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Schmuggel – Historisches Lexikon
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Schmuggel

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Autor: Markus Burgmeier | Stand: 31.12.2011

Unter Schmuggel (auch Schleichhandel, Schwärzerei) versteht man die Beförderung von Waren über die Grenze unter Verletzung der Zollvorschriften. Schmuggel entwickelt sich häufig, wenn der Grenzverkehr durch staatliche Verbote behindert und besonders durch hohe Zölle oder Verbrauchssteuern belastet wird. Durch den Schmuggel sollen Zollabgaben eingespart und Einnahmequellen erschlossen werden. Zum Schmuggel zählt im weiteren Sinne auch der illegale Transport von Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten über die Grenze.

Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Liechtenstein keine bewachten Grenzübergänge. Die Zoll- und Weggeldstationen (Balzers, Nendeln, Bendern, Rofaberg/Gemeinde Eschen und Ruggell) erfassten den Warenverkehr von und nach Vorarlberg und in die benachbarte Schweiz. In den liechtensteinischen Wäldern und Gebirgen hatten der herrschaftliche Jäger und die Forstbediensteten nach Schmugglern Ausschau zu halten und sie anzuzeigen. Für das heutige liechtensteinische Gebiet sind seit dem späten 16. Jahrhundert zahlreiche Schmuggelfälle aktenkundig; dabei ging es u.a. um illegalen Warentransport über den Rhein, Gebührenverweigerung bei Materialtransporten aus Feldkirch und von Graubünden her sowie unvollständige oder falsch deklarierte Frachtbriefe. Geschmuggelt wurden in erster Linie Nutztiere (Pferde, Schafe, Kühe), Salz, Kartoffeln, Früchte und Getreide. Als Strafe bei Zollbetrug nennt die liechtensteinische Polizeiordnung von 1732 die Beschlagnahmung der Schmuggelware. Während der Koalitionskriege nahm der Schmuggel wegen der Ausfuhrsperre zu, worauf das Oberamt 1795 und 1796 die Strafandrohungen von 1732 mittels Dekreten verschärfte (zusätzliche Geldstrafen, Beschlagnahmung von Pferden und Wagen, Strafen an «Leib und Gut»). Das Dekret von 1796 sprach überdies derjenigen Person, die einen Zollbetrüger anzeigte, die Hälfte der konfiszierten Ware zu.

Aufgrund der zollpolitisch isolierten Lage Liechtensteins zwischen 1806 und 1852 verstärkte sich der Schmuggel der liechtensteinischen Bevölkerung nach Österreich und in die Schweiz. Nach dem Zustandekommen der Zollunion mit Österreich 1852 konzentrierte sich der Schmuggel auf die Schweizer Grenze. 1853 übernahm Liechtenstein eine österreichische Verordnung gegen den Schmuggel, die den Behörden die Möglichkeit gab, verdächtige Personen unter polizeilicher Aufsicht zu stellen, mit nächtlichen Ausgehverbot zu belegen und Haussuchungen zu veranlassen.

Die Abschottung der Grenzen im Ersten Weltkrieg (1916) führte in Liechtenstein zu Arbeitslosigkeit. Auch Rohstoffe und Lebensmittel wurden knapp, denn die Schweiz stellte auf Druck der Alliierten ihre Lebensmittelexporte nach Liechtenstein ein. Der Schmuggel ermöglichte eine teilweise Linderung der wirtschaftlichen Not. Ab Ende 1918 etablierte sich ein Schleichhandel mit Lebensmitteln (v.a. Butter, Käse, Obst, Branntwein, Wurst und sonstigen Fleischwaren) aus Vorarlberg nach Liechtenstein, die später auf dem Vorarlberger Markt als «liechtensteinische Ware» zu erhöhten Preisen wieder verkauft wurden. Der Schmuggel erreichte nach dem Kriegsende 1918 seinen Höhepunkt, als der Zusammenbruch Österreich-Ungarns zu einer Schwächung der Grenzbewachung führte. Zentren des Schmuggels waren Balzers und Triesen im Oberland sowie Ruggell und Schellenberg im Unterland.

Der illegale Warenhandel über die schweizerisch-liechtensteinische Grenze endete zunächst mit dem Zollanschluss an die Schweiz 1924. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden z.B. von Balzers Wolldecken, Kleider, Feldstecher und landwirtschaftliche Geräte über die Sankt Luzisteig in die Schweiz geschmuggelt. Von der Schweiz nach Liechtenstein gelangten hauptsächlich Saccharin, Zucker, Zigarren, Gummiartikel, Kaffee und Petroleum. Die Rationierung von Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs während des Zweiten Weltkriegs brachte, v.a. durch die zeitlich befristete Schliessung der Rheinbrücken, erneut illegale Handelstätigkeiten zwischen Liechtenstein und der Schweiz mit sich. Ins Deutsche Reich wurde ebenfalls geschmuggelt, wenn auch nicht mehr im Ausmass wie im Ersten Weltkrieg. Vor dem Zweiten Weltkrieg und teils noch während des Kriegs brachte man jüdische Flüchtlinge nachts von Vorarlberg über die grüne Grenze nach Liechtenstein und weiter in die Schweiz. Zudem wurde durch Liechtenstein Spionagematerial geschmuggelt, v.a. zugunsten des Dritten Reichs. Vor dem Kriegsende nahmen auch Personen des österreichischen Widerstands heimlich den Weg über Liechtenstein.

Dass Schmuggeln nicht ungefährlich war, zeigen verschiedene tödliche Unfälle auf dem Rhein sowie der Fall eines Triesner Schmugglers, der 1918 von einem Schweizer Grenzwächter durch einen Schuss tödlich verwundet wurde.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, v.a. aber mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts stiess der Schmuggel an der liechtensteinisch-schweizerisch-österreichischen Grenze in neue Dimensionen vor: Zum einen stieg die Zahl der Personen, die illegal nach Liechtenstein oder über Liechtenstein in die Schweiz einreisten; sie stammten zumeist aus osteuropäischen Ländern. Zum anderen entdeckten die Grenzbeamten immer mehr gefälschte Dokumente, Drogen, Zigaretten, Waffen, Geld und Kulturgüter, welche über Liechtenstein und die Schweiz weiterverschoben werden sollten, was für beide Länder eine Belastung der Beziehungen zur EU darstellte.

Das von Liechtenstein am 28.2.2008 unterzeichnete und am 19.12.2011 in Kraft getretene Schengen/Dublin-Abkommen beseitigt die Personen-Grenzkontrollen unter den Mitgliedsstaaten (→ Zollwesen). Schmuggel und andere illegale Machenschaften sollen unter Offenhaltung der Grenze zur Schweiz durch geeignete Massnahmen verhindert werden.

Archive

  • Liechtensteinisches Landesarchiv, Vaduz (LI LA).

Quellen

Literatur

Zitierweise

Markus Burgmeier, «Schmuggel», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: https://historisches-lexikon.li/Schmuggel, abgerufen am 15.6.2024.

Medien

Triesner Schmuggler auf Pontons im Ersten Weltkrieg, um 1916 (LI LA, Sammlung Erich Goop). Von links: Jakob Heidegger, Emil Bargetze («Adler»-Wirt), Albert Heidegger, Robert Kindle. Jakob Heidegger wurde am 7.3.1918 beim Schmuggeln angeschossen und verstarb später an den Folgen dieser Verletzung.