. 381–385, erwähnt im Katalog IG II 2, 992 col. I 24). Welcker Gr. Tr. I 414ff. hat in Hyg. fab. 100 die Hypothesis des Dramas vermutet. Teutkrantem regem in Mysia Idas, Apharei filius, regno privare voluit. Quo cum Telephus, Herculis filius, ex responso quaerens matrem, cum comite Parthenopaeo venisset, huic Teuthras regnum et filiam Augen in coniugium daturum promisit, si se ab hoste tutatus esset. Telephus condicionem regis non praetermisit: cum Parthenopaeo Idam uno proelio superavit. Cui rex pollicitam fidem praestitit, regnumque et Augen matrem inscientem in coniugium dedit. Quae cum mortalem neminem vellet suum corpus violare, Telephum interficere voluit, inscia filium suum. Itaque cum in thalamum venissent, Auge ensem sumpsit, ut Telephum interficeret. Tum deorum voluntate dicitur draco immani magnitudine inter eos exisse quo viso Auge ensem proiecit et Telepho inceptum patefecit. Telephus re audita inscius matrem interficere voluit; illa Herculem violatorem suum imploravit, et ex eo Telephus matrem agnovit et in patriam suam reduxit. – Daß S. diesen Mythos behandelt hat, lehren die erhaltenen Fragmente nicht unmittelbar, frg. 377 wird Mysien erwähnt, frg. 378. 379 scheinen von Musik und Gewändern für das Hochzeitsfest zu handeln. Erst die Entdeckung und Deutung des Telephosfrieses in Pergamon hat es fast zur Gewißheit erhoben, so daß Ribbecks Zweifel (Röm. Tr. 311) als überholt gelten kann. Sicher ist 1. daß auf dem Friese die ausgeschriebene Version des Hygin dargestellt war (s. vor allem Winnefeld Taf. XXXI 7 vgl. Text III 2, 178, dazu Robert Arch. Jahrb. II 245ff., III 45ff.), 2. daß Euripides, soviel wir wissen, diese Fabel nicht behandelt; hat, wir also 3., da einer der poetae minores als Quelle nicht in Frage kommt, die Wahl zwischen den Mysoi des S. und denen des Aischylos haben. Robert a. a. O. hat mit Recht gesagt, daß kein Kundiger diese komplizierte Handlung für Aischylos in Anspruch nehmen werde, mithin nur S. als Autor übrigbleibe. Vgl. noch Robert Heldens. II 1146.
78.
79. Ναύπλιος καταπλέων (frg. 392–395 N.): Nach der hinterlistigen Verurteilung des Palamedes durch die Griechen fährt sein Vater Nauplios nach Troia, um von den Fürsten Rechenschaft zu fordern, muß aber unverrichteter Sache abziehen. Dies der vermutliche Inhalt des Dramas. Vgl. Schol. Eur. Or. 432 (dazu frg. 399). Apollod. [1070] ep. 6, 8. Tzetz. Lyk. 386. Doch bestehen noch mehrere andere Möglichkeiten, vgl. Pearson II 81ff. Welcker Gr. Tr. I 184ff. will es identifizieren mit
80. Ναύπλιος πυρκαεύς (frg. 396–398 und vermutlich 399. 400. 402. 404 N.): Daß dargestellt war, wie Nauplios die heimkehrenden Griechen auf die kaphereischen Felsen durch falsche Feuersignale lockt, sagt schon der Titel, Hyg. 116 mag die Hypothesis enthalten. Zur Identifikation mit nr. 79 verlockt frg. 396, zu dem natürlich frg. 399 gehört, wo nur ἐ
81. Ναυσικάα ἢ Πλύντριαι (frg. 406–408 N. 9 D.). Daß wir hier wirklich einmal einen Doppeltitel vor uns haben, lehrt der Vergleich von Athen. I 20f.: ἄκρως
82.Νιόβη (frg. 409–413 N.): Daß S. den Untergang der 7 Söhne und 7 Töchter der Niobe in Theben geschehen, die Mutter aber nach Phrygien zurückgehen ließ, berichtet Schol. T Il. XXIV 602, daß auf eine uns nicht mehr recht erkennbare Weise die Knabenliebe hineingespielt hat, erfahren wir von Plut. amat. 17 (frg. 410) und Ath. XIII 601 a. Die Plutarchstelle beweist nicht, wie Emmann bei Roscher V 375 meint, daß die Tötung der Kinder auf der Bühne geschah – was wider den Stil der Tragödie ist –, da sie ebensogut auf einen Botenbericht gehen kann. Hermann bezieht den Tadel des Aristoteles poet. 1456 a 17 wegen zu großer Stoffülle einer Niobe im Gegensatze zu der des Aischylos auf unser Werk. Über die nicht sehr ergiebigen Papyrusreste im Britischen Museum (frg. 442–445 Pearson) vgl. Blass Rh. Mus. LV 96ff., zur Rekonstruktion Robert Hall. Winckelm.-Prog. 1903. Pearson II 94ff.
83. Νίπτρα ἢ Ὀδυσσεὺς ἀκαντοπλήξ (frg. 415–423 N.): Cicero Tusc. II 21, 49 sagt, Pacuvius habe in seinen Niptra die Klagen des verwundeten Odysseus besser als sein Vorbild S. gestaltet. Daraus ergibt sich, daß Niptra und Ὀδυσσεὺς ἀκανθοπλήξ dasselbe Werk sind; Aristoteles poet. 1453 b 34 nennt es τραυματίας Ὀδυσσεύς. Der Inhalt stellt sich, wenn man die Pacuviusbruchstücke mithereinzieht, etwa folgendermaßen dar: Odysseus hat in Dodona ein Orakel erhalten (frg. 417. 418), das ihn vor einem Sohne [1071] warnt. Er kehrt deshalb – von seinen letzten Wanderungen und ihrem Ziele sprechen frg. 415. 416, von früheren Pacuv. frg. V–VII – unkenntlich heim, wird aber, wie in der Odyssee, bei der Fußwaschung erkannt, von der das Stück seinen Namen trägt. Gleichzeitig ist Odysseus’ und Kirkes Sohn Telegonos nach Ithaka gekommen und hat dort geplündert. Es kommt zu einem nächtlichen Kampfe zwischen Vater und Sohn, Odysseus wird von dem Rochenstachelspeer des unerkannten Telegonos tödlich getroffen, das Orakel scheint nicht erfüllt (frg. 422. 423). Die Erkennung lehrt das Gegenteil. Versöhnung und Tod bildeten den Schluß. Vielleicht war die Heirat von Kirke mit Telemachos, Penelope mit Telegonos noch angedeutet. Daß der verwundete Odysseus – wie Philoktet – laut klagend dargestellt war, berichtet Cic. a. a. O. Vorbild war wohl die Telegonie des ,Eugammon‘. Vgl. für die Rekonstruktion Ribbeck Röm. Trag. 270ff., wo alles Material zusammengestellt ist, auch Welcker Gr. Tr. I 240ff., vorsichtiger v. Wilamowitz Hom. Unters. 194ff. T. v. Wilamowitz Dram. Techn. d. Sophokles 104.
84. Ξοανηφόροι: frg. 414 N. lautet:
Ὀδυσσεὺς ἀκανθοπλήξ s. nr. 83.
85. Ὀδυσσεὺς μαινόμενος (frg. 424–429 N.): Aus dem Titel sehen wir, daß die bei Proklos in den Kyprien stehende bekannte Geschichte von dem verstellten Wahnsinn des Odysseus und seiner Überführung durch Palamedes behandelt gewesen sein wird (vgl. Hyg. 95). Die Fragmente ergeben nichts.
86.
87. Παλαμήδης (frg. 437–440 N.): Da alle drei Tragiker die Fabel behandelt haben, läßt sich nur allgemein sagen, daß ihr Gang ungefähr der bei Hyg. 105 erzählten ähnlich gewesen sein wird. Aus der Verteidigungsrede des Helden ist frg. 438, wo er – doch wohl von sich selbst in dritter Person sprechend – seine Verdienste um das Heer aufzählt, vgl. Welcker Gr. Tr. I 129ff.
