Von Christen ermordet, weil sie Philosophin blieb

Katharina von Alexandria gab es nie – aber Hypatia!

Veröffentlicht am 25.11.2023 um 12:00 Uhr – Von Carina Adams – Lesedauer: 

Bonn ‐ Eine intelligente, kluge und gebildete Frau, die für ihre Überzeugung eintrat und sich nicht einschüchtern ließ. Das begeisterte Redakteurin Carina Adams an ihrer Namenspatronin Katharina von Alexandria. Aber dann machte sie eine schockierende Entdeckung.

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Auf brutalste Weise für ihre Überzeugung ermordet. Das war für mich bisher die Geschichte meiner Namenspatronin Katharina von Alexandria. Bei der Recherche für ein Video zu meinen liebsten Heiligen gab es dann ein böses Erwachen: Die Heilige hat es wahrscheinlich nie gegeben! Aber noch schlimmer: Als Vorbild für sie galt wohl auch eine junge, gebildete Frau, die wegen ihrer Überzeugung getötet wurde – aber von Christen.

Hypatia von Alexandria galt, wie es in vielen Legenden sonst von Katharina heißt, als äußert intelligent und schön. Sie wurde vermutlich um 355 in der antiken Metropole geboren. Ihr Vater war der Leiter des Museion der Stadt, einer prominenten Philosophenschule, zu der auch die weltberühmte Bibliothek von Alexandria gehörte. So hatte Hypatia die Chance auf eine umfangreiche Ausbildung. Auch wenn die Quellenlage um sie schwierig ist, gilt sie als Mathematikerin, Astronomin und Philosophin. Und mit ihrer neuplatonischen Lehre, die sie lange als angesehene Bürgerin Alexandrias unterrichten konnte, gehörte sie zu einer Minderheit in einer zunehmend christlichen Gesellschaft.   

Bibliothek von Alexandria (Symbolbild)
Bild: ©adobestock/Amith (Symbolbild)

So könnte die weltberühmte Bibliothek von Alexandria im Innern ausgesehen haben. Falls es sie zu Hypatias Lebzeiten noch gab, hat die Philosophin hier bestimmt zahlreiche Bücher gelesen.

Die ägyptische Metropole hatte sich im vierten Jahrhundert immer mehr zu einem Zentrum christlicher Theologie entwickelt. So wurde auch das Amt des Patriarchen immer bedeutsamer. Hypatia war für die damalige Zeit bereits im hohen Alter, als 412 Kyrill der neue Patriarch von Alexandria wurde. Doch immer mehr entwickelte sich auch Konstantinopel zu einer Großmacht in weltpolitischen und religiösen Fragen. Immer öfter kam es zum Streit zwischen den beiden Städten, ihren kirchlichen Oberhäuptern und Theologen. Der Streit verschärfte sich in der Frage um die zwei Naturen Jesu, also inwiefern Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch war.

Die Erzählung um Kyrill ist wie so oft eine, in der der Sieger die Geschichte schrieb. Denn die Lösung dieser Streitigkeit auf dem Konzil von Ephesos (431) war keine rein theologische Diskussion. Kyrill setzte sich impulsiv, geschickt und teilweise sogar brutal gegenüber seinen kirchenpolitischen Gegnern durch.

Dafür musste Kyrill aber zunächst seine Macht in der eigenen Stadt ausbauen. Der Patriarch ließ die Kirchen schismatischer Gruppen plündern und die blutigen Judenpogrome während seiner Amtszeit beendeten die jahrhundertealte jüdische Präsenz in Alexandrien. Den größten Ärger bereiteten ihm aber die Neuplatoniker. Denn noch hatte die Philosophenschule von Alexandria, an der auch Hypatia lehrte, großes gesellschaftliches Ansehen.

Das Fresko "die Schule von Athen" von Raffael zeigt die Philosophen der griechischen Antike.
Bild: ©picture-alliance / akg-images

Im Fresko "Die Schule von Athen" stehen Platon (links) und Aristoteles in der Mitte. Hypatia galt als außergewöhnliche Kennerin beider Lehren.