88. Πανδώρα ἢ σφυροκόποι, (frg. 441–445, vielleicht 760 N.): Der Doppeltitel ist gesichert durch Hesych (frg. 445). Nach frg. 444 zu urteilen war es ein Satyrspiel. Daß die Schöpfung des Menschen durch Prometheus unter Mithilfe der Pandora dargestellt war, hat Robert Herm. IL (1914) 35ff. auf Grund eines Vasenbildes gezeigt und danach frg. 441
89. Πελίας: frg. 446 N., noch dazu erst durch doppelte Emendation lesbar gemacht, ist der einzige Rest. Die Behauptung von Weizsäcker bei Roscher VI 1857, Pelias sei in keinem Drama Hauptperson gewesen, widerlegt unser Titel. Die Zuteilung des einzigen Fragmentes an die Tyro ist wider alle Methode, da die Etymologie des mütterlichen Namens natürlich auch im Pelias vorkommen konnte. Vgl. Robert Herm. LI (1916) 302; Heldens. I 40, 2.
90. Πηλεύς (frg. 447–455 N., frg. 451 schwanken die Hss. zwischen Euripides und S. Daß letzteres das richtige ist, weist nach v. Wilamowitz Ind. Lect., Gött. 1893, 27): Das Drama ist älter als die Ritter des Aristophanes, die 1099 einen Vers parodieren. Es muß damals berühmt gewesen sein, da Aristophanes immer wieder darauf zurückkommt (nub. 1154; Thesm. 870; av. 851. 857) und auch Phrynichos in den Satyroi (S. 382, 46 K.) es zitiert hat. Die Identifikation mit den Φθιώτιδες (Welcker Gr. Tr. I 205) widerspricht dem klaren Wortsinne von Aristoteles poet. 1456 a 2, der das Drama zu den ἠθικαὶ τραγῳδίαι zählt. Noch Nauck sieht im Schol. Eur. Tro. 1128 die Hypothesis, aber Schol. Pind. Pyth. III 166 lehrt, daß diese Fassung kallimacheisch ist (vgl. v. Wilamowitz Herrn. XL1V [1909] 475). Daß die Altersgeschichte des Peleus dramatisiert war, zeigt frg. 447. Möglich, aber nicht beweisbar, daß S. Vorbild für Kallimachos war.
Πλύντριαι s. Nr. 81.
91. Ποιμένες (frg. 457–478 N. 10. 11 D. frg. 467 wird durch Amherst. Pap. II 12 um den bei Diehl fehlenden Vers vermehrt:
92. Πολύϊδος (frg. 366–368 N.): Vom Argumentum wissen wir nichts, s. o. Nr. 72.
93. Πολυξένη (frg. 479–485 N.): Den Inhalt bildet der bei Proklos auf Iliu Persis und Nostoi verteilte Stoff: 1. ἔπειτα ἐμπρήσαντες
94. Πρίαμος (frg. 486–489 N.): Daß frg. 489 sich auf die irgendwie erwähnte Aussetzung des Paris bezieht (s. o. Nr. 11), ist wahrscheinlich, weiter bieten die Fragmente keinen Anhalt.
95. Πρόκρις (frg. 490 N.): Es läßt sich nur eine schwache Vermutung aussprechen. Apollod. III 198 W. schließt seinen Bericht über die unfreiwillige Tötung der Prokris durch Kephalos mit den Worten:
96. Ῥιζοτόμοι (frg. 491–493. 746 [?] N.): Alles was wir von dem Inhalt wissen, steht bei Macrob. V 19, 9: in qua (nämlich den Ῥιζοτόμοι) Medeam describit (sc. S.) maleficas herbas secantem, sed aversam, ne vi noxii odoris ipsa interficeretur, et sucum quidem herbarum in cados aeneos refundentem, ipsas autem herbas aeneis falcibus exsecantem. Es folgen einige dieses beschreibende Anapaeste. In demselben Zusammenhange muß die Anrufung der Hekate frg. 492 gestanden haben. Die Analyse der Mythographen ergibt für dieses Drama des S. [1074] keine Resultate; vgl. Robert Heldens. II 867, der für möglich hält, daß Ovid. met. VII 297ff. und Paus. VIII 11, 2f. auf S. zurückgehen.
97. Σαλμωνεὺς σατυρικός (frg. 494–498 N. und vielleicht: ⟨θέλω
98. Σίνων (frg. 499–501): Da uns weiter keine gleichnamige Sagenfigur bekannt ist, muß der Täuscher der Troer gemeint sein, zumal Aristot. poet. 1459 b 7 unter den stofflich der kleinen Ilias entsprechenden Dramen auch einen Sinon nennt. Die Fragmente bestehen nur aus einzelnen Worten. Frg. 501 ἐνθρίακτος. ἐνθουσιῶ
99. Σίσυφος (frg. 502 N.): Das einzige Fragment lehrt nichts, es mit Welcker Gr. Tr. I 402 zu diskreditieren, führt auch nicht weiter.
100.
101. Σκύριοι (frg. 509–517): Daß dieses Stück die Abholung des Neoptolemos aus Skyros durch Odysseus und Phoinix (Apollod. ep. 5, 11) behandelte, und in frg. 513 Worte des Jünglings an den greisen Erzieher seines Vaters erhalten sind, hat Robert Bild und Lied 34, 40 erkannt, vgl. Heldens. II 1220. Das Drama war wohl das Vorbild für den Neoptolemos des Accius (s. Ribbeck Röm. Tr. 402ff.), dessen Fragmente aber hier nicht weiterführen. Daß der Titel Σκύριοι, nicht Σκύριαι (wie Hesych zitiert) war, wird bestätigt durch IG II 2, 992.
Σύνδειπνοι, Σύνδειπνον Ἀχαειῶ
Τάλως: frg. 164 = Schol. Apoll. Rhod. IV 1638: ὅ
102. Τάνταλος (frg. 518 N.): Der Name ist erst
[1075]
sichergestellt durch das neue Fragment im Lex. Mess. Rhein. Mus. XLVII (1892) 410: Σοφοκλῆς Ταντάλῳ· Ἑ
103.
104. Τήλεφος σατυρικός (frg. 522 N.): Wir wissen, da nur ein Wort erhalten ist, nichts vom Inhalt, wohl aber aus einer rhodischen Inschrift, daß es ein Satyrdrama war: IG XII 1, 125, vgl. Kaibel Herm. XXIII (1888) 273, gegenteilige Ansichten zitiert Pearson II 220.
105. Τηρεύς (frg. 523–538, vielleicht 804 und Aisch. frg. 304 N., vgl. Oder Rhein. Mus. XL
106. Τριπτόλεμος (frg. 539–560, wohl auch 753. 985 N. und 32. 37 D?): Das Stück ist nach der Kombination Lessings (Werke VI 332 Lachm.) beim ersten Auftreten des Dichters 468 aufgeführt worden (Marm. Par. ep. 56 + Plin. n. h. XVIII 65). Sicher ist nur, daß der künftige Zug des Triptolemos (frg. 541), auf dem er im geflügelten Drachenwagen fahrend (frg. 539) den Ackerbau überall verbreiten sollte, von Demeter darin geschildert war (frg. 541–547). Gehört, wie man glauben möchte, frg. 753 in den Triptolemos, so war von der Stiftung der Eleusinien auch die Rede. Was bei Hyg. 147, Serv. Georg. I 19, Myth. Vat. II 99 steht, hat mit den Fragmenten nur die Berührung, die durch den Stoff gegeben ist, ist aber im übrigen aus so verschiedenen Quellen kontaminiert, daß auf dieser Grundlage eine Rekonstruktion der Fabel, wie sie Welcker Gr. Tr. I 299ff. gegeben hat, nicht zur Evidenz oder Probabilität zu bringen ist. Mehr Wahrscheinlichkeit noch hat die Vermutung Pearsons II 242, daß Apollodor I 31f. auf S. beruhe.
107. Τρωίλος (frg. 561–578 N): Der jugendliche Troilos (frg. 562) ist mit seinen Rossen zum Heiligtum des thymbräischen Apollon vor dem skäischen Tore gegangen (Schol. T. Il. XXIV 257), begleitet von seinem Eunuchen (frg. 563. 562). Der in ihn verliebte Achilleus läßt Tauben fliegen, verfolgt den ihnen nachjagenden Knaben, vergewaltigt, tötet und verstümmelt ihn (Serv. Aen. I 474). Dies der zugrunde liegende Mythos. Wie er in Actio umgesetzt war, können wir nicht erraten. Einen Botenbericht des Eunuchen muß man nach frg. 562 annehmen. Welcker Gr. Tr. I 124ff. ist überholt durch Robert Heldens. II 1124.
108. Τυμπανισταί (frg. 579–587 N.): Von Mythischem wissen wir nur, daß Eidothea, die Schwester des Kadmos, als zweite Frau des Phineus erwähnt war: Schol. Soph. Ant. 980. Welckers Identifikation mit dem zweiten Phineus (Gr. Tr. 329ff.) entbehrt jeder Grundlage. Auch Roberts Vermutungen (Heldens. II 818f.) sind ganz unsicher. Der Titel läßt eher an den Dionysoskreis denken; frg. 587 beweist vielleicht für den Gesamtinhalt ebensowenig wie sich aus Antig. 980 der Inhalt des Dramas erraten ließe.
109. Τυνδάρεως (frg. 588 N. 12 D.): Von der Hypothesis wissen wir nichts. Welckers Identifikation mit dem Aletes ist unbeweisbar.
110. Τυρώ
111. Τυρώ
112. Ὕβρις σατυρική (frg. 609–610 N): Das Argumentum ist nicht zu erraten. Auf einer Münchener Pelike, welche die Vergöttlichung des Herakles darstellt, heißt ein Satyr Hybris, der sich mit seinem Genossen der Waffen des Herakles bemächtigt. Die Anlehnung an ein Satyrspiel bemerkt schon Ch. Fränkel Satyr- und Bakchennamen auf Vasenbildem (Diss. Bonn, 1912) 28f., vgl. 72f. Siehe auch Ath. II 36 a'ff.
113. Τδροφόροι (frg. 611–613 N.): Welcker Gr. Tr. I 286 behauptet, die Geburt des Dionysos oder Semele sei der Gegenstand gewesen. Die Fragmente geben keinen Anhalt, eher möchte man aus frg. 611 auf Sizilien als Schauplatz schließen.
114. :Φαίακες (frg. 614–615 N.): Wir wissen nichts, was nicht der Titel lehrt.
115. Φαίδρα (frg. 616–631 N.): Da die gesamte Mythographie von den beiden Hippolytoi des Euripides abhängig ist, können wir das sophokleische Stück nicht rekonstruieren. Über die von Welcker Gr. Tr. I 394ff. zugrunde gelegte Asklepiadeshistoria FGR hist. I 174, 28 vgl. Robert Heldens. II 746, 5. Wenn Robert a. a. O. 743, 3 aus Plut. Thes. 28 schließt, die Mythopoiia sei in allen drei Stücken die gleiche gewesen, so ist die Stelle mit Jacoby FGR hist. I 488 vielmehr dahin zu verstehen, daß unter den τραγικοί nur Euripides gemeint sei, dessen Übereinstimmung mit den ἱστορικοί konstatiert werde. Die Fragmente ergeben, daß der Chor [1078] aus Weibern bestand, welche Phaidra bittet, ihre gottgesandte Leidenschaft verbergen zu helfen (frg. 618. 619). Von der Hadesfahrt des Theseus reden frg. 624. 625, seiner als des Synoikistes Staatsgesinnung dürfte frg. 622 angemessen sein, und frg. 621 war wohl sein Urteil über die Phaidra nach der Entdeckung. Vgl. noch Robert Heldens. II 743ff.
116. Φθιωτίδες (frg. 632–634 N.): Das Drama war nach Aristot. poet. 1456 a 2 eine ἠθικὴ τραγῳδία. Der Titel läßt vermuten, daß die Heimkehr des Neoptolemos zum Peleus nach Phthia behandelt gewesen sei. Frg. 633 könnte Phoinix zu Peleus gesagt haben, 632 zu Neoptolemos gesprochen sein. Über frg. 634 siehe die zweifelhafte Kombination Welckers Gr. Tr. I 208, der das Stück fälschlich mit dem Peleus identifiziert hat. Andere Vermutungen bei Pearson II 306.
117. Φιλοκτήτης ὁ ἐ
118/119.Φινεύς
120.
121.
122. Φρύγες (frg. 657 N. 14 D): Das neue Fragment ist offenbar eine Weissagung der Kassandra bei irgendeiner Hochzeit. Die des Paris scheint wegen frg. 657 ausgeschlossen. Blass Rhein. Mus. LXII (1907) 272 denkt an Achilleus und Polyxena (Hyg. 110), bei der Achilleus erschlagen wurde. Doch bleibt es im Dunkeln. Da in Schol. Aisch. Prom. 436 offenbar S. mit Aischylos verwechselt ist, kann diese Stelle für die Rekonstruktion nicht herangezogen werden.
123. Χρύσης (frg. 658–662, vielleicht 668 N.): Aufgeführt ist das Drama vor den Vögeln, die es v. 1240 zitieren. Unsere Fragmente lehren über den Inhalt nichts, aber es ist wahrscheinlich, daß der Chryses des Pacuvius auf S. beruht, jedenfalls aber war dessen Quelle identisch mit dem von Hyg. 121 ausgezogenen Drama. Danach sind Orestes, Pylades und Iphigenie mit dem entführten Artemisbilde auf der Insel Sminthe gelandet. Dort war Apollonpriester Chryses, Sohn Agamemnons und der Chryseis, der die von Thoas verfolgten Ankömmlinge in seinen Schutz nimmt. Dieser will sie dem drohenden Thoas ausliefern, was aber durch den ἀναγνωρισμός, der durch den gleichnamigen Großvater Chryses herbeigeführt wurde, verhindert wird. Sie überfallen und töten gemeinsam den Thoas; vgl. Welcker Gr. Tr. I 211ff„ Ribbeck Röm. Tr. 248ff. Oder sollte das Drama etwa ein Satyrspiel gewesen sein? s. Pearson II 328.
Ὠρείθυια (fr. 701. 737. 870 N.): Daß S. ein Drama dieses Namens geschrieben hat, ist nicht glaubhaft bewiesen, vgl. Pearson III p. 20.42.118.
Zu diesen 123 kommen die 7 erhaltenen Dramen; damit wäre die Summe 130 der Vita (s. o. S. 1050) genau erreicht. Welche von ihnen athetiert waren, können wir nicht mehr wissen, auch nicht, ob sich weitere Doppeltitel in unseren Zitaten verbergen, wie früher gern angenommen wurde und auch noch von Pearson und Robert mehr als billig befürwortet wird. Ebenso bleibt ungewiß, ob nicht hinter den wenigen, von mir als unwahrscheinlich ausgeschiedenen Titeln etwas Richtiges steckt. Sicher Satyrspiele sind Nr. 1. 14. 15. 23. 26. 30. 39. 41. 57. 61. 65. 66. 78. 97. 104. 112, also 16, wahrscheinlich Nr. 25. 26. 40. 42. 48. 60. 88., also 7, zusammen 23, viertes Drama waren wohl Σύνδειπνον und Ἴναχος, es können somit unter den übrigen Titeln sich noch 7–8 Satyrdramen verbergen. Im ganzen dürfen wir sagen, daß wir so ziemlich alle Titel der unter S.’ Namen im Altertum umlaufenden Stücke kennen werden.
H. Die erhaltenen Dramen.
I. Überlieferungsgeschichte. Literatur: v. Wilamowitz Einl. i. d. griech. Trag. 127ff., dessen Resultate unter Verarbeitung der neuesten Forschung [1080] wiederholt sind von Pearson The Fragm. of Soph. I Introduction. Die erste Spur der Uberlieferungsgeschichte finden wir im 4. Jhdt. v. Chr. Es ist dies die bekannte Erzählung (vit. X orat. 841 E), Lykurgos habe die Dramen der drei großen Tragiker zum Zwecke der Wiederaufführung in maßgebenden Abschriften beim Stadtarchiv niederlegen lassen. Diese Hss. sind dann nach Galen in Hippokr. epid. III 2, 4 (XVII 607 K) durch einen Betrug des Ptolemaios Euergetes I. (247–21, Euergetes II. kommt kaum in Frage) in die alexandrinische Bibliothek gekommen. Die Erzählung ist um so glaubwürdiger, als sie auf die Zeit der ersten Wirksamkeit des Aristophanes von Byzanz führt, durch den die Beschäftigung mit den Tragikern, die Kallimachos und Zenedotos noch vernachlässigten (v. Wilamowitz a. a. O. 135), in Alexandreia aufkam. Daß sich Aristophanes auch um S. gekümmert hat, zeigt die Angabe der Vita (18) über die Zahl der Dramen, Schol. Ai. 746, und vier Stellen der Ichneutai (s. Pearson I p. XXXVIII 3). Die Hypothesis I der Antigone trägt heute noch seinen Namen und deriviert zweifellos aus einer echten, während die metrische zum OT wie die verwandten Argumente der Komödie nur den Namen usurpiert hat. Auf die Spur einer aristophanischen Hypothesis im Schol. Stat. XII 510 macht v. Wilamowitz a. a. O. 146, 36 aufmerksam. Wir müssen also annehmen, daß Aristophanes die erste wirkliche S.-Ausgabe gemacht hat. Die Reihenfolge der Dramen war vielleicht die alphabetische (v. Wilamowitz a. a. O. 150). Sein Schüler Kallistratos hat gleichfalls am S. gearbeitet (Pearson a. a. O. XXXIX). Von der Tätigkeit Aristarchs und der Aristarchäer für S. wissen wir wenig. Erst mit dem Beginn der Kaiserzeit sehen wir klarer. Der Grundstock der uns erhaltenen Scholien ist damals entstanden. Sowohl der anonyme Grammatiker, dem der wertvollste Teil der Scholien zum OK zu verdanken ist und der der Art des Theon nahesteht (v. Wilamowitz a. a. O. 156), als auch Didymos gehören hierher, auf den die S.-Scholien als Ganzes letzten Endes zurückgehen. Der letztere hat nicht nur ὑπομνήματα zu S. geschrieben, sondern auch eine eigene Recensio gegeben, wie man an den Bemerkungen Schol. OK 237; Ant. 45 noch erkennen kann. Daß auch Theon selbst, mehr als wir früher wissen konnten, an der Recensio der Tragiker gearbeitet hat, lehren Randnotizen der Ichneutai (s. Pearson I p. XLIV). Damit schließt die produktive Arbeit am Texte. Im 2. Jhdt. wird von einem Unbekannten die mit Scholien versehene Schulauswahl gemacht, die hier wie bei den meisten Dichtern die nicht aufgenommenen Werke verloren gehen läßt. Die Reihenfolge war Aias Elektra OT sicher, Antigone OK Trach. Phil, wahrscheinlich (v. Wilamowitz a. a. O. 196). Ob es ursprünglich mehr waren, ist nicht auszumachen. Zwischen dieser Auswahl und dem Archetypus unserer Haupt-Hss. scheint nun noch ein Redaktor, der Pythagoreer Sallustios, zu stehen, der in L als Verfasser der ὑποθέσεις des OK und der Antigone (II) genannt wird und sicherlich auch die zum Aias und OT (II) geschrieben hat. Wenn er von v. Wilamowitz richtig mit dem gleichnamigen Freunde [1081] Kaiser Iulians identifiziert ist, so gehört er dem Ende des 4. Jhdts. an. Jedenfalls werden etwa in dieser Zeit oder wenig später die Hss. geschrieben sein, durch die unser S. den Byzantinern zugekommen ist: Sie boten einen festen Text nebst Scholien, in denen eine auf den Durchschnittsleser berechnete Paraphrase die gelehrte Exegese immer mehr zurückgedrängt hatte.
Die älteste erhaltene Hs., der berühmte Laurentianus XXXII 9, gehört in die erste Hälfte des 11. Jhdts. und wurde lange für den Archetypos aller unserer Hss. gehalten. In der Tat ist sie so den anderen Hss. überlegen, daß sie für den Text die Hauptgrundlage bildet. Ob das anders werden wird, wenn der Leidener Palimpsest BPG 60 A, der als obere Schrift Anastasios Sinaita und Sophronios enthält, – nach v. Wilamowitz DLZ 1924, 2317 L gleichwertig – publiziert sein wird, bleibt abzuwarten. Nach Mitteilung von V. F. Buchner-Leiden konnte bisher nur sehr wenig gelesen werden, sodaß sich der Wert des Textes nicht beurteilen lasse. Jedenfalls hat der Leidensis, wie ich auf einer freundlich überlassenen Photographie feststellen konnte, fol. 48 statt der Hypothesis gleich LA und der Aldina die Apollodorstelle mit den charakteristischen Varianten; da er an einer Stelle etwas abweicht, ist er als Schwester-Hs. von L und dem Stammvater von A zu betrachten. Außer diesen beiden kommt vor allem der Parisinus 2712, A genannt, in Frage. Für die Einzelheiten vgl. Jebb, Introduction zu seiner Textausgabe und zu den einzelnen Stücken seiner kommentierten Ausgabe. Allerdings ist die von ihm vertretene Ansicht, daß eine Hs. des 6. bis 8. Jhdts. der Archetypos aller unserer Hss. sei, nicht mehr aufrecht zu erhalten. Das zeigen die Papyri: Der dem 5. Jhdt. n. Chr. entstammende Pap. Oxyr. 1369 des OT stimmt in ca. 70 nur teilweise erhaltenen Versen viermal mit den Jüngeren gegen L, davon zweimal sogar gegen AL überein und beweist damit, daß der Arm der ,recentiores' sich schon vor der byzantinischen Zeit von dem gemeinsamen Strome abgezweigt hat (s. auch Pearson Soph. fabulae Oxf. 1924, praef. p. VII sq., ebd. p. XXII, Verzeichnis der Hss.). Neben dieser echten Überlieferung läuft die Gruppe der von Demetrios Triklinios (Anfang des 14. Jhdts.) abhängigen Hss., die für uns fast nur den Wert einer gelehrten, stark mit Konjekturen durchsetzten Ausgabe haben. Sie ist am besten repräsentiert durch T = Par. 2711.
Der erste Druck des S. ist eine Aldina von 1502 und hat den Ven. 467, einen nahen Verwandten von A zur Grundlage; die zweite von Petrus Victorius unter Benutzung von L herausgebrachte Iuntina von 1547 bedeutete keinen wesentlichen Fortschritt. Verhängnisvoll aber wurde der 1553 von Turnebus zu Paris herausgegebene Text, der sich auf T stützte. Er brachte nämlich auf 200 Jahre die triklinianische Rezension zur Herrschaft, bis Brunck mit Hilfe von A durch seine Ausgabe von 1786 die reine Überlieferung wieder zu Ehren brachte, dann Elmsley 1820 L entdeckte und verwertete (vgl. Jebb Introd. z. Textausg. XXXIff.).