Die Philosophin weigerte sich, das Christentum anzunehmen. Schon Kyrills Vorgänger im Patriarchenamt hatte den ohnehin schwelenden und oftmals blutig ausgetragenen Konflikt zwischen den Anhängern der "neuen Religion" gegenüber den seit Jahrhunderten dort lehrenden Vertretern der antiken Philosophie verschärft. In dieser sich immer weiter zuspitzenden Konfliktsituation zwischen Christen und Anhängern der alten Götter wurde schließlich auch die hochangesehene Hypatia zur Zielscheibe.

Oberster Vertreter der Staatsmacht war damals Orestes, der zwar selbst Christ war, sich aber für den politischen Frieden in der Stadt einsetzte. Für den militanten Kyrill war das keine Option und so verbreitete er das Gerücht, Orestes würde durch Hypatia negativ beeinflusst. Eine Gruppe christlicher Fanatiker nahm die betagte Philosophin daraufhin gefangen und brachte sie ausgerechnet in eine Kirche.

Der Kirchengeschichte des Sokrates von Konstantinopel zufolge wurde die Philosophin dort vom Mob gesteinigt und ihr Leichnam in Stücke gerissen. Ein weiterer Geschichtsschreiber, Bischof Johannes von Nikiu, berichtet von einer anderen Tötungsweise in den Straßen der Stadt. Er rechtfertigt den Tod Hypatias, indem er ihren Einfluss auf Orestes als "Zauberei" bezeichnet – und schlägt sich damit auf die Seite Kyrills.

Katharina von Alexandrien auf einem Caravaggio-Gemälde
Bild: ©picture alliance/akg-images

Während Hypatia in Vergessenheit geriet, übernahm Katharina. Hier ist sie wie üblich mit dem gebrochenen Rad abgebildet, das ihr Folterwerkzeug gewesen sein soll.

Obwohl Hypatia zu Lebzeiten nicht nur großen Einfluss in Alexandria, sondern auch weit über die Grenzen der Stadt genoss, geriet sie nach ihrem Tod bei der Bevölkerung schnell in Vergessenheit. Stattdessen übernahm die Legende der heiligen Katharina von Alexandria. Angeblich überzeugte sie in einer Diskussion mit den größten Philosophen ihrer Zeit allesamt derart, dass sich diese zum Christentum bekehrten. In anderen Erzählungen soll sie direkt zum Kaiser gegangen sein und ihm von der Ausrichtung der Festakte für die griechischen Götter abgeraten haben. Ob es nun Überzeugungskraft oder ein Widerspruch gegenüber den Mächtigen war, genau wie bei ihrer Vorlage Hypatia wurde auch Katharina der Legende nach zu Tode gefoltert. Heute finden sich in zahlreichen Kirchen Darstellungen der Heiligen, immer erkennbar an dem Rad, dass sie angeblich bei ihrer Folterung zerbrach.

Schon im Mittelalter gab es Zweifel daran, ob Katharina von Alexandria je existiert hatte. Eine Zeit lang flog sie sogar aus dem Allgemeinen Römischen Kalender, wurde aber wegen ihrer Beliebtheit bei den Gläubigen mittlerweile wieder hinzugefügt. Wegen ihrer angeblichen Gelehrsamkeit, die schließlich auch zu Hypatia passt, wurde die Heilige zur Patronin vieler katholischer Bildungseinrichtungen. Ihr Namenstag ist der 25. November.

Während ein Blick hinter die Kulissen der Heiligenlegende zunächst schockierend ist, bleibt doch die Vorbildfunktion, die Katharina für mich immer hatte, bestehen. Ob Hypatia oder Katharina – was bleibt ist eine intelligente, gebildete Frau, die für ihre Überzeugung eintrat und sich nicht einschüchtern ließ.

Von Carina Adams

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