Die Scholien wurden zuerst 1518 von Lascaris gedruckt, es folgte die Ausgabe von Brunck [1082] 1786, heute noch nicht entbehrlich, da sowohl die aus dem Nachlaß von Elmsley Oxford 1825 erschienene, wie die von Papageorgios Teubn. 1888 beinahe nur den Laurentianus berücksichtigen. Die Ausschöpfung der Neben-Hss. für die Scholien ist noch nicht einmal in Angriff genommen. Die fast wertlosen byzantinischen Kommentare, an denen Moschopulos, Thomas Magister, Triklinios den Hauptanteil haben, hat Dindorf im II. Bande der Oxforder Scholienausgabe publiziert.
II. Ausgaben. Literatur. Es können nur die heute noch wissenschaftlich bedeutsamen Ausgaben und Werke genannt werden. Weitere Nachweise bei Christ-Schmid Gr. Lit. I⁶ 344f. 1. Gesamtausgaben: a) kommentierte: Die beste ist von Sir Richard Jebb Sophokles The plays and fragments (Cambridge, 7 Bde., dazu 3 Bde. fragments von Pearson). Weitere: S. erklärt von Schneidewin-Nauck, erneuert von Bruhn und Radermacher (Berlin Weidmann). S. ed. Lewis Campbell 2 Bde., Cambridge 1871. 1887. b) Textausgaben: Jebb Kleine Ausg., Cambridge 1897. Pearson Biblioth. Oxon. 1924 (vgl. v. Wilamowitz DLZ 1924, 2315ff). Eine heutigen Anforderungen ganz entsprechende Ausgabe fehlt noch, c) Scholien: s. o. 2. Einzelausgaben: Aiax ed. Lobeck mit Kommentar, Electra erklärt von G. Kaibel, Electra ed. Jahn-Michaelis. 3. Lexikalisch-grammatische Hilfsmittel: Lexicon Sophocleum von F. Ellendt-H. Genthe ed. II, Berlin 1872. Pearson im III. Bde. seiner Fragmente S. 192 bis 349. E. Bruhn Anh. zur Ausg. Schneidewin-Nauck. 4. Metrik: Eine in der rhythmischen Gliederung brauchbare Ausgabe fehlt. Wichtigste Hilfsmittel: v. Wilamowitz Griech. Verskunst (1921) passim, s. Index S. 629f. Otto Schroeder Sophoclis Cantica (1907). 5. Arbeiten über S.: Seit den Jahresberichten von Meckler bei Bursian 192 (1906) 1ff. und 147 (1910) 231 ff. (bis 1907) ist die wichtigste Erscheinung: T. v. Wilamowitz-Moellendorff Die dramatische Technik des S. (Phil. Unters. 21) und Robert Oidipus Kap. VI. Bei beiden auch die neuere Literatur passim. P. Friedländer Die griechische Tragödie und das Tragische II in Die Antike I 295. 6. Übersetzungen: v. Wilamowitz Oidip. Tyr., Philoktet. Hölderlin Antigone und Oidip. Tyr. mit Anm. Vgl. dazu v. Blumenthal Aischylos 71ff. Neustadt Preuß. Jahrb. Mai 1925 und im allgemeinen Hildebrandt Jahrbuch für d. geistige Bewegung 1910, 64ff.
III. Einzelbesprechung. Im folgenden werden die Einleitungen von Jebb, Bruhn, Radermacher, Kaibel, sowie die Ausführungen von T. v. Wilamowitz und Robert (s. Literaturverz.) im allgemeinen als bekannt vorausgesetzt.
1. Ἀντιγόνη: Daß dieses Drama kurz vor der samischen Strategie des S., vermutlich 443, aufgeführt ist und wohl den ersten Preis erhalten hat, dürfen wir der Aristophaneshypothesis ruhig glauben; für die chronologischen Schwierigkeiten vgl. Robert Heldens. II 946, 2. Es ist somit unter den datierten Werken des S. das älteste.
Eine epische Behandlung des Stoffes scheint [1083] es nicht gegeben zu haben; Mimnermos hat die Ismene in Buhlschaft mit Theoklymenos, also als Verräterin am Lande dargestellt (Hyp. Sall.). Ion von Chios (ebd.) dagegen hat berichtet, beide Schwestern seien im Heiligtume der Hera von dem Eteoklessohne Laodamas verbrannt worden. Mehr wissen wir von älteren Sagenformen nicht. Robert Oidipus I 362ff., vgl. Heldens. II 945f., hat aus der Tatsache, daß es in Theben kein Heraheiligtum gab, überzeugend geschlossen, daß der Schauplatz von Ions Version das berühmteste böotische Heraheiligtum war, das in Plataiai gewesen sein werde. Es hätten also wohl die Schwestern den Polyneikes bestattet, seien aber auf der Flucht von dem seinen Vater Eteokles rächenden Laodamas eingeholt und als Schutzsuchende im Tempel verbrannt worden. Diese örtliche Legende sei sowohl für Ion wie S. Quelle gewesen. Spuren davon bei S. weist Robert a. a. O. 364ff. nach. Daß S. dieses Motiv ganz frei gestaltet hat, liegt auf der Hand; insbesondere hat er auch dem Epos gegenüber darin geneuert, daß er den Haimon – dort das letzte Opfer der Sphinx – noch am Leben sein läßt.
Mit Recht haben Robert a. a. O. 332 und andere betont, daß die geistige Gesamtlage der Antigone im konträren Gegensatze zu den 25 Jahre älteren Ἑπτά des Aischylos stehe. Geht dort Eteokles und mit ihm ein ganzes Geschlecht unter, damit die Stadt gerettet werde (vgl. auch v. Blumenthal Aischylos 90ff.), so wird in der Antigone das dem Geschlecht Gebührende ohne Rücksicht auf die Polis durchgeführt. In der Kampf- und Redeweise der handelnden Personen des S. spiegelt sich dieser letztere Zwiespalt im Eintreten des Kreon für die ωόμοι προκείμενοι (v. 481) und der Antigone für die ἄγραπτα
Es ist seit Nietzsches grundlegender Entdeckung oft wiederholt worden, daß sich der unfaßliche Überschwang des griechischen Lebens im 5. Jhdt., der sich in der Dichtung am stärksten bei der Tragödie manifestiert, nur durch den Hereinbruch einer revolutionären geistigen Gewalt erklären läßt, die Nietzsche das Dionysische genannt hat. Dieser neue Aufbruch elementarischer Kräfte nach der äußersten Verfeinerung des sterbenden Ioniertumes wird aber erkauft mit Lockerungen, die schließlich den Verfall herbeiführen. Eine Seite davon ist diejenige, welche wir in der Antigone sehen: das Dominieren der Familieninstinkte über das staatlich Notwendige. Solches wird nun dadurch noch härter herausgetrieben, daß die dem Nomos dienenden Männer, Kreon und seine Schergen, als durchaus verächtliche Figuren gezeichnet sind, während ein Weib von herber, athenahafter Strenge und Reinheit zwar das Heroische verkörpert, aber dem Staate feindlich ist, den uralten Geboten des Blutes gehorsam. Der einzige nicht unedle Mann, Haimon, [1084] ist nur ihr Schatten, kaum anders als ihre Schwester Ismene. Die Amazonensage hat Erinnerungen an undenklich frühe mutterrechtliche Zustände bewahrt: Untergangszeiten bringen Reste solcher vorgeschichtlicher Vorstellungen wieder herauf. Das Weib als einzige heldenhafte Hüterin des noch immer lebendigen Blutzusammenhanges gegenüber einem sinnlos gewordenen Nomos ist der eigentliche Gehalt der Antigone. Mit diesem Symbole hat S., der Verwalter des Bundesschatzes und bald Mitstratege des Perikles, 40 Jahre vor dem Zusammenbruche die geistig-politische Gesamtlage seines Volkes gestaltet und gerichtet. Vgl. auch Taeger Thukydides 60ff.
2.
[1085] Wie genau auch die Gestalt des Aias in den epischen Fassungen der Sage vorgebildet gewesen sein mag – S. hat es vermocht, das Bild des kriegerischen Helden, der am Zusammenprall mit göttlichen Mächten zugrunde geht, ohne sein Heroentum zu verleugnen, neu im tragischen Spiele heraufzurufen. Wenn Erscheinungen urzeitlicher Fülle und Wildheit in die hellere Welt gebändigten Volkstums eintreten, so erschöpft sich ihr Wirken in ihrem Dasein, in dem Sichtbarmachen des Elementarischen, während ihre Taten, weil nicht vom Maße geleitet, ein Dauerndes nicht zurücklassen und notwendig in einen vor der Logik sinnlos erscheinenden Untergang münden. Notwendig: denn die göttliche Ordnung muß gewahrt bleiben. Deshalb ist auch der gottverhängte Wahnsinn des Aias nicht das grausame Spiel einer marternden Gottheit, sondern, wie die geistige Auflösung aller Hochgearteten, das Symbol, hier sei irgendwie an kosmische Schranken gerührt worden. Danach ist der Tod des Helden nur noch der Vollzug eines göttlichen Urteils. Der Ablauf des Dramas bis zum mühsam erstrittenen Begräbnis dient dieses Doppelte immer wieder sichtbar zu machen: den notwendigen Untergang des urzeitig-reckenhaften in einer von Göttern durchwalteten Zeit, vielleicht mit jenem Vorwissen, welches den großen Dichtern eignet, daß seine gegenwärtige Epoche beim Sinken der lebendigen Kräfte bald wieder der titanischen Mächte bedürfen werde, um das Leben vor dem Verdorren zu schützen.
3.
Im Oidipus Tyrannos ruft nicht wie im Aias und in der Antigone die Gestalt des Helden die Schauer mythischen Geschehens herauf, sondern die Vorzeitlichkeit seines entsetzlichen, vergeblich bekämpften Schicksals. Zweifellos sind in der Inzestehe des Königs durch die Sage Erinnerungen an menschliche, jenseits aller Geschichte liegende Urzustände bewahrt. Das Wiedererscheinen solcher vorweltlichen Lebensformen während einer nur im Kosmos sich erhaltenden Zeit führt zu verwandten und ebenso dem Willen des einzelnen entrückten Zusammenstößen und Untergängen, wie im Aias. Es ist aber hellenisches Gesetz, daß großes Schicksal nur den großen Menschen ergreift. Deshalb muß der vom Entsetzlicheren getroffene König sich noch härter bewähren, als der Held vor Troia: Er muß sich den Tod versagen. In dem Bewußtsein, daß keinem außer ihm so Furchtbares auferlegt werden könne und daß es nur ihm tragbar sei (v. 1413), geht er in selbstgewollter Blindheit gefaßt der grauenvollen Ungewißheit des Zukünftigen entgegen. Im Gesamtwerk des S., soweit es uns noch sichtbar ist, ist die Bedeutung des Oidipus diese: daß hier als in einer sich entgöttlichenden Zeit vorweltliches Schicksal heraufgerufen und getragen wird, weil die immer mehr sich ausbreitende geistige Zersetzung schon titanische Gegenkräfte fordert. Es wäre nicht unmöglich, daß S. an Gestalt, Leben und Untergang des Perikles, der auch schon zum Acheronta movere gezwungen war, solches Gesetz lebendig wirkend erkannt hätte. Dazu stimmt der oben gegebene Zeitansatz des Dramas.
4. Τραχίνιαι: Das Drama ist undatiert, es kann aber als erwiesen gelten, daß es nach dem euripideischen Herakles gedichtet ist (T. v. Wilamowitz S. dram. Techn. 90ff.), der seinerseits von U. v. Wilamowitz (Herakl. I² 134ff.) in die Zeit zwischen Ἱκέτιδες und Troerinnen, also zwischen 421 und 415, gesetzt wird. In das zweite Dezennium des peloponnesischen Krieges gehören also vermutlich auch die Trachinierinnen. Die Elektra des S. – aufgeführt vor 413, s. u. –, sicher aber der Philoktet (409), dürfte den terminus [1087] ante quemÄÄ abgeben (T. v. Wilamowitz a. a. O. 98). Die Frage nach der Quelle des S. ist beantwortet durch die Entdeckung von Bakchylides 15. Beiden liegt dieselbe epische Bearbeitung zugrunde, die wir aber, wie T. v. Wilamowitz a. a. O. 99 mit Recht bemerkt, nicht mit der Oichalias Halosis des Kreophylos von Samos identifizieren dürfen. Aus der Übereinstimmung von S. Tr. 749ff. usw. mit Bakchylides ergibt sich als sicher der Vorlage angehörig: Eroberung von Oichalia, Opfer von zwölf Rindern am kenaiischen Vorgebirge auf Euboia, Eifersucht der Deianeira und Übersendung des Nessosgewandes, Tod von Herakles und Deianeira. Daß die Gewandsage verbreitet war, lehrt ihre Erwähnung in dem ,hesiodischen‘ Katalogbruchstück frg. 135, 18ff. Rz. ed. min. In die Tragödie ist Herakles, soweit wir wissen – denn weder Zeit noch Art des oder der gleichnamigen S.-Dramen sind uns bekannt, s. o. G nr. 39–41 – erst durch Euripides, der Stoff der Trachinierinnen erst durch S. eingeführt worden. Ob S. sich, wie T. v. Wilamowitz a. a. O. 104ff. meint, im Aufbau der Handlung durch Anschluß an ein eigenes früheres Werk, die Νίπτρα, hat beeinflussen lassen, muß dahingestellt bleiben.
Der Anschein hat dazu verführt, zu glauben, die Trachinierinnen seien ein Drama der erotischen Leidenschaft, und man hat sich darüber beklagt, daß durch den Wechsel der Hauptpersonen kein recht einheitlicher Ablauf zustande komme. Es liegt aber, wie ähnlich oft bei S., das Hauptgewicht gar nicht auf der Darstellung menschlicher Charaktere und Schicksale, sondern auf jenem Punkte, wo die der olympischen Weltordnung entstammenden Menschen mit Wesen anderer Schichtung zusammentreffen und, ihrer dünneren Artung entsprechend, vor dem Elementarischen erliegen. Der Kentaur Nessos, ein urzeitlicher Anwohner menschenferner Gewässer, wird ob eines ungehemmten Triebes die Beute des die Erde von Ungetümen befreienden Herakles. Doch nicht ungestraft vertreibt der Irdische die dämonischen Wesen: sie bedienen sich der menschlichen Leidenschaften, als der letzten noch übrigen naturhaften Mächte, und vernichten, wenn auch spät, durch dunklen Zauber ihren Überwinder. Deianeira, in den Zusammenprall so furchtbarer Gewalten hineingeratend, fällt als ein schuldloses Opfer, Herakles aber wird im Feuertode zu den Göttern erhoben, damit im Widerstreite titanischer und olympischer Mächte das Übergewicht der Seligen erhalten bleibe.
5. Ἠλέκτρα: Die Datierung des Stückes macht Schwierigkeiten. Als erwiesen kann gelten, daß es älter ist als das gleichnamige Drama des Euripides (zuletzt T. v. Wilamowitz a. a. O. 228ff.), welches höchstwahrscheinlich an den Dionysien 413 (Kaibel El. S. 63) aufgeführt wurde, und daß es aus metrischen Gründen unter die späteren Werke des S. (U. v. Wilamowitz Herm. XVIII 242ff.), vielleicht noch hinter die Trachinierinnen (nach 421, s. o.) zu setzen ist. Damit käme man etwa auf die Zeit 419–15. Gleichzeitigkeit mit den Trachinierinnen ist nicht ausgeschlossen. Der Dichter benutzt die Form der Sage, die uns noch in den Choephoren des Aischylos gestaltet vorliegt. Die Änderungen, die [1088] er getroffen hat, um einerseits Elektra in den Mittelpunkt zu rücken, und die andrerseits durch die Verwandlung aus einem Teilstück in ein Einzeldrama bedingt waren, sind von T. v. Wilamowitz 164ff. eingehend und überzeugend erläutert worden. Ob S. daneben von noch älterer Überlieferung beeinflußt war, können wir nicht mehr ausmachen.
Die Elektra fesselt durch die unvergleichliche artistische Meisterschaft, mit der hier Szene für Szene dem durch Aischylos in seinem ethischen Gehalte erschöpften Stoffe die höchste dramatische Wirksamkeit abgewonnen ist. T. v. Wilamowitz hat dies im einzelnen nachgewiesen. Die dem Mythos ursprünglich innewohnenden oder von Aischylos eingesenkten Schauer hervorzurufen, scheint S. vermieden zu haben. Es ist, als ob jene Jahre nach dem Nikiasfrieden dem die Dionysien begehenden Dichter nicht erlaubt hätten, die Gewalten der Höhe oder der Tiefe zu bannen, und er sich habe begnügen müssen, den Gott mit der ganzen Pracht seiner Kunst zu feiern, ohne von seinem letzten Wissen und Wollen zu künden, weil in jener glanzvollen Aufstiegszeit des Alkibiades die Stunde nicht war, in der sein Weisen oder Warnen vernommen werden konnte.
6. Φιλοκτήτης: Das Drama ist laut der Hypothesis unter dem Archon Glaukippos (409) aufgeführt worden und hat den ersten Preis erhalten. Die Geschichte des Philoktetstoffes vor S. ist in allen Phasen ziemlich deutlich. Homer Il. II 271ff. setzt schon die uns bekannte Sage voraus: daß Philoktet am Schlangenbisse krank in Lemnos liege und die Argiver bald seiner gedenken würden. Die Abholung war ausführlich in der kleinen Ilias erzählt, s. Proklos: j
Wie in der Elektra, so verläuft auch in diesem Drama das Geschehen zunächst nur in der menschlich-heroischen Sphäre, obwohl das Schicksal des Philoktet durch einen doppelten göttlichen Flug in Vergangenheit und Zukunft bestimmt ist: durch den gottgesandten Biß der Schlange und durch die gottgewollte Mitwirkung des Helden an der zwar hinausgeschobenen aber unabänderlich verhängten Zerstörung Troias. Zehn Jahre schon hat er Leiden erduldet, deren bloßen Anblick, wie er selbst sagt, keiner außer ihm ertragen hätte. Aber noch härtere Prüfung wird dem Gemarterten auferlegt, als ihm nach Ablauf der Frist die Wahl bleibt, weiter die einsamen Qualen zu ertragen oder zu den verhaßten Atriden vor Troia zu ziehen, um dort Heilung zu finden und Ruhm zu erlangen. Obwohl er seiner Gottverlassenheit sich bewußt ist (v. 254) und des furchtbaren Schicksals, das seiner nach Verlust des ernährenden Bogens harrt, vermögen weder die Drohungen des Odysseus noch die Bitten des Neoptolemos, ihn seinen Haß gegen die Atriden vergessen zu lassen: ,denn ich lebe [1090] zwar jammervoll, doch wenn ich sie vernichtet sähe, möchte ich glauben, der Krankheit ledig zu sein‘ (v. 1043). Seine Unbeugsamkeit wächst nur mit dem immer sich steigernden Drucke, bis er am Schlusse über Odysseus siegt und, Neoptolemos ihm die versprochene Heimkehr bereiten will. Doch anders haben es die Götter gefügt, die seiner vor Troia bedürfen: so muß der zu den Göttern erhobene Herakles dem einstigen Gefährten befehlen, sich seiner Sendung nicht zu entziehen. Mit Unrecht hat man hier von einer äußerlichen Entwirrung eines unlöslichen Knotens gesprochen: der heroische Mensch ist unüberwindlich durch seinesgleichen, ja durch das Schicksal, gehorcht aber ohne Zaudern der Stimme des Gottes. Damit ist dann aber auch dieses irdische Geschehen seiner menschlichen Vereinzelung entkleidet und in die göttliche Ordnung eingereiht. So hat S. noch einmal das Bild des allen Bedrängnissen des Schicksals trotzenden und nur dem Gotte weichenden Helden seiner Stadt aufgerichtet, vielleicht in der Hoffnung, es möchten die den nahen Untergang kündenden, ihm gewiß nicht verborgenen Zeichen trügen, und sein Volk sich, wie Philoktet, des Gottes Stimme gehorchend, zu Heilung, zu neuer Tat und zum endlichen Siege erheben.
7.
O.
O. ἐ
A.
O. ἱ
ἄ
ἐ
An den gleichen Ortsmythos knüpft S. an, wenn nicht an Euripides selbst. Jedenfalls teilt er drei wichtige Voraussetzungen mit ihm: Oidipus erlebt noch den Zug der Sieben, wird verbannt und von Antigone begleitet (s. Robert Oid. I 407). Ein zweites, die Polyneikesszene beherrschende [1091] Motiv, die Verfluchung der Söhne wegen eines dem Vater angetanen Unrechtes, kennen wir als Urbestandteil der Sage: die Thebais schon hatte es (frg. II. III. All), bei Aischylos (Sept. 788ff.) durchdringt es das Geschehen, Euripides (Phoin. 68) nimmt es auf (vgl. Robert Heldens. II 905). Über diese angegebenen Hauptzüge hinaus lassen sich nur bedeutungsarme Einzelheiten als übernommen erweisen. (Anlehnung an Aischylos: v. Wilamowitz a. a. 0. 362, an den Philoktet des Euripides: v. Wilamowitz a. a. 0. 335, an die Phoenizierinnen: Robert Oid. I 458ff.). Die Gestaltung des Ganzen wie des Einzelnen ist trotz solcher Anklänge durchaus von sophokleischer Prägung.
Die beiden Hauptrichtungen des sophokleischen Schaffens: Das Heraufrufen des Grauens vor den dunklen, das Leben erhaltenden Mächten und die Darstellung des heldischen, jedem Wechsel des Schicksals gewachsenen Sinnes sind im OK am engsten verbunden und am deutlichsten sichtbar. Es ist oben gezeigt worden, welche uralten Bluterinnerungen den Verlauf im OT bestimmen; eine Lösung aus den furchtbaren Verstrickungen wird dort nicht gegeben, weil sie im Baume menschlichen Geschehens nicht gefunden werden kann. Aber auch die olympischen Götter, deren Amt es ist, diesen Kosmos zu bewahren, vermögen es nicht, den von Mensch und Gott Verstoßenen zu befrieden. So muß der Dichter den Helden zu den unteren Göttern geleiten. Seit dem Sturze sind viele Jahre des Umherirrens über den verbannten, nur von seinen Töchtern geleiteten Herrscher hingegangen, und der blinde Greis ist sich bewußt, daß nur noch ,ein trauriger Abglanz‘ seiner einstigen Leiblichkeit geblieben ist Trotzdem hat nicht das jähe Unheil, nicht langes Irrsal den Sinn des Fürsten tiefer zu beugen vermocht, als daß er gesteht: sich zu bescheiden hätten die Leiden und die lange Zeit ihn gelehrt, und ein Drittes: der eigene Adel. Unedle Reue ist ihm so fern wie unziemliches Schuldgefühl: mehr erlitten als getan habe er seine Werke. Deshalb erhielt sich allen Entstellungen des Schicksals zum Trotze adliger Wuchs und adliges Gebaren, welches sein Geblüt ihm verliehen hatte. Die Schmeichelreden und Drohungen des Kreon vermögen ebensowenig wie der Raub seiner Töchter oder die flehentlichen Bitten des Polyneikes ihn seinem gottbestimmten und selbstgewollten Schicksale zu entfremden, und gegen die Bedränger entbrennt er noch in der gleichen Heftigkeit, ja Wildheit jähen Zornes wie in den Tagen seines Königtumes. Nachdem er solchermaßen an einem Tage nochmals den ganzen Jammer seines irdischen Wallens hat ertragen müssen, geht er, vom Donner der Gottheit gerufen, er, der Blinde, die Sehenden führend, zu dem Orte seines Scheidens, wo er auf eine geheimnisvolle und schreckliche Weise den Augen des einzig anwesenden Theseus entschwindet, um nun für alle Zeit als segenspendender Heros die Athener zu schützen. Im OT war durch den Sturz des Königs das Übergewicht der Oberen über die Unteren hergestellt, die olympische Ordnung sieghaft befestigt worden. Im OK geschieht das Umgekehrte: der greise Dulder im Haine der Eumeniden, dieser von Aischylos aus [1092] den grausamen Hüterinnen der Blutrache in segnende Mächte verwandelten Gottheiten, ins Unsichtbare entrückt und nun selbst die schützende Stadt beschützend, gilt uns als Symbol, daß dem S. zwar die olympische Ordnung heilig war, daß er aber gleich Aischylos ihren Untergang voraussah, wenn man alles Furchtbare aus dem Leben vertriebe.
S. selbst hat den OK nicht mehr aufgeführt. Bald mußten die Athener, wie Antigone und Ismene den entschwundenen Vater, ihren zu seinen Göttern entrückten Dichter beweinen. Wer personale Ausdeutung der Dichtung liebt, mag in manchen Einzelheiten Anspielungen finden: etwa im Preis des Kolonos das Lob der Heimat des Dichters, er mag in der Gestalt des uralten Oidipus ein Selbstbildnis des gebrochenen Dichters sehen oder in der Entrückung des Helden das Vorgefühl des eigenen Todes — die Athener haben sein Walten lange über sein irdisches Dasein hinaus gefühlt und unbekümmert um menschlich-allzumenschliches Geschwätz ihn als Heros verehrt.
IV. Gesamtcharakteristik der Kunst des Sophokles. Aus den einander kreuzenden ionischen und dorischen Einflüssen, die für uns durch die Namen Phrynichos und Pratinas repräsentiert werden, hatte Aischylos durch die gewaltsame Herbheit in Wortwahl, Wortbildung und Satzfügung den tragischen Stil geschaffen. S. schließt sich — nach seinem eigenen Ausspruche, vgl. v. Wilamowitz Herm. XL 150f. — anfänglich der Art des Begründers an, bis er allmählich seinen eigenen Kunstcharakter ausbildet. So weicht die in jeder beginnlichen Zeit notwendig rauhe Fügung des Aischylos der ἁρμονία
Nietzsche hat mit Recht die Entstehung und Entfaltung der Tragödie auf die Vereinigung des Dionysischen und Apollinischen als auf ein Urphänomen zurückgeführt. Weil er aber, von Wagner ausgehend, diese ungeheuere Einsicht sich am Aischylos gebildet hat, so überwiegt in seiner Beschreibung der Tragödie das Dionysische, indem es dort bis in die sprachlichen Einzelheiten sich hinabsenkt. Umgekehrt läßt sich die Sprache des S. am ersten der apollinischen Klarheit Homers vergleichen, wie es schon die Alten getan haben, während das Dionysische bei ihm in die Gesamtgestaltung eingeschlossen ist. Denn es liegt — wie Hölderlin sagt — ,in dem faktischen Worte, das, mehr Zusammenhang als ausgesprochen, schicksalsweise vom Anfang bis zu Ende gehet, in der Art des Hergangs, in der Gruppierung der Personen gegeneinander, und in der Vernunftform, die sich in der furchtbaren Muße einer tragischen Zeit bildet‘. Solche Spannung zwischen der plastischen Helle des Wortes und der dunklen Glut des Geschehens ist die Form, in der S. die Vereinigung der göttlichen Gewalten vollzieht. Um diese Spannuug aufrechtzuerhalten, mußte Hölderlin in seinen Übersetzungen das Wort dionysischer gestalten, weil der Gesamtverlauf, losgelöst vom Dionysosfeste und herübergetragen in das 18. Jhdt, eine andere Bedeutung erhielt. Seit der Zeit Goethes und Hölderlins ist der Sinn für die
Ein ähnliches Verhältnis wie zwischen der monologhaften Sprache des älteren und der aus dem Dialog geborenen des jüngeren Dichters hat auch zwischen ihren Gestalten statt. Aischylos als Rufer der Götter, als Wiedererwecker der Helden, als Schöpfer des neuen Menschen erfüllte Staat und Volk mit heroischem Geiste, ohne den das schöne Leben nicht aufblühen kann. Aber selbst dieses, jedes Maß übersteigende Werk wurde wiederum zur Stufe, auf der ein zweiter Göttersohn sich weiter emporschwang, indem er das möglich gewordene in Person und Werk darstellend vollendete. Denn noch galt es, eines zu überwinden, was alle aischyleischen Gestalten schicksalhaft umfangen hält: die Einsamkeit. In sich selbst beruhend, aber eines dem andern fremd sprechen, tun und leiden jene mit der rätselhaften Herbe, die wir an den frühzeitlichen Bildwerken gewahr werden. Kein liebendes Zueinanderneigen verbindet die Nächstverwandten: zwischen Okeanos und Prometheus oder Orest und Elektra ist keine Gemeinschaft als die des Ursprungs und des Schicksals, zu schweigen von der schlimmeren Verödung um Agamemnon, um Eteokles und den nur noch bei Göttern Schutz [1094] findenden Orest der Eumeniden. Doch ist hier kein Mangel. Des Aischylos Amt war die Begrenzung des heiligen Bezirkes, in dem glücklichere Erben den versöhnten Göttern die Tempel bauen und eine liebende Jugend die Seligen und sich selbst feiern sollte. Diese Einsamkeit, dieses Für-sich-sein ist nun bei S. überwunden. Selbst die Träger der entsetzlichsten Schicksale, wie Herakles, Antigone, Oidipus — der Aias steht der Weise des Aischylos näher — sind keine ‚uralten Riesengestalten‘ öder Wildnis, sondern leben unter und mit den Menschen, oder leiden, wie Philoktet, an ihrer Verlassenheit. Daß sich hier der Gesamtzustand des athenischen Lebens spiegelt, kann dem nicht zweifelhaft sein, der das Dasein und Schicksal des Themistokles mit dem Lebensablaufe des Perikles vergleicht, oder die älteren Akropolisgiebel mit dem Relief- und Giebelschmuck des Pheidias.
Aber S. war nicht nur ein Fortbilder des älteren, sondern auch der Hüter des von ihm selbst zur Reife geführten Stiles, und damit — denn die Tragödie war und blieb Staatsangelegenheit — des Lebens überhaupt. Wiewohl er von Euripides und dem neuen Dithyrambos in Silbenmaß und technischen Einzelheiten manches übernommen hat, den Kunst und Staat zersetzenden Tendenzen der Sophistik hat er keinen Einfluß auf sein Werk zugestanden. Kein Zweifel, daß des Euripides Leben und Werk seine verhängnisvolle Wendung genommen hat, weil S. die Götter ins Dasein gebannt hielt und dem Mitstrebenden den Weg der Ratio im Glauben und damit in der Kunst verbaute. Nicht aber hinderte die agonale Eris, daß S. dem wenige Monate vor seinem eigenen Ausgange abgeschiedenen Gegner vor dem Gotte und der Stadt eine letzte Huldigung erwies, indem er, selbst schwarz gekleidet, den Chor ohne Kranz einziehen ließ.
Mit dem Tode des S. ist die klassische Zeit des Gleichgewichtes aller Kräfte endgültig abgeschlossen. Platon kann sein neues Bild des Menschen nicht mehr im Einklange mit dem bestehenden Staate verwirklichen, und sein Geist muß schon aus einem Jenseits die Richte herabrufen, weil die Götter nicht mehr gegenwärtig genug waren, um das irdische Leben gestaltenträchtig zu erhalten. Solche Götterdämmerung vorauswissend wiederholt der Chor im letzten Werke des S. den uralten Volksspruch, der für Hölderlin und Nietzsche Symbol der alle Zeiten durchlaufenden geheimen Melancholie des Griechentumes war:
